metal.de-Redaktion
Durch die Lappen gegangen 1/2023
Special
Und Schwupps! ist auch schon wieder ein Vierteljahr vorüber. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht. Zwischenzeitlich haben METALLICA ein neues Album veröffentlicht, entsprechend darf sich auch schon wieder das Maul über Sinn und Unsinn eines neuen Albums der Thrash-Urgesteine gestritten werden. Also alles beim Alten. Ebenfalls unverändert: Es segeln immer noch eine Menge an großartigen Perlen unter dem Radar durch. Jedes Jahr scheint es, als wollten sich manche Bands darin überbieten, ein großartiges Juwel nach dem anderen zu produzieren, nur um dieses dann geschickt an unserer Aufmerksamkeit vorbei zu manövrieren.
Wir können sie natürlich nicht alle besprechen, aber wir können zumindest versuchen, einigen von ihnen noch einmal eine verdiente Chance im Rampenlicht zu geben. Im folgenden also unsere durch die Lappen gegangenen Releases des ersten Quartals 2023 in unbestimmter Reihenfolge. Wir möchten euch natürlich die Navigation erleichtern und haben euch daher untenstehend Verweise auf die einzelnen Beiträge eingerichtet, aber fühlt euch frei, euch nach Lust und Laune durchzuklicken.
Mit dabei sind Vertreter aus den Bereichen Power Metal, Tech-Death, Avantgarde, Elektro und … Mittelalter-Black Metal?? Na dann: Let’s go!
GOROD – The Orb
ZA! – Za! & La Transmegacobla
SMALLPOX AROMA – Festering Embryos Of Logical Corruption
VANISH – A Hint Of Solace
HOT GRAVES – Plaguewielder
COSMIC GROUND – Entropy
LAMP OF MURMUUR – Saturnian Bloodstorm
BIG|BRAVE – Nature Morte
PYRAMID MASS – Monolith
LITURGY – 93696
¡PENDEJO! – Volcán
CURTA’N WALL – Siege Ubsessed
POIL UEDA – Poil Ueda
GOROD – The Orb
Die von Vorredner Eckart so treffend und knuffig als Frickel-Hohepriester titulierten Franzosen GOROD haben im Frühjahr 2023 wieder ein vortreffliches Album voller duellierender Riffakrobatik und Knackens namens „The Orb“ veröffentlicht, das fünf Jahre nach „Æthra“ die schwere Aufgabe hat, dieses würdig zu beerben. Doch die Herrschaften aus Bordeaux haben die Herausforderung gemeistert und dem 2018er Werk einen mindestens ebenbürtigen Nachfolger zur Seite gestellt, der wieder entfesselte Griffbretthexerei eingebettet in abwechslungsreiche, auf den Punkt geschriebene Tech-Death-Tracks enthält und uns mit all seiner Pracht bedauerlicherweise durch die Lappen gegangen ist.
Dabei kann man sich auch wieder blind darauf verlassen, dass GOROD die Nackenmuskulatur angemessen beanspruchen, sei es im heftig bollernden Opener „Chrematheism“, dem flinken Folge-Track „We Are The Sun Gods“ oder dem noch agileren „Victory“. Dazu haben die Franzosen immer irgendein Ass im Ärmel, um ihre Songs nicht zu trocken zu gestalten und die Intensität ihres Sounds gewinnbringend aufzubrechen. Seltene Clean Vocals bekommt man im THE DOORS-Cover „Strange Days“ zu hören, das GOROD selbstverständlich in ein Tech-Death-Feuerwerk umgemünzt haben. Im Grunde haben die Jungs hier wieder einmal ein Rundum-Sorglos-Paket für Frickel-Fans geschaffen, das man nicht verpassen sollte.
ZA! – Za! & La Transmegacobla
Das spanische Avantgarde-Duo ZA! veröffentlicht endlich ein neues Album und das ist für Fans kreativer Rock-Musik ein Grund zum Jubeln. Schließlich ist das die gleiche Band, die auf „Loloismo“ etwa schon mal mit Fangesängen beim Fußball experimentiert hat. Genau genommen hat es seit „Pachinko Plex“ fünf Jahre gedauert, bis nun endlich das neue Album „Za! & Transmegacobla“ vorliegt. Und der Name ist Programm, schließlich haben sich ZA! zu den Aufnahmen noch ein traditionell spanisches Bläserensemble, genannt MEGACOBLA, sowie die zwei Stimmen hinter dem Folk-Duo TARTA RELENA verstärken lassen, mit denen sie zusammen ihren rockig eklektischen Sound irgendwo zwischen punkigem Rock und diversen, weltmusikalischen Einflüssen rund um den Mittelmeerraum abfeiern.
Feiern ist für ZA! sowieso der richtige Begriff, ist die Musik der Spanier meist im peppigeren Bereich beheimatet und befasst sich heuer vor allem mit phönizischen Folk-Elementen, sodass es auch vermehrt Einflüsse aus dem nordafrikanischen bzw. vorderasiatischen Raum gibt. Der Kitt dazwischen ist aber der gewohnt spontane, schweißtreibende Rock, der seinen Hörern mühelos krumme Takte und polyrhythmische Passagen unterjubelt, ohne es zu offensichtlich zu machen. Weitere täuschend simple Kniffe wie das impulsive Accelerando im Mittelteil von „La Gnaoua De Yishma Qala!“ zeugen von der schieren Energie gleichwie der unglaublichen Virtuosität hinter dieser Veröffentlichung. Sollte man unbedingt nachholen.
SMALLPOX AROMA – Festering Embryos Of Logical Corruption
Da hat sich unter der Review vom neuen ROTTEN SOUND-Album „Apocalypse“ von Kollege Olbrich doch tatsächlich jemand über die kurze Spielzeit des Albums beschwert. Dabei ist das Genre Grindcore doch gemacht für kurze, heftige Hassbatzen, die wie ein Orkan alles in den heimischen vier Wänden in Schutt und Asche legen, nur um dann unter Verweigerung weiterer Elaboration wieder zu verschwinden. Nun, wem auch immer das sauer aufgestoßen ist … der-/diejenige wird es mit der neuen Platte „Festering Embryos Of Logical Corruption“ der thailändischen Grindcore-Rasierer SMALLPOX AROMA noch schwieriger haben. Die lassen ihren Hassbatzen nämlich schon nach siebzehneinhalb Minuten erstmalig über die Zielgerade krachen.
Und wenig überraschend geschieht das mit einer derartigen Aggression, dass der Kalk von den Wänden rieselt. SMALLPOX AROMA halten sich bei ihren Songs recht knapp, allerdings auch nicht zu kurz. Man hat schon das Gefühl, dass hier durchaus „Songs“ bei rausgekommen sind, und nicht einfach nur Urschrei-Fragmente. Im Gegensatz zu den Singapurer Kollegen WORMROT, die zuletzt auf „Hiss“ jede Menge Experimentierfreude zeigten, bleiben SMALLPOX AROMA allerdings bei ihren Grindcore-Leisten und liefern ein ziemlich gediegenes Werk, das lieber feste Ärsche tritt, anstatt sich mit eklektischen Experimenten aufzuhalten. Aber warum sollte man sich beschweren, wenn das Ergebnis einfach so geil ist?
VANISH – A Hint Of Solace
Die schwäbischen Power Metaller VANISH haben sich seit ihrem letzten Vollzeitalbum „The Insanity Abstract“ ganze fünf Jahre Zeit gelassen, bevor 2023 endlich mit „A Hint Of Solace“ endlich neues Material das Licht der Welt erblicken sollte. Klar, es gab zwischendrin noch die EP „Altered Insanity“, aber das war ja mehr ein Häppchen für zwischendurch, bei dem die Herren einige ihrer bis dahin veröffentlichten Songs noch einmal mit freundlicher Unterstützung mehrerer GastsängerInnen, darunter Tim „Ripper“ Owens, neu aufgelegt haben.
„A Hint Of Solace“ ist genau das, was man von VANISH erwarten kann. Man bekommt kraftvollen, mit Bombast unterfütterten Power Metal mit einer progressiven Note, die selten zu sehr hervorsticht sondern mehr als sinnvoll und bedächtig eingesetzte Würze dient. Bastian Roses Stimmorgan hat etwas an Alter gewonnen, was seiner Darbietung umso mehr Gravitas verleiht. Der schon auf „Altered Insanity“ als unterstützender Brüllwürfel vorgestellte Gitarrist Ben Galstner scheint ebenfalls wieder ein paar Einsätze zu haben. Insgesamt ist „A Hint Of Solace“ ein Album für die hymnenverwöhnte Power-Metal-Meute, das wir zu Rezensieren verpasst haben, dass Hörer mit Fabile für große Melodien und noch größere Refrains aber definitiv antesten sollten!
HOT GRAVES – Plaguewielder
Mal ehrlich: Was stellt man sich unter dem Namen HOT GRAVES vor? Irgendwie kommt meine Vorstellungskraft da an ihre Grenzen. Die Floridianer jedenfalls bezeichnen sich laut Kurzbeschreibung auf Bandcamp als die „Knights In White Phosphorus“, es gibt also durchaus misanthropische Züge hierhinter; gleichzeitig lässt der Spruch „D-BEAT DEATHRASH DRUNKING [sic] METAL PUNKS FOREVER“ darauf deuten, dass man sich nicht zu ernst nimmt. Was jedoch glücklicherweise recht einschlägig daher kommt, ist der Sound ihres dritten Full-Length-Albums „Plaguewielder“. Sagen wir es so: Wer melodischen Death Thrash mit Ideen der Göteborger Schule und Black-Metal-Würze sucht, wird hier definitiv mehr als fündig und mit „Plaguewielder“ auch garantiert glücklich.
Der Sound ist allererste Sahne, bestens produziert und doch ausreichend unterkühlt, um die schwarzmetallische Würze hierhinter glaubhaft zu verkaufen. Sänger Myk Colby hat ein paar fiese Shrieks in petto, die sich hörbar im markigen Sound wohlfühlen und Cuts wie „Temple Compromised“ bestens veredeln. Dazu gibt es einfach so viele großartige Hooks, an denen HOT GRAVES ihre Hörer immer wieder genüsslich festhaken, als wären wir mitten im Texas Chainsaw Massacre gelandet. „Talk To Me“ ist in dieser Hinsicht ein großartiges Beispiel, ebenso „View From The Gallows“, doch es gibt noch mehr zu entdecken. „Baptized In Brimstone“ beginnt zum Beispiel wie ein Song, den GHOST um die „Meliora“-Ära herum hätten aufnehmen können, bevor der arschtretende Death-Thrash-Zug wieder volle Fahrt aufnimmt. Geil!
COSMIC GROUND – Entropy
Dirk Jan Müller (u. a. ELECTRIC ORANGE, THE HAUSFRAUEN OF DEATH) ist der alleinige Dreh- und Angelpunkt hinter COSMIC GROUND, unter dessen Banner der arbeitswütige Synth-Hexer seit 2014 regelmäßig Alben veröffentlicht – mittlerweile dürften es elf Werke sowie diverse Live- und Demo-Aufnahmen sein, aber möglicherweise gibt es da noch eine Dunkelziffer. 2023 hört das hiesige Album auf den Namen „Entropy“ und sei Uneingeweihten als Ansammlung von elektronischen Klangmalereien vorgestellt, die in dieser Form vermutlich auch aus dem Soundtrack der ursrprünglichen Mass Effect-Trilogie hätten stammen können. Will sagen: Es klingt spacig, weitläufig und ein kleines bisschen cheesy – man höre nur die warmen Melodien, die bei „Equilibrium“ aus dem dichten Klanggeflecht auftauchen.
Aber so ist das mit Science Fiction jenseits des kosmischen/traditionellen Horrors und diverser Dystopien: Der Cheese gehört dazu und kittet die Zukunftsvision geschmackvoll zusammen, Glaubhaftigkeit hin oder her. COSMIC GROUND wandert einmal mehr auf diesem Grat und lässt seine Synthesizer-Magie, die möglicherweise nicht allzu weit von der Berliner Schule entfernt sein könnte, in ihrer vollen Pracht aufblühen. Und so ist auch „Entropy“ eine wunderbare Ansammlung an Klanglandschaften, die den Verstand mit auf eine Reise in die unendlichen weiten Welten des Kosmos mitnimmt und Bilder von unwirklichen Panoramen im Geist entstehen lässt. Also Kopfhörer an, Welt aus und mitkommen.
LAMP OF MURMUUR – Saturnian Bloodstorm
Wenn man bedenkt, welchen Stellenwert die US-amerikanische Black-Metal-Szene mittlerweile international genießt, ist es kein Wunder, dass in ihr Projekte wie LAMP OF MURMUUR florieren, die sich im Gegensatz zu leichter verdaulichen Acts der Marke UADA lieber der untergründigen Seite des Genres widmen. Im Lo-Fi-Black Metal gestartet, hat sich das anonyme Projekt mittlerweile auf Album Nr. 3 deutlich den Klängen der zweiten Welle aus Norwegen angenähert und sich für eine etwas entgegenkommenderen Produktion begeistern lassen.
Nicht falsch verstehen: LAMP OF MURMUUR mag sich von seinen Lo-Fi-Wurzeln distanziert haben, aber das neue Album klingt immer noch ziemlich kalt und abrasiv, so wie es sein muss. Doch das dritte Album zeichnet sich vor allem durch eines aus: „Saturnian Bloodstorm“ atmet eine Menge IMMORTAL, die Melodien klingen episch und überlebensgroß und man möchte besonders zu den im Stechschritt marschierenden triolischen Rhythmen am liebsten freudig im Kreis crabwalken. Das macht „Saturnian Bloodstorm“ also zum idealen Album, um die Zeit bis zum nächsten IMMORTAL- respektive ABBATH-Album zu überbrücken.
BIG|BRAVE – Nature Morte
BIG|BRAVE sind eine Drone-Doom-Band aus Quebec und als solche schon ziemlich schwere Kost, wenn man bedenkt, dass Drone Doom ohnehin nur was für geduldige Hörer ist. Wer die Geduld hier aber aufbringt, entdeckt mit „Nature Morte“, dem fünften Album (sechsten, wenn man die Kollaboration „Leaving None But Small Birds“ mit THE BODY mitzählt) eine ziemlich starke Veröffentlichung, bei der die Kanadier durchaus Einflüsse aus nordamerikanischem Folk einfließen lassen, ohne ihren tonnenschweren Sound damit zu sehr zu verwaschen.
Die meiste Zeit verbringen BIG|BRAVE jedoch damit, entweder alles in Zeitlupe platt zu walzen, was ihnen in die Quere kommt („Carvers, Farriers And Knaves“), oder aber einzelne Klangfragmente bedeutungsschwanger durch den Äther wabern zu lassen („A Parable Of Trusting“). Dabei können die Übergänge zwischen den Modi durchaus fließend sein wie in „The Fable Of Subjugation“. Die meiste Zeit werden sie dabei angeführt von Sängerin Robin Watties kommandierender Präsenz irgendwo zwischen einer zornigen Björk und den manischeren Momenten einer LINGUA IGNOTA. Wer sich also seinen Drone-Fix abholen möchte, ist bei den Kanadiern definitiv nicht an der falschen Adresse gelandet.
PYRAMID MASS – Monolith
Wie lassen sich Black Metal und die verschiedenen Doom-Spielweisen – inklusive Stoner Doom – miteinander verweben? Sicherlich haben sich schon mehrere Bands an diese Frage herangewagt, eine durchaus überzeugende Antwort liefern dieser Tage auch PYRAMID MASS mit „Monolith“ ab. Hier wird stimmungsvoll zwischen Black Metal mit Hang zum Atmosphärischen und rauen SABBATHismen hin- und hergeschaltet, die in ihren schwereren Momenten durchaus in Noise-lastigere Sludge- oder Drone-Eruptionen münden. Das ergibt in gehörter Form tatsächlich Sinn, zumal die präsente Hardcore-Kante hier einiges an Beinarbeit leistet, um den Sound selbstbewusst in die Landschaft zu betonieren und den Hörer damit gleich auch mal zu plätten.
Es wird bei den Herren dabei durchaus auch mal ein bisschen dissonant, ohne den Bogen dahingegend zu sehr zu überspannen. Schön erlebt man das bei „Eyes Wide“ in Aktion, das zudem einen der besten Übergänge der Platte zwischen Raserei und kernigen Doom-Grooves sein eigen nennt. Produktionstechnisch haben es die Herren irgendwie geschafft, den basslastigen Downtuning-Sound der grasaffineren Seite der Zeitlupenfraktion mit den kreischenden Höhen des (wohlproduzierten) Black Metal in Einklang zu bringen und alles dann noch homogen klingen zu lassen. Wie auch immer die Typen das geschafft haben: Das Vollzeitdebüt des Trios gehört definitiv gehört.
LITURGY – 93696
Ah ja, DER neuzeitliche Zankapfel der Metal-Szene hat 2023 ebenfalls ein neues Album herausgebracht. Und siehe da: Auch „93696“ ist voll mit alledem, was der gemeine Metalhead an LITURGY zu hassen liebt. Es ist prätentiös ohne Ende mit seinem Konzept über die Philosophie des Himmels und diverser Anspielungen auf theologische Konzepte jenseits der im Black Metal sonst üblichen Blasphemie, es ist über 80 Minuten lang und es ist in seinen lauteren Momenten durchsetzt mit sakralen Synth-Arrangements und gelegentlichen Glitch-Breaks, dass einem Hören und Sehen zu vergehen vermag. Vermutlich wird Haela Ravenna Hunt-Hendrix‘ Projekt nie irgendeine Form von Konsens in der Szene erzielen.
Aber das ist auch in Ordnung. Wagt man jedenfalls den Blick über den Tellerrand, entdeckt man mit „93696“ ein ziemlich impulsives Album, dessen schwarzmetallische Ausbrüche durchaus was auf dem Kasten haben, wenn man sich mit den etwas kitschigeren Synths anfreunden kann. Dazwischen finden sich immer wieder ruhigere Passagen voller musikalischer Schönheit, vor denen man schon mal in die Knie gehen kann. Bei weitem kein perfektes Album, ist „93696“ jedoch eine Sünde wert, wenn man denn den Hipster-affinen, zweifellos anstrengenden Sound von LITURGY nicht von vornherein ablehnt.
¡PENDEJO! – Volcán
Wer hätte gedacht, dass noch so viel Kampf im Stoner Rock drinsteckt, einem Genre das berüchtigt für seine Anfälligkeit gegen kreative Stagnation ist. Manchmal braucht es eben einen frischen, ungezogenen Impuls, und diesen liefern ¡PENDEJO! aus dem sonnigen *prüft Notizen* Amsterdam auf ihrem neuen Album „Volcán“. Während CLUTCH zuletzt Federn gelassen haben und auch sonst allenfalls nerdige Nischenprodukte aus der teutonischen Szene wie ROTOR mal positiv auffallen, geben die Niederländer um den kolumbischstämmigen Fronter, Sänger und Trompeter El Pastuso richtig Gas und fusionieren den sonnengebadeten, rotznäsigen Mojave-Sound á la FU MANCHU mit den erfrischenden Bläsereinlagen, die natürlich eine Brück zu COOGANS BLUFF schlagen.
Die Lyrics werden ausschließlich in spanisch vorgetragen, die Stimme von El Pastuso ist rau und frech und der Inhalt scheint nicht immer ganz safe for work zu sein. Und die Scheiße ist heavy wie nix Gutes. Sei es bei „No Te Vayas“, das breitbeinig und machohaft durch die Boxen marschiert kommt (inkl. dem großartigen Ausruf „¡No te vayas, cabron!“), oder das ungleich nervösere „El Nuevo Novio“ mit seinen punkigen Zügen und den überraschend großartigen Gesangsharmonien. All das in Kombination macht „Volcán“ mit zum besten Stoner-Erzeugnis der letzten Monate und ¡PENDEJO! im Allgemeinen zum Pflichtprogramm für Druffie-Rocker.
CURTA’N WALL – Siege Ubsessed!
Okay, was ist das für ein alberner Mist? Der 1. April ist doch schon längst vorbei, oder? CURTA’N WALL klingt jedenfalls wie etwas, was sich ein Mr. Hurley zum Narrentag hätte einfallen lassen können: Ein Black-Metal-Album wie auf dem Mittelaltermarkt? Nun, die Idee des vollkommen beabsichtigten Ulks ist gar nicht so weit hergeholt, schließlich steckt Abysmal Specter hierhinter, seines Zeichens Chef-Panda und -Kasper bei OLD NICK. Entsprechend begegnet einem hier auch ein bizarrer Mix aus faux-mittelalterlichen Klängen und Backbeat-lastigem Schwarzmetall, der erstaunlich oft (heißt: mehr als nur einmal im Verlauf der Gesamtspielzeit) in Abwesenheit verzerrter Gitarren dargeboten wird, damit möglicherweise eine Idee ELÄKELÄISET sein eigen nennen könnte.
Wo einem hier das Lachen vergeht, ist, wie bei vielen Projekten von Abysmal Specter, die erschreckend enorme Kompetenz hierhinter. Wenn nicht gerade mittelalterlich wirkende Instrumentals zwischengeschaltet werden, die aus dem Soundtrack von The Elder Scrolls stammen könnten, bekommt man hier amtlich den Pagenschnitt mit Corpsepaint verpasst. Im Gegensatz zu OLD NICK wird bei CURTA’N WALL natürlich deutlich offensichtlicher mit den Augen gezwinkert, aber der Sound wird durch kompetentes Songwriting und nicht zuletzt durch die Hooks getragen, die teilweise durch die Gastsängerin Elvya Dulcimer elfengleich dargeboten werden, nur um den Cheese-Faktor in ungeahnte Höhen zu treiben. Wer sich einen lustigen Nachmittag machen möchte und akzeptieren kann, dass Black Metaller Humor haben können, hört hier rein.
POIL UEDA – Poil Ueda
Zum Abschluss gibt es noch mal was RICHTIG Schräges. Wer den Begriff „Avantgarde“ nicht scheut, sollte sich das Selbstbetitelte Album von POIL UEDA einmal reinziehen. Dabei handelt es sich um eine Zusammenkunft der französischen Avantgarde-Band POIL, die sich mit der japanischen Heike Monogatari-Künstlerin Junko Ueda zusammengetan haben, um ein zweifellos seltsames, faszinierendes Werk auf die Menschheit loszulassen, das den komplexen Rock der Franzosen mit Elementen japanischer Volksmusik und dem (über-)dramatischen Erzählgesang von Ueda zusammenführt.
Wer mit dem Rock der Franzosen schon in Kontakt gekommen ist, in meinem Falle beispielsweise via deren 2018er Kollaboration mit NI, die auf den Namen PINIOL hört (man dürfte an dieser Stelle ein System in der Nomenklatur der Franzosen feststellen), dürfte eine Idee haben, was einen hier abseits der epischen Kriegslyrik von Ueda erwartet. Der Rock ist repetitiv und hat einen enormen Fokus auf Rhythmik, was durch den freizügigen Einsatz von Perkussion verstärkt wird. Polyphonie und Polyrhythmik regieren das Klangbild, das man durchaus als heterogen bezeichnen kann. Aber sowas ähnliches hat ja auch schon bei EXQUIRLA oder ISILDURS BANE funktioniert, warum also nicht auch so? Sollte man wenigstens mal versucht haben.