Katatonia
Ein Rückblick auf 20 Jahre Katatonia
Special
Mit KATATONIA begeht dieses Jahr eine der wichtigsten und eigenständigsten Bands des Metal ihren zwanzigsten Geburtstag. Eine Band mit einer bewegten Biographie, die wir Euch anlässlich ihres Jubiläums hier ausbreiten wollen.
Eine Erfolgsgeschichte beginnt
Das Jahr 1987 neigt sich seinem Ende zu, BATHORY haben mit „Under The Sign Of The Black Mark“ gerade erst ein Album veröffentlicht, das sich zu einem der wichtigsten des Black Metal entwickeln soll. In diese Zeit fallen die ersten musikalischen Gehversuche der beiden blutjungen, kaum 13-jährigen Burschen Jonas „Lord Seth“ Renkse und Anders „Blakkheim“ (der sich anfangs noch „Blackheim“ schreibt) Nyström aus Stockholm, die unter dem Namen MELANCHOLIUM ihrem Vorbild Quorthon nacheifern. Doch nach einigen Proben bricht die Band relativ schnell wieder auseinander.
Anfang 1991 greifen Renkse und Nyström ihr musikalisches Streben wieder auf – diesmal ernsthafter und konzentrierter als zuvor – und sie wählen einen neuen Namen für ihre künftigen Aktivitäten: KATATONIA. In einem Interview von 1993 nennt Blakkheim diese Zeit als die eigentliche Geburtsstunde der Band. Ihren neuen Namen leiten sie von „Katatonie“ ab, einem schwer einzuordnenden psychomotorischen Krankheitsbild mit ausgeprägter Störung der Willkürmotorik. Symptomatisch für die Katatonie ist eine Bewegungsstarre („Katatoner Stupor“) mit Unterbrechung der Beziehung des Kranken zu seiner Umwelt, häufig einhergehend mit Automatismen, die schlagartig in eigentümliche Erregungszustände übergehen können. Katatonie tritt vor allem bei katatoner Schizophrenie, seltener bei Hirntumoren, auf und heißt im Volksmund auch „Scheintod“.
Ein erstes, elfminütiges Rehearsal mit den Stücken „Eye Of The Goat“, „Rites Of Winter“ und „The Gathering In Flames“ erscheint 1991 in einer Auflage von nur 20 Exemplaren auf Vinyl und zeigt das Duo bei schlechtem Sound noch als rumpelnde Black-Metal-Kapelle. Blakkheim wird sich später mit folgenden Worten von diesem Material distanzieren: „It’s important to point out that the ’91 rehearsal is not KATATONIA. It’s some fuzzy, noisy necro shit done completely aside.“
Jhva Elohim Meth
Im folgenden Jahr aber wird es dann richtig aufregend: Am 3. Juli 1992 betreten KATATONIA, zwei damals 17-jährige Jungspunde, mit Dan Swanös Gorysound Studio (später Unisound Studio) erstmals professionelles Terrain, um dort innerhalb von drei Tagen ihre neuesten Lieder für das legendäre „Jhva Elohim Meth“-Demo aufzunehmen. Nicht nur Cover und Logo, die Bilder mit Corpsepaint im Einleger und der Titel – aus dem Hebräischen übersetzt „Jehova, Gott, ist tot“ – zeigen die Band noch deutlich im Black Metal fußend. Auch das heisere Gekreische und die dezenten, kalten Keyboards, die Dan Swanö unter dem Pseudonym „Day DiSyraah“ beisteuert, tragen dazu bei. Zusammen mit Blakkheims einnehmenden, doomigen Gitarrenläufen entsteht eine spannende und detailreiche Melange aus Black und Doom Metal.
Wenn auch das bekannte und unerreichte „Without God“ auf dem 17-minütigen Demo als größte und funkelndste schwarze Perle leicht herausstechen mag, sind das direkte „Palace Of Frost“ und das mit Klargesang und akustischer Gitarre experimentierende „The Northern Silence“ zwei ebensolche. Prolog („Midwinter Intergates“) und Epilog („Crimson Tears“) umschließen die drei Prachttücke wie ein schützender, reich verzierter Lederbeutel – eine faszinierend stimmige, unsagbar atmosphärische Veröffentlichung und eines der atemberaubendsten Demos aller Zeiten und metallischen Subgenres.
Diese Klasse hat man schon früh erkannt: Die 500 Kassetten gehen weg wie warme Semmeln. Und so kommt es ziemlich genau ein Jahr später, im Juli 1993, zu einer CD-Wiederveröffentlichung über Vic Records unter dem Titel „Jhva Elohim Meth – The Revival“.
Dance Of December Souls
Das „Rehearsal 92“ mit den Nummern „Daylight Harvest“ und „Sunset Choir“ entsteht im Oktober und zeigt unter dumpfem Klang erneut starkes Material zwischen Black und Doom Metal, insbesondere manche Riffs sind exzellent.
Im Dezember 1992 wird aus dem Duo KATATONIA ein Trio – Bassist Israphel Wing (bürgerlich: Guillaume Le Huche) stößt zur Band. Mit ihm ist man nicht nur für ein erstes Konzert gerüstet, man beginnt auch mit dem Komponieren neuen Materials für das erste Album „Dance Of December Souls“, das vom 4. – 9. April 1993 erneut im Gorysound Studio aufgenommen und von Dan Swanö produziert und gemixt wird. Wieder spielt dieser – wie auch schon auf „Jhva Elohim Meth“ – alle Keyboards für das 53-minütige Werk ein, das die metallische Welt passenderweise im Dezember des Jahres über No Fashion Records zum traurigen Tanz bittet.
Auf „Dance Of December Souls“ ist der von der Band mehrfach bestätigte Einfluss von alten PARADISE LOST deutlich hörbar, aber auch die schwarzmetallischen Wurzeln führen noch Wasser in die Krone. Mit dem mittig platzierten „Without God“ hat es nur ein einziges Stück aus Demo-Tagen auf das Album geschafft – jenes versprüht auch am deutlichsten Aggression und jugendliche Wut. Ansonsten regiert bei Renkses rauem und dennoch oft zerbrechlich wirkendem Gekrächze, Blakkheims melodischem, charakteristisch flirrendem Gitarrenspiel und schleppendem Schlagzeug die lähmende Schwermut. Aber die langen, teilweise annähernd 14-minütigen Epen fesseln trotz einer dezenten Monotonie neben großer atmosphärischer Dichte mit spannenden Strukturen und auch gelegentlichen leichten Tempoverschärfungen – etwa bei „Velvet Thorns (Of Drynwhyl)“ oder „Tomb Of Insomnia“.
Oft liest man in Kritiken zu „Dance Of December Souls“ von einer Kategorisierung als „Death/Doom Metal“. Aber mindestens aufgrund des gekreisch-krächzten Gesanges und der gesamten Atmosphäre erscheint der Stempel „Black/Doom Metal“ oder „Blackened Doom Metal“ treffender. KATATONIA selbst bezeichnen ihren Stil damals übrigens als „Sorrowfilled And Harmonous Northern Dark Metal“. Wo auch immer man das Material genau verortet, das sich einer einfachen Kategorisierbarkeit stets versperrt: man darf mit Fug und Recht behaupten, dass KATATONIAs Debüt eine der großartigsten, intensivsten und wahrscheinlich auch einflussreichsten Veröffentlichungen ist, die Doom und extremen Metal miteinander verschmelzen. Ein annähernd perfektes Werk, wütend und traurig, majestätisch und gebrochen zugleich.
- Eine Erfolgsgeschichte beginnt
- For Funerals To Come / Brave Murder Day
- Discouraged Ones / Tonight’s Decision
- Last Fair Deal Gone Down / Viva Emptiness
- The Great Cold Distance / Night Is The New Day
- Geburtstagsgrüße von alten Weggefährten
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Stile | Black Metal, Doom Metal |
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sehr schöner rückblick auf 20 jahre bandhistorie. aber wo kann ich jetzt mein kreuz machen, um „brave murder day“ zum besten album zu wählen? 😉
Sehr schön!