Katatonia
Ein Rückblick auf 20 Jahre Katatonia

Special

Discouraged Ones

KatatoniaNachdem Dan Swanö sein Unisound Studio geschlossen hat, nehmen KATATONIA den Nachfolger zu „Brave Murder Day“ bei Tomas Skogsberg im Sunlight auf. 1998 veröffentlicht die Band dann mit „Discouraged Ones“ ihr drittes Album und begeht damit einen Kardinalsfehler, wenn man an das ungeschriebene, aber oft zitierte Marktgesetz glaubt, das besagt, dass das dritte Album einer Band über Erfolg und Misserfolg entscheidet: „make it or break it“. Auf „Discouraged Ones“ vollführen KATATONIA eine stilistische Wendung, die überraschend kommt und viele Fans vor den Kopf stößt. Bis heute markiert das Album den Punkt, an dem sich die Geister über KATATONIA scheiden.

Im Grunde aber hat die Band damit das einzig Richtige getan: denn ihr Meisterwerk „Brave Murder Day“ wirft einen derart langen und erdrückenden Schatten, dass die Band kein Licht mehr gesehen hätte, hätte sie versucht, diesem Koloss einen Nachfolger zu schreiben. Bereits die „Sounds Of Decay“-EP, die dem Album gefolgt ist und drei Songs aus der „Brave Murder Day“-Session enthält, die es nicht auf’s Album geschafft haben, hat gezeigt, dass man die reine Essenz in die sechs Albumsongs kanalisiert hat. Die Zugabe auf der Mini ist gut, wäre auf dem Album aber ein Fremdkörper gewesen. „Brave Murder Day“ zu kopieren wäre zum Scheitern verurteilt gewesen – die richtige Konsequenz, die Renkse und Nyström gezogen haben, war also, sich komplett neu zu erfinden. Ein mutiger Schritt, denn bis heute hadern viele alte Fans mit der Neuausrichtung der Band. Nicht selten hört man da: „KATATONIA ja, aber nur bis ‚Brave Murder Day'“.

Auf „Discouraged Ones“ übernimmt Jonas die Vocals wieder komplett allein und singt erstmals vollständig clean. Die markigen Growls sind mit Mikael Åkerfeldt verschwunden. Seinen Beitrag leistet der langjährige Freund der Band aber trotzdem und sorgt als Co-Produzent für den richtigen Klang der Vocals auf „Discouraged Ones“. Damit erwächst das Album zu einem Nachtschattengewächs, dessen Wurzeln im Song „Day“ seines Vorgängers stecken. KATATONIA geben sich nicht melancholisch oder traurig, sondern durch und durch depressiv. „Discouraged Ones“ sind Schall gewordene Low Spirits, die „great cold depression“, vertont in disharmonischen Riffs, klagendem Gesang und progressiv-rockigem Vibe, der eine Kategorisierung der Musik schwierig macht.

Die bekannten Schubladen funktionieren nicht mehr: KATATONIA entledigen sich mit „Discouraged Ones“ jeglicher Norm und schaffen sich einen eigenen Maßstab, an dem sie gemessen werden müssen. Der Weg, den die Band jetzt einschlägt, ist kompromisslos und gefährlich, denn bis KATATONIA mit ihrem neuen Stil wirklich in großem Maße ankommen, müssen noch zwei weitere Alben ins Land gehen. Erst mit „Viva Emptiness“ setzt ein wahrer KATATONIA-Hype ein, der die Band – ähnlich ihrer Kumpels von OPETH – jeglicher Kritik enthebt. Doch bis dahin werden noch fünf Jahre vergehen.

 

Tonight’s Descision

KatatoniaZwischenzeitlich werden Peaceville Records auf die Schweden aufmerksam. Die Briten sind Spezialisten für düstere Klänge und beherbergen zu dieser Zeit u.a. MY DYING BRIDE und ANATHEMA unter ihrem Dach. In KATATONIA sieht das Label soviel Potenzial, dass es der Band einen Langzeitdeal über fünf Alben anbietet. Die Band unterschreibt. Doch das erste Album auf Peaceville, „Tonight’s Decision“, enttäuscht. Zum einen die alteingesessenen und vergrätzten KATATONIA-Fans, die sich noch die Hoffnung bewahrt haben, „Discouraged Ones“ sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Zum anderen manchen Fan, denn auf „Tonight’s Decision“ wiederholen sich KATATONIA erstmals. Die Band tritt musikalisch auf der Stelle. Das tut sie freilich auf hohem Niveau, dennoch ist „Tonight’s Decision“ bis heute das schwächste Album ihrer Laufbahn.

Zwischen „Discouraged Ones“ und „Tonight’s Decision“ veröffentlicht die Band über ihr altes Label Avantgarde Music noch die „Saw You Drown“ EP, die neben zwei Album-Tracks von „Discouraged Ones“ den bislang unveröffentlichten Song „Quiet World“ und das von der Split mit PRIMORDIAL bekannte „Scarlet Heavens“ enthält. Die EP ist auf 1.500 Einheiten limitiert und schnell vergriffen. Auf eBay werden mit dieser Rarität regelmäßig dreistellige Preise erzielt. Im Rahmen der „Brave Yester Days“-Compilation werden die beiden Schätze „Quiet World“ und „Scarlet Heavens“ aber gehoben und auch der breiten Masse zugänglich gemacht.

 

Katatonia

  1. Eine Erfolgsgeschichte beginnt
  2. For Funerals To Come / Brave Murder Day
  3. Discouraged Ones / Tonight’s Decision
  4. Last Fair Deal Gone Down / Viva Emptiness
  5. The Great Cold Distance / Night Is The New Day
  6. Geburtstagsgrüße von alten Weggefährten
Galerie mit 13 Bildern: Katatonia - Jailbreak 2024

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21.07.2011

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2 Kommentare zu Katatonia - Ein Rückblick auf 20 Jahre Katatonia

  1. dennis sagt:

    sehr schöner rückblick auf 20 jahre bandhistorie. aber wo kann ich jetzt mein kreuz machen, um „brave murder day“ zum besten album zu wählen? 😉

  2. Master sagt:

    Sehr schön!

    10/10