Iron Maiden
Der große Diskografie-Check
Special
Es gibt Ereignisse im Jahr, die regen die Feierlust bei den Menschen an, über die muss man einfach sprechen. Sei es der Geburtstag, die Hochzeit oder Weihnachten. Wenn IRON MAIDEN ein neues Album veröffentlichen, gelten die erwähnten Attribute selbstredend auch für ebendieses Werk. Im aktuellen Fall wurde dem kürzlich erschienenen “Senjutsu” nicht durchweg positive Resonanz entgegengebracht. Ob die Platte im 46. Bandjahr den Vergleich mit Großtaten wie “Seventh Son Of A Seventh Son” und “Somewhere In Time” bestehen und ob sie eines Tages den Klassiker-Olymp von “The Number Of The Beast” oder “Powerlsave” erklimmen kann, wird sich zeigen.
Der Diskografie-Check über alle Studio- und Live-Alben der Band, ist für viele Mitglieder der Redaktion eine Herzensangelegenheit und stellt gleichzeitig eine Mammutaufgabe dar. Philipp Gravenhorst, Jannik Kleemann, Johannes Werner, Marc Thorbrügge, Markus Endres, Dominik Rothe, Hans Völkel, Colin Büttner und Oliver Di Iorio haben sich durch alle Songs durchgehört und die Alben seziert, analysiert und nach aktuellen Kriterien erneut bewertet, ohne die Original-Reviews zu vernachlässigen.
Auch interessant: Das meint die Redaktion zu “Senjutsu”.
Iron Maiden, 1980
Wie der “Prowler” im Opener lauern IRON MAIDEN im Jahr 1980 in den Büschen und warten auf den richtigen Moment um zuzuschlagen. Die Band hat nach knapp fünf Jahren im Londoner Untergrund endlich ein stabiles Lineup und mit Paul Di’Anno einen Sänger an Bord, der den ruppigen Charme des Punks mitbringt. Mit Di’Anno gelingen aber nicht nur knackige Rocker wie “Charlotte The Harlot” oder “Running Free”, sondern auch Epen wie “Remember Tomorrow” und “Phantom Of The Opera”.
Wie viele Debüts ist “Iron Maiden” ein Sammelbecken erster Ideen, die die Band teilweise seit Jahren mit sich rumschleppt. Dadurch wirkt das Album nicht ganz rund, aber somit ist auch fast alles angelegt, was IRON MAIDEN in den nächsten Jahrzehnten auszeichnen wird, obwohl mit Adrian Smith, Bruce Dickinson und Nicko McBrain drei ganz wichtige Akteure noch nicht dabei sind.
Steve Harris erfindet mit Songs wie “Transylvania” das Heavy-Metal-Bass-Spiel neu und prägt als Songwriter den Sound der Band maßgeblich. Dave Murray findet in Dennis Stratton bereits einen soliden Partner für das Twin-Guitar-Spiel, das IRON MAIDEN gemeinsam mit der rauen Energie von Di’Anno von anderen New-Wave-Of-British-Heavy-Metal-Bands abhebt.
Sammlungswürdig: Ja. Wer das Album bereits hat, sollte es noch einmal kaufen und zu Weihnachten verschenken oder heimlich in den Sammlungen der Bekanntschaft platzieren.
Highlights: “Prowler”, “Running Free”, “The Phantom of the Opera”.
Hier geht´s zur Review von “Iron Maiden”.
Text: Marc Thorbrügge
Killers, 1981
Obwohl das Cover zu den beliebtesten Eddie-Motiven gehört, wird das Album, genau wie auch das Debüt, in der öffentlichen Wahrnehmung vernachlässigt. Dabei haben sich IRON MAIDEN hier im Vergleich zum selbstbetitelten Debüt wesentlich variabler aufgestellt. Natürlich behalten sie immer noch den punkigen Charakter der Di’Anno-Ära, der in Songs wie “Another Life” oder “Purgatory” zur Geltung kommt. Dem steht aber “Prodigal Son” gegenüber, welches stark von Akustikgitarren geprägt ist und es trotzdem schafft den aggressiven Charakter der anderen Tracks weiterzutragen. Deswegen ist es umso seltsamer, dass das Aushängeschild dieser Platte “Wrathchild” ist, das im Midtempo vor sich her dümpelt. Das sollte die eingangs erwähnte unverdiente Vernachlässigung erklären.
Sammlungswürdig: Mit dem Einstieg von Adrian Smith kommt die Band ihrem Trademarksound näher. Dazu wird es von einer durchgängig hohen Qualität getragen, anstatt von einigen starken Songs, womit es einige der Klassiker mit Dickinson überholt.
Anspieltipps: Der spannungsreiche Titeltrack, das schnelle “Another Life” sowie das starke “Twilight Zone”, das unverständlicherweise immernoch nicht auf allen Versionen drauf ist und auch bei den gängigen Streamingdiensten fehlt.
Hier geht’s zur Review von “Killers”.
Text: Philipp Gravenhorst
The Number Of The Beast, 1982
Nach der Veröffentlichung von “Killers” hatte es mächtig bei den Eisernen Jungfrauen gerumpelt – Sänger Paul Di’Anno hielt dem Druck, der auf IRON MAIDEN lastete, nicht stand, was zu Alkoholproblemen und damit einhergehender Unzuverlässigkeit führte und in seinem Rausschmiss endete. Einen Nachfolger fand die Band im September 1981 im ehemaligen SAMSON-Sänger Bruce Dickinson, was sich als große Bereicherung herausstellen sollte.
“The Number Of The Beast” wurde zwischen Dezember 1981 und Februar 1982 in den Battery Studios in London mit DEM Maiden-Produzenten Martin Birch aufgenommen und produziert. Eine der Legenden um dieses Album rangt sich um den Autounfall von Birch mit einem Bus, in welchem Nonnen saßen, die Reparaturkosten betrugen 666 Pfund. Die Zahl des Tieres…
Für das neue Album “The Number Of The Beast” wurden zum ersten Mal keine alten Songideen verwendet, alles war frisch und stellte eine deutliche Weiterentwicklung im Schaffen von IRON MAIDEN dar. Die größte Veränderung ist natürlich die Stimme von Dickinson, die deutlich umfangreicher und voluminöser ist. Mit seiner eindringlichen, packenden Stimmgewalt und eigenem Gesangsstil trägt er nicht unwesentlich zu dem Klangbild bei, das IRON MAIDEN für uns alle ausmacht. Auch Gitarrist Adrian Smith war zum ersten Mal am Songwriting beteiligt und zum einzigen Mal fand Schlagzeuger Cliff Burr Erwähnung, der nach der anschließenden Tour aufgrund von Alkohol- und Drogenproblemen durch Nicko McBrain ersetzt wurde. Auch Bruce soll am Songwriting beteiligt gewesen sein, aber aufgrund des Vertrags mit SAMSON durfte dies nicht erwähnt werden, während Dave Murray keinen Beitrag leistete.
Steve Harris & Co. erschufen auf “The Number Of The Beast” ein Album voller unsterblicher Hymnen, die das Album einem der absoluten Klassiker und einer der Definitionen des Heavy Metals machten. Egal ob “Run To The Hills”, “Children Of The Damned” das epische “Hallowed Be Thy Name” oder “The Number Of The Beast”. Ein hochmelodisches, eingängiges und zugleich energisches Feuerwerk, noch epischer, noch eine Spur theatralischer, noch eindringlicher, noch atmosphärischer und nicht ein einziger schlechter Song. Für IRON MAIDEN bedeutete “The Number Of The Beast” endgültig den Durchbruch, ein Meilenstein des Metals.
Sammlungswürdig: Wer “The Number Of The Beast” nicht hat, hat keine Metal-Sammlung!
Highlights: “Run To The Hills”, “Children Of The Damned”, “Hallowed Be Thy Name”, “The Number Of The Beast”.
Hier geht’s zur Review von “The Number Of The Beast”.
Text: Markus Endres
Piece of Mind, 1983
Nachdem “The Number of the Beast” 1982 den weltweiten Durchbruch beschert hatte, setzten IRON MAIDEN nur ein Jahr später mit “Piece of Mind” nochmal einen drauf und konnten ihre Position an der Spitze der internationalen Heavy-Metal-Szene weiter zementieren. Während man in den heimischen Albumcharts “nur” Platz 3 erreichte, schoss das zweite Album mit Bruce Dickinson am Mikro in den USA bis auf Platz 14 der Billboard 200. Eine kleine Sensation also.
Kein Wunder, nicht nur befindet sich mit “The Trooper” einer der wohl meist gespielten IRON-MAIDEN-Songs überhaupt auf dem Album, auch der Rest von “Piece of Mind” zeigt die Briten in absoluter Höchstform. Ob nun der energiegeladene Opener “Where Eagles Dare”, das schunkelig beginnende und später regelrecht explodierende “Revelations”, das mit einem fantastischen Refrain gesegnete “Flight of Icarus” oder das frech rockende “Die With Your Boots On”; hier reiht sich Hit an Hit.
Zugegeben, die zweite Albumhälfte ist mit “Still Life”, “Quest for Fire”, “Sun and Steel” und der klassischen Harris-Hymne “To Tame a Land” über die Jahre etwas in Vergessenheit geraten. Das ist aber tatsächlich weniger der Qualität der Stücke geschuldet, die allenfalls minimal schwächer sind als der Rest des Albums, sondern eher dem rasant wachsenden Hit-Repertoire der eisernen Jungfrauen.
In der ersten Hälfte der 80er hauten IRON MAIDEN jedes Jahr ein neues Album raus, da bleiben vereinzelte Stücke zwangsweise irgendwann auf der Strecke. Nichtsdestotrotz ist “Piece Of Mind” von vorne bis hinten ein absoluter Klassiker und zeigt eine junge Band auf dem Weg zum Metal-Olymp.
Sammlungswürdig: Ein durchweg starkes Album mit einigen unverzichtbaren Klassikern, ein paar starken Geheimtipps und einem der kultigsten Eddie-Cover überhaupt. Die ersten sieben Alben gehören in jede ernsthafte Heavy-Metal-Sammlung.
Highlights: “The Trooper”, “Revelations”, “Flight of Icarus”, “Where Eagles Dare”, “To Tame a Land”.
Hier geht’s zur Review von “Piece Of Mind”.
Text: Hans Völkel
Powerslave, 1984
Bei der Frage nach dem besten IRON-MAIDEN-Album wird bei vielen “Powerslave” als Antwort wie aus der Pistole geschossen kommen. Macht Sinn, schließlich befanden sich die eisernen Jungrauen anno 1984 in der Form ihres Lebens. Spitzenpositionen in den Charts, eine unglaublich erfolgreiche Welttournee und das legendäre in Los Angeles und London aufgenommene Live-Monument “Live After Death” waren die Folge.
Mit “Aces High” und “Two Minutes to Midnight” stehen gleich am Anfang des Albums zwei energiegeladene Kracher, die auch heute noch fest zum Live-Repertoire der Heavy-Metal-Legende gehören. Das epische Titelstück wiederum dürfte so manchen Metalhead zum Hobby-Ägyptologen gemacht haben, während die auf einem Gedicht von Samuel Taylor Coleridge basierende Gänsehautnummer “Rime of the Ancient Mariner” der bis dahin längste IRON-MAIDEN-Song und eine der stärksten Harris-Kompositionen überhaupt ist.
Demgegenüber steht erneut eine Hand voll Songs, die qualitativ zwar in keiner Weise abfallen, zwischen dem Überangebot an Klassikern aber über die Jahre etwas untergegangen sind. Besonders “Flash of the Blade” und das grandiose “The Duellists” sind sträflich unterbewertet und sollten unbedingt mal wieder aus der Mottenkiste geholt werden.
Insgesamt sind auf “Powerslave” keine Ausfälle zu verzeichnen, allenfalls das Instrumental “Losfer Words (Big ‚Orra)” ist verzichtbar. IRON MAIDEN befinden sich weiterhin auf einem Höhenflug, dessen Ende damals nicht absehbar war. “Powerslave” markiert aber in gewisser Weise auch einen Wendepunkt, denn danach wurden die Pausen zwischen den Alben etwas länger und IRON MAIDEN entdeckten mit den Nachfolgern sowohl ihre etwas progressivere Seite als auch Synthesizer für sich.
Sammlungswürdig: Noch mehr unsterbliche Klassiker als der Vorgänger und bis dahin das epischste MAIDEN-Album. Das spiegelt sich auch im erneut kultigen wie grandiosen Artwork wieder. Gehört ebenfalls in jedes Regal.
Highlights: Alles!
Hier geht’s zur Review von “Powerslave”.
Text: Hans Völkel
Somewhere In Time, 1986
Nach fünf klassischen Heavy-Metal-Meisterwerken in Folge wagen IRON MAIDEN einen Schritt, der manchen Fans sauer aufstößt. Auf “Somewhere In Time” experimentiert die Band zunehmend mit Synthesizern. Die Vorwürfe des Ausverkaufs sind allerdings absolut nicht berechtigt.
“Somewhere In Time” verbindet die Extreme
Das Quintett nutzt die neuen musikalischen Elemente nämlich mitnichten, um den Sound in irgendeiner Form poppiger zu gestalten. Ganz im Gegenteil. Das stampfende “Stranger In A Strange Land” gehört wohl ebenso zu den härtesten Tracks der Bandgeschichte wie das abschließende Epos “Alexander The Great”.
Gleichzeitig neigt sich die Band mit der Hit-Single “Wasted Years” zumindest ein bisschen in Richtung Pop-Affinität inklusive eines schrägen Auftritts bei Top Of The Pops. Ironischerweise kommt ausgerechnet dieser Song als einziger ohne die Synthesizer aus. Im Gegensatz zum Rest der Platte hält sich “Wasted Years” bis heute in der Setlist der Band. Selbst die hartgesottensten Metalheads erkennen an, welch eine Hymne er ist.
IRON MAIDEN bleiben sich treu
Trotz dieser neuen Soundnuancen klingt “Somewhere In Time” von der ersten bis zur letzten Sekunde zu 100 Prozent nach Iron Maiden. “Deja-Vu” eröffnet mit den für die Band typischen, zweistimmigen Lead-Gitarren, “Heaven Can Wait” wartet im Mittelteil mit Festival-tauglichen “Whohoho”-Chören auf und der Quasi-Titelsong “Caught Somewhere In Time” zeichnet sich durch die treibenden Rhythmen aus, für die die Band bekannt ist.
Auffälligkeiten zeigen sich aber beim Blick auf die Songwriting-Credits. Zum ersten Mal tritt Adrian Smith als alleiniger Komponist in Erscheinung. Gleich drei Tracks gehen auf sein Konto, neben “Years” legt er das mitreißende “Sea Of Madness” sowie “Stranger In A Strange Land” vor, die allesamt zum Besten gehören, was es jemals auf einer MAIDEN-Platte zu hören gab. Seine hohe Beteiligung auf diesem Album ist das erste Warnzeichen dafür, welch großen Verlust sein späterer Ausstieg für die Band bedeuten wird.
Ein Heavy-Metal-Meilenstein
Aufgrund der musikalischen Entwicklung mag “Somewhere In Time” das erste IRON MAIDEN-Album sein, das die Fans bei Erscheinen nicht restlos abfeiern. Im Rückblick aber stellt es eines, wenn nicht sogar das stärkste im gesamten Schaffen der Band dar. Die Band schüttelt ausschließlich Hits aus dem Ärmel, die so manche Songs von “The Number Of The Beast” oder “Powerslave” alt aussehen lassen.
Sammlungswürdig: Absolut.
Highlights: Alles!
Hier geht’s zur Review von “Somewhere In Time”.
Text: Dominik Rothe
Seventh Son Of A Seventh Son, 1988
1988 haben sich bei IRON MAIDEN alle noch (und wieder) lieb. Bruce Dickinson bekommt den von ihm ersehnten progressiven Ansatz im Songwriting, ist beim Kompositionsprozess im Gegensatz zum Vorgänger wieder voll dabei und harmoniert prächtig mit Steve Harris und dem sich immer unersetzbarer machenden Adrian Smith. 1988 sind MAIDEN startklar für eines ihrer langlebigsten und abwechslungsreichsten Alben überhaupt. Es ist Zeit für den letzten unantastbaren Klassiker der Achtziger.
Das letzte 10-Punkte-Werk der goldenen Ära
Das erste, zugleich inhaltlich inkohärente Konzeptalbum in der Geschichte von IRON MAIDEN lebt durch seine besondere Dynamik. Vom flotten Opener “Moonchild” (Smith & Dickinson) über das notorisch unterschätzte, getragene Harris-Monument “Infinite Dreams” (dessen Bridge-Riff MAIDEN bei ihrem eigenen “Genghis Khan” kopiert haben und später von PAPA ROACH für die Nervhölle “Last Resort” geklaut wurde) über die Hitsingles “The Evil That Men Do” (kein Konzert darf ohne diese Smith-Harris-Dickinson-Komposition beendet werden!) und “Can I Play With Madness” – auf der gesamten A-Seite kommt man kaum zum Luftholen, weil jede Note von der Bass-Drum hin zum letzten Synthie-Akzent vollkommen perfekt platziert und inszeniert ist. Lediglich an den poppigen Stadion-Chorus von “Can I Play With Madness” muss man sich etwas gewöhnen. Doch auch diese Nummer ist in mehr als 30 Jahren Kult geworden. Es ist sogar möglich, Nicko McBrain den Einsatz einer Cowbell zu verzeihen, der für alle Metal-Drummer:innen eigentlich mit sofortigem Berufsverbot sanktioniert werden sollte.
Als Konzeptalbum inkohärent – als MAIDEN-Metal-Album unantastbar.
Dass sich die Story weder lyrisch noch musikalisch plausibel auf das Album verteilt, schmälert auch den Genuss der B-Seite nicht. Der bedrohliche, die Seite eröffnende Titelsong ist einer der stimmigsten Longtracks in der Geschichte der Band, wobei sich Steve Harris gern noch mal an diesem Song ein Beispiel nehmen könnte, wie lange Songs ohne Längen zu komponieren sind. Der Murray-Beitrag “The Prophecy” gehört zum B-Repertoire der Band, ist dafür aber der umso größere Grower des Albums. Das großartige “The Clairvoyant” (DIE Blaupause für späteren europäischen Power Metal) und das mit tollen Twin-Leads veredelte “Only The Good Die Young” (noch ein notorisch unterbewerteter Song der Band schließen die zweite Seite von “Seventh Son …” erhaben ab. Gemäß der Steve-Harris-Vorliebe, das Ende mit dem Rekurs auf den Anfang zu beschließen, wird das Album mit dem gleichen zu Akustikgitarrenbegleitung vorgetragenen Gedicht beendet, wie es mit “Moonchild” anfing.
Sammlungswürdig: Am besten mehrfach, aber immer auf Vinyl.
Highlights: Objektiv “The Evil That Men Do”. Subjektiv “Infinite Dreams”.
Hier geht´s zur Review von “Seventh Son Of A Seventh Son”.
Text: Johannes Werner
No Prayer For The Dying, 1990
Die Älteren werden sich erinnern: Ein markerschütternder Aufschrei zog durch die Heavy-Metal-Gemeinde, als Adrian Smith die Band verließ und durch Janick Gers ersetzt wurde. Nebenbei startete Bruce Dickinson erste Gehversuche auf Solopfaden und Steve Harris hatte keinen Bock mehr auf progressiv-verspielte Tracks à la “Somewhere In Time” und “Seventh Son Of A Seventh Son”.
Zurück zu den Wurzeln?
All diese Vorzeichen waren damals nicht die besten und so entstand ein bis heute kaum beachtetes, dafür von vielen verachtetes Album. Als meistgenannter Track wird bei so manch einem “Bring Your Daughter To The Slaughter” in Erinnerung geblieben sein. Den Song hatte Dickinson schließlich auch auf seinem Album “Tattooed Millionaire” ein knappes Jahr zuvor verwurstet. Dabei geht allein der Opener “Tailgunner” als amtlicher Vorbote des folgenden und gleichzeitig von der Presse als auch den Fans milde aufgenommenen “Fear Of The Dark” durch.
IRON MAIDENs düsteres Vermächtnis
Insgesamt strotzt “No Prayer For The Dying” vor wenig fröhlichen oder wirklich livetauglichen Kompositionen, vom Hüftschwinger “Holy Smoke” mal abgesehen. Dabei versprüht der Titeltrack oder auch das abschließende “Mother Russia” eine wärmende Melancholie, wie man sie eben nicht oft aus dem Hause IRON MAIDEN hört. Auch das U-Boot-Drama “Run Silent Run Deep” oder die Attentäter-Hymne “The Assassin” sollte man mit den gut durchdachten Strukturen und tollen Melodien auf dem Zettel haben.
“No Prayer For The Dying”: Besser als sein Ruf
Insofern kann man dieser Platte auf jeden Fall eine zweite Chance zugestehen. Immerhin haben sich die bandinternen Wogen geglättet, während Smith, Murray und Geres miteinander im Trio harmonieren, Harris mittlerweile auch sein Herz für Prog wiederbelebt hat, Dickinson schon lange zurück ist und Nicko McBrain ohnehin kein Wässerchen trüben kann. Wenn dann all der Staub abgeklopft ist, findet sich womöglich ein gutes Album, dass zumindest einigen Nachfolgern durchaus das Wasser reichen kann.
Sammlungswürdig: Für Einsteiger nicht, für Freunde von handfestem NWOBHM durchaus.
Highlights: “No Prayer For The Dying”, “The Assassin”.
Hier geht´s zur Review von “No Prayer For The Dying”.
Text: Oliver Di Iorio
Fear Of The Dark, 1992
Ein weiterer Einschnitt nach dem für IRON-MAIDEN-Verhältnisse doch recht schwachen “No Prayer For The Dying”. Die Spannungen mit Bruce Dickinson, der sich bei Maiden als auch die Band selbst zu sehr eingeengt fühlte, nahmen stärker zu und führten schließlich zu seinem Ausstieg. Aber zunächst wurde “Fear Of The Dark”, das zweite Album mit Gitarrist Janick Gers, ein letztes Mal zwischen August 1991 und April 1992 mit Langzeit-Produzent Martin Birch aufgenommen. Erstmals stammte das Cover-Artwork nicht von Derek Riggs sondern von Melvyn Grant.
“Fear Of The Dark” ist mit deutlichem Abstand das beste Album von IRON MAIDEN in den Neunzigern sowie mindestens eines der besten der letzten 30 Jahre! Mit dem überragenden gleichnamigen Titelstück, ein perfekter Maiden-Epic, dem ebenso epischen “Afraid To Shoot Strangers”, dem knackig-treibenden Opener “Be Quick Or Be Dead”, “Wasting Love”, beides erste Songwritingbeiträge von Janick Gers, und der Mitsing-Hymne “From Here To Eternity” haben IRON MAIDEN auf diesem Album schon einige Übersongs gebannt, die man heute zu den Klassikern der Band zählen muss.
Demgegenüber haben sich aber auf “Fear Of The Dark” tatsächlich einige Längen eingeschlichen, Songs wie “Fear Is The Key” können das hohe Niveau nicht halten. “Fear Of The Dark” gehört stilistisch zu den härteren Maiden-Alben, der Gesang von Bruce ist meist auch etwas rauer, der Großteil der Songs eher wieder kürzer. Zusammen mit den Live-Werken “A Real Live One”, “A Real Dead One” und “Live At Donington” ein würdiger Abschluss der Jahre mit Bruce Dickinson.
Sammlungswürdig: die Klassiker aus den Achtzigern sind wichtiger, dennoch ganz klar – Ja!
Highlights: “Fear Of The Dark”, “Afraid To Shoot Strangers”, “From Here To Eternity”.
Hier geht´s zur Review von “Fear Of The Dark”.
Text: Markus Endres
The X-Factor, 1995
Auch den unantastbaren IRON MAIDEN musste passieren, was allen in den Neunzigern passierte: Sänger und Co-Aushängeschild läuft weg, erklärt den Metal für tot, orientiert sich musikalisch teils neu. Steve Harris befindet sich in einer traumatisierenden Scheidung und die Band ohne eine starke Führung. Er und seine Belegschaft müssen zusehen, dass sie in diesem schwierigen Jahrzehnt Land gewinnen, ohne ihre Identität zu verraten.
Es liegt weniger am Sänger …
Viel Kritik mussten MAIDEN für “The X-Factor” einstecken. Mehr noch traf es – in teils entwürdigender Weise – Neu-Sänger Blaze Bayley. Der ehemalige WOLFSBANE-Shouter mit dem großen Herzen wurde in Folge der Tour mehrfach angegriffen, angespuckt oder ausgepfiffen – weil er kein Bruce Dickinson ist. Kann er natürlich auch gar nicht sein. Es ist eigentlich ziemlich nachvollziehbar von der Band gewesen, einen anderen gesanglichen Stil zu wählen. Bayleys Timbre ist tiefer, dunkler und wärmer. All das passt eigentlich gar nicht schlecht zu MAIDEN. Trotzdem ist “The X-Factor” – auch wenn es immer mehr en vouge ist, das Album zu mögen – eine ziemliche Gurke und das liegt nur zu kleinen Teilen an Bayley.
Zwar spielen IRON MAIDEN immer noch traditionellen Metal; aus dem ehemaligen Schlachtflugzeug ist nur inzwischen ein kaputter Segelflieger mit Tragflächenbruch geworden. Endlos lang ziehen sich Intros, Songs kommen minutenlang nicht zum Punkt, stolpern in einem lächerlich angezogenen Tempo vor sich hin, vieles wird nach Harris-Art in Schema F aufgebaut. Einige “Breaks” sind so ungekonnt, dass man sich für die einst so vitale Band schämt. Nach den ersten drei Songs (von denen nur der Opener “Sign Of The Cross” wahre Klasse hat), bleibt kaum etwas im positiven Sinne hängen. “Fortunes Of War” und “The Aftermath” sind gar richtige Ärgernisse. Und sonst? Fragt doch mal die MAIDEN-Fans in eurem Umfeld, wer aus dem Stegreif “The Unbeliever” oder “The Edge Of Darkness” anstimmen könnte …
Für die Einfallslosigkeit der anderen beiden vorn platzierten und als Single ausgekoppelten Songs “Lord Of The Flies” und “Man On The Edge” hingegen hätte sich Steve Harris zehn Jahre früher geschämt. Zudem ist die inzwischen vom Meister selbst vorgenommene Produktion extrem flach und erreicht keinerlei Standard.
Der Tintenfischring der Diskografie
Zäh und fad: “The X-Factor” erinnert eher an eine drei Tage alte Portion Calamaris vom Franchise-Fastfood als an einen wohlkomponierten, vielschichtigen Gratin mit zweifacher Käseschicht (um mal einen absolut logischen Vergleich für die goldene Ära zu finden). Blaze ist ein guter Sänger, den Steve Harris & Co. nicht in der Lage sind, seinen Stärken entsprechend einzusetzen. Viel zu oft muss er kraftlos in tiefen Tonlagen rumbrummen, statt sein kräftiges Mittelregister ausloten zu können. Der Nachfolger “Virtual XI” ist etwas besser, doch insgesamt haben sich ‘Arry und Kollegen in der zweiten Neunziger-Hälfte nicht eben mit Ruhm bekleckert.
Sammlungswürdig: Nur für Komplettisten und solche, die aus Prinzip lieber “Point Of Entry”, “St. Anger” und “Cold Lake” hören.
Highlight: “Sign Of The Cross”.
Hier geht´s zur Review von “The X-Factor”.
Text: Johannes Werner
Virtual XI, 1998
Das Album ist im Gegensatz zum Vorgänger fröhlicher und von einer Rückbesinnung auf den 70er-Jahre-Rock geprägt. Der Hit ist natürlich das eingängige “The Clansman”, welches selbst nach der Wiedervereinigung mit Dickinson und Smith noch im Set auftaucht. Aber wenn man sich die Versionen mit den verschiedenen Sängern anhört, dann wird das große Missverständnis dieses Albums offensichtlich: Die Songs sind für Bruce Dickinson geschrieben. So ist das Songwriting passabel. Zu begeistern wissen gerade die flotten Rocksongs wie der Opener “Futureal”, aber auch die balladesken Momente wie “When Two Worlds Collide” machen Spaß. Die Band hätte sich an einigen Stellen kürzer fassen sollen. “The Angel And The Gambler” ist nervigerweise in die Länge gezogen. Aber in dieser Frage gibt es vor “Virtual XI” noch ein paar andere Kandidaten.
Sammlungswürdig: Ganz nett, aber tatsächlich das schwächste Album der eisernen Jungfrauen.
Anspieltipps: Der Live-Hit “The Clansman” und das kompakte “Futureal”.
Hier geht´s zur Review von “Virtual XI”.
Text: Philipp Gravenhorst
Brave New World, 2000
Trotz dem damals noch recht beständigen Veröffentlichungsrhytmus von zwei bis drei Jahren zwischen den Alben, wurde “Brave New World” als Comebackalbum von IRON MAIDEN aufgenommen, was natürlich vor allem an der Rückkehr von Bruce Dickinson als Frontsänger lag. Und auch wenn die Bayley-Alben nicht so schlecht sind, wie sie heute des Öfteren gemacht werden, so zeigt “Brave New World” eine Rückkehr zu einer Form und gleichzeitig eine Weiterentwicklung an, die die eisernen Jungfrauen seit den 1980er-Jahren nicht mehr erreicht hatten.
Das Album bietet auf seiner Länge von über einer Stunde viele Killer-Hits, die heute eigentlich noch mehr Platz in den Livesetlists verdient hätten. Lediglich der Opener “The Wicker Man”, mit seinem Klassiker-Riff und großartigem Refrain, findet sich derzeit noch im Set der Band. Doch auch “Ghost Of The Navigator”, der Titeltrack, “Blood Brothers”, “Out Of The Silent Planet” oder der Rausschmeißer “The Thin Line Between Love And Hate” sind eindeutig Stücke, die beweisen, dass IRON MAIDEN auch noch am Anfang des derzeitigen Jahrtausends in der Lage waren, zeitlose Klassiker zu schreiben.
“Brave New World” vereint alle Trademarks der Band und steckt sie in ein modernes Gewand. Die Instrumental- und Gesangsleistungen der Band präsentieren sich hier auf einem Niveau, das in den Folgejahren auf vielen Alben nur noch bedingt erreicht wurde.
Sammlungswürdig: Auf jeden Fall!
Highlights: “The Wicker Man”, “Brave New World”, “Out Of The Silent Planet”.
Hier geht´s zur Review von “Brave New World”.
Text: Jannik Kleemann
Dance Of Death, 2003
Nach “Brave New World” lag die Messlatte verdammt hoch. Dass IRON MAIDEN daran nur scheitern konnten, war klar. Dabei ist “Dance Of Death” bei weitem kein schlechtes Album und verfügt mit dem Eröffnungs-Trio “Wildest Dreams”, “Rainmaker” und “No More Lies” über lupenreine Hits, die der Band für ihre Verhältnisse viel Airplay brachten. Vor allem Sänger Bruce Dickinson brilliert in den Refrains.
Viele Songs können sich aber nicht durchsetzen. Ausgerechnet die großen Hymnen wie “Paschendale” oder “Journeyman”, die sonst zu den Highlights eines IRON-MAIDEN-Albums gehören, schwächeln, da die orchestralen Streicher eher ermüden als mitreißen. Nur beim Titelsong “Dance Of Death” gelingt dank ihnen ein atmosphärisch dichter Hit, der bis heute die Sternstunde von Gitarrist Janick Gers darstellt.
Sammlungswürdig: Für Fans der Band.
Highlitghts: “Rainmaker”, “No More Lies”, “Dance Of Death”.
Hier geht´s zur Review von “Dance Of Death”.
Text: Marc Thorbrügge
A Matter Of Life And Death, 2006
Ein martialisches Cover, nur drei der zehn Songs unter sechs Minuten und eine deutlich progressivere Ausrichtung sind die ersten Merkmale, die bei “A Matter Of Life And Death” auffallen. Doch auf diesem Album schaffen es MAIDEN über weite Teile, die immer länger werdenden Songs mit einem Leben und einer Abwechslung zu füllen, die ihre Folgewerke immer mehr missen lassen werden.
Der Abschluss des Albums hätte zwar etwas spektakulärer ausfallen können, aber auch hier zeigen MAIDEN wieder ihre Stärke, prägnante Opener zu schreiben (“Different World”) und Stücke, deren Hooks trotz der Gesamtlänge der Songs noch lange nach Ende des Albums im Kopf bleiben (“Brighter Than A Thousand Suns”, “For The Greater Good Of God”). Die Single “The Reincarnation Of Benjamin Breeg” hat es damals schon angekündigt, dass MAIDEN nach dem etwas durchwachsenen “Dance Of Death” noch einmal zu hoher Form auflaufen sollten. Die Alben, die danach kommen sollten, waren allesamt keine Rohrkrepierer, aber der bescheidenen Meinung dieses Rezensenten nach haben die Briten mit “A Matter Of Life And Death” ihr vorerst letztes, richtig gutes und kohärentes Werk abgeliefert, das es schafft, einen über die üppige Laufzeit von 71 Minuten zu fesseln.
Sammlungswürdig: Ja
Anspieltipps: “Brighter Than A Thousand Suns”, “For The Greater Good Of God”
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Text: Jannik Kleemann
The Final Frontier, 2010
Die experimentelle Eröffnung des Albums sorgt erst einmal für Stirnrunzeln. Der an das Intro anschließende Titelsong ist aber ein eingängiger Hit mit viel Groove. “El Dorado” greift dessen abenteuerlustige Stimmung gekonnt auf und leitet in ein abwechslungsreiches Album über.
Denn nach dem ambitionierten “A Matter Of Life and Death”, bei dem sich ein überlanges Epos an das andere reihte, wirkt “The Final Frontier” deutlich unbekümmerter, aber auch etwas orientierungsloser. IRON MAIDEN besinnen sich zwar auf ihre Stärken, bringen die guten Ideen aber nicht immer schlüssig zu Ende.
“The Final Frontier” hat den Charakter einer lose zusammenhängenden Ideensammlung, ist aber kein schlechtes Album. Bemerkenswert ist sicher die stark melancholische Note der Songs “The Man Who Would Be King” und “When The Wild Wind Blows”, mit denen das Album endet. Rückblickend kann man feststellen, dass Dave Murray und Steve Harris bereits die Stimmung für ihre Songs auf “Book of Souls” setzen.
Sammlungswürdig: Für Fans der Band.
Highlights: “Starblind”, “The Man Who Would Be King”, “When The Wild Wind Blows”.
Hier geht´s zur Review von “The Final Frontier”.
Text: Marc Thorbrügge
The Book Of Souls, 2015
Spätestens ab “A Matter Of Life And Death” aus dem Jahr 2006 wird allen Fans klar, dass IRON MAIDEN im neuen Jahrtausend mehr Gefallen an progressiven, ausufernden Songs als knackigen Metal-Hits haben. “The Book Of Souls” stellt in mancher Hinsicht den Gipfel dieses Hangs zur Epik dar – nicht nur, weil es das erste Doppelalbum der Band ist.
Ein Triumph für IRON MAIDEN
Doch bevor eines der ambitioniertesten IRON MAIDEN-Werke das Licht der Welt erblickt, müssen die Musiker einen brutalen Schock verarbeiten. Während der Aufnahmesession wird bei Sänger Bruce Dickinson Krebs diagnostiziert. Glücklicherweise gewinnt er den Kampf gegen die Krankheit. “The Book Of Souls” erscheint später als geplant, ebenso wird die Tour nach hinten verschoben. Am Siegeszug der Band ändert das nichts.
Das eröffnende “If Eternity Should Fail” schreibt Dickinson ursprünglich für ein mögliches neues Soloalbum. Doch Steve Harris besteht darauf, den Song für IRON MAIDEN zu verwenden, als er ein Demo davon hört. Damit beweist der Bandkopf ein weiteres Mal sein gutes Gespür für großartige Songs. Nach dem atmosphärischen Intro reißen Dickinsons Gesangslinien ebenso mit wie die treibenden Rhythmen.
Epische Geschichten
Die erste Single “Speed Of Light” wiederum fesselt mit nach vorne preschenden Gitarrenriffs, während sich die keltischen Melodien im Zwischenteil schnell im Gehör festsetzen. Ebenso begeistert das peitschende “When The River Runs Deep”. Doch am besten entfalten IRON MAIDEN ihre Stärken in den Longtracks.
Davon fährt die Band auf “The Book Of Souls” gleich drei auf. Der Titelsong marschiert im schleppenden Tempo vorwärts. Nicko McBrain zeigt mit akzentuiertem Schlagzeugspiel einmal mehr, warum er zu den besten seiner Zunft zählt. “The Red And The Black” wiederum ist ein typischer Steve-Harris-Epos, der mit einem ruhigen Intro beginnt und am Ende zu diesem zurückführt. In 13 Minuten fährt der Track Mitsing-Chöre, ausufernde Soli, zweistimmige Gitarrenmelodien und einen epischen Refrain auf – also alles, was man sich als IRON MAIDEN-Fan nur wünschen kann.
Am meisten sticht allerdings die Dickinson-Komposition “Empire Of The Clouds” heraus. Der längste Song im Schaffen der Band erzählt eine groß angelegte Geschichte vom Absturz des britischen Verkehrsluftschiffes R101 im Jahr 1930. Dafür fährt die Band ein Orchester auf, das für eine einmalige Dramatik sorgt. Die eingängigen Melodien sorgen dafür, dass er Song nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Ohrenweide darstellt.
Mehr als Größenwahnsinn
Im Gegensatz zu vielen Doppelalben, die vor allem vom Größenwahn der jeweiligen Band zeugen, zeigen IRON MAIDEN mit “The Book Of Souls”, wie man es richtig macht. Trotz kleiner Längen begeistert das Album von vorne bis hinten.
Sammlungswürdig: Zumindest für alle, denen die progressive Phase der Band zusagt.
Highlights: “The Red And The Black”, “Empire Of The Clouds”, “Speed Of Light”.
Hier geht’s zur Review von “The Book Of Souls”.
Text: Dominik Rothe
Senjutsu, 2021
Mit sechs Jahren vergeht zwischen “The Book Of Souls” und “ Senjutsu” die längste Albumpause in der Geschichte von IRON MAIDEN. Doch das Warten lohnt sich. Denn auch im 17. Anlauf liefern die Briten noch feinsten Heavy Metal ab.
IRON MAIDEN wagen etwas Neues
Wie schon der Vorgänger kommt das Album als Doppeldecker daher, wenn auch mit ein paar Minuten weniger Spielzeit. Die 80 Minuten verteilen sich dafür aber auf gerade mal zehn Songs. Bis auf den augenblicklichen Hit “Days Of Future Past” liegen also alle Tracks weit über Radio-tauglicher Länge.
Die Lead-Single “The Writing On The Wall” verspricht bereits im Vorfeld ein paar Überraschungen. Eine solche Western-Atmosphäre macht sich zum ersten Mal im MAIDEN-Sound breit. Mancherorts ist sogar von leichten Country-Einflüsse die Rede. Der Titelsong wiederum wird von japanischen Percussions eingeleitet, bevor getragene Melodien das Geschehen bestimmen.
Steve Harris überragt auf “Senjutsu”
All diese ungewohnten stilistischen Schlenker bettet die Band stets gekonnt in einen Kontext, der puren IRON MAIDEN-Geist verströmt. Sei es durch ein klassisches Gitarrensolo oder eben Dickinsons starke Gesangslinien in den Refrains. Und mit dem galoppierenden “Stratego” hat sich sogar ein Song auf die Platte verirrt, der fast ein bisschen an die Achtziger erinnert.
Doch wie schon auf “The Book Of Souls” zeigen IRON MAIDEN ihre wahre Stärke in den epischen Songs. Die stammen diesmal allesamt aus der alleinigen Feder von Steve Harris – und der übertrifft sich selbst. Zugegeben, “The Parchment” hätte ein bisschen Trimmung hier und da gutgetan. Aber dem gegenüber stehen mit “Lost In A Lost World” eine sehr gute, mit “Death Of The Celts” und “Hell On Earth” sogar zwei Meisterleistungen.
“Death Of The Celts” lebt vor allem von der tollen Harmonieführung sowie den “The Clansman”-Querverweisen. “Hell On Earth” hingegen zeichnet sich durch grandiose Gitarrenmelodien aus, insbesondere im typischen Doodle-Part in der Mitte. Wenn die Band hier die Dynamik einmal komplett runterfährt, nur um eine plötzliche Emotionseruption hinterherzuschießen, ist das ganz großes Metal-Kino.
Immer noch relevant
Klar, im Langzeittest muss sich “Senjutsu” erst noch beweisen. Doch für den Moment steht fest, dass IRON MAIDEN sich auch im 46. Karrierejahr immer noch einiges trauen, anstatt auf der Stelle zu treten. Und das allein ist in Zeiten, in denen sich alte Legenden zumeist selbst kopieren schon verdammt viel wert.
Sammlungswürdig: Genau wie “The Book Of Souls” ein Muss für alle, die die progressive Phase der Band schätzen.
Hghlights: “Death Of The Celts”, “Hell On Earth”, “Days Of Future Past”.
Hier geht’s zur Review von “Senjutsu”.
Text: Dominik Rothe
Encore 1: “Scream For Me”
Auch die unzähligen Live-Mitschnitte der Eisernen Jungfrauen dürfen in einer solchen Retrospektive nicht fehlen. Immerhin finden sich auf den jeweiligen Platten zwar immer wieder Versionen der Fan-Favoriten und Band-Klassiker. Daneben sind aber stets auch Songs aus den, damals aktuellen Studio-Alben enthalten.
Live After Death, 1985
Während der sagenumwobenen “World Slavery Tour” entstand nicht weniger als ein Klassiker. Die knapp einjährige Tour umfasste 189 Konzerte und führte IRON MAIDEN in 23 Länder rund um den Globus. Illustre Support-Acts wie ACCEPT, MÖTLEY CRÜE, TWISTED SISTER, QUEENSRYCHE, W.A.S.P. und viele mehr begleiteten die Briten dabei. Ausgerechnet in der Long Beach Arena, Kalifornien im März des Jahres 1985 schrieben IRON MAIDEN dann Geschichte. Ein Großteil der Setlist wurde für “Live After Death” dort aufgezeichnet (der letzte Teil in London), wobei Bruce Dickinson mit seinem “Scream For Me, Long Beach” gleichzeitig für Gänsehaut als auch für ein noch immer gern zitiertes Band-Trademark sorgte. Auf dieser Live-Platte stimmt einfach alles: Der Sound, das Artwork und die Songauswahl. Natürlich ist der Mut, “Rime Of The Ancient Mariner” live aufzuführen einer besonderen Erwähnung wert. Aber auch “Revelations” (mit Dickinson an der Gitarre) und “Hallowed Be Thy Name” rühren zu Tränen. Zu empfehlen ist auch die Video-Fassung des Mitschnitts, die neben schicken 80´s-Frisuren im Publikum auch den monströsen Bühnenaufbau und die für damalige Verhältnisse mehr als dekadente Kulisse wunderbar einfängt.
Maiden England ´88, 1989
Ursprünglich wurde “Maiden England” bereits 1989 als Video veröffentlicht. Fünf Jahre später folgte dann die CD mit dem Original-Artwork. Die Neuauflage kam dann 2013 mit einem reitenden Eddy auf den Markt. Die Aufnahmen entstanden aber im November 1988 in Birmingham, kurz nachdem “Seventh Son Of A Seventh Son” erschien. Die neue Fassung glänzt speziell durch eine aufgepimpte Tracklist, wobei besonders die später nicht mehr gespielten “The Clairvoyant”, “Heaven Can Wait”, “The Prisoner” oder auch “Die With Your Boots On” für einen ausgewogenen Mix sorgen und der Platte insgesamt das Prädikat “besonders wertvoll” verleihen. Damit gelingt IRON MAIDEN eine kleine Zusammenfassung der live kaum beachteten Alben “Somewhere In Time” und “Piece Of Mind”. Funfact am Rande: Die damals als Tour-Support gebuchten GUNS´N´ROSES sprangen nach wenigen Shows vom Billing ab, weil sie die Bühnendekoration mit Eisplatten und schwimmenden Enten peinlich fanden.
A Real Live One – A Real Dead One, 1993
Ja, gut. Erstmals gab es zu einer Tour gleich drei Live-Alben. Man möchte der Band im ersten Moment Geldschneiderei vorwerfen, ein Blick auf die jeweilige Titelliste bringt allerdings Licht ins Dunkel. Damit sich “A Real Live One” nicht mit der Tracklist von “Live After Death” überschneidet, finden sich dort ausschließlich Songs, aus der Post-Powerslave-Ära. “A Real Dead One” beleuchtet dann die Zeit davor. Auch wurden für beide Alben keine Konzertmitschnitte als solches verwendet. Stattdessen setzte man auf separate Live-Songs von unterschiedlichen Konzerten.
Live At Donington, 1993
“Live At Donington” wurde im November 1993 dann doch noch pünktlich zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt gebracht. Die damaligen Konzerte während der Fear-Of-The-Dark-World-Tour beeindruckten nebenbei erneut durch eine überdimensional angelegte Show, die während dem Super-Rock-Festival in Mannheim die ebenfalls aufspielenden Größen wie BLACK SABBATH, HELLOWEEN und SLAYER wie blasse Waisenknaben aussehen ließ.
Rock In Rio, 2002
Bruce Dickinson war zurück! IRON MAIDEN vor 250.000 Menschen in Brasilien! Das sind zwei Superlative, die nach normalen Maßstäben kaum überboten werden können (damals war nicht abzusehen, dass ein paar Jahre später “En Vivo!” nachgelegt werden würde). Wer schon einmal das Vergnügen hatte, einem Livekonzert in Südamerika beizuwohnen, kann sich entfernt vorstellen, wie magisch diese Nacht gewesen sein muss. Wenn eine Viertelmillion Kehlen inbrünstig und pfeilgerade die wichtigsten Passagen von “Fear Of The Dark”, “The Clansman” und “The Trooper” mitsingen, lässt das niemanden kalt, der über ein schlagendes Herz in der Brust verfügt. Mit diesem Album wurde endlich ein Mythos geboren und es ist verpflichtend für alle Ungläubigen und Debütanten.
Death On The Road, 2005
Dieser Konzertmitschnitt stammt vom November 2003 in der Dortmunder Westfalenhalle und ist nicht nur wegen der Kulisse gewöhnungsbedürftig. Neben den abgenudelten Live-Klassikern der Band, befinden sich auch sechs Nummern des damals aktuellen “Dance Of Death” auf der Setlist, was aufgrund der verhaltenen Resonanzen zum “Brave New World”-Nachfolger für viele wohl verzichtbar gewesen wäre. Die Gewalttat “Wrathchild” verliert durch das recht hurtige Tempo an Bedrohlichkeit und auch beim Auftakt-Riff von “The Trooper” kommen die Protagonisten an den Instrumenten dem Click kaum hinterher. Vielleicht hatte sich der Drum-Roadie seinerzeit auch nur einen Scherz erlaubt und die BPM am Metronom leicht frisiert, aber insgesamt wirkt das Konzert wie runtergespult.
En Vivo!, 2012
Mit “The Final Frontier” sind bis heute nicht alle Maiden-Heads so richtig warm geworden. Glücklicher Weise wählte die Band für den dazugehörigen Live-Output das Konzert in Santiago De Chile vom 10.04.2011. Einerseits stellt das Sextett die Livetauglichkeit der progressiven, neuen Songs eindrucksvoll unter Beweis (“When The Wild Wind Blows”), andererseits machen auch die tausendfach gehörten Klassiker einfach Spaß. Spätestens, wirklich aller spätestens auf “En Vivo!” hat sich “Fear Of The Dark” ein Denkmal auf der gekräuselten Gänsehaut eines jeden Hörers gesetzt. Man ertappt sich vielleicht auch dabei, wie man lautstark in die oft zitierte Eröffnungspredigt von “Number Of The Beast” einsteigt, ganz so als sei man zwischen den tausenden Menschen im Estadio Nacional, während man sich die Platte über Kopfhörer gönnt und von den Mitbewohnern mit ungläubigem Kopfschütteln bedacht wird. Notiz an IRON MAIDEN: Live-Alben bitte nur noch aus Lateinamerika!
The Book Of Souls Live Chapter, 2017
Auf einen Mitschnitt eines einzelnen Konzerts haben Maiden, ähnlich wie schon vor 24 Jahren verzichtet. Dieses Mal wurde die fünfzehn Songs zählende Tracklist in zwölf Ländern aufgezeichnet. Natürlich geht trotz all der grandiosen Locations der Flow durch das jeweilige Ein- und Ausblenden verloren, aber das ist nunmal das Konzept dieser Platte. Dafür entschädigt die Titelauswahl einmal mehr, wobei besonders “Children Of The Damned” und “Wasted Years” unter die Haut gehen.
Live In Mexico City, 2020
Der vollständige Titel dieses Live-Albums lautet ja “Nights Of The Dead, Legacy Of The Beast, Live In Mexico City”. So viel Zeit muss sein. Die damalige Legacy-Of-The-Beast-Tour ließ ob der Setlist auch in Europa Fans der ersten Stunde mit der Zunge schnalzen. Auf keinem der bisherigen Alben wurde das Vermächtnis der Band derart kontrolliert in Szene gesetzt wie hier. Der Name ist aber nicht nur bei der Songauswahl Programm. Auch die Live-Qualitäten der Band sind nicht nur hörbar, sondern auch spürbar. Besonders wirkungsvoll sticht dabei natürlich mal wieder der Einsatz des siebten Band-Mitglieds – also des lautstarken Publikums – in Mexico City hervor. Höhepunkte kennt diese Platte viele, Schwachstellen hat sie so gut wie keine. Außer vielleicht, dass man sich im Anschluss an Dickinsons letzte Worte “Have a save trip home… Love ya!” sehnlichst wünscht, IRON MAIDEN endlich wieder persönlich auf einer Bühne zu sehen.
Text: Oliver Di Iorio
Encore 2: “You´re Shit And You Know You Are…”
Sam Dunn (u.a. “Metal Evolution”) hat 2005 mit seiner Dokumentation“Metal – A Headbanger’s Journey” Rockgeschichte (nach)geschrieben. Dabei ist der Kanadier nur seiner Leidenschaft auf den Grund gegangen: Heavy Metal. Dass man auch in dieser Dokumentation nicht um eine gewisse Band aus England herum kommt, liegt in der Natur der Sache. IRON MAIDEN-Manager Rod Smallwood beeindruckte die Dokumentation jedenfalls derart, dass er bei seinen Schützlingen durchdrückte, dass Dunn die Band während ihrer ruhmreichen “Somewhere Back In Time”-Tour im bandeigenen Flieger begleiten durfte. Herausgekommen ist dabei der Konzertfilm “Flight 666”.
Flight 666, 2009
Generell ist es schon eine Leistung, in seinem eigenen Flugzeug zu den Shows zu fliegen, selbst wenn man auf seinen eigenen Piloten zurückgreifen kann (Bruce Dickinson). Dunn zeichnet ein sehr sympathisches Bild von der Band. Wobei hier gleichermaßen darauf geachtet wurde die Fans der einzelnen Städte in den Fokus zu stellen. Das gelingt Sam Dunn sehr gut, immerhin sind Fans in Südamerika deutlich positiv verrückter als die in Los Angeles. Es kommen aber auch skurrile Gestalten, wie ein über und über tätowierter brasilianischer Pfarrer (162 Tattoos!) zu Wort, der gemeinhin als “Father Iron Maiden” bekannt und aktiv in der katholischen Kirche ist (in Konservativland undenkbar). In den USA hingegen lümmelt sich die gemeine Metal-Prominenz durch das Bild (u.a. DIO, Kerry King, Lars Ulrich und Tom Morello), dafür geht es aber weniger emotional zu, wie in Südamerika oder Japan. Japan supportet Maiden für ihre Beständigkeit und dafür, dass sie sich nie an irgendwelche Trends angebiedert haben.
Zwischendurch kommt die Band ausreichend zu Wort und man erfährt beispielsweise, dass der ruhige Dave Murray so etwas wie das weise Rückgrat der Band ist und nie viel sagt. Wenn, dann aber immer mit Hand und Fuß. Kevin Shirley (aktueller Producer von IRON MAIDEN) gibt Einblicke in die Entstehung der Songs und, dass der Band eigentlich scheißegal ist, was Außenstehende über die Scheiben sagen. Wichtig ist halt immer, dass die Fans die Musik von IRON MAIDEN mögen. Jannick Gers gilt zusammen mit Nicko McBrain als der Spaßvogel in der Band, der immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat und auf der Suche nach dem nächsten Irish Pub ist (was von Nicko aber scherzhaft gemeint ist). Adrian geht an seinem ersten freien Tag auf der Tour mit Pat Cash (Wimbledonsieger 1987) Tennis spielen, während Dave Murry golfen ist. Nix mit Metalheads saufen nur. IRON MAIDEN sind English Gentlemen to the bone. Hier muss nichts kaschiert oder großartig verfremdet dargestellt werden, die Herren scheinen wirklich genauso zu sein, wie man es aus vielen Interviews oder anderen Dokus schon erahnt hat.
Man könnte “Flight 666” jedenfalls locker als sympathischen Familienfilm verkaufen (ist ja bald wieder Weihnachten und FSK 6), da IRON MAIDEN hier echt sympathisch dargestellt werden. Sicher, man darf nicht außer Acht lassen, dass die Band über den finalen Schnitt ihre wachenden Augen hatte (denke ich einfach mal), dennoch ist das Unternehmen “Flight 666” einfach brachial großartig, ebenso wie das Ergebnis. Und wenn das größte Problem der Band ist, dass es im Shuttle nach dem Konzert nur 5 Bierchen für 5 Musiker gibt, ist die Welt doch eigentlich ganz gut zu ertragen, oder?
Text: Collin Büttner