Kratein
Listening-Session und Kurzinterview zu "Trauma"
Special
KRATEIN dürfte den wenigsten etwas sagen und doch handelt es sich bei dieser Band um keine Unbekannten. So tummeln sich neben Mitgliedern von ATRAS CINERIS und einem meiner Newcomer-Highlights, SIGNUM:KARG, auch Mitglieder der TODTGELICHTER aus Hamburg im Line-Up KRATEINs. „Trauma“ heißt das Debütalbum, welches aus dem Nichts kommt und direkt über ein renommiertes Underground-Label erscheint. Alles Gründe, dem ersten musikalischen Output der Jungs mal auf den Zahn zu fühlen. Dies geschah in einer gemeinsamen Listening Session mit Gitarrist Hysteriis, welcher gleichzeitig auch die Synthesizer bedient, in gemütlicher Runde.
Interview:
Es ist ja kein großes Geheimnis, dass sich unter der KRATEIN-Flagge Mitglieder von ATRAS CINERIS, SIGNUM:KARG und TODTGELICHTER vereint haben. Wie kam es denn, vor allem in Anbetracht der Entfernung, zu diesem Zusammenschluss?
Frederic und ich hatten uns zu der Zeit, als er hier im Südwesten an seinem Meisterabschluss werkelte, in einer Freiburger Kneipe kennengelernt. Das WELT IN TRÜMMERN-Festival, auf dem sowohl TODTGELICHTER als auch ATRAS CINERIS spielten, stand an, und da hatte man natürlich schnell Anschluss aneinander gefunden. Wir haben beiderseits großen Respekt vor unseren eigenen musikalischen Projekten, und so war es im Prinzip nur eine Frage der Zeit, bis wir uns mit Lord Asgoroth, Nebular und Metus von SIGNUM: KARG im Proberaum wiederfanden. Die gemeinsamen Jamsessions waren derartig fruchtbar und erfüllend, dass wir demnach kaum drumherum kamen, die Sache etwas ernster anzugehen und KRATEIN aus der Taufe zu erheben. Die Tatsache, dass man mittlerweile wieder eine räumliche Distanz von 800 Kilometern hat, behindert dabei überraschenderweise nicht so sehr, wie wir ursprünglich angenommen hatten. Wir treffen uns nach wie vor regelmäßig und arbeiten zusammen an unserer Musik.
Als was versteht sich KRATEIN denn? Im Internet ist meist von einem Projekt zu hören, andernorts habe ich von einer festen Band gehört, klär uns doch bitte auf.
KRATEIN ist eine feste Band, die auch nach „Trauma“ weiter bestehen wird. Natürlich sind wir, wie angedeutet, anfangs eher davon ausgegangen, dass es unglücklicherweise bei einem Projekt und dieser Veröffentlichung bleiben wird – die Distanz ist eben alles andere als unerheblich. Die Zeit hat allerdings gezeigt, dass wir durchaus imstande sind, unsere Visionen für KRATEIN am Leben zu erhalten, ungeachtet jeglicher Umstände. Die Band hat mittlerweile einen festen Standpunkt in unserem Leben eingenommen, und da gibt es schlicht und ergreifend noch viel zu viel Neuland zu erkunden, um diese Geschichte wieder zu begraben.
Ihr seid direkt von Folter Records unter Vertrag genommen worden, wozu sicherlich die Verbindungen von TODTGELICHTER zum Berliner Label eine Rolle gespielt haben. Doch insgesamt, bei den vielen Bands, die emsig nach einem Label suchen, ist das ein sehr guter Start. Was erwartet ihr von der Zusammenarbeit, und wird diese auch über „Trauma“ hinaus bestand haben?
Natürlich haben TODTGELICHTER uns den Start mit Folter Records vereinfacht, das kann man nicht leugnen. Ich denke allerdings, dass im Endeffekt doch die Musik für sich spricht, wenn es um diese Dinge geht. Bei aller Freundschaft glaube ich tatsächlich kaum, dass Jörg und seine Mannen „Trauma“ veröffentlicht hätten, wenn ihnen das Material zuwider gewesen wäre. Der bisherige Kontakt zu Folter ist jedenfalls äußerst entspannt und dennoch zielstrebig, würde ich sagen. Man merkt natürlich, dass wir es hier mit einem professionellen Label zu tun haben, das weiß, wie es zu arbeiten hat. Bisher gibt es jedenfalls keinen Anlass zur Meckerei- im Gegenteil. Wir haben unsere künstlerische Freiheit in allen Belangen und der Kontakt ist absolut unkompliziert.
Um die Zukunft scheren wir uns allerdings ehrlich gesagt noch gar nicht, hehe. Es gibt zwar vage Ideen, in welche Richtung eine weitere Transformation von KRATEIN gehen könnte, im Moment konzentrieren wir uns allerdings vollkommen auf „Trauma“ und die anstehenden Livedarbietungen.
Um mal kurz bei den Livedarbietungen zu bleiben, ihr spielt im Februar mit Todtgelicher und Geist in Hamburg, gibt es darüberhinaus schon Livepläne? Da weder Homepage noch Myspace bisher online sind, hat man ja kaum eine Chance an Infos zu gelangen.
Ja, wir werden „Trauma“ erst einmal exklusiv in Hamburg vorstellen. Das hat natürlich auch wieder eher logistische Gründe, da Proben und Anreise doch immer mit großem Aufwand verbunden sind. Wir planen allerdings auf jeden Fall immer mal wieder ein Konzert zu geben, sofern der Rahmen stimmig ist und wir Lust darauf haben. Es gibt sogar schon ein paar Gespräche über eventuelle weitere Auftritte, allerdings noch im Umfang, der alles andere als spruchreif ist. Die Zeit nach der Veröffentlichung von „Trauma“ wird schon zeigen, in welche Richtung es sich bewegen wird.
Am Anfang war „Trauma“ als MCD geplant, wenn ich mich da recht entsinne, jetzt hat es aber doch Albumlänge angenommen und wird als solches veröffentlicht oder liege ich da falsch? Warum dieser Umschwung direkt mit einem Album zu starten? (Es gab ja nicht mal eine Demo)
Nachdem wir die Aufnahmen in kürzester Zeit hinter uns bringen mussten, sind wir erst einmal davon ausgegangen, das Ganze als Mini-CD in kleiner Auflage selbst zu vertreiben. Die Zeit im Studio, die Arbeit an den Mixen et cetera hat allerdings unsere Experimentierlust geweckt und so haben wir das Grundgerüst Stück für Stück ausgebaut. Das GATES OF NEBULAH-Studio von Lord Asgoroth befindet sich im stetigen Wachstum, sodass wir uns mehrmals die Woche zusammengesetzt haben um an den Songs zu feilen, was einen wesentlichen Charakter von „Trauma“, zumindest für meine Betrachtungsweise, ausmacht. Da es sich bei der Veröffentlichung um eine an ein Konzept gebundene Platte handelt, haben wir dem Grundgedanken weitere Ebenen verliehen um möglichst viele Aspekte in verschiedene Lichter setzen zu können.
Das Endergebnis ist eben ein Konzeptalbum, nicht mehr und nicht weniger. Wir haben uns tatsächlich ohne Vorproduktion oder Demos in das Vorhaben gestürzt, was allerdings auch nicht nötig war- schließlich wussten wir von Anfang an, in welche Richtung KRATEIN und „Trauma“ gehen sollten. Die klare, gemeinsame Vision war der Mittelpunkt und so wird es auch in Zukunft bleiben.
Listening Session:
I
The.beaver: Das Intro beginnt mir einer rauschenden Geräuschskulisse, bis irgendwelche Samples eingestreut werden und man sogar die wundervolle Stimme *hust* von Angie hört und diverse andere Nachrichtensprecher, einen weihnachtlichen (?) Kinderchor und das alles hintereinander und übereinander abgespielt, bis es dann seicht ausklingt. Sehr verwirrend und durchaus mit dem Effekt, neugierig zu machen, was hat es bitte damit auf sich?
hysteriis: Das Intro wird mit Sicherheit kontrovers aufgenommen werden schätze ich. Wir haben uns die Situation in den Kopf gerufen, inwieweit man sich von den urbanen Lächerlich- und Abartigkeiten übermannen lassen kann. Kameraüberwachung, Vaterschaftstests, 9/11 und Johannes Paul II, der mit letztem Atemhauch und von Krankheit und Tod gezeichnetem Antlitz seine lateinischen Floskeln aus der Lunge quetscht um damit die lechzende Christenmeute zu begeistern. Es ist tatsächlich schier unglaublich, was in unserer Gesellschaft dem normalem Standard entspricht…
Zum Schluss hin leitet der „seichte“, wie du ihn nennst, Ausklang zum ersten Stück hin, welches den Beginn des Szenarios einleitet. Bei dem Intro handelt es sich also um eine Art Prolog würde ich sagen.
II
the.beaver: Damit hast du ja schon den perfekten Übergang zum ersten wirklichen Song geschaffen, bei dem ich mich nicht erwehren kann, ihn nach wie vor als TODTGELICHTER-ähnlich zu bezeichnen. Mal abgesehen davon, dass es keinesfalls negativ gemeint ist. Mit ordentlich Groove ausgelegt und einem sich durch den gesamten Song ziehenden, schrägen Riff hat er durchaus seine Eigenständigkeit. Das heisere Krächzen kommt aus dem Hintergrund und klingt leicht verzweifelt, während mir die Drums aber etwas zu dominant sind, vor allem das scheppernde Becken. Dank seiner vielen Tempowechsel und der ein oder anderen Ruhepause wird der Song trotz seiner Länge von fast zehn Minuten nicht langweilig!
hysteriis: Kann ich nachvollziehen, wenngleich ich das Gesamtbild als durchaus stimmig ansehe. Gewisse Parallelen zu TODTGELICHTER sehe ich selbst zwar nicht im Geringsten, dass das Hauptthema jedoch von Frederic stammt kann ich nicht abstreiten, hehe. Der Song stellt den Willen dar, sich von den Alltagsqualen lösen zu dürfen und endlich „zu sich“ zu kommen. Das Hauptthema ist also tatsächlich etwas realitätverzerrend ausgelegt, nervenzehrend und verzweifelt. Zu einem ersten Ausbruch kommt es schließlich gegen Mitte des Stück- ein Punkt an dem sich die Stimmung des Songs komplett kippt und lautstärker/aggressiver wird.
III
the.beaver: Schon etwas, naja, sagen wir mal „gewohnter“ ist der nächste Song. Ziemlich aggressiv, bis es zur Mitte hin mal ein ruhiges Zwischenspiel gibt, welches auch einen Umbruch im Song von wütend (?) hin zu mehr rockigeren Elementen darstellt. Ich muss leider sagen, dass ich mit dem Sound der Drums noch nicht 100% warm werden, obwohl es im Gesamtbild sicherlich einiges her macht und die Zermürbungstaktik weiter vorantreibt. Hier sehe ich übrigens wirklich keinerlei Nähe zu den Hamburgern.
hysteriis: Ja, der Song ist wesentlich direkter als sein Vorgänger und hat für meine Verhältnisse einen nahezu groovigen Charakter. Lyrisch betrachtet agieren wir ebenfalls offensiver, verpöhnend und höhnisch ohne den Grundgedanken der herbeiersehnten Realitätsflucht aus dem Zentrum zu setzen. Gegen Ende steht der Entschluss des Lösens aus dem Leben, nahezu dramatisch hinleitend auf das Eintauchen in den Traum…
IV
the.beaver: Das mit dem Traum klingt wirklich charakterisierend für das nächste Stück, welches ein reines Instrumental ist und vor allem mit akustischen Gitarren für eine kleine Ruhepause sorgt. Zwar ist es nun kein überragendes oder spannendes Intro, hinterlässt aber wenigstens den Eindruck innerer Gelassenheit in einem obskuren Album.
hysteriis: Du bist wirklich charmant, Jan. Das Stück ist für den Kern der Platte schließlich von großer Bedeutung. Immer schräger werdende Synthesizer begleiten die akustische Endlosschleife und übertragen für mich stets das Bild einer visuellen Verzerrung. Ich empfinde das Interludium als nahezu cineastisch wenn du es genau wissen willst.
the.beaver: Cineastisch?
hysteriis: Ja. Der Grundgedanke ist dem filmischen Element nachempfunden, lange Gänge plötzlich endlos und schräg erscheinen zu lassen um so geistige Verwirrung und Umnachtung darzustellen.
V
the.beaver: Ich finde es im Vergleich zu dem Intro und den beiden anderen Songs trotzdem sehr entspannend und das leitet ja gleich zum nächsten Song über. Es wirkt nicht mehr ganz so anstrengend, sondern eher so, als wäre die Realitätsflucht gelungen. Schönes Riff, sanftere Gangart, nicht mehr dieses verzweifelte Keifen…
hysteriis:
Viel mehr bleibt eigentlich von meiner Seite aus nicht hinzuzufügen im Prinzip. Wohlige Entspannung und Losgelöstheit tragen den Song. Schwebend, entspannt, lebend und atmend…
VI
the.beaver: Der letzte Song wirkt dann etwas unentschlossen, zumindest vom Charakter her. Mir gefällts sehr gut, da es sowohl die wütenden Elemente des Albums, als auch die tragenden, schönen Momente vereint. Insgesamt wirkt es so, als hätte die Losgelöstheit die Verwirrung vertrieben, die Raserei, welche in VI ja immer wieder das Kommando übernimmt, klingt nicht mehr so zerfahren wie zuvor, sondern wirklich klar in die Fresse…und doch, am Ende, das Riff klingt wieder verzweifelt…
hysteriis: Schön umschrieben finde ich. Genau darum geht es schließlich auch bei „VI“: Musikalisch betrachtet wollten wir ein furioses und doch klar als Black Metal agierendes Stück schreiben, welche sämtliche Elemente der Platte in sich vereint und in ein einziges Inferno gipfelt. Wut ist dabei Tatsächlich ein Schlagwort, welches immens wichtig für das Stück ist. Schließlich wurde man aus dem wohligen Traumerlebnis wieder jäh herausgerissen in eine Welt, in der der Protagonist (wenn man es so sehen mag) schlicht und ergreifend nicht leben und atmen kann und will. Dass das ganze in der finalen, nahezu theatralischen Auflösung der Existenz endet, ist also nur die logische Konsequenz…
Um den ersten Eindruck mal auf den Punkt zu bringen: „Trauma“ nimmt den Hörer ein, lässt einen in die Gefühlswelt des Protagonisten eintauchen und reizt dabei das Nervenkostüm in gehobenen Maße. Wut, Verzweiflung, Hoffnung, all das vereint „Trauma“ in einem musikalischen Rahmen, der nicht jedermanns Geschmack sein dürfte, aber weit davon entfernt ist als „standard“ Black Metal durchzugehen. Die Herrschaften haben viel Emotionen in das Album gelegt und es dabei nicht unnahbar sondern viel mehr mitreißend gestaltet und somit sicherlich etwas abgeliefert, was den Rahmen meiner Erwartungen sprengt. Im Endeffekt sind es lediglich die Drums, die auf mich manches Mal störend wirken und am Ende liefert „Trauma“ eine Reihe von Fragen, welche sich ein jeder sicherlich des öfteren stellt, sofern er das Alltagsgeschehen in unserer Welt verfolgt.
Den Song „III“ könnt ihr auf der Myspace-Seite der Band bereits anhören.