Korn
Der große Diskographie-Check!

Special

Korn

KORN der Klassiker, die unangefochtene Macht unter den Nu Metal-Bands und irgendwie auch die einizigen wirklich Überlebenden der Szene. Dass die Szene mehrfach totgesprochen wurde (oder auch nie wirklich existiert hat?), ignorieren KORN. Über die Jahre haben KORN stetig ihr Spektrum erweitert und die Mannschaft rund um Fronter Jonathan Davis nahm schon immer einige Freiheiten heraus, was nicht unbedingt immer auf Begeisterung stieß. Nicht wenige verehren ausschließlich die Frühphase der Band, einige fahren nur auf die neue Mischung aus Metal und Elektro ab, manche sagen, KORN hätten Metalcore gespielt, als es diesen noch gar nicht gab und sehr viele feiern einfach jeden Ton der Band ab, ganz egal in welcher Phase sich die Amerikaner gerade befinden. Dem gegenüber steht aber die starke Anti-Fraktion, die KORN musikalisch belanglos und weinerlich findet, der Band Teenie-Lyrics nachsagt und nicht müde wird, jeden Schritt nicht als Mut, sondern als Torheit auszulegen. Dies und die Tatsache, dass KORN doch irgendwie eher eine „Single-und-Live-Band“ und keine „Alben-Band“ sind, sind Grund genug für einen Diskographie-Check, um unbefleckten KORN-Interessenten den Einstieg zu erleichtern und Enttäuschungen zu ersparen.

1993 Neidermeyer’s Mind

„Neidermeyer’s Mind“ ist zwar kein vollwertiges Album, aber das erste Lebenszeichen von KORN. Ein Demo mit vier Songs, produziert von Ross Robinson, der wohl als maßgeblicher Geburtshelfer für das Genre Nu Metal gilt und später auch Bands wie LIMP BIZKIT, SLIPKNOT und SOULFLY produziert hat.

„Predictable“ könnte locker auch auf einer CROWBAR-Platte stattfinden. Jonathan Davis klingt seltsamerweise schon sehr erwachsen und schafft es mühelos, die Riffbretter zu stemmen, ohne unterzugehen. Er war es, der KORN erst komplett machte. Die beiden Gitarristen Munky und Brian sahen ihn mit seiner ersten Band SEX ART performen und wollten den durchgeknallten, dürren Typen unbedingt bei sich hinterm Mikro stehen haben. Eine gute Wahl, wie sich in den letzten 20 Jahren herausgestellt hat, denn er gibt der Band das unverkennbare Gesicht. Dem gegenüber steht allerdings die fragliche „Glanzleistung“, den Namen KORN vorgeschlagen zu haben.

Unter den vier Tracks war auch „Blind“, ein Song den sicherlich auch Nicht-KORN-Kenner schon mal gehört haben. In den vergangenen Jahren wurde die Version perfektioniert, etwas spannender gestaltet, aber Ross Robinson sah schon damals das Potential. Die Demo-Version wirkt noch etwas verhalten, die Lyrics etwas dröge und zahnlos vorgetragen. Interessant ist die Tatsache, dass Davis hier krampfhaft gedoppelt wurde und sich den Wahnsinn herausnimmt, zwei Charaktere in einem Song zu bringen. Engelchen und Teufelchen? Er bringt sie beide, denn jeder trägt beides in sich. Das Leben ist ein ständiges Spiel mit der Waage zwischen Gut und Böse und KORN liefern den Soundtrack dazu. Ein unverkennbares Erkennungszeichen der Band und es gibt keinen Sänger, der dies so eindrucksvoll bringen kann.

Sammlungswürdig: Ein echtes Sammlerstück

2 Songs, die man kennen muss: „Blind“ und „Predictable“

1994 Korn

Auch wenn die Floskel Wir halten der Gesellschaft den Spiegel vor richtig doof ist, so trifft sie doch auf das Cover des ersten vollwertigen KORN-Album zu. Die einen sehen ein kleines Mädchen, das auf einer Schaukel sitzt, von der Sonne geblendet wird und dessen Vater sie ganz harmlos anspricht. Die anderen sehen eine bedrohliche Situation. Vielleicht einen Mann, der das Kind vom Spielplatz entführen will, um ihm etwas Böses anzutun? Genauso verhält es sich mit KORNs Musik und den irren Texten, die KORN auf ihrer Platte präsentieren. Shoots And Ladders wird wohl am meisten verwirren, aneinandergereihter kindlicher Sing-Sang, der im Subtext über Kindesmissbrauch singt. Die Platte klingt derart energetisch und experimentierfreudig, wie nur ein Debüt klingen kann. Need To und Lies schnüren dem Hörer einerseits die Kehle zu und setzen andererseits aber auch ungewöhnlich starke Emotionen frei. Die herunter gestimmten Instrumente erzeugen eine bedrückende Stimmung, die man sich gleichzeitig noch eine Spur fieser wünscht und förmlich aufsaugt. Was KORN vor zwanzig Jahren in nur sechs Wochen eingespielt haben, ist nichts Geringeres als ein Klassiker und eines der besten und mutigsten Debüts überhaupt.

Korn ist die grandiose Verarbeitung von Wut, Enttäuschung und Depression und, dass die Band damals nicht ganz sauber war, kann man nicht nur in alten Videos sehen, sondern in jedem einzelnen Ton auf Korn“ hören. Zwei Jahre später offenbarte Sänger Davis auch, dass für ihn leider die zweite Variante der Coveransicht gelten dürfte und die Idee über Kindesmissbrauch zu singen nicht von ungefähr kam. Unfassbar, dass die Band die Stücke heute noch genauso kraftvoll spielt, wie damals. Die Message ist aber auch 2014 noch immer dieselbe, gilt für Täter und Opfer von Missbrauch und Mobbing gleichermaßen: „Do you ever see outside your fears? Think about your lifeThink about your inner fear!. Nach dem Genuss von Korn fühlt man sich einerseits beschmutzt, ja schon fast seelisch missbraucht und verprügelt, aber auch befreit.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Lies“ und „Shoots And Ladders“

Sammlungswürdig: Ja, sonst versteht man die Band nicht wirklich.

 

1996 Life Is Peachy

Schon mit Twist schieden sich die Geister. Was für ein Vollidiot!„, sagen die einen und schalten sofort angewidert ab. Geiler, kranker Scheiß!„, sagen die anderen und drehen lauter. Das musikalische Zusammenspiel im folgenden Chi ist unvergleichlich, denn derart roh und reduziert klingen nur KORN. Auf Platte klingt ja alles etwas zahmer und glatter, das ist ganz normal. Aber die Aufnahme von Chi reißt auch aus der Dose mit und wenn Jonathan Davis

Re-entering my head..
Feeling like Im God..
With the world around me..
Cant you feel this PAIN?!
Ripping through my HEART!
Screaming through my VEINS!
Nothing I can KILL!
Screaming a LIE, I AM
Cant you rip MY EYES OUT?!
Cant you take my.heart?
Away.
To heart.
Goodbye.

singt, dann befürchtet man schon beim Genuss der Platte, das gleich sein Kopf platzt und Hirnsegmente aus der Anlage direkt ins Gesicht der Hörers spritzen. Gleiches gilt für Good God und die markante Hook Wont you get the fuck out of my faceNOW!, Life Is Peachy zeigt sich zwar einerseits deprimiert und melancholisch, bot aber auch Momente für gezielten Aggressionsabbau und bot die helfende Hand zum Aufstehen an. Eine absolute Ausnahmeplatte, unerreicht und auch heute fast 20 Jahre später noch genauso reizvoll, wenn nicht sogar über die Jahre noch mehr gewachsen. Für mich persönlich fühlt es sich so an, als ob in dieser Platte Erinnerungen von mir verpflanzt, sozusagen konserviert sind und wenn ich sie höre, dann werden diese Flashbacks abgerufen. Abgesehen von den großen Emotionen, beinhaltete Life Is Peachy auch eine humorige Note. KORN, ganz besonders Jonathan Davis, waren damals plakative Werbeträger der Sportmarke Adidas und spielten mit A.D.I.D.A.S. eine kleine Hommage ein. Wobei die Buchstaben für All day I dream about sex stehen und die schief gesungene Line von Davis All day I dream about fucking etwas seltsam war, aber dem Lied nicht den grandiosen Melodiebogen im Refrain abspricht.

Zwei Lieder, die man kennen muss: Sehr schwer…“Good God“ und „Chi“, dann aber gleich alle anderen Songs!

Sammlungswürdig: Sicherlich!

zum 4-Punkte Review von „Life Is Peachy“
zum 8-Punkte Review von „Life Is Peachy“

1998 Follow the Leader

Mit „Follow The Leader“ landeten KORN damals einen richtig großen Wurf. Auch wenn die Platte nicht durchgehend grandios ist, dann können KORN hier doch mit tollem Sound, pfiffigen Ideen und einigen überragenden Hits glänzen. „Freak On A Leash“ erblickte hier das Licht der Welt und prägte den KORN-Spruch „Still A Fuckin‘ Freak“, der viele Shirts der Band ziert. Gleich als nächster Track knallte „Got The Life“ aus den Boxen, ebenfalls ein Klassiker, der jahrelang von Jonathan Davis mit „wer diesen Song nicht kennt, ist kein KORN-Fan“ angekündigt wurde, aber seltsamerweise im aktuellen Live-Set 2014 keinen Stammplatz hat. Die Ausbrüche Davis sind hier perfekt auf den Punkt gebracht und der Wandel zwischen niedergeschlagen-traurig und wütend-ausrastend wird auf „Follow The Leader“ bestens präsentiert. Mit „Children Of The Korn“ und „All In The Family“ enthält die Platte auch zwei Tracks, die annehmbaren Hip Hop beinhalten. Bis KORN lernten, endlich davon die Finger zu lassen, mussten allerdings noch ein paar Jahre ins Land ziehen. Schlagzeuger David Silveria hat sich auf „Follow The Leader“ selbst übertroffen und unvergleichlich minimal und trotzdem nachhaltig kreativ gespielt.

Auch die Gitarristen Brian und Munky ( Munky überstand kurz zuvor eine schwere Meningitis) hauen hier Riffs vom Feinsten unter die Leute. Von Chef-Basser Fieldy mal ganz abgesehen, der KORN maßgeblich mit seinem außergewöhnlichen Basspiel geprägt hat und einen sehr außergewöhnlichen Stil entwickelt hat. Seine Tendenz zum Hip Hop lebt dieser übrigens mittlerweile mit seiner Nebenband DIRTBAG aus. Mit „All In The Family“ gingen KORN gemeinsam mit Fred Durst von LIMP BIZKIT auf die damals unterstellten Streitigkeiten zwischen den beiden Bands humorvoll ein.

„Follow The Leader“ startet mit einer Schweigeminute, die ersten 12 Tracks á fünf Sekunden sind still und einer verstorbenen Frau gewidmet, für sie ist auch der Song „Justin“.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Got The Life“ und „Freak On A Leash“

Sammlungswürdig: Auf jeden Fall!

zum Review von „Follow The Leader“
zum Special anlässlich 15 Jahre „Follow The Leader“

1999 Issues

Bei „Issues“ hatten KORN wohl den Anspruch, endlich mal von den Covern mit desillusionierten, geschundenen Kindern oder eben Metaphern für geschändete Kinderseelen wegzukommen. Deshalb schrieb die Band in Zusammenarbeit mit MTV, die sich 1999 tatsächlich noch mit Musik beschäftigten, einen Wettbewerb aus. Die Fans wurden aufgeforderten ihre grafische Interpretation von KORN einzusenden und erhielten die Chance damit das finale Cover zu bestimmen. KORN erhielten eine Vielzahl von Einsendungen und was malten die Künstler? Logisch – desillusionierte, geschundene Kindern oder Metapher für geschändete Kinderseelen. Den Zuschlag erhielt dann Alfredo Carlos, aber auch die Cover-Vorschläge der drei anderen Finalisten wurden publiziert, sind passend und sehenswert.

„Issues“ erhielt mindestens 3 Hits und ist definitiv eines der besseren KORN-Alben, wenn man Wert auf den Gesamteindruck legt. Mal die Hits „Someone, Somebody“ oder „Falling Away From Me“ beiseite geschoben, finden sich Granaten wie das fies-lauernde „Trash“ oder das von Industrial-Metal angehauchte „Let’s Get This Party Started“, welches schon deutliche Tendenzen auf das spätere „Untitled“ gibt. In „Trash“ versucht sich Jonathan Davis an einem dritten Alter Ego und der flüsternde, drohende aber standhafte Ton steht ihm sehr gut, gibt dem Stück eine ernsthaftere Tragik.

Hervorzuheben ist auch „4U“ eine herzzerreißende, traurige und langsam schwebende Nummer, in der KORN eine ungemeine Stimmung aufbauen, obwohl es sich noch nicht mal um einen richtigen Song handelt. Es ist eher eine Überleitung in „It’s Gonna Go Away“, wiederum auch kein richtiger Song, sondern eine urplötzliche Szenerie, die den Hörer mitten in der Tragik abstellt und verwirrt stehen lässt. Beide Interludes nehmen die Zerrissenheit von „Make Me Bad“ auf und schließen das innere Hadern mit „Wake Up“ ab. „Wake Up“ war 1999 der erste Song, den es vorab von „Issues“ zu hören gab. Ein typischer KORN-Song, aber die Fans zeigten schon damals, dass sie ihre Band in vielen Farben schillern sehen wollen und ignorierten den Song geflissentlich, zogen sich andersartige Hits aus dem Album und ließen „Wake Up“ einfach unter den Tisch fallen.

Als Bonus-CD gab es „All Mixed Up“, eine fünf Track starke Dreingabe, die gemixte Songs der Band enthielt. Unter anderem „Jingle Balls“, eine total verschweinte Schilderung eines Weihnachtsabends im Death Metal-Style und musikalisch unterirdisch, ja sogar ein Totalaufall! Das Gerücht, Jonathan Davis sei auch ein sehr guter Death Metal-Sänger, steht nicht (!) in Zusammenhang mit diesem Song.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Somebody, Someone“ und „Falling Away From Me“

Sammlungswürdig: Ja

2002 Untouchables

Mit diesem Album schafften KORN es 2002 tatsächlich zum ersten – und bis heute einzigen – Mal an die deutsche Chartsspitze. Auch wenn „Untouchables“ rückblickend kaum Hits enthält, so weist es doch eine packende morbide Atmosphäre auf, die die Band bis dahin und seitdem nie wieder auf Albumlänge ausweiten konnte. Einen Hit gab es dann doch, nämlich „Here To Stay“, bis heute im Live-Set der Band. Das Stück stampft auf den Hörer zu, trampelt ihn langsam aber genüsslich nieder und gehört wohl zu den besten Stücken, die KORN je geschrieben haben. Hervorzuheben ist auch „Make Believe“, denn hier ist am deutlichsten zu hören, dass KORN sich nicht vor der Kombination Elektro und Metal scheuen, auch bei den anderen Tracks ist die Tendenz dessen zu spüren, was sich über die kommenden Jahre immer mehr etablierte. KORN arbeiten auf „Untouchables“ kaum mit Schnelligkeit oder Druck, verlassen sich größtenteils auf ihre eigenen fiesen Untertöne und herunterziehenden Texte, die damals noch sehr viel weniger Hoffnung gaben als heute. Wer bei einer Band wie KORN, die musikalisch nie stillstehen kann, heute von einer überraschenden Entwicklung spricht, der hat irgendwie nie richtig hingehört.

Teenager, Verletzte, Ausgestoßene – jeder kann sich genüsslich suhlen in dem Selbstschmerz, den KORN auf „Untouchables“ besonders eindringlich zelebrieren. Gute Laune macht die Platte nicht – im Gegenteil, sie reißt Wunden auf, kratzt neue und öffnet ein tiefes schwarze Loch, direkt zum Reinfallen. Für den Moment natürlich ansprechend, aber in Dauerschleife nicht unbedingt stimmungsfördernd.

Ein Jahr vor Veröffentlichung dieser Platte, erschuf der mittlerweile verstorbene Künstler H.R. Giger für KORN den markanten Mikrofonständer.


© Nadine Schmidt

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Here To Stay“,“Alone I Break“

Sammlungswürdig: Ja

2003 Take A Look In The Mirror

Das sechste Studioalbum der Band, war auch das letzte mit Gitarrist Brian „Head“ Welch an Bord, der glücklicherweise 2013 wieder zur Band zurückkehrte und, zumindest behaupten das viele Fans, KORN wieder auf den richtigen Weg zurück gebracht hat. Von besonderer Wut, Aggression oder auch Stagnation, aus denen man auf bandinterne Probleme schließen könnte, ist bei „Take A Look In The Mirror“ nichts zu spüren. Bemerkenswert ist, dass KORN hier wieder den Dudelsack tröten lassen, damals wurde das Fehlen des Instrumentes von den Fans sehr oft bedauert und deshalb bläst JD bei „Let’s Do This Now“ wieder mit dicken Backen in den Sack.

Angelina Jolie, damals sehr beliebt und dick im Geschäft, stand als Hauptfigur für das Video zum Song „Did My Time“ zur Verfügung, der Song war auch auf dem entsprechenden Soundtrack zum Kinofilm „Tomb Raider – Die Wiege des Lebens“ vertreten. (Nicht der erste und nicht der letzte Soundtrackbeitrag der Band!) Die etwas kranke Atmosphäre und die zerbrechliche Tragik geschundener Seelen, stellten das passende Bindeglied zwischen KORN und Angelina Jolie da. Rückblickend kann man feststellen, dass Jonathan Davis hier die ersten Grundsteine für seine weiten, offenen Refrains legte. Die ansprechende Diskrepanz zwischen Moll-Akkorden und gewollt disharmonischen aber weichen Refrains, wird auf dieser Platte praktisch zum ersten Mal konsequent durchgezogen. „Y’all Want A Single“ ist leider aus dem aktuellen Live-Set verschwunden, war gerade in Gemeinschaft aber ein gern gesehener Mitgröler und Stimmungsmacher. Im damaligen Video wurde das „fuck you“ pussy-mäßig durch ein „suck you“ ersetzt.

Nicht nur hier lassen die Nu Metal-Barden ihre Liebe zu Groove und Hip Hop verstärkt einfließen. Auch Rapper NAS hat einen Auftritt auf „Take A Look In The Mirror“ und darf bei „Play Me“ die Popos zum Wackeln bringen. Solche Experimente legen allerdings immer nur offen, dass KORN ohne Jonathan Davis irgendwie ganz schnell mittelmäßig, sogar richtig schäbig, klingen. Zum Glück übernimmt er zum Ende des Liedes wieder die Kontrolle, trotzdem kein Brüller.

Wer Probleme hat, die Entwicklungen von KORN immer nachvollziehen zu können, der sollte mal „Deep Inside“ anspielen. Die Rhythmik, das Arrangement und die kühle, etwas veränderte Stimmung deuten genau das an, was KORN vier Jahre später auf ihre „Untitled“-Platte einspielten. Gut – „Deep Inside“ glänzte sicher noch durch Sprödheit, stellte aber sicherlich die Weichen für die Zukunft, auch wenn es kein Hit der Platte darstellte. Zwischen „When Will This End“ und dem letzten Track herrscht Stille, dann holen KORN zum letzten Schlag aus und präsentieren die Live-Version von METALLICAs „One“. Inhaltlich mag der Song zur Band passen, die Version ist allerdings nicht mehr als „in Ordnung“, trotzdem kommt es heute noch live häufig zum Einsatz. Roberto Trujillo war schon vor seiner Zeit bei METALLICA häufig bei KORN im Proberaum und ließ die ein oder andere Idee einfließen, bei der Entstehung des Songs „Divine“ vom KORN-Debüt war er beteiligt.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Did My Time“ , „Right Now“

Sammlungswürdig: Nein, nicht wirklich.

zum Review von „Take A Look In The Mirror“

2005 See You on the Other Side

Uff, See You On The Other Side gab natürlich in Zusammenhang mit den darauf enthaltenen Songs eine richtig Steilvorlage, um KORN zu veralbern. Der Opener Twisted Transistor und das dazugehörige Video mit mit Snoop Dog war gelungen, keine Frage – textlich und inhaltlich ein guter Song. Throw Me Away wird wohl einer der Song sein, die Drummer Ray Luzier heute gerne bei KORN spielt. Das Stück ist auf das absolut Nötigste reduziert und knallt genau deshalb live ganz schön rein. Die melodischen Ahas von Jonathan werden zu schmerzerfüllten Schreien und das Hämmern von Drum und Bass fühlt sich an, wie Peitschenhiebe. Die Betonung liegt hier auf live, denn auf See You On The Other Side wirkt nicht nur dieser Song lahm und kraftlos. Gerade Davis klingt häufig albern gemischt, kratzt wo er eigentlich nicht kratzt oder nicht kratzen sollte, schnarrt an unmöglichen Stellen und entwickelt stellenweise echt Nervpotential. Fieldy basst irgendwo drei Reihen hinter den anderen – die Platte tritt soundtechnisch nicht wirklich Ärsche.

Love Song geht eigentlich in die richtige Richtung, allerdings haben sich KORN damals noch nicht getraut, einen warmen Song ohne dissonantes Riffing abzuliefern und deshalb ist der Track unnötig überladen und zündet nicht richtig. Gerade im Bezug auf das umfängliche Schaffen der Band, kann man diese Platte eher unterordnen. Ob das wohl daran liegt, dass dies das erste Album nach dem Ausstieg von Gitarrist Brian war? Viele sagen seit dessen Rückkehr 2013 – ja!

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Twisted Transistor“ und „Throw Me Away“

Sammlungswürdig: Erst, wenn man alle anderen Platten gehört hat.

zum Review von „See You On The Other Side“

2007 MTV Unplugged: Korn

KORN goes unplugged, was unmachbar schien, verlief aber überraschend gut. Wobei sich auch hier wieder die Geister scheiden und sogar der Wikipedia-Eintrag dokumentiert, dass hier angeblich „das peinlichste MTV Unplugged eingespielt“ worden sei. „Blind“ in einer südamerikanischen Bongo-Version macht den Anfang und Jonathan näselt penetrant wie nie zuvor. „Got The Life“ hoppelt, flankiert von Klavier, munter vor sich hin und verliert rein gar nichts von seiner Energie. „Coming Undone“ zeigt sich untermalt von schiefen schon fast schrillen Chören und holt sich Volumen durch Streicher. Die Stücke transportieren so „nackt“ natürlich nicht die volle Härte, wie es in der plugged-Version der Fall ist. Allerdings legte das Projekt offen, dass die KORN-Stücke deutlich vielschichtiger sind, als bis dahin angenommen und einiges mehr an Potential haben, als vermutet.

Amateure werden Bassist Fieldy beobachten und ein unkontrollierte Rumschlagen auf den dicken Saiten vermuten, allerdings war spätestens nach „MTV Unplugged“ klar, dass hier neben einer Menge Herzblut und Leidenschaft auch eine gute Portion Können drinsteckt. Das Album enthält zwei Gastauftritte. Amy Lee von EVANESCENCE zaubert gemeinsam mit Jonathan dicke Gänsehaut mit ihre fragilen Version von „Freak On A Leash“. Obendrauf gibt es ein Duett mit dem legendären Robert Smith von THE CURE, eine Band die Jonathan Davis nach eigenen Angaben half, überhaupt die Schulzeit zu überstehen. „Make Me Bad“ von KORN und „In Between Days“ von THE CURE verschmelzen zu einem wehmütigen Akustikstück. Ein mutiges Album, bei dem vieles aber nicht alles, glückte. KORN verschafften sich damit eine Menge Anerkennung und boten eine ganz andere Perspektive auf ihr künstlerisches Können.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Make Me Bad – In Between Days (Feat. THE CURE)“ und „Got The Life“

Sammlungswürdig: Die einen sagen so, die anderen so.

2007 Untitled

Zu der Zeit, als KORN Untitled veröffentlichten, kursierte das Gerücht, dass Jonathan Davis eine Horror-Oper schreiben wolle. Das Intro der Platte lässt darauf schließen, dass er schon kleine Fetzen dafür gesammelt hatte, aber letztendlich wurde bis heute nichts daraus. Nachdem nun also schon Brian aus der Band ausgestiegen war und seinen Weg zu Gott fand, hatte auch Drummer David Silveria die Segel gestrichen und von der ursprünglichen KORN-Formation war wenig übrig. Ersetzt wurde David durch den Schlagzeuger Terry Bozzio – Fluch und Segen gleichzeitig. Terry Bozzio wies schon damals seine ganz eigenen Trademarks auf und lenkte die Platte damit in ein andere Ecke. Untitled wurde enorm trocken und spröde produziert und die ungewöhnlichen Drumfiguren Bozzios waren für eingefleischte KORN-Fans schwer zu verstehen. Dumpf und kraftlos klingt die Abmischung – KORN ignorieren die Scheibe bis heute live geflissentlich, scheinen sie unvergessen machen zu wollen. Dabei ist Untitled kein wirklich schlechtes Album, auch wenn es extrem aus dem Rahmen fällt. Auch im Cover macht sich der Bruch bemerkbar, weniger Augenmerk auf die geschundene (Kinder-)Seele und auch auf den Coverfotos zeigen sich KORN eher gruselig und sehr selbstzerstörerisch. Textlich geht es auf Untitled auch nicht um innere Konflikte, sondern um Achtsamkeit der Erde gegenüber. Sicherlich ein wichtiges Thema, aber bitte kein albumfüllendes Thema für KORN.

So richtig gut scheint es mit Bozzio dann doch nicht gelaufen zu sein, denn dieser beendet die Aufnahmen an Untitled nicht, dafür sprang der BAD RELIGION Brooks Wackerman (auch TENACIOUS D. Live-Drummer!) ein – genau das hört man der Platte an, sie wirkt nicht einheitlich, riecht und klingt einfach nicht nach Band und schon gar nicht nach KORN, deren mühsam erarbeiteten Besonderheiten kommen hier absolut nicht zum Tragen. Killing , Ever Be oder auch Hold On sind schlichtweg uninspiriert und KORN damit eine Karikatur ihrer selbst. Andere Band wären eventuell froh, jemals ein solches Album zu schaffen, für KORN war es ein herber Rückschlag.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Evolution“ und „Starting Over“

Sammlungswürdig: Nein

zum Review von „Untitled“

2010 Korn III – Remember Who You Are

Wenn man das Cover von „Remember Who You Are“ sieht wird vielen zuerst der Gedanke kommen, dass der Fahrer des Wagens mit dem Mädchen nichts Gutes im Schilde führt. Doch schon mal darüber nachgedacht, was das Mädchen da so ganz alleine in der verlassenen Gegend treibt und, ob die Kleine wohl doch nicht so unschuldig ist, wie sie dreinblickt? Das Booklet gibt eine Art Auflösung – oder doch nicht? Mit dieser Platte gibt Ray Luzier seinen Einstand bei KORN und schon auf „Oildale (Leave Me Alone)“ zeigt er eindringlich, wo seine Stärken liegen und, dass er eine verdammte Maschine ist.

Die Deluxe-Edition zeigt in einer Dokumentation, dass Sänger Jonathan Davis bei diesem Album an seine Grenzen, und darüber hinaus, gehen musste. Ross Robinson kam wieder ins Spiel, sollte die Band zu alten Glanztaten zurückführen und helfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Dabei hatte sich dieser doch bereits Stück für Stück vom Nu Metal distanziert. Der Produzent brachte Jonathan bewusst in klaustrophobische Situationen und schwächte sein Nervenkostüm gezielt, um eine echte verzweifelte Mischung aus Angst und Wut im Gesang zu haben. Vieles klappt auf „III – Remember Who You Are“, aber der Anspruch zu den Wurzel zurückzugehen, war einfach zu groß. „Pop A Pill“ oder auch „Fear Is A Place To Live“ sind textlich und kompositorisch ansprechend Werke, aber zu ähnlich und zu sehr auf die bewährten Stärken der Band bedacht.

KORN versuchen hier, Ansprüchen gerecht zu werden und vertrauen zu wenig auf ihre eigenen Ideen und die Möglichkeit, sich zu verbreitern, statt den gewünschten Schritt zurückzugehen. 2014 ist von dieser Platte im Live-Set selten etwas zu hören. Das Album hat einen schönen Drive, die Leistung der Musiker ist tadellos, aber so richtig nach KORN riecht es leider nicht. Man merkt, dass Ray und der Rest von KORN sich noch beschnuppern und ihren Weg suchen – „Let The Guilt Go“ stellt retrospektiv den Wegweiser auf die Zukunft da. Der Song bringt somit den Eindruck der Platte auf dem Punkt: „I’m such a stupid fuck, listening to my head and not my god. Constantly thinking and thinking and thinking and thinking…“

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Let The Guild Go“ und „Oildale (Leave Me Alone)“

Sammlungswürdig: Kein schlechtes Album, spielt im KORN-Kosmos aber eine eher untergeordnete Rolle!

Zum Review von „Korn III- Remember Who You Are“

2011 The Path of Totality

Mit diesem Album stießen KORN allen mit der Gewalt eines Bulldozers im höchsten Gang vor den Kopf. Die getroffe Menge taumelte kurz und teilte sich dann schnell in Liebhaber und Kritiker dieser Platte. Dubstep – spielte bei uns in Deutschland bis dahin noch eine eher untergeordnete Rolle (heute schon in jedem billigen Werbespot zu hören), war damals in USA allerdings schon weitaus populärer – mischten KORN in ihren Sound. Für Schlagwerker Ray, der auf der Vorgänger debütiert hatte, ein herber Schlag, wurde er doch ganz offensichtlich in die zweite Reihe gedrängt. In Kooperation mit mehreren DJs schufen KORN eine Mischung aus harten, depressiven Riffs mit dissonanten Refrains und fetten Beats.

Sänger Jonathan nimmt jede Phase der Band sehr ernst, trägt sie emotional und körperlich mit, mutierte zur DJ JDEVIL und legte als eigener Support-Act zur Tour auf. „The Path of Totality“ ist überragend produziert, in sich stimmig, unverschämt detailliert und mit massig Hits gespickt. „Narcissistic Cannibal“ und „Get Up!“ sind auch drei Jahre später noch im Live-Set der Band, der Rest leider in der Versenkung verschwunden. Dies liegt sicherlich an den enormen Kritiken und auch, wenn die Musiker sich nicht deutlich gegen dieses Album äußern, so scheint es doch eher ein Experiment gewesen zu sein und nicht das, was sie bis zum Ende ihrer Tage spielen wollen. Was KORN beim Vorgänger-Album an Mut und Kreativität vermissen ließen, wurde mit „The Path Of Totality“ mehrfach wieder wettgemacht. Bei all dem Bums und Batsch wurde leider häufig überhört, dass das Album auch textlich überragend ist und sich wohl hier die besten Lyrics verbergen, die KORN seit langem geschrieben hatten. Noch dazu muss man festhalten, dass noch kein Album der Band so konstant auf hohem Niveau blieb.

Im selben Jahr war der KORN-Sänger Jonathan Davis auf dem SUICIDE SILENCE Album „The Black Crown“ bei dem Song „Witness The Addiction“ zu hören, es wurde nicht zum ersten Mal unterstellt, dass Davis auch ein guter Death Metal-Sänger wäre.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Get Up!“ und „Narcissistic Cannibal“

Sammlungswürdig: Auf jeden Fall! Dringend die Deluxe Edition inkl. DVD „The Encounter“ kaufen!

2013 The Paradigm Shift

Das wichtigste Merkmal von The Paradigm Shift ist wohl, dass Gitarrist und Gründungsmitglied Brian Head Welch wieder zu KORN zurückkam. Nicht wenige Fans sagen, dass er endlich wieder den alten Geist von KORN zurückgebracht habe. Was bei der Platte besonders auffällt, ist tatsächlich die gute Stimmung innerhalb der Band. Alle scheinen mit dem Schritt zurück zufrieden zu sein und wirken psychisch und physisch gestärkt. Auch The Paradigm Shift klingt vom Sound, von der Songanordnung und von der Albumlänge her, sehr homogen und aufgeräumt, ohne eine angenehme Sperrigkeit zu vermissen.

Alle vorab veröffentlichten Snippets ließen Gutes hoffen und im Endeffekt haben sich KORN wieder gefunden und gleichzeitig ein Stück neu erfunden. Prey For Me und Love And Meth klingen genauso, wie KORN folgerichtig nach dieser langen Zeit klingen müssen. Momentan spielt die Band live mit Freude aber auch besonders die alten Songs, wahrscheinlich auch um den Zusammenhalt noch mehr zu steigern und alte Emotionen zu reaktivieren. Videos wie zum Song Spike In My Veins sollten nicht unterschätzt werden, die Band bezieht weiterhin deutlich Stellung zur bösartigen Vermarktung von Schutzbedürftigen und zur gezielten Volksverdummung. Das Stück weist dezente elektronische Sprenkel auf, konzentriert sich aber vorrangig auf die erdigen, sägenden Riffs von KORN. Never, Never fällt natürlich aus dem Rahmen, ist weniger dezent und dafür gab es auch ordentlich auf den Sack. KORN wären nicht KORN, wenn sie das jucken würde und letztendlich machen markante Punkte eine Bandgeschichte aus. Keiner (Fans von AC/DC und MOTÖRHEAD weghören!), möchte ewig konstant den gleichen Stil spielen.

Der Mix scheint bei den Fans anzukommen und ganz besonders – ein wichtiger Faktor für jede (!) Band – neue Fans anzuziehen. KORN bedienen nicht das Trancecore-Klischees oder werfen ungezielt mit Beats um sich. Nein, 2014 sind KORN eine erwachsene, kreative Band und wahrscheinlich erwachsener und geerdeter, als sie es je waren. Das hört man auch im Sound und die große Frage ist jetzt schon – was machen KORN auf dem nächsten Album?

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Never, Never“ und „Spike In My Veins“

Sammlungswürdig: Pflicht – the boys are back in town!

Zum Review von „The Paradigm Shift“

Bonus:
2011 Jonathan Davis and the SFALive At The Union Chapel CD+DVD

SFA steht für Simply Fucking Amazings und mit denen spielte der Fronter von KORN, in der legendären Union Chapel in London, einerseits die von ihm beigesteuerten Songs zum Film Queen of the Damned, den KORN-Soundtrackbeitrag zum Film Spawn und natürlich auch KORN-Klassiker in einem ganz anderen Soundgewand. Auch wenn sich Davis damals offensichtlich in einer wenig guten Zeit befand, so stand er doch diesen Abend vor komplett ausrastendem Publikum und bewies, dass er ein Vollblutmusiker ist. Wikipedia nennt übrigens den aktuellen KORN-Drummer Ray Luzier als Mitglied der SFA, ich kann ihn weder im Booklet finden, noch auf der DVD hinter dem Kessel erkennen. Im Booklet wird Michael Jochum als Drummer genannt.

Der bereits erwähnte Soundtrackbeitrag zu Spawn heißt Kick The P.A. und ist nicht nur im Original, sondern besonders in der hier gebotenen Version sehr hörenswert. Auch Falling Away From Me wird hier in einer swingenden Version vorgetragen, die der MTV Unplugged-Version gehörig den Arsch tritt. Auch die Perlen System und Forsaken liefern live eine ganz andere Dramatik und Wucht, als auf der glatten Soundtrack-Version. Der etwas gemütlich auf einem Thron sitzende Jonathan Davis ist zwar seltsam anzusehen, aber zur Not kann ausschließlich auf die CD zurückgegriffen werden.

Dem Konzert stand die Veröffentlichung der Platte Alone I Play voran, der Live-Mitschnitt ist aber deutlich ergiebiger. Besonders Shankar lässt eine fremdländische Note einfließen, die einige Stücke in eine sehr interessante Richtung drehen. Wer an KORN also besonders die markante Stimme schätzt, sollte in diese Platte reinhören. Wer bei KORN den Bass und den Groove mag, sollte übrigens nicht zwingend das Nebenprojekt von Fieldy namens DIRTBAG kennen, denn dieser bleibt hier weit unter seinen Möglichkeiten.

Zwei Lieder, die man kennen muss: „Kick The P.A.“ und „Forsaken“

Sammlungswürdig: Wer Jonathans Gesang im Fokus sieht, sollte die Platte haben.

29.07.2014
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