Katatonia
Das meint die Redaktion zu "Dead End Kings"

Special

Katatonia

Die Dark-Metal-Könige aus Schweden kommen ziemlich genau drei Jahre nach ihrem Meisterwerk „Night Is The New Day“ mit ihrem neuen Werk „Dead End Kings“ zurück. KATATONIA sind dabei ihrem Stil nicht nur treu geblieben, sondern haben diesen auch weiter verfeinert. Das Ergebnis ist ein weiterer düsterer Epos voller Melancholie, Schwermut und Verzweiflung, der den Status der Band als eine der einflussreichsten des Genres weiter zementieren dürfte. Lest in der Folge, welche Reaktionen die Platte in unserer Redaktion ausgelöst hat.

 

Schon auf ihrem exzellenten letzten Werk „Night Is The New Day“ konnte man eine leichte Änderung im Stil KATATONIAs im Vergleich zum früheren Sound feststellen. „Dead End Kings“ könnte man eine Weiterführung dessen attestieren, wie der Opener „The Parting“ zeigt: Während im Refrain die vertrauten, schweren Gitarren über den Hörer hereinbrechen, so sind die Strophen sehr minimalistisch gehalten, sanfte Synthie-Elemente und Violinenklänge heben Jonas Renkses fragilen Gesang hervor, was eine unglaublich dichte, melancholisch-schöne und irgendwie KATATONIA-typische Atmosphäre kreiert. Und Atmosphäre ist das Stichwort – „Dead End Kings“ schafft es, mit jedem einzelnen Song für äußerst intensive Gänsehaut-Momente zu sorgen und emotional zu berühren. Der relativ hohe Anteil an elektronischen Elementen wird perfekt eingewoben, wodurch vielschichtige Soundlandschaften entstehen, die auch nach vielen Hördurchgängen noch Neues offerieren.

 

Und dennoch muss man natürlich keine Angst haben, dass den Schweden die Härte verloren gegangen sei – die Gitarren sind immer noch tragend, die Wechsel aus brachialeren und sanften, melodischeren Passagen immer noch zur Genüge vorhanden, was Stücke wie das großartige „The Racing Heart“, dessen einnehmender Refrain direkt ins Herz geht, das etwas kältere „Buildings“ oder das mitreißende „Lethean“ demonstrieren. Das abschließende „Dead Letters“ hat ein recht progressives Flair, erinnert gar ein wenig an TOOL. Und eigentlich ist es überflüssig, einzelne Songs herauszugreifen, denn jeder der insgesamt elf Tracks ist für sich genommen schon herausragend, und als zusammenhängendes Album ist „Dead End Kings“ schlichtweg begeisternd. Der Titel ist im Übrigen äußerst treffend, denn dem Werk haftet eine gewisse Erhabenheit an, die über der Melancholie und Schwermut schwebt und Renkses anlässlich des Albums getroffene Aussage unterstreicht: „Carry your burden with pride“.

 

„Dead End Kings“ klingt vertraut und gleichzeitig neu, aber immer noch unverkennbar nach KATATONIA. Nichts ist überflüssig oder stört das Gesamtbild, man merkt die Erfahrung und das Talent im Songwriting. Die großartige Instrumentalarbeit und Renkses ergreifende, gefühlvolle Vocals ergänzen sich perfekt und machen „Dead End Kings“ zu einem packenden, atemberaubenden Meisterwerk, dessen Intensität man sich kaum entziehen kann. Für mich persönlich eines der Highlights des Musikjahres 2012, weshalb ich gar nicht anders kann, als die Höchstnote zu zücken.

10/10
(Jessica Heinen)

Ich muss kurz ausholen, auch ich empfand „Night Is The New Day“ nicht als das Maß aller Dinge, doch über die Zeit habe ich mich an die erneute Kurskorrektur der Schweden gewöhnt. „Dead End Kings“ legt quasi noch einen drauf und wirkt, als hätten KATATONIA ihren Stil nahezu perfektioniert. Neben dem düsteren, ruhigen Schauspiel im Vordergrund ist es vor allem das, was im Detail, was quasi als Unterton heuer mitschwingt, was „Dead End Kings“ ausmacht. Die Keyboards, die Elektroparts oder auch sanfte Streicher, es passt zu dem Stil. Dabei agieren die beiden Häuptlinge des Quintetts (Jonas Renkse und Anders „Blakkheim“ Nyström) so perfektionistisch, dass ich im wesentlich gar nicht viel zu kritisieren finde und genau hier liegt der Knackpunkt. Emotional berührt mich „Dead End Kings“ in den besten Momenten sehr tief, in seinen für mich schwächeren Phasen aber gar nicht. Sicher, das ist weder eine Ausnahmeerscheinung in der Musik noch sonst wo, schließlich liegt auch Musik immer im Gehör des Betrachters. Doch auf vergangenen Werken fesselte und rührte mich das Geschehen von der ersten bis zur letzten Sekunde. „Dead End Kings“ wiederum lässt durchgehend die spielerische und kompositorische Klasse der Band erkennen, trifft emotional aber nicht immer das Ziel. Natürlich haben mich Songs wie „Buildings“, „First Prayer“ und die aktuelle Singleauskopplung „Dead Letters“ völlig im Griff, aber gerade die ruhigen, zärtlichen Stücke wollen mich bislang nicht vollends vom Hocker hauen. Klar ist aber, „Dead End Kings“ wirkt noch konsequenter als sein Vorgänger, ist immer noch KATATONIA und ein klasse Album, nur eben eines, das um seinen Platz in meinen persönlichen Top 10 des Jahres noch kämpfen muss.

8/10
(Jan Wischkowski)

KATATONIA-Fans kennen das Gefühl spätestens seit „The Great Cold Distance“. Der erste Durchgang eines neuen Albums erscheint noch zäh, düster und undurchlässig, und es gibt höchstens vereinzelt Melodien, die einem den Zugang erleichtern. Doch mit  jedem weiteren Durchlauf offenbart sich die Großartigkeit der Kompositionen mehr, Song für Song, und es wird schwer, einzuschätzen, wie hoch hinaus die Schweden mit ihrer Musik eigentlich wollen. KATATONIA zaubern ganz große Gefühle dorthin, wo es eigentlich keine Emotionen mehr gibt, und sie zeigen uns mit beinahe unwirklicher Anmut die Schönheit in der Düsternis, und die Lebendigkeit der Tristesse. Dass selbst Traurigkeit und Niedergeschlagenheit etwas Positives anhaften kann und dass Hoffnung sich aus den Momenten nährt, in denen das Herz kurz aufhört zu schlagen, und dann wieder einsetzt, so als wolle es einfach wieder von Vorne beginnen.

„Dead End Kings“ ist im Vergleich zu „The Great Cold Distance“ weniger depressiv und im Vergleich zum direkten Vorgänger „Night Is The New Day“ ein bisschen weniger winterlich kühl, auch wenn das Albumcover Anderes vermuten lässt. Ganz unten, im tiefsten emotionalen Tal sind KATATONIA schon gewesen, die Grazie und Liebe zur Dunkelheit haben sie bereits entdeckt. Der nächste Schritt, den die Band geht, ist der, es sich dort bequem zu machen und die leidvollen Stunden dominierender Einsamkeit mit künstlerisch anspruchsvollem Tiefgang zu  zelebrieren. Der stilistische Grundsatz der meisten Songs ist gleich geblieben, und Jonas Renkses diesmal etwas reiferes Organ ist noch  immer das dominanteste Element der Songs. Die oberflächliche, für Unvertraute zunächst etwas ausdruckslos erscheinende Stimme, die dank der teilweise noch tiefer eindringenden Melodien jene unvergleichliche Atmosphäre schafft, für die Fans diese Band so verheren, ist also geblieben. In einigen der Nummern, etwa beim abschließenden, furchteinflößenden „Dead Letters“ kann man sich an den Vorgänger erinnert  fühlen, man entedeckt aber auch immer wieder den neuen, künstlerischen Ansatz. Beim introvertierten „Leeches“ flimmern am geistigen Auge schwarz-weiß-Szenarien aus den 50er Jahren vorbei, „Buildings“ erweckt Titel und Text entsprechend dunkle und verlassene Hochhausviertel  in den Tiefen der Nacht, und „The One You Are Looking For Is Not Here“ gleicht einem Spaziergang durch laubbedeckte Gassen, bei denen man Sehnsüchtig in die Vergangenheit blickt. Wenn dann beim verhältnismäßig schnellen „Lethean“ so etwas wie Aufbruchsstimmung die Grenzen der Welt sehr klein erscheinen lässt, dann weiß man, dass KATATONIA mit „Dead End Kings“ nicht mehr nur ins tiefe, dunkle Loch blicken, sondern dass der erste, schwere Gang der musikalischen Therapie hinter ihnen liegt und es nun Zeit ist, gestärkt daraus hervorzugehen.

„Dead End Kings“ ist voll von erhabenen, ganz und gar unglaublichen Kompositionen, die auch nach 20 Durchläufen noch lange nicht ihr volles Potenzial erkennen zu lassen scheinen. Die Songs sind auf den Punkt komponiert und dort wo andere Bands ihre Werke künstlich aufblähen, setzen KATATONIA den Schlusspunkt. Kein Refrain wird zu oft wiederholt, keine Gitarrenmelodie und kein Riff bis in die Endlosigkeit ausgeweitet.  Die Scheibe wird in Zukunft der Maßstab für das Genre sein, weil man mehr Anspruch, mehr emotionale Tiefe und besseres Melodiegefühl nicht miteinander vereinen kann. Und es sind Alben wie „Dead End Kings“, für die die Höchstnote erfunden wurde.

10/10
(Heiko Eschenbach)

24.08.2012
Exit mobile version