Atrocity
Ein One Take ist immer dabei!
Special
Jetzt erscheint mit “Okkult III” die letzte Folge einer Konzept-Trilogie, die bis ins Detail durchdacht ist. Schon mit dem Opener “Desecration Of God” wird ein Versprechen eingelöst: Death Metal wurde bestellt, Death Metal wird geliefert. Nach einem unheilvollen Intro, das wunderbar als Soundtrack für Horrorstreifen à la “Das Omen” passen würde, werde ich beinah aus der Ledercouch gerissen, so unvermittelt und mächtig setzt der Track ein. Was folgt ist ein Double-Bass-Massaker und heulende Gitarren. Am liebsten würde ich schon jetzt den beiden Saitenhexern um den Hals fallen. Das zweite Stück “Fire Ignites” setzt nahtlos an das Gemetzel an und ich gehe im Kopf einzelne Passagen für diesen Text durch, bleibe aber irgendwie an dem Mantra “Drums, Drums, Drums” hängen. Alex Krull stellt nach dem Songfinale die rhetorische Frage: “Ein guter Start?”, kann sich ein spitzbübisches Lächeln dabei aber nicht verkneifen. Die einstimmige Antwort muss er vorausgesehen haben.
Was folgt sind Stücke, die nicht bloß brachialen Death Metal transportieren, sondern wahrhafte Geschichten verarbeiten. Krull nutzt die Pausen immer wieder, um ein paar Worte zum jeweiligen Track oder eine Anekdote zu erzählen. So zum Beispiel zu “Born To Kill”, das vom ersten Weltkrieg handelt und für das auch ein Video-Clip produziert wurde. Man habe allerdings darauf geachtet, das stereotype Bild deutscher Soldaten nicht allzu sehr in den Fokus zu setzen und damit nicht für unangemessene Assoziationen zu sorgen. Die Band musste sich einst Vorwürfen, sie gehöre dem rechten Lager an stellen, weil sie deutsche Texte verwendete, als das noch nicht gesellschaftsfähig war. Damals zertrümmerte Krull während einiger Auftritte ein Hakenkreuz auf der Bühne. Nichtsdestotrotz berichtet er mit verschmitztem Blick, dass im “Born To Kill”-Video “der ein oder andere schon so ein Helmchen auf hat”. Man darf gespannt sein.
Mehr Death Metal geht beim folgenden “Bleeding For Blasphemy” nicht und das sehen außer Mastermind Krull alle Anwesenden genauso. Langweilig wird es während dieser Listening-Session zu keiner Sekunde. Das liegt einerseits an der dargebotenen Musik, die mit Deutsch-Englischen Lyrics (“Priest Of Plague”) ebenso funktioniert, wie mit liebevoll zusammengetragenen Sagen und Mythen. “Lycanthropia” ist so eine Nummer. In dem Lied wird die Geschichte von Peter Stubbe erzählt, der in ein Wolfsfell gehüllt, zum mittelalterlichen Massenmörder mutierte und letztlich in einem Werwolfprozess für schuldig erklärt und zum Tode verurteil wurde. Spontan beginne ich zu fabulieren, würde am liebsten blindlings den Knoten in meinen Haaren lösen und wild drauflos bangen, entsinne mich aber schnell wieder, dass dadurch der professionelle Rahmen dieser Veranstaltung schnell gesprengt sein würde.
“Das Herzstück der Platte stellt “Malicious Sukkubus” dar”, erklärt Krull zwischenzeitlich. Die darauf zu hörenden Stimmen von Elina Siirala (LEAVES‘ EYES, Krulls zweiter Band) und Zoë Marie Federoff (CRADLE OF FILTH) gehen unter die Haut. Der Song selbst bildet im ersten Moment ein atmosphärisches Gegengewicht zum bisher gehörten Material und tariert die Platte damit wunderbar aus.
Später erzählt Krull, dass die Arbeiten an “Okkult III” fast zwei Jahre in Anspruch genommen haben, weil die Band viel probiert hat. “Wir alle durchleben gerade sehr wechselhafte Zeiten. Wir konnten gar nicht wirklich damit rechnen, wann die Platte schließlich erscheinen wird. Die Zeit haben wir dann halt genutzt, die Songs dazu hatten wir ja. Es war eben wie bei einem guten Wein und hat ein bisschen Zeit gebraucht.”
Für “Faces From Beyond” wurde auch ein Video abgedreht, Micki Richter dazu: “Um die Gitarren einzuspielen, musste ich wirklich bis ans machbare Limit gehen.” Und in der Tat sprudelt der Song an vielen Stellen vor Virtuosität, die aber wohl nur den Ohren eines Gitarristen vorbehalten ist. Insgesamt fällt das fein abgestimmte Mastering auf, dass jedem Akteur seine Momente zugesteht, dabei aber nie in Ego-Gefrickel ausufert. Aus dem Augenwinkel sehe ich immer wieder, wie Alex Krull euphorisch mitswingt und bei bestimmten Momenten auch mal die imaginären Sticks der Air-Drums wirbelt. Wenn es um die Veröffentlichung seiner Musik geht, könnte der Mann eigentlich super souverän sein, an die er letzten Endes auch als Produzent selbst Hand angelegt hat. Stattdessen würde es mich nicht überrascht haben, wenn er die Songs heute das erste Mal gehört hätte, so mitreißend ist seine Freude.
“Okkult III” ist das mittlerweile elfte Studioalbum in der Geschichte der Band und – das lässt sich auch nach dem ersten Hören bestätigen – stellt eine erneute Evolutionstufe im ATROCITY-Vermächtnis dar. Dass sich die Band nie so richtig auf eine musikalische Ausrichtung festlegen wollte, ist vielleicht ein Grund dafür, dass sie bis heute eben nicht in aller Munde ist. Hört man umstrittene Alben wie “Werk 80” oder “Willenskraft”, nachdem die Erstlingswerke “Hallucinations” und “Todessehnsucht” auf dem Plattenteller lagen, wird dieser Umstand immer weniger nachvollziehbar. Dabei hat Alex Krull die musikalischen Taktwechsel gar nicht ohne Vorankündigung eingeläutet, immerhin wurde der brachiale Band-Start mit “Blut”, einem Konzeptalbum zu Krulls transylvanischen Wurzeln, abgemildert.
Das Finale von “Okkult III” läutet die Story eines polnischen Massenmörders ein, der Leichenteile seiner Opfer an die örtlichen Metzger verkauft haben soll. Alex Krull kündigt den dazugehörigen Song “Cypka” schwarzhumoristisch an: “Auf nach Stettin zum Würstelessen.” Mit einem industriellen Paukenschlag (“Teufelsmarsch”) endet “Okkult III” nach über einer Stunde Spielzeit, die mir aber irgendwie viel kürzer vorkam.
Später habe ich noch die Gelegenheit ein paar Wörter mit Alex Krull im Raum nebenan zu wechseln und gestehe ihm, dass ich seinerzeit ziemlich auf “Todessehnsucht” abgefahren bin und mir “Okkult III” deshalb am besten in den härteren Death-Metal-Momenten gefallen hat. Dadurch, dass Krull das Album selbst gemischt und gemastert hat, bestätigt er zwar die Annahme, dass man es nach dem damit verbundenen, x-fachen Abhören eigentlich nicht mehr hören kann. “Das war bei dieser Platte aber gar nicht so”, widerlegt er diese allgemein gehaltene These dann aber doch noch. “Die Produktion ist so fett und saftig. Du weißt schon, nicht dieses Klinische. Der natürliche Klang mit den fetten Gitarren, dem pumpenden Bass und den peitschenden Drums war uns extrem wichtig.”
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Stile | Darkwave, Death Metal, Elektro, Gothic, Technical Death Metal |
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