Iron Maiden
Totale Dominanz (1980-1988) - Teil I

Special

Iron Maiden

Es ist ein Samstag im Sommer 1988. Ein Besuch bei dem Verwandten steht auf dem Plan. Pünktlich vor Ort, lassen die unvermeidbaren Begrüßungsrituale nicht lange auf sich warten (schnallen Tanten eigentlich nicht, dass man als Junge ab einem Alter von zehn nicht mehr geknuddelt werden will?). Nach der obligatorischen Kuchenschlacht begeben sich die Erwachsenen in den Garten, während mein Cousin Marc und ich in seinem Zimmer eine Runde Tipp-Kick austragen. Viel interessanter als das Fußballspiel ist für mich aber die Schallplattensammlung von Marc. Ich kannte bislang über meinen Vater nur MIKE OLDFIELD und…ach, lassen wir das. Mein Cousin besaß aber viele Platten mit für einen 10-jährigen teilweise gruseligen Bildern vorne drauf. Ich bin dennoch fasziniert und bitte ihn mir etwas vorzuspielen. Zwei von den Stücken packen mich sofort: HELLOWEENs “Future World” und (noch viel mehr) “Can I Play With Madness” von IRON MAIDEN.

Das war es, der Heavy Metal hält mich seitdem in seinen eisernen Fängen und Maiden sind die Band, die über allem steht. Von daher ist es müßig sich die Frage zu stellen, welche Heavy Metal Band die größte in den Achtzigern war. JUDAS PRIEST oder METALLICA (die zudem viel später gestartet sind) haben ohne Frage einen Haufen sehr guter Platten abgeliefert, aber sie haben es im Gegensatz zu IRON MAIDEN nicht geschafft acht (!) Mal hintereinander Volltreffer zu landen. Bei Steve Harris und seiner Gang hat zudem das Gesamtpaket gestimmt. Das packende Songwriting, die gottgleichen Twin-Leads von Dave Murray und Adrian Smith (zumindest ab “Killers”) oder das Konzept um Bandmaskottchen Eddie, das gleichermaßen gruselig wie unwiderstehlich war. An dieser Stelle soll aber keinesfalls Rod Smallwood, der Manager der Band unerwähnt bleiben. Immerhin lenkt er die Geschicke von IRON MAIDEN hinter den Kulissen schon seit 1979 extrem erfolgreich (wenn man von den ersten beiden Pub-Gigs einmal absieht). Aber gerade das Konzept um Eddie, der von Zeichner Derek Riggs immer perfekt in Szene gesetzt wurde und dessen Kreativität keine Grenzen zu kennen schien, war ebenfalls ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg von IRON MAIDEN in den Achtzigern.

Dass ich im Laufe der Jahre nicht alle Alben von Maiden auf Vinyl gesammelt habe, ärgert mich heute maßlos. Aber es wurden und werden einfach auch sonst noch viel zu viele gute Alben veröffentlicht. Zu allem Überfluss findet man auf Börsen ja auch stets noch ein paar Schätzchen, die abgegriffen werden wollen. Ein Teufelskreis, for sure. Umso erfreulicher ist es da, dass Parlophone Records nun alle Alben der Band aus den goldenen Achtzigern auf 180 Gramm schwerem, schwarzen Vinyl wieder auflegen. Des Weiteren erscheinen via Parlophone Records auch alle Singles (7”) zu den entsprechenden Alben – ebenfalls als schwarzes Vinyl. Als besonderes Bonbon werden die ersten drei Alben von IRON MAIDEN auch in einer stabilen, aber streng limitierten Sammlerbox ausgeliefert, in der auch die anderen fünf Scheiben Platz finden können. Die Vinyls sind auf der Basis der analogen Original-Mastertapes hergestellt um den Sound so authentisch wie möglich zu halten. Weiterhin kommen sowohl die Platten, als auch die Singles mit den Originalartworks daher (was zumindest im Fall von “Iron Maiden” sinnvoll ist – sieht der Eddie der CD-Neuauflage doch ziemlich ätzend aus). Das Gesamtpaket passt, die Qualität ist definitiv überzeugend und kann jedem Fan, der die Platten noch nicht hat, ohne Bedenken empfohlen werden. Weitere Infos findet ihr hier.

Aus eben diesem Anlass werden wir ein dreiteiliges Special zur Bandgeschichte in den Achtzigern bringen. Neue Infos werdet ihr vermutlich nicht finden, aber es geht hier auch vielmehr um nostalgisches Stöbern im Fundus der besten Heavy Metal Band der Achtziger. Up The Irons!

 

 

IRON MAIDEN (1980)

Irgendwann zwischen 1977 und 1980 kristallisiert sich ein Line-Up heraus, das den Anforderungen des ambitionierten Bandleaders Steve Harris entspricht. Nach den überaus erfolgreichen “The Soundhouse Tapes” (die der Band den Deal mit EMI einbrachten) ist es die Besetzung Paul Di’Anno (Vocals), Dave Murray (Guitar), Dennis Stratton (Guitar), Steve Harris (Bass) und Clive Burr (Drums), die das Debütalbum “Iron Maiden” (VÖ: 14.04.1980, Platz 4 der britischen Charts) einspielt. Noch stehen IRON MAIDEN als Band am Anfang, doch das was im späteren Verlauf als die typischen Trademarks der Briten gelten wird, ist auch schon auf dem Debüt enthalten. Die zweistimmigen Gitarrenläufe, die unbändige Energie, die noch im frühen englischen Punk wurzelt und das kompositorische, gewisse ‘Etwas’, das sowohl Kritiker, als auch Fans beeindrucken kann. Die Melange aus Di’Annos punkigem Gesang auf der einen Seite und den schon bemerkenswerten songwriterischen Fähigkeiten der Herren Harris und Murray, der mit “Charlotte The Harlot” gleich mal einen der besten Songs der Band beisteuert, trifft voll ins Schwarze. Songs wie der unruhige Opener “Prowler”, die Single “Running Free” (Platz 44), sowie die Evergreens “Phantom Of The Opera” und “Iron Maiden” lassen keine Wünsche offen. Aber auch die beiden mittlerweile etwas in der Versenkung verschwundenen Nummern “Strange World” (noch immer eine Gänsehautballade) und “Remember Tomorrow” können vollends überzeugen. Produziert wird das Album von Will Malone, der “Iron Maiden” in einen schön rohen Sound verpackt. Zwar sind IRON MAIDEN mit dem Debütalbum noch nicht auf ihrem Zenit angekommen, doch aufgrund der oben beschriebenen Attribute erfreut sich die Platte auch heute noch hoher Beliebtheit bei den Fans.

Wie es damals Sitte ist, werden von Bands auch Singles veröffentlicht, deren Songs nicht auf einem regulären Album zu finden sind. Auch IRON MAIDEN haben rund um den Release des Debüts ganze drei Singles aufgenommen, von denen zwei (das SKYHOOKS-Cover “Women In Uniform” (Platz 35) und “Sanctuary” (Platz 29)) nicht auf dem Album zu finden sind. Deswegen sind die Songs aber nicht schlechter. “Sanctuary” befindet sich beispielsweise heute noch immer im Live-Set der Eisernen Jungfrauen. Kurzum, 1980 war ein gutes und spannendes Jahr für die New Wave of British Heavy Metal (NWoBHM) im Allgemeinen und IRON MAIDEN im Besonderen.

 

 

KILLERS (1981)

Stratton ist kein ganzes Jahr in der Band und muss nur wenige Monate nach dem Release von “Iron Maiden” aufgrund von musikalischer Differenzen mit Bandkopf Steve Harris wieder die Segel bei Maiden streichen. Ein Ersatz ist in Dave Murrays Kumpel Adrian Smith schnell gefunden. Zudem setzt sich mit Martin Birch eine Produzentenlegende hinter das Mischpult und betreut die Aufnahmen zu “Killers”. Dass daraus eine langlebige, fruchtbare Zusammenarbeit entstehen sollte, ahnt zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand. “Killers” wird seinem Titel bei Veröffentlichung am 28.02.1981 (Platz 12) jedenfalls absolut gerecht. Der Sound ist besser als noch beim Debüt und kommt gleichermaßen druckvoller, wie auch differenzierter aus den Boxen. Das neue Gitarrendoppel Murray/Smith harmoniert bei Songs wie der Single “Purgatory” (Platz 52), dem Titeltrack oder dem genialen “Murders in The Rue Morgue” schon fast perfekt und hieven die Songs so musikalisch auf ein neues Level. Ihren Teil dazu bei tragen natürlich auch die anderen drei Mitglieder. Harris‘ pumpendes Bassspiel kommt auf dem IRON MAIDEN-Zweitwerk besser zur Geltung und mit Clive Burr sitzt nach wie vor einer der besten Schlagzeuger der NWoBHM hinter der Schießbude. “Killers” ist musikalisch reiner Heavy Metal, der durch die Attitüde und den Gesang von Paul Di’Anno perfekte Symbiose mit den noch immer vorhandenen Punk-Vibes eingeht. Martin Birch schafft es, die Kreativität der Band in die richtigen Bahnen zu lenken und so entsteht ein vielschichtiges Album mit Klassikern wie den oben genannten Stücken. Aber auch unter der Oberfläche findet man einige Perlen auf dem Album wie “Another Life” oder “Innocent Exile”, die zwar keinen Klassikerstatus im Maiden-Kosmos besitzen, dem Album aber aufgrund der erwähnten Attribute seine Gesamtheit verleihen. Unter dem Strich gefällt mir das Debüt zwar ein wenig besser, ist aber mein persönlicher Geschmack und ich kenne genügend Menschen mit “Killers”-Tätowierungen, die die Platten entgegengesetzt bewerten.

Wie schon beim Debüt, gibt es auch im Rahmen von “Killers” Singleveröffentlichungen mit Non-Album-Tracks auf der A-Seite. 1981 gibt es mit “Twilight Zone/Wrathchild” (Platz 31) sogar eine Single mit einer Doppel-A-Seite. “Purgatory” (Platz 52) wird die zweite Single und kann als ungewöhnliche Wahl betrachtet werden, ist der Song auf der einen Seite zwar ziemlich eingängig, andererseits aber in seiner Gesamtheit sehr hektisch. Klassisches Radiofutter ist die Single nicht, zeigt aber auch, dass sich IRON MAIDEN um Hits keine Gedanken gemacht haben. Ein interessanter Fakt am Rande ist übrigens, dass sich die Band zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von “Killers” bereits auf Tour befindet. Heute fast ein Ding der Unmöglichkeit.

 

 

THE NUMBER OF THE BEAST (1982)

Nach einer sehr erfolgreich absolvierten “Killer World Tour” (immerhin 113 Konzerte) kracht es dann mächtig im Gebälk bei Britain’s Finest, und trotzdem stehen die Zeichen auf Sturm. Fanliebling Paul Di’Anno muss nach etwas über vier Jahren aufgrund von Streitigkeiten mit der Band, sowie massivem Alkohol- und Drogenkonsum seinen Platz für den ehemaligen SAMSON-Sänger Bruce Dickinson (dort unter dem Namen Bruce Bruce) räumen. Man kann sich den Aufschrei auch heute noch gut vorstellen: Eine Band, die eine mehr als vielversprechende Zukunft vor sich hat, trennt sich von einem ihrer Aushängeschilder. Nicht wenige Fans und Journalisten prophezeien das Ende von IRON MAIDEN noch vor dem eigentlichen Karrierestart. Dass sich Steve Harris und Co. aber nicht aus dem Konzept bringen lassen und mit eben jenem Bruce Dickinson einen noch besseren Sänger/Frontmann aus dem Hut zaubern, stand auf den wenigsten Zetteln. So beliebt Paul Di’Anno auch war, er hätte – bei objektiver Betrachtung – mit den neuen Stücken nicht mehr Schritt halten können. Ganz anders Dickinson. Er intoniert heutige Metalklassiker wie “The Number Of The Beast”, “22 Acacia Avenue” (eine lockere Fortführung des “Charlotte The Harlot”-Themas) oder “Hallowed Be Thy Name” mit seiner ausdrucksstarken Stimme wesentlich variabler, als sein Vorgänger dazu in der Lage gewesen wäre und kann vom Fleck weg die meisten Kritiker überzeugen. Verwunderlich ist es daher nicht, dass “The Number Of The Beast” direkt auf Platz eins der UK Charts einsteigt. Die Punk-Attitüde ist mit Di’Anno aus dem Bandsound verschwunden, an ihre Stelle tritt ein filigraneres Element im Songwriting. Adrian Smith und der ewig grinsende Dave Murray harmonieren jetzt perfekt miteinander und spielen sich die Bälle zu, als würden sie das schon seit ihrer Geburt zusammen machen. Songs wie das unwiderstehliche “Children Of The Damned” oder “The Prisoner” legen qualitativ verglichen mit den beiden Vorgängern noch einmal einige Briketts nach. Und wer beim abschließenden, epischen  Ohrgasmus “Hallowed Be Thy Name” nicht vollends durchdreht, hat von guter Musik faktisch keinen Plan. Gleiches gilt für die beiden Singles “Run To The Hills” und “The Number Of The Beast” und natürlich “22 Acacia Avenue”. Im Schatten dieser sechs Übernummern sehen die beiden anderen Songs von “The Number Of The Beast” natürlich ein wenig blass aus, was auch daran liegt, dass sowohl der Opener “Invaders”, als auch “Gangland” qualitativ minimal abfallen. Beide sind aber immer noch stark genug, um die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Man kann „The Number Of The Beast“ anhören, dass die Band weiß, welche Chance sich mit dem Album bietet. Deshalb klingt der dritte Longplayer der Briten noch ein wenig fokussierter und zielstrebiger als die beiden Vorgänger.

Wie bereits erwähnt, werden von “The Number Of The Beast” zwei Singles ausgekoppelt. “Run To The Hills” ging ca. einen Monat vor dem Album an den Start und konnte Platz 35 der britischen Charts erklimmen. Der Titeltrack folgte ungefähr einen Monat nach dem Release des Albums. Wer noch immer Bedenken bezüglich Dickinsons Interpretation der Di’Anno-Songs hat, kann sich mit der B-Seite von “The Number Of The Beast” auseinander setzen, dort ist eine “Remember Tomorrow”-Version enthalten, die bei den ersten Gigs der Band mit ihrem neuen Sänger (das wiederum hört man) aufgenommen wurde.

 

 

Hier endet der erste Teil unserer IRON MAIDEN-Historie. Natürlich ist das alles aus einem extrem subjektiven Blickwinkel betrachtet. Aber es geht hier darum, sich noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, wie viele grandiose Songs diese Band dem Metal und seinen Fans geschenkt hat. Ich habe “The Number Of The Beast” gefühlte Äonen nicht mehr gehört. Als ich aber im Rahmen dieses Specials wieder die Nadel in die Rille gelegt habe und das erste Trommelfeuer von “Invaders” aus den Boxen knallt, sind Hühnerpelle und die alte Magie sofort wieder da. Das Gefühl hat sich seit Teenager-Tagen nicht im Ansatz geändert. Up The Irons!

16.10.2014
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