Joey McIver
Schlechter Journalismus auf Boulevardniveau. Leider!
Special
Ich hasse es, wenn mir Metal zum Frühstück die Laune verhagelt. Klar ist es nett, die neue AMORPHIS zum ersten Kaffee reinzuschmeißen, das wars dann aber auch. Nachdem ich heute die lokale Tageszeitung desinteressiert durchgeblättert hatte, wollte ich mich ein wenig mit dem gerade frisch eingetroffenen „unverzichtbaren“ Metalnachschlagewerk „Extreme Metal“ von Joey McIver beschäftigen. Das Ei blieb halb abgepellt, der Kaffee wurde kalt und das Brötchen blieb mir angesichts dieses Werkes baldigst im Halse stecken. „Extreme Metal“ ist Metaljournalismus auf Bildzeitungsniveau, wenn überhaupt. Gäbe es ein Pendant zu den St.-Pauli-Nachrichten in der Welt harter Klänge (nun ja… vielleicht gibt es das sogar schon…), es hätte das Niveau dieses Büchleins.
175 Seiten lang gibt McIver, scheinbar eine Art us-amerikanischer Matthias Herr auf halber Kraft, sein gefährliches Halbwissen über die extremsten Metalbands der Erde zum Besten. Ich bin offengestanden nicht einmal bis zum Buchstaben B gekommen. Hier nur ein paar Anmerkungen zu McIvers Sichtweisen betreffend Bands mit dem Anfangsbuchstaben A: ABSUs Karrierehöhepunkt ist seiner Ansicht nach Proscroptor McGoverns Audition auf dem SLAYER-Drumhocker 2002 – was für unglaubliche Alben „The Sun Of Tiphareth“ oder „Tara“ sind, spielt keine Rolle; ABYSSIC HATE sind eine empfehlenswerte Black-Metal-Band (natürlich ohne jeden politischen Hintergrund); AKERCOCKE sind die „neben CRADLE OF FILTH wohl glaubwürdigste Band der britischen Black-Metal-Szene“ und COF selbst die „derzeit erfolgreichste Extreme-Metal-Band“; ARCTURUS‘ „LoFi-Charakter der Musik“ könnte durch ihre Beeinflussung durch Kurt Weill entstanden sein – übrigens haben Sverd und Hellhammer seiner Ansicht nach bei EMPEROR gespielt. Ist mir neu!
Ein ängstliches Querblättern auf den restlichen 140 Seiten bestätigt die Vermutung, dass jeder, der sich auf dieses „unverzichtbare“ Lexikon verlässt, sich zum Gespott seiner Kumpels machen muss. LAKE OF TEARS sind nachwievor aufgelöst, genau wie ABIGOR. CARPATHIAN FORESTs zwei Köpfe sind Nattefrost und Nordavind. DARK FUNERAL haben keinen Plattenvertrag. DARKWOODS MY BETROTHEDs letztes Album ist 1996 erschienen. MÖRK GRYNING existieren noch. Wenn ich mir das so durchlese, beschleicht mich das Gefühl, dass McIvers Wunsch Vater seiner Schreibkreativität gewesen ist. So viel Blödsinn auf einem Haufen habe ich selten gelesen – auch wenn ich mir das eine oder andere davon durchaus ebenfalls wünschen würde. Sicher liegt das auch an der Originalausgabe von 2005, die ja nun mindestens eineinhalb Jahre alt ist – allerdings sind die grauenhaften Schwächen in der Recherche damit auch nicht zu entschuldigen.
Wer sich gerne nette Bildchen von Metalbands anschaut, sich vor allem für us-amerikanische Bands interessiert (natürlich liegt hier für McIver der Schwerpunkt) und mit Texten knapp über Sechstklässlerniveau gut leben kann, sollte mal reinschauen. Ich halte es ehrlich gesagt lieber mit einem Kommentar von Seth Putnam (ANAL CUNT): „Danke, dass wir in diesem Buch sein dürfen. Das ist so toll. Es ist so ein wichtiges Buch, und du bist auch so wichtig. Welche Ehre! […] Schriftsteller sind ein Haufen Schmarotzer und für gewöhnlich gescheiterte Musiker. Ich hoffe, wer auch immer das hier liest, hat für dieses schwule Buch nichts bezahlen müssen.“ In der Tat, wenn man mit solchen zusammengeschusterten Büchlein auch nur eine müde Mark verdienen kann, strebe ich definitiv den falschen Beruf an.
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