Kein Metal, aber...
...für Metalheads vielleicht trotzdem interessant.

Special

Das wird jetzt eine ganze Menge Leute schockieren, speziell solche, die die Webseite „metal.de“ aufsuchen um Albumreviews, Specials, News, Interviews und Konzertberichte in und um den Metal zu lesen. Aber wir, die Redaktion, haben auch unsere Momente, in denen wir etwas anderes hören. Dass das ganz und gar nicht trve oder kvlt ist, wissen wir. Aber manchmal muss man, wenn man den ganzen Tag (mehr oder weniger) kritisch über Metal nachdenkt und seine Gedanken dazu zum Besten gibt, eben auch mal Urlaub vom Krach machen.

Aus diesem Grunde haben wir einmal ein kleines Kompendium zusammengestellt an Künstlern/Bands, die wir abseits des Metals für empfehlenswert halten und die für ein aufgeschlossenes Metal-Publikum immer noch interessant sein könnten. Will sagen: Irgendwie rockt es in vielen Fällen dann schon noch im ausreichenden Maße oder hat auf andere Weise einen Bezug zur Metalszene. Wie sich das genau äußert, seht Ihr im folgenden Special über Musiker, die kein Metal sind, uns aber dennoch bei der Stange halten. Ungeduldige können weiter unten direkt zum Act der Wahl springen, den anderen wünschen wir viel Spaß beim Blättern (und beim Antesten der Spotify-Playlist, die wir für Euch mit ausgewählten Songs zusammengestellt haben)!

ALEX CAMERON
A PRIMITIVE EVOLUTION
BAY LAUREL
BRIDGE CITY SINNERS
DANCE WITH THE DEAD
DROPKICK MURPHYS
EIVØR
MY INDIGO
TRAILERPARK

ALEX CAMERON

Alex Cameron – Miami Memory Cover

Den Bühnencharakter des Alex Cameron in Worte zu fassen ist nicht leicht, aber vermutlich trifft es der Begriff eines leicht verwahrlosten David Bowie der Neuzeit am ehesten, eine Art sympathischer Loser, der seine mitunter expliziten Eskapaden in einen mal mehr, mal weniger Synth-schwangeren Heartland-Sound packt. Er wirkte unter anderem an einem der einschlägigeren Meme-Songs des vergangenen Jahrzehnts, „Big Enough“ von Kirin J. Callinan, mit. Ebenso zählen Songwriting-Credits bei den KILLERS zu seiner Vita, die sich auch hier und da in seiner eigenen Musik niederschlagen, besonders explizit im Track „Politics Of Love“, in dem Brandon Flowers als Gastsänger auftritt.

Ein sympathischer Loser mit Charme, Charisma und einem ungefiltertem Mundwerk

Cameron auf der Bühne zu sehen ist ein Spektakel. Sein ungelenker aber vor Selbstbewusstsein nur so strotzend inszenierter Hüftschwung sucht weit und breit Seinesgleichen und sein für Australier typisch kruder Humor in und um die Songs hält, was er verspricht. Entsprechend sind auch die Texte in seinen Songs oftmals durch Frivolitäten, teilweise auch durch Grauzonen geprägt. Doch Camerons nonchalante Bowie-Gedenk-Intonation (im Sinne dessen früherer Werke wie z. B. „Hunky Dory“) füllt jeden einzelnen Takt mit derart viel Charme und Charisma, dass man ihm selbst in den zweifelhaftesten Momenten der Marke „Studmuffin96“ an den Lippen hängt.

Stets begleitet wird er durch seinen Saxofonisten und „Geschäftspartner“ Roy Molloy, der seine Marke in nahezu jedem seiner Tracks hinterlässt. Das fügt den nah an AOR-Wassern gebauten Pop-Hits noch einmal eine Extra-Portion Eighties-Charme hinzu, speziell wenn sich Molloys Saxofon zu jubilierenden Höhen aufschwingt wie in „Best Life“. Und doch wird hier kein purer Achtziger-Fetischismus betrieben, da die luftigen, texturierten Synths, die viele Songs unterfüttern, etwas glasklar Modernes in den Sound hinein bringen. Nur speziell auf früheren Tracks wie „Happy Ending“ oder „Mongrel“ sind diese noch von antiquierter Natur.

Mit dem damals unabhängig und kostenfrei veröffentlichten Debüt „Jumping The Shark“ erlange Alex Cameron 2013 relativ zügig Aufmerksamkeit und konnte sich so auf eine Tour zusammen mit u. a. FOXYGEN heraufschwingen. Dem folgte sein vermutlich bis heute bestes Werk „Forced Witness“, auf dem er praktisch Hit an Hit gereiht hat ohne nennenswerte Ausfälle, während die beiden folgenden Alben „Miami Memory“ mit mehr Gewichtung auf den Heartland-Aspekt und das fast nach Karaoke klingende „Oxy Music“ auch gut sind, in ihrer jeweils eigentümlichen Weise aber nicht ganz an „Forced Witness“ herankommen.

Alex Cameron inszeniert seinen rockigen Pop mit zwei Gesichtern geschmackssicher und memorabel

Sich auf Alex Cameron einlassen ist ein seltsames Erlebnis, eine Mischung aus sich in sensationell sahnigem Pop Verlieren und dann  Augenbrauen emporhievend Aufschrecken, weil man wieder mal über einen der großartig kruden Texte gestolpert ist. Sei es der Titeltrack von „Miami Memory“ mit der Refrainzeile „Eating your ass like an Oyster, the way it came like a Tsunami“ oder das kongeniale „True Lies“, das man am besten komplett ungespoilert erleben sollte, einfach weil es so skurril ist und seine verwahrloste Persona so richtig schön in Szene setzt.

Es gibt durchaus auch reflektierte Facetten bei Camerons Musik, die sich vermehrt in seinen späteren Werken tummeln. Der Titeltrack von „Oxy Music“ deutet beispielsweise suizidale Gedanken an. Etwas weniger drastisch, aber nicht minder ernst ist auch „Far From Born Again“, eine durchaus erwachsene Reflexion über das horizontale Gewerbe. Doch egal wie humorvoll oder seriös, Alex Cameron lässt seinen Charme zu keiner Zeit missen. Wer also auf der Suche nach rockigem Pop ist mit leichtem artsy Flair, kühlen Synths und einem Bowie-artigem Sprachrohr auf der einen, dazu herrlich konträr laufender Lyrik mit Hang zum Anstößigen auf der anderen Seite, der ist hier bestens aufgehoben.

Autor: Michael Klaas

A PRIMITIVE EVOLUTION

A Primitive Evolution sind (v. l.): Steph Seki, Brett Carruthers und Stu Dead. © Dash Revery

Kanada. Der hohe Norden. Endlose Wälder und kühle Temperaturen. Nicht. Kanada bedeutet auch pulsierende Städte. Allen voran Toronto, das übrigens auf der Höhe von Südfrankreich liegt. Und im Sommer wird es heiß in Toronto. Besonders im Sommer 2011. 38°C misst das Thermometer am 21. Juli. Durch die Lage am Lake Ontario und der resultierenden hohen Luftfeuchtigkeit kann man bei der gefühlten Temperatur noch 10°C draufschlagen. In den Straßenschluchten steht die Luft. Der Asphalt glüht. Tropennächte. Electrical Storms.

A PRIMITIVE EVOLUTION sind ein Stück Toronto

Ein Sommer nach dem Auslandsjahr vor Semesterstart in Deutschland. Viel Freizeit, viele Möglichkeiten. Die Lokalheld:innen A PRIMITIVE EVOLUTION haben einige Zeit zuvor ihr Debüt „A.P.E.“ veröffentlicht. Sie drehen fleißig DIY-Videos und spielen in den alternativen Clubs der Stadt. Kleine Läden wie der Bovine Sex Club. Laut, schwitzig, sehr viel Stimmung. Die Band ist fest in der Community etabliert, meist spielt sie mit anderen lokalen Lieblingen. Wer sich in der alternativen Szene bewegt, wird irgendwann auf sie stoßen und von ihrer Energie vereinnahmt werden.

A PRIMITIVE EVOLUTION machen einen dreckigen Alternative Rock, der fast Grunge ist. Mit ihrer Ästhetik, die dem hauseigenen Playdead Cult entspringt, fügen sie noch einen Touch Horrorpunk hinzu. Dem Debüt „A.P.E.“ folgt 2012 das Album „The Prize“ und 2018 „Becoming“, letzteres erstmals über das Label Metropolis Records. Den für das Bandkonzept unerlässlichen Do-it-yourself-Charakter haben sich A PRIMITIVE EVOLUTION jedoch bewahrt. Ihre Authentizität ist eine ihrer größten Stärken als Band. Eine weitere ist ihre seit der Gründung 2007 konstante Besetzung. Eine zweite Gitarre gab es mal, doch seit einigen Jahren sind Brett Carruthers (Gitarre, Gesang), Steph Seki (Bass, Cello) und Stu Dead (Drums) als Trio bestens eingespielt.

Empfehlung für Fans ehrlicher, energiegeladener Musik

Im Vordergrund steht bei A PRIMITIVE EVOLUTION zwar der Spaßfaktor, doch gerade bei den Texten werden sie gerne ernster. Sie thematisieren neben zwischenmenschlichen und introspektiven auch gesellschaftskritische Aspekte. Diese verpacken sie in mal aggressive und mal sanftere Musik. So ist das zweite Album „The Prize“ fast gänzlich akustisch und reinterpretiert unter anderem Stücke vom Debüt. Fronter Brett Carruthers (ebenfalls Bass bei THE BIRTHDAY MASSACRE) schneidet seine wandelbare Stimme mit viel Wiedererkennungswert entsprechend zu und setzt emotionale Akzente. Für Metalfans relevant sind somit nicht nur die harten Parts, sondern auch die Vielfalt an Stimmungen, die aussagekräftigen Texte und der Spaß an der Musik, der überspringt.

A PRIMITIVE EVOLUTION sind das vertonte Lebensgefühl eines heißen und ereignisreichen Sommers in Toronto. Für alle, die die dortige alternative Szene kennen, sind sie ein unverzichtbarer Teil davon. Diese Verbindung zur Stadt braucht man aber nicht, um den Spaß, die Emotionen und die Handarbeit der Band zu schätzen zu wissen. Eine Empfehlung an alle, die alternative Genres mögen und ein Faible für unaufgeräumte, ehrliche, energiegeladene Musik haben.

Autorin: Angela

BAY LAUREL

Bay Laurel

BAY LAUREL ist nicht nur die englische Bezeichnung für ‚laurus nobilis‘, in Deutschland auch als Lorbeer bekannt, sondern auch der Name einer schwedischen Dark-Rock-Band aus Karlstad. Die bereits 2001 aufgelöste Truppe konnte nach zwei Alben mit ihrer Cover-EP „Bitter Toxins“, die unter anderem Interpretationen von Depeche Mode- und David Bowie-Klassikern enthielt, vor allem mit dem Folgealbum „Where The Pain Comes To Die“ überzeugen.
Schweden hatte vor allem um die Jahrtausendwende einen tiefen Pool an außergewöhnlichen Bands, die Rock, Dark Pop und manchmal auch Metal auf eine sehr düstere, depressive Art und Weise kombinierten, die leider nicht alle aus dem Underground herauskamen und gegensätzlicher als ABBA nicht hätten sein können.

BAY LAUREL – so düster ist Schweden

Denen stehen aber inzwischen bekannte Bands wie LANDBERG oder KENT gegenüber. BAY LAUREL dürfen hier gern exemplarisch für diese Zeit gelten, denn die Band hat wie viele andere ihre Schaffensphase auf der Klimax einfach beendet. Wer sich die Zeit nehmen will, wird viele Schätze finden, die keiner von den Kids – nicht mal die aus Schweden – noch kennen.


Während die ersten beiden Platten „Under A Clouded Sky“ und „Days Of Joy“ stilistisch stets irgendwo in düsterer Unzuordenbarkeit schwer zugänglich waren, konnte „Where The Pain Comes To Die“ auf seine düstere, nihilistische Art komplett überzeugen und darf als Referenzwerk vor der Auflösung der Band gelten, das heute noch in seiner düsteren, eigenwilligen Art kein bisschen an seiner Überzeugungskraft verloren hat und Songs wie „Strife“, „A Misery Song“ oder „Pale Colors“ stehen nur in erster Linie des komplett gelungenen Meisterwerkes.

Untergang mit einem Über-Album

Das unten verlinkte Review auf metal.de verlangt in seiner nichtssagenden Art schmerzlich eine Revision, denn BAY LAUREL sind kein bisschen gesichtslos und weitab vom verkitschen Standard-Goth-Rock.

Wer sich mit Landsmanns Kvarvorth von SHINING beschäftigt hat, sollte dessen Coverversion von „Pale Colors“ von der Split mit MONUMENTUM kennen.

Als ‚nice to know‘ – Tobias Gustafsson der heute noch bei den schwedischen Deathern von VOMITORY trommelt, war zwischen 1994-95 bei der Band am Start und hat ihren Erstling „Under A Clouded Sky“ eingespielt.

Autor: Oliver Schreyer

BRIDGE CITY SINNERS

Bridge City Sinners © Bryon Jeremy – @bryon.jeremy (Instagram)

Während der Pandemie saß man ja oft länger vor Youtube, als wirklich gesund ist und stieg dabei so manchen Kaninchenbau hinab. Meiner hat mich bei der Suche nach neuer Musik direkt in jenem Wunderland ausgespuckt, das die amerikanische Folk-Punk-Szene darstellt. Besonderen Eindruck hinterließen dabei die BRIDGE CITY SINNERS aus Portland, Oregon; einer Stadt, die für ihre schräge Künstlerszene bekannt ist und nicht umsonst als etwas verrückt gilt.

Mit BRIDGE CITY SINNERS ab in den Kaninchenbau

Dort passen die BRIDGE CITY SINNERS, die ihre Musik selbstbewusst als „Not your Grandparents‘ folk music“ beschreiben, bestens rein. Mit Akustikklampfe, Banjo, Kontrabass und Fiedel bewaffnet bedient sich der bunte Haufen ganz scheuklappenfrei aus dem reichhaltigen Repertoire traditioneller amerikanischer Musik von Bluegrass über Country bis hin zu Jazz aus der Prohibitionszeit und Swing, verpasst dem Ganzen aber einen eigenen düsteren Twist. Während die Musik der BRIDGE CITY SINNERS nämlich durchaus dazu anregen kann, ekstatisch das Tanzbein zu schwingen, geht es in den Texten oft ganz und gar nicht freundlich zu.

Ihre Wurzeln haben die BRIDGE CITY SINNERS in der amerikanischen Punk- und Straßenmusiker-Szene…und auf Craigslist. Dort stellte Frontfrau Libby Lux einst eine Suchanfrage nach Mitmusikern für eine neue Band und kurz darauf machte das schräge Kollektiv auch schon die Bordsteine und kleinen Bühnen ihrer Heimat unsicher. 2016 veröffentlichte die Band zunächst in loser Besetzung und ohne größere Ambitionen das selbstbetitelte, hauptsächlich aus Covern bestehende Debüt. Ob des unerwartet großen Zuspruchs folgte 2019 mit „Here’s To The Devil“ jedoch ein komplett aus Eigenkompositionen bestehendes Album.

Mit der dritten Platte „Unholy Hymns“ (2021) schaffte es die Truppe sogar bis in die Top 70 der amerikanischen Billboard Charts. Und in der inzwischen festen Besetzung bestehend aus Libby Lux (Gesang, Banjolele), Michael Sinner (Gitarre), Scott Michaud (Kontrabass), Lightnin‘ Luke (Geige) und Clyde McGee (Banjo) ging es nach den Pandemiebeschränkungen auch endlich auf internationale Club- und Festivalbühnen. Sowohl „Here’s To The Devil“ als auch „Unholy Hymns“ wurden in bester DIY-Manier über das bandeigene Label Flail Records veröffentlicht.

Persönliches trifft auf Trolle, Sirenen und satanische Rituale

Neben ihren energiegeladenen Auftritten sind es vor allem die düsteren, jedoch oft mit einer gesunden Portion Galgenhumor vorgetragenen Texte, mit denen die BRIDGE CITY SINNERS hervorstechen. Darin verarbeitet die Band persönliche Themen wie Sucht, Depression und Verlust, teilt augenzwinkernd blasphemische Seitenhiebe an den religiös-konservativen Teil der amerikanischen Gesellschaft aus oder erzählt kleine Horrorgeschichten. Grade letztere kann man sich inhaltlich gut auf einem okkulten Heavy-Metal-Album der 80er oder auch im Gothic-Sektor vorstellen, ob es da nun um satanische Menschenopfer, verlockende Sirenen, blutrünstige Trolle oder untote Rattenkönige geht.

Passend dazu mischt Libby Lux immer wieder markerschütternde Screams, die mancher schwarzmetallischen Furie zur Ehre gereichen würden, unter ihre abwechslungsreiche Gesangsdarbietung. Auch musikalisch ergehen sich die BRIDGE CITY SINNERS nicht ausschließlich in schwungvollen Exzessen; viele Stücke sind von einer tiefen Melancholie beseelt und triefen besonders durch das virtuose Spiel von Teufelsgeiger Lightnin‘ Luke vor beklemmender Atmosphäre. Material wie der epische Zweiteiler „The Legend Of Olog Hai“ versprüht zudem eine bedrohliche Aura, die aufgeschlossene Metalheads besonders zu schätzen wissen dürften. Nachschub gibt es übrigens am 12. Juli mit dem neuen Album „In The Age Of Doubt“.

Autor: Hans Völkel

DANCE WITH THE DEAD

Dance With The Dead – Live

DANCE WITH THE DEAD sind keine leuchtende Synthwave-1980er-Neon-Romantik, hier geht es handfester zur Sache – düsterer, gruseliger und dennoch voller Energie. Die beiden US-Amerikaner Justin Pointer und Tony Kim bringen dabei alles ein, was viele Metal-Fans mögen: Knallige Gitarren, massig Horror- und Splatter-Film-Anleihen und viel Liebe für die Großwerke des Metal. Die Sozialisierung mit harter Gitarrenmusik ist deutlich erkennbar und spiegelt sich im Schaffen von DANCE WITH THE DEAD eindeutig wider, „Dark Synthwave“ trifft’s, stilistisch „Horror-Electro-Thrash“ womöglich auch.

Synthwave trifft Metal bei DANCE WITH THE DEAD

Und sind Synthwave-Projekte wie CARPENTER BRUT und PERTURBATOR ebenfalls nahe am Metal-Kosmos dran und dort hoch geachtet, ja fast schon „gewöhnlich“ auf großen Festivals, so sollten auch DANCE WITH THE DEAD eigentlich ganz selbstverständlich dort hingehören – denn dieses Projekt ist musikalisch der perfekte Brückenschlag zwischen Metal und Synthwave. Die Energie des Metal gepaart mit treibender Eingängigkeit des Elektro, sozusagen.

Allerdings sind DANCE WITH DEAD ein bisschen verschrobener, ein bisschen nerdiger als die bereits genannten übergroßen Genre-Vertreter. 2013 gegründet ist die Band zwar auch ein Urgestein des Synthwave und live durchaus präsent – egal, ob auf kleineren Festival-Bühnen, im Vorprogramm so namhafter Acts wie DRAGONFORCE, BEAST IN BLACK oder DEVIN TOWNSEND oder solo in kleinen Clubs. Und passend zur synthwave-üblichen Remix-Kultur nehmen sich DANCE WITH THE DEAD (natürlich) daher auch gern mal Klassiker des Rock oder Metal vor.

Live ein echtes Highlight…

Dabei war das Projekt zunächst gar nicht für eine Bühnendarstellung ausgelegt. Gut, dass die Herren Pointer und Kim sich das nochmal gründlich überlegt haben. Auf der Bühne zu Dritt (dann mit menschlichem Drummer) wird aus dem Elektro-Projekt eine richtige Band. Und dann kommen auch die Thrash- und Rock-Elemente noch deutlicher zum Tragen als von Platte.

Doch die Band auf ein knalliges Live-Phänomen zu reduzieren, wäre ziemlich unzureichend. Denn gerade die ersten Studio-Alben haben eine wunderbare Ohrwurmqualität und eine ganz einzigartige, besondere Stimmung. Das Debüt-Album „Out Of Body“ von 2013 ist soundtechnisch noch etwas unbehauen und kommt mit seinem 2023er-Jubiläums-Remix besser zur Geltung. Aber die 2014er-Veröffentlichungen der tanzenden Toten haben es in sich: Seien es die EPs „Into The Abyss“ und „Send The Signal“ oder das Album „Near Dark“.

Hier haben DANCE WITH THE DEAD schon sehr früh ihren typischen und wiedererkennbaren Sound gefunden – zwar noch elektroniklastiger als heutzutage, aber melodiös, gruselig und angenehm nostalgisch. Und auch das neueste Werk „Driven To Madness“ macht – nach einem kurzen Kreativ-Durchhänger in der Bandhistorie in den späten 2010er-Jahren – wieder richtig Spaß.

… aber auch von Platte ein großes Vergnügen

Auch nach mehr als zehn Jahren ist es somit ein absolutes Vergnügen insbesondere zu den alten Werken der Band zurückzukehren. Gerade dieser plakativ-schrille Horroransatz, der sich herrlich aus den Quellen von JOHN CARPENTER über George A. Romero bis Dario Argento speist und unzählige bekannte Referenzen aus Film und Fernsehen einwebt, wirkt wie ein Gute-Laune-Booster. Aliens, Zombies, Mutanten: Alles rein und ab die Post!

Autor: Sven Lattemann

DROPKICK MURPHYS

Dropkick Murphys – Europe Tour 2023

Hamburg, Stadtteil St.Pauli, Mitte der 90er Jahre. Das frühere Ausgehviertel ist in die Jahre gekommen und alternative Ideen und Denkweisen kommen zum Vorschein. Klingt komisch in der heutigen Zeit, war vor circa 30 Jahren aber der Fall: Auf dem schmuddeligen Kiez möchte das gutbürgerliche Hamburg nicht wohnen. Punk ist mittlerweile tief im Stadtteil verwurzelt. Diverse kleine Lokationen geben Bands eine Bühne. Ob der Grüne Jäger, das Jolly Roger, Molotow, Hafenklang oder ein anderer Laden: irgendwo findet sich immer Livemusik.

DROPKICK MURPHYS oder „Skindhead On The MBTA“

Warum auch immer die keltisch angehauchte Folk-Punk-Band DROPKICK MURPHYS aus den USA sich auf ihrer ersten Tour durch Europa 1997 für den unbekannten Ort Hamburg entschieden hat, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Gespielt wird im Logo gemeinsam mit THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES, die im Ska ihren Schwerpunkt haben. Der Rest ist Liebe auf dem ersten Blick und „Skindhead On The MBTA“ eine der Hymnen. Das ausflippende Publikum und die beiden Bands erleben einen unvergesslichen Abend. Seit dieser Zeit vergeht eigentlich kein Jahr, wo die DROPKICK MURPHYS nicht in Hamburg aufschlagen.

Die Lokationen sind deutlich größer geworden und im Szeneviertel sind die mittlerweile über ein halbes Jahrhundert alten Recken nicht mehr zu finden. Spötter sagen, dass das Szeneviertel ebenfalls nicht mehr zu finden ist. Geblieben ist die Musik. Kennt jemand „The Fields Of Athenry“ nicht? Früher Standardrepertoire, heute in der Regel nur noch auf den Shows zum St. Patricks Day in Boston in der Setlist.

Die DROPKICK MURPHYS haben in den vergangenen Jahrzehnten mehr als genügend Hits komponiert und greifen weit weniger auf das altbekannte irische Liedgut zurück. Wie wäre es mit „Worker’s Song“? Der Refrain votiert gegen die Ausbeutung der Arbeiter, die immer am Ende der Schlange stehen, wenn die Sahne verteilt wird. Die Lyrics werden ihre Aktualität wohl nie verlieren.

Celtic-Folk-Punk mit einem kritischen Blick auf die Gesellschaft

Die Truppe aus Boston versteht sich nicht als politische Band, möchte aber auf Ungerechtigkeiten oder bestimmte Sachverhalte hinweisen. „The Warrior’s Code“ behandelt zum Beispiel das Thema Boxen, „Going Out In Style“ widmet sich dem Lebensende. Genauso gibt es Lieder über Baseball, Basketball oder Eishockey. Sportarten, die in Boston und Umgebung große Anziehungskraft haben. „First Class Loser“ wird heute einem nicht ganz unbekannten ehemaligen US-Präsidenten gewidmet und hat dadurch eine politische Schlagseite bekommen. Es geht beim DROPKICK-MURPHYS-Material um Geschichten, die nicht primär über Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll schwadronieren.

Während der Pandemie sind es die DROPKICK MURPHYS, die zum St. Patricks Day den ersten Livestream in das weltweite Netz jagen. Im Laufe des Jahres 2020 entern die Herren das Stadion der Boston Red Sox (Baseball) und sammeln Geld für bedürftige Menschen. Einmal mehr zeigen die Protagonisten, dass ihr Herz am richtigen Fleck sitzt.

Wer auf punkig keltische Töne, mitreißende Melodien und Lyrics mit Sinn und Verstand steht, bekommt von dem Sextett eine Vollbedienung. In Hamburg werden die Boys 2024 das Stadtpark Open Air rocken. Let’s go Murphys!

Autor: Jürgen Fenske

EIVØR

Eivør © Sigga Ella

Die Faröer – eine zu Dänemark gehörende, autonome Inselgruppe im Nordatlantik – haben vor allem Fans der epischen auf ihrer Landkarte vermerkt. Denn zu den berühmtesten musikalischen Exporten der Inseln gehört die Viking-Metal-Band TÝR, die schon seit über 20 Jahren das Genre prägt. Neben den Wikingern um Bandchef Heri Joensen sollten aber auch Anhänger des Death-Dooms das Land kennen, da es auch die Heimat der mystischen HAMFERÐ ist.

Das Wunderkind von den Fjorden

Abseits dieser beiden namhaften Metalbands gibt es einen anderen musikalischen Act, der international noch erfolgreicher ist: Eivør Pálsdóttir oder einfach auch EIVØR genannt. 1983 geboren, begann sie während der Kindheit mit ihrer musikalischen Karriere. Schon mit 13 Jahren wirkte sie als Sopranistin in einem Chor, der sie auch auf internationale Bühnen brachte. Mit 17 veröffentlichte EIVØR ihr erstes Album „Eivør Pálsdóttir“ (2000). Zeitgleich wirkte sie als Sängerin der Rockband CLICKHAZE, sowie dem Jazz-Projekt YGGDRASIL.

In den folgenden Jahren fokussierte sich EIVØR weiter auf ihre Solo-Karriere und veröffentlichte bis heute eine Vielzahl an Alben. Sie singt dabei größtenteils in der Landessprache Färöisch. Einige Songs wurden aber auch in Englisch geschrieben – so zum Beispiel für das Album „Bridges“ (2015 in Kombination mit „Slor“ veröffentlicht). Für dieses Jahr ist ein neues Album angekündigt: „Enn“ wird am 14.06.2024 über Season Of Mist erscheinen.

Einmalig, außergewöhnlich, EIVØR

EIVØRs lässt sich nicht leicht in eine Schublade stecken. Ähnlich wie die Isländerin BJÖRK kombiniert Pálsdóttir eine Vielzahl an unterschiedlichen Genres und Stilen miteinander. Jedes Album gleicht einem Überraschungs-Ei bei dem man vorher nie weiß, was man bekommt. Allgemein unter Pop gehalten experimentiert sie immer wieder mit Elementen aus Jazz („True Love“), zeitgenössischer Klassik, Rock („Nights Body“) und Electronic („Sleep On It“). Dabei lässt sich EIVØR aber vor allem stark von der färöischen Folklore inspirieren. So zum Beispiel bei dem mit Einar Selvik (WARDRUNA) eingesungenen Song „Stirdur Saknur“.

Daneben überzeugt und überrascht die Faröerin immer wieder durch ihre stimmliche Vielseitigkeit. Von einfachen Pop-Hymnen, über Jazz und traditionelle Folklore bis hin zu Sopran gelingt es EIVØR spielend leicht alle Grenzen des Gesangs zu sprengen. Weltweite Aufmerksamkeit erreichte sie so 2013 mit der Live-Aufnahme ihres Songs „Tròdlabùndin“, bei dem sie neben ihrer klassischen Stimme auch mühelos in traditionell färöischen Kehlkopfgesang wechselt. Mit dieser Performance generierte sie nicht nur ein Millionenpublikum, sondern überzeugte auch Gesangsexperten von ihrer Einmaligkeit.

EIVØR ist multimedial aufgestellt

Wer neben dem Moshpit (oder Schildwall) auch Zeit vor Spielkonsolen oder dem PC verbringt, wird ihre Stimme wiedererkennen. Denn 2022 arbeitete EIVØR mit dem Komponisten Bear McCreary zusammen, um den Soundtrack zu dem Spiel „God Of War: Ragnarök“ für die PlayStation 5 einzuspielen. Fans von Wikinger-Serien kennen sie zudem von der mittlerweile abgeschlossenen Netflix-Serie „The Last Kingdom“. Auch hier leistete sie einen großen Teil zu dem Soundtrack (und wurde sogar mit einem kleinen Gastauftritt geehrt).

Aufgrund der starken Betonung auf folkloristische Themen erinnern ihre Lieder trotz der deutlich modernen Einflüsse an Musik, die Metalfans aus der Viking-Metal-, Neofolk- und Viking-Folk-Szene kennen. Trotz der Pop-Lastigkeit vieler Songs wirken diese aber nie nach Mainstream oder Ausverkauf. Vielmehr gelingt es ihr eine Art Mystik und Schwermut zu erzeugen, wie er eher aus dem Dark Folk und Dark Ambient bekannt ist. Ihre aktuelle Single „Jarðartrá“ könnte auch Teil eines Ambient-Black-Metal-Projektes sein.

Autor: Tim Otterbeck

MY INDIGO

My Indigo Cover

Wir schreiben den 10. November 2017. WITHIN TEMPTATION geben via Social Media bekannt, dass nicht wie sehnlich erwartet bald ihr neues Album in den Regalen stehen wird, sondern Frontfrau Sharon den Adel erst einmal ihr Soloprojekt MY INDIGO an den Start bringt. Die Fans sind geschockt. Ist das das Ende? Trennen sich WITHIN TEMPTATION?

Der Weg aus der Schaffenskrise

Nein, zum Glück nicht. Oder anders gesagt: Dank MY INDIGO bestehen WITHIN TEMPTATION weiter. Laut eigener Aussage kämpfte Frontfrau Sharon den Adel nach der Welttournee zum vorigen Album “Hydra“ mit einer langwierigen kreativen Blockade, die gleichermaßen auf Stress wie auch auf private Umstände zurückzuführen war. Wie sich später herausstellte, litt ihr Vater an einer schweren Krankheit, an der er dann leider verstarb, weshalb sie ihm das Album “My Indigo“ später widmete.

Sharon den Adel begann mit der Arbeit an MY INDIGO und damit, sich mental und kreativ frei zu schwimmen. Genau diesen Vibe spürt man bei jedem Takt und jeder Note des Albums. MY INDIGO könnte nicht weiter entfernt vom typischen WITHIN TEMPTATION Sound sein. Dennoch entfaltet sich die Magie von Sharon den Adels einzigartiger Stimme, gepaart mit ihren Songwriting-Künsten, in diesem Projekt genauso treffend wie bei ihrer Hauptband. Die Sängerin zeigt sich gesanglich von einer sehr stillen, zerbrechlichen Seite. Die Vocals sind glasklar und im Vordergrund, stellenweise nur begleitet von Akustikgitarre oder Klavier, was die Mischung umso eindringlicher macht.

Musikalisch bewegt sich MY INDIGO weit weg vom Heavy Metal und eher in Pop Gefilden. Dabei lassen sich die unterschiedlichen Stilrichtungen, die in den verschiedenen Songs eine Rolle spielen, schwer eingrenzen. Das macht das Album aber nur interessanter. So sind einige Songs unleugbar von der weitläufigen niederländischen EDM-Szene beeinflusst, ein bisschen Reggae ist dabei, und bluesig wird es auch mal. Die Texte sind emotional, intensiv und zum Teil sehr persönlicher Natur.

Für alle, die gerne ausgetretene Pfade verlassen

Der Sound von “My Indigo“ hat unbestreitbar etwas Tröstliches und fühlt sich an wie ein warmer Sommerregen nach glühender Hitze. Gänsehautmomente wechseln sich ab mit dem wohligen Gefühl einer Umarmung. Sharon den Adel liefert mit MY INDIGO die musikalische Untermalung für die Zeiten, in denen man leise Töne braucht. Das Album ist auf jeden Fall ein Anspieltipp für Fans von WITHIN TEMPTATION und Liebhaber dieser besonderen Stimme. Darüber hinaus aber auch für alle, die gerne mal abseits von den gewohnten Wegen träumen.

Autorin: Sonja Schörg

TRAILERPARK

Trailerpark © Streetcinema

Die Geschichte von TRAILERPARK beginnt als Rap-Plattenlabel. Es gründete sich 2009 und bestand aus PIMPULSIV, DNP, SUDDEN und DANA. Neben Einzelveröffentlichungen der Künstler erschien im Gründungsjahr ein Sampler mit allen Labelmusikern unter dem Namen „Crackstreet Boys“. Zwei Jahre später nahm das Label ALLIGATOAH unter Vertrag. Aus den Bands PIMPULSIV und DNP lösten sich TIMI HENDRIX und Basti als Solokünstler, sodass die Kernbesetzung der Band TRAILERPARK aus ALLIGATOAH, SUDDEN, TIMI HENDRIX und Basti bestand. 2012 erschien in dieser Besetzung das erste richtige Album „Crackstreet Boys 2“.

TRAILERPARKs steiler Aufstieg – ALLIGATOAH sei Dank

Ungefähr zu dieser Zeit stieß ich auf die Musik der Band, die mich mehr ansprach als andere Hip-Hop-Künstler. Ähnlich wie bei K.I.Z. konnte die Mischung aus zotigen, grenzwertigen Texten und ohrwurmigen Beats überzeugen. Zugegeben: Ein dickes Fell benötigt man beim Durchhören der Scheiben – es gehen mehrere Textzeilen unter die Gürtellinie. Doch schon auf „Crackstreet Boys 2“ wurde mir klar, warum ausgerechnet diese Band den eingefleischten Metaller über den Tellerrand gucken lässt: Stücke wie „Selbstbefriedigung“ waren lupenreine Crossover-Songs.

Während ALLIGATOAH sich solo ein Jahr später mit „Willst du“ und dem Album „Triebwerke“ unsterblich machte, existierten auch TRAILERPARK weiter. Der Grund, warum sowohl der Rapper als auch die Band für Metalheads zugänglicher wirken liegt auf der Hand: Lukas Strobel, so ALLIGATOAHs bürgerlicher Name, ist laut eigener Aussage Metalhead im Körper eines Rappers – Sein neues Album „Off“ ist Beweis genug dafür.

TRAILERPARK veröffentlichten indes mit „Crackstreet Boys 3“ 2014 ihr drittes Album und es fanden sich immer mehr Fans aus allen Bereichen auf ihren Konzerten wieder. Die Hit-Single des Albums, „Bleib In Der Schule“, wurde ein paar Jahre später von HÄMATOM gecovert, was in einem gemeinsamen Gig der beiden Bands auf dem Wacken Open Air 2019 mündete.

Ist TRAILERPARK Hip-Hop für Metalheads?

Eine gewisse Toleranz gegenüber grenzwertigem Humor, Hip-Hop-Beats und Asozialität muss man für TRAILERPARK mitbringen. Doch sind wir mal ehrlich: Was auf einem Festival aus diversen Boxen am frühen Morgen, späten Abend oder gar ganztags schallt, ist oft Niveaulimbo in Reinkultur. Da gefallen mir persönlich ein paar zugedröhnte Spinner besser, die sich selbst kein Stück ernst nehmen. Leider hat sich die Band 2022 aufgelöst und als Solokünstler sind für mich nur ALLIGATOAH und TIMI HENDRIX spannend – doch das Motto, mit dem TRAILERPARK ihr letztes Album beschließen, wird noch in Zukunft durch die biergetränkten Gänge der Zeltplätze von Metalfestivals schallen: TP4L!

Autor: Jannik Kleemann

 

 

 

 

 

 

 

24.05.2024
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