Killswitch Engage
Das meint die Redaktion zu "Disarm The Descent"
Special
KILLSWITCH ENGAGE sind so etwas wie die Urväter des Metalcore. Vor nun schon elf Jahren schlug der Erstling „Killswitch Engage“ ein wie eine Bombe, und seitdem sorgten vier weitere Alben für einen kometenhaften Aufstieg. Anno 2013 werden die Karten nun neu gemischt, denn nicht nur die jüngste Ankündigung über ein neues Album, das wieder mehr zurück zum alten Sound soll, versetzte viele ins Staunen, sondern auch die Rückkehr des ersten Sängers Jesse Leach, der inzwischen schon seine ganz eigenen Projekte am Start hatte. Wie das neue Album „Disarm The Descent“ bei unserer Redaktion ankommt und ob die Versprechungen gehalten werden, erfahrt ihr hier in unserem Special!
KILLSWITCH ENGAGE – ja, jene US-Metalcore-Pioniere, die damals mit ihrem selbstbetitelten Debüt einen DER Klassiker des Metalcore schlechthin veröffentlicht hatten, danach aber (das Zweitwerk „Alive Or Just Breathing“ vielleicht mal außen vor gelassen) zunehmend softer und poppiger wurden und mich damit irgendwie auch zunehmend weniger interessierten – so wenig, dass ich zugeben muss, den „As Daylight Dies“-Nachfolger „Killswitch Engage II“ bis heute nie gehört zu haben, obwohl das Scheibchen nun auch schon vier Jahre auf dem Buckel hat. In diesen vier Jahren musste der langjährige zweite Sänger der Band, Howard Jones, aus gesundheitlichen und privaten Gründen die Segel streichen, und so kehrt nun Jesse Leach zurück, dessen Organ bereits die ersten beiden Alben der Band veredelte. Theoretisch wäre „Disarm The Decent“ somit ja ein guter Zeitpunkt für einen kleinen Neuanfang …
… und ja, KILLSWITCH ENGAGE legen im direkten Vergleich zum Vor-Vorgänger „As Daylight Dies“ wieder eine kleine Schippe Härte drauf, nicht unbedingt in Sachen Songwriting, dafür aber durch den Gesang des Herrn Leach, dessen Shouts etwas intensiver, krasser klingen, auch wenn sich nach wie vor viel Klargesang findet. Aber nun gut, dafür ist diese Band ja mittlerweile bekannt und oft geliebt. Ich persönlich sehe „Disarm The Descent“ im Großen und Ganzen ein bisschen zweischneidig: Einerseits haben KSE einige wirklich coole Hooklines und vor Energie nur so strotzende Parts im Gepäck, andererseits fühle ich mich auch immer wieder an ältere Werke der Band erinnert – so wirklich vorangekommen ist man im Hause KSE trotz der wieder etwas härteren Gangart am Mikro nicht. Inwiefern man das muss, wenn man als Mitbegründer eines ganzen Genres gilt, der oft kopiert und nur selten erreicht wurde, ist natürlich so eine Frage, alles in allem liefert die Band ja auch das ab, was man von ihr erwartet.
„Disarm The Descent“ ist ein Album, das keinem wehtun will, das sich nicht großartig um Experimente kümmert und die Fanbase, die man sich in den letzten (rund) zehn Jahren aufgebaut hat, alles in allem glücklich machen sollte – das kann man positiv bewerten, muss man aber nicht. Ich persönlich finde das Album gut, aber nicht hervorragend.
(Stephan | 7/10 Punkte)
Seit dem Album “Alive Or Just Breathing“ aus dem Jahr 2002 ist Jesse Leach nun nicht mehr am Mikro bei KILLSWITCH ENGAGE zu finden gewesen. Familiäre Verpflichtungen und Depressionen zwangen das Gründungsmitglied damals zum Ausstieg, und noch heute trauern ihm etliche Fans der frühen Stunden nach. Mit “Disarm The Descent“ sind die Amerikaner nun wieder zurück, und das mit Leach am Mikrofon. Klingt wie ein Selbstläufer? Nun ja, auf der anderen Seite konnte Howard Jones, der zehn Jahre in die Frontbresche sprang, sich ebenfalls eine große Basis musikalischer Befürworter erwirtschaften, sodass das sechste Studioalbum der Band durchaus ein interessantes Projekt darstellt.
Das ist nun durchweg Geschmackssache, doch auch musikalisch spielt sich das Hauptgeplänkel für meine Wahrnehmung hinter dem Gebetsständer ab. Denn ihre oftmals nachgesagte Innovationskraft im weitgehend ermüdeten Genre des Metalcore haben KILLSWITCH ENGAGE mittlerweile vollends in die Luft geschossen. So bleibt “Disarm The Descent“ im Kern hochgradig vorhersehbar, arbeitet fast ausschließlich mit den immergleichen Strukturen aus drückender Metalcore-Wucht und harmonischen Refrains und bietet nur wenig Neuartiges. Was die Jungs aus Wesfield hingegen noch immer bestechend machen, ist schlichtweg starke Songs zu schreiben.
So finden sich auf diesem Output mit Heavy-Nummern wie “New Awakening“ oder “The Turning Point“, oder auch etwas blumigeren Geschichten wie “In Due Time“ oder “No End In Sight“ erneut eine ungewöhnliche große Anzahl an hitverdächtigen Stücken, die KILLSWITCH ENGAGE immer wieder auszeichnen. Um dann wieder den Bogen zur Altneuheit Leach zu spannen, so macht der Fronter einen überragenden Rückkehrer-Job. Demnach gilt es in diesem Sektor gerade mit den (im Übrigen sehr dicht vertretenen) Clean-Vocals so vorsichtig abzuwägen, dass, trotz hoher Emotionalität, keine unpassende Weinerlichkeit aufkeimt. Dies gelingt Jesse Leach mit hoher stimmlicher Variation, sauberer Akzentuierung und präziser gefühlstechnischer Induktion auf einem überaus hohen Level.
Die Kombination aus einfachen, aber mit hausmittelartiger Sicherheit funktionierenden Kompositionen und toller Leistung hinter dem Mikro verbietet es schlichtweg “Disarm The Descent“ unter ein wirklich gutes Niveau abzustrafen, auch wenn von Innovation und Originalität wahrlich keine Spur mehr vorhanden ist.
(Patrick | 7/10 Punkte)
Jesse Leach hat scheinbar einiges aufzuholen, wenn er im Opener „The Hell In Me“ ein aggressives „Set Me Free“ ins Mikro keift. Nach dem krankheitsbedingten Ausstieg von Howard Jones waren KILLSWITCH ENGAGE eifrig auf der Suche nach einem neuem Sänger, und konnten diese Situation gleichzeitig als Neuanfang nutzen, denn mit „Killswitch Engage II“ hatte man sich anno 2009 wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Nun ist also der Mann zurück, der dem Debüt und „Alive Or Just Breathing“ seinerzeit einen unverwechselbaren Charme etikettierte und wohl auch der Wunschkandidat aller Fans für diesen Posten war.
Stolze vier Jahre hat man jene warten lassen, doch nun steht mit „Disarm The Descent“ das mittlerweile sechste Studioalbum bereit. Unabhängig von Jones‘ gesanglicher Leistung hatte ich die Truppe vor geraumer Zeit eigentlich schon aufgegeben, da sich das komplette Gefüge in eine deutlich weichgespültere Richtung entwickelte und mir bei den für den Sängerposten im Raum stehenden Namen wie Phil Labonte (ALL THAT REMAINS) schon das kalte Grauen kam. Glücklicherweise haben sich Dutkiewicz und Konsorten letztlich doch für Jesse Leach entschieden, und siehe da – wie von Geisterhand haben KILLSWITCH ENGAGE wieder einen Arsch in der Hose. Und was für einen! Dass sich oben besagtes „The Hell In Me“ und „Beyond The Flames“ nicht zu einem Fehlstart hinreißen lassen, merkt man zwar erst nach einigen Durchgängen, aber genau das spricht dafür, dass die Songstrukturen deutlich ausgewogener ausgefallen sind.
Trotzdem sollte jedem klar sein, worauf er sich hier einlässt, denn wirklich neues liefern die Amis natürlich nicht ab. Dafür gelingt es ihnen bestens, ihre Stärken in der Melodieführung und den Riffs („The New Awakening“; „Time Will Not Remain“) nach langer Zeit mal wieder ausdrücklicher und vor allem nachhaltiger zu betonen, wodurch der Vorgänger im Vergleich nicht nur an diesen Stellen wie eine Ansammlung schwacher B-Seiten wirkt. Hinzu kommt, dass gesanglich wieder richtig starke Highlights gesetzt werden. Die erste Auskopplung „In Due Time“ profitiert nicht nur bei den harschen Parts von der Bissigkeit eines Jesse Leach, sondern auch im Refrain, der eigentlich nur von jenem in „A Tribute To The Fallen“ überboten werden kann. Auch wenn die Ohren primär auf den „Neuzugang“ gerichtet sind: Hier wird sich zu keiner Zeit gegenseitig die Show gestohlen, was sich auf eine geschlossene „Mannschaftsleistung“ zurückführen lässt.
KILLSWITCH ENGAGE sind in den vergangenen vier Jahren im Gesamtpaket hörbar voran gekommen, obwohl sie sich bis auf die etwas überraschende Halb-Ballade „Always“ (dennoch eines DER Highlights) kaum Neuerungen gönnen. Das müssen sich die fünf Jungs allerdings auch nicht, da sie sich vor geraumer Zeit in einem stagnierenden Genre eine eigene Nische geschaffen haben, die sie 2013 perfekt zu beherrschen wissen. Durch den Sängerwechsel erlangt „Disarm The Descent“ eine angenehme Frische, die aber nicht nur beim lyrischen Part des Albums zum Tragen kommt, sondern auch die Instrumentalabteilung belebt und zu Höchstform aufkommen lässt.
(Pascal | 8/10 Punkte)
Niemand, der ernst genommen werden will wird behaupten, dass Howard Jones ein schlechter Sänger war. Für KILLSWITCH ENGAGE war er genau der richtige Mann, um nach dem Ausstieg von Jesse Leach die Lücke zu füllen, und Alben wie „The End Of Heartache“ offenbarten auch dank ihm enorme Qualitäten. Für glühende Verehrer des „Alive Or Just Breathing“-Werks von 2002 konnte er Jesse jedoch nie so ganz das Wasser reichen. Nach Adam D.s Nebenbaustelle TIMES OF GRACE ist der bärtige Sänger jetzt auch wieder bei KSE am Start, und die Fangemeinde darf sich freuen: „Disarm The Descent“ ist deutlich besser als der selbstbetitelte Vorgänger, und Jesse ist genau der frische Wind, den die Band so dringend benötigt hat.
Das Album bietet erwartungsgemäß keine großartigen Experimente, aber man bekommt den ureigenen Stil der Neuengland-Superstars in der wohl höchsten Qualität geboten, die derzeit möglich ist. Die Essenz der Band hat sich längst in Richtung Melodien verschoben, was aber nicht heißt, dass Growls und Riffs das Songmaterial nicht stellenweise ziemlich heftig daherkommmen lassen. In jedem Song sind es jedoch die eingängigen Refrains und Bridges, die der jeweiligen Nummer ihren Wiedererkennungswert verleihen, und die sind so gut wie immer erstklassig, mitreißend und hitverdächtig. Besonders die erste Hälfte das Albums glänzt mit kurzen, aber prägnanten Ohrwürmern, die jedoch stets als Metal-Song zu identifzieren sind. Manchmal wagt sich Adam D. sogar an eine Art Gitarrensolo, was einigen Momenten noch ein wenig mehr Tiefe verleiht. „The Hell In Me“, Beyond The Flames“ oder „The Turning Point“ werden bei jedem Fan gut ankommen, und mit „Always“ gibt es auch wieder eine etwas ruhigere Nummer. Die zweite Albumhälfte ist nicht ganz so catchy, die Melodien nicht so offensichtlich, aber vertrackt und progressiv geht natürlich auch anders.
„Disarm The Descent“ kann von jedem Genrefan, der Melodien und Härte gleichermaßen schätzt und sich gerne beides gemeinsam liefern lässt, bedenkenlos abgegriffen werden. Für manche wird das Album sogar die beste KSE-Scheibe seit „Alive Or Just Breathing“ sein, und selbst, wenn man nicht ganz so weit gehen würde – Jesses Rückkehr ist ein echter Gewinn für die zuletzt etwas schwächelnde Band. Nein, hier gibt es keine musikalische Revolution, aber für die kauft man sich auch kein KSE-Album.
(Heiko | 8/10 Punkte)
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Stile | Metalcore, Modern Metal |
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Schließe mich den Kollegen Patrick und Stephan an. Handwerklich top, aber Überraschungen und Innovationen – Fehlanzeige. Es sind die ewig gleichen Riffs und Melodien, die hier verarbeitet wurden – andererseits: Eine bessere Reminiszenz an den Metalcore-Baukasten muss man erstmal finden. 7/10 Punkte.
Ich hab nach 3 Liedern ausgemacht…
Ich hab nach dem ersten lied ausgemacht. Das hat mit Metal-Core gar nichts mehr am Hut!!!