Iron Maiden
Das meint die Redaktion zu "The Book Of Souls"
Special
IRON MAIDENs „The Book Of Souls“ ist das wahrscheinlich meistdiskutierte Metal-Album des Jahres 2015. Seit seinem Erscheinen in der letzten Woche wird sich überall hitzig darüber ausgetauscht, wie gut es denn nun tatsächlich ist. Die metal.de-Redaktion bildet da keine Ausnahme: Neben begeisterten Stimmen gibt es auch etliche, die das 16. Studioalbum der britischen Ikonen weniger überzeugend finden. Aber lest selbst!
Mit einem neuen IRON-MAIDEN-Album ist es immer so eine Sache. Weil die Band mit vielen ihrer Alben Geschichte geschrieben hat, muss sie sich mit jedem Werk an ihrem eigenen Erbe messen. Das ist bei Alben wie „Fear Of The Dark“, „The Number Of The Beast“ oder „Seventh Son Of A Seventh Son“ beileibe nicht einfach. Dementsprechend erwartungslos bin ich an „The Book Of Souls“ herangegangen, und das war gut so. Warum? Weil keine Platte mich in den letzten Monaten auf Anhieb dermaßen vom Hocker gehauen hat wie „The Book Of Souls“.
Zwar ist das neue Werk von IRON MAIDEN nicht rundum perfekt, doch es ist etwas ganz Besonderes. Kennt ihr diesen Moment, wenn man beim Hören einer Platte feuchte Augen bekommt und sich komplett in der Musik verliert? Das schaffen nicht viele Alben – aber es gibt sie, wie „The Book Of Souls“ eindrucksvoll beweist. Bereits der straighte Opener „If Eternity Should Fall“ reißt den Hörer in seinen Bann. Dickinson, Harris und Co. lassen keinen Zweifel aufkommen: IRON MAIDEN sind zurück, in alter Frische und Stärke. Wen „The Book Of Souls“ hier noch nicht überzeugt, der wird spätestens beim vierten Song „The Red And The Black“ (mein persönlicher Lieblingstrack des Albums) eines Besseren belehrt. In seinen etwas mehr als 13 Minuten bekommt man alles geboten, was MAIDEN ausmacht: über alles erhabene Leads, die gewisse Prise Progressivität und einen Bruce Dickinson, der seiner Rolle als einer der großartigsten Metal-Sänger aller Zeiten mehr als gerecht wird. Mit dem Einsetzen der Group-Gesänge nach Marke „Ohooo Ohoohoo“ war es um mich geschehen.
IRON MAIDEN haben mit „The Book Of Souls“ das geschafft, wofür sie bis heute zu Recht verehrt werden: Sie haben ein Album voller ergreifender Songs erschaffen, das den Hörer auf eine spezielle intime Art berührt. Hier geht es nicht nur um die Musik, hier geht es um das Gefühl. Den Spirit. DAS sind IRON MAIDEN und DAS ist Heavy Metal.
(8/10 | Fabian Schneider)
Klingen sie wie früher? Haben sie sich mit den letzten Alben selbst ein progressives Labyrinth gebaut, in dem sie jetzt feststecken? Sind die Lead-Gitarren wieder gänsehautfördernd? Ach, ganz ehrlich: IRON MAIDEN haben ein neues Album am Start, verdammte Twin-Axt! Wenn die größte Heavy-Metal-Band im Universum mit einer neuen Veröffentlichung um die Ecke kommt, sollten Zweifel, Grübeleien und Vorurteile mindestens bis zum dritten Durchlauf beiseite gepackt werden, sonst kommt Eddy und sperrt dich zum Nachdenken in eine Eiserne Jungfrau. Ja, vielleicht kommt „The Final Frontier“ keiner Marslandung gleich, vermutlich hat sich der alte Charme zuletzt ein wenig verirrt und sehr wahrscheinlich sind und bleiben die Frühwerke unangefochten, aber zunächst heißt es: MAIDEN sind zurück, also erst mal wie ein kleines Metal-Kid, das zum ersten Mal eine eigene Gitarre in der Hand hält, ausrasten und tief, ganz tief in „The Book Of Souls“ eintauchen …
Vorweg: über 90 Minuten sind einfach zu viel, punkt! Da wird aus dem Eintauchen zuweilen ein Verlieren – an der Stelle sind die alten Hasen, wenn auch sicherlich mit gutem Willen, ein wenig übers Ziel hinausgeschossen. Und doch fällt auf, dass IRON MAIDEN „The Book Of Souls“ im Hardcover gebunden haben – die Riffs sind phasenweise direkter und metallischer. Vom progressiven Pfad sind die Briten aber nicht abgewichen, und so passt es schon, wenn dem Gehörten eine gelungene Melange aus älterem Charme und neuer Ausrichtung attestiert wird. Doch wenngleich sich Elemente durchaus als Highlights herauskristallisieren, wirft sich mir auch nach mehrmaligem Hören kein handfester Hit entgegen. Und davon höre ich auf einer neueren Platte wie „A Matter Of Life And Death“ in Form von „These Colours Don’t Run“ und „Brighter Than A Thousand Suns“ beispielsweise gleich zwei. Welchen Song von „The Book Of Souls“ möchte ich immer und immer wieder genießen? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. „Speed Of Light“ hat einen sensationellen Harmoniepart und einen gewissen Oldschool-Vibe. Und sonst? Es gibt keinen Song, der mich enttäuscht, aber auch keinen, der mich umhaut. Möglicherweise muss ich „The Book Of Souls“ noch zehnmal hören, um die Hits zu entdecken, doch da sind wir wieder beim erwähnten Problem: Das Album ist um ein Vielfaches zu lang.
(6/10 | André Gabriel)
Für viele ist es das Release des Jahres, mich persönlich lässt „The Book Of Souls“ jedoch lediglich mit einem Achselzucken zurück. Standard-Riffs, wenig spannendes Gitarren-Gefiddel und Songs, die durchgängig in der Komfortzone verbleiben. Es fällt mir ausgesprochen schwer, mich auch nach mehreren Durchläufen an irgendetwas Bemerkenswertes zu erinnern – das stimmungsvolle Intro von „If Eternity Should Fail“ mal ausgeklammert. Ansonsten gibt es kein einziges Riff, geschweige denn einen kompletten Song auf der Scheibe, der sich irgendwie von dem abhebt, was IRON MAIDEN selbst und die Hundertschaften an Bands, die ihnen seit jeher nacheifern, in der Vergangenheit verzapft haben. Klar, Bruce ist gut bei Stimme – geht mir aber in Songs wie „The Red And The Black“ mit seinem ständig gleichen Timbre auch ein wenig auf die Nerven.
Natürlich besitzt die Scheibe Flair, keine Frage. Das ist auch der Grund dafür, warum unzählige Metalheads weltweit „The Book Of Souls“ so viel abgewinnen können. Andererseits bin ich der Überzeugung: Ohne Dickinson und ohne den Namen IRON MAIDEN auf dem Cover würde die Platte von denselben Leuten mit hoher Wahrscheinlichkeit als belanglos abgetan. So aber ist es eben der legendäre Fronter, der auf dem austauschbaren Instrumentalfundament in einer Art und Weise agiert, die etwas bei den Hörern hervorruft: „nostalgische Sanftmut“. Folglich ist es den meisten völlig wurscht, ob es die Riffs schon mal gab oder die Soli früher mal besser waren. Sie lieben MAIDEN, weil es MAIDEN ist. Sollen sie doch.
(5/10 | Anton Kostudis)
Machen wir uns eingangs noch einmal die Sachlage bewusst: IRON MAIDENs Hochphase liegt mittlerweile rund drei Dekaden zurück – und selbst ihr zweiter Frühling („Brave New World“) ist mittlerweile schon halb so lange her. Was also erwartet man von „The Book Of Souls“? Ein Werk, das sich mit den alten Großtaten messen kann? Sicherlich nicht. Doch wohl vielmehr eine Scheibe, mit der die neben BLACK SABBATH und JUDAS PRIEST wohl wichtigste Metal-Band aller Zeiten würdig abtreten kann.
Etwas überambitioniert erscheint zunächst die Tatsache, dass die Eisernen Jungfrauen im Spätherbst ihrer Karriere ein 92-minütiges Doppelalbum auffahren, nach dem Motto: „Hey, seht mal, wie viele Ideen wir noch haben!“ Auch wenn man den Briten attestieren kann, dass sie insgesamt wieder frischer als auf dem enttäuschenden Vorgänger „The Final Frontier“ klingen, muss man konstatieren, dass eineinhalb Stunden definitiv zu viel des Guten sind. Zumal sich insbesondere Harris und Murray zu häufig in Eigenzitaten verlieren – man höre sich nur das von Harris komponierte, viel zu lang geratene „The Red And The Black“ sowie Murrays „The Man Of Sorrows“ an. Sicher, eine altgediente Formation wie IRON MAIDEN besitzt nun einmal ihren ganz eigenen Stil, aber es hat mitunter schon etwas von Tombola: Wir greifen so lange wahllos rein in unsere umfangreiche Diskographie mit all ihren bereits verwursteten Ideen, bis wir sieben bis zehn Minuten Material zusammengestückelt haben. Das Resultat sind ein paar zwar nicht wirklich schlechte, aber unfokussiert und aufgrund von Überlange plus fehlender Dynamik leicht schal wirkende Lieder. Mit der Dynamik ist es eben schwer, wenn sich geschwindigkeitsmäßig fast alles in der Mitte abspielt. Da nutzt es auch wenig, dass sich Bruce Dickinson bis auf einige vereinzelt angestrengt klingende Höhen recht gut in Form zeigt.
Auf der Habenseite können IRON MAIDEN immerhin den kraftvollen, mit leicht schauerlich anmutendem atmophärischem Zierwerk ausgestatteten Albumeröffner „If Eternity Should Fail“ verbuchen, den tatsächlich die Klasse des Mittachtziger-MAIDEN-Materials zart umweht. Auch beim packenden „Shadows Of The Valley“ mit seinen „Somewhere In Time“-Reminiszenzen nimmt man den alten Herren ab, dass sie noch Bock auf ihre Musik haben. Der abschließende 18-Minüter „Empire Of The Clouds“, bei dem die Sechs offenbar etwas zu krampfhaft versucht haben, das Opus Magnum ihrer Spätphase zu erschaffen, steht dann aber wieder stellvertretend für das gesamte „The Book Of Souls“ und führt dessen größte Schwäche deutlich vor Augen: Der Doppel-Langdreher ist zu aufgeblasen – eine deutliche Straffung auf allerhöchstens zwei Drittel der Spielzeit, das Wegschneiden einer halben Stunde all des Na-ja-geht-so-Krams, wäre hier mehr gewesen.
Glücklicherweise gelingt es IRON MAIDEN, die nun zur Genüge angesprochenen Längen mit wiedergefundener Leidenschaft zumindest teilweise zu kompensieren. Zudem können sie mit zwei, drei rundum gelungenen Kompositionen sogar vereinzelt den Geist früherer, glorreicherer Tage wachrufen. Das macht ihr 16. Album „The Book Of Souls“ zu einem achtbaren Alterswerk, mit dem sie runde 40 Jahre nach ihrer Gründung versöhnlich in Rente gehen könnten. Dennoch: Würde nicht der nach wie vor wie ein Nostalgie-Schutzpanzer fungierende IRON MAIDEN-Schriftzug auf der Platte prangen, würde sie garantiert kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken.
(6/10 | Christoph Meul)