Inside The Wire
Interview mit Kristian Kohlmannslehner

Special

Metal.de geht hinter die Kulissen – die Interviewreihe „Inside The Wire“ widmet sich einigen Tätigkeitsbereichen im Musik- bzw. Metalbusiness, von denen der Fan normalerweise nicht allzu viel mitbekommt. Also versuchen wir mit einigen interessanten Interviewpartnern Licht in dieses Dunkel zu bringen!


Nachdem wir in unserer Interviewreihe „Inside The Wire“ bereits einige Berufe rund um das Musik-Business vorgestellt haben, ist es nun an der Zeit ein Tätigkeitsfeld zu beleuchten, welches jeden Musikliebhaber – zumindest indirekt – tangiert. Kristian Kohlmannslehner, Produzent und Toningenieur in Personalunion, öffnete für uns die Pforten des bei Darmstadt beheimateten Kohlekeller Studios, um einen Einblick in seinen Alltag zu geben.

Hallo Kristian, wie kam es dazu, dass du heute ein Studio dein eigen nennst? Wie hat alles angefangen und wie lange arbeitest du schon als Produzent? Stell dich doch bitte kurz unseren Lesern vor.

Naja, eigentlich wie bei fast jedem anderen in dem Genre. Ich wollte mich selbst aufnehmen. Damals spielte ich bei Another Perfect Day, das war mehrstimmige Gitarrenmucke a la Opeth und da war so ein 4-Spur Recorder genau das Richtige, um die Gitarrenarrangements vorzuproduzieren. Tja, und so nach und nach kam immer mehr Equipment dazu und irgendwann fragte mich die erste befreundete Band, ob sie nicht bei mir aufnehmen könne. Wenn man dann merkt, daß damit Geld reinkommt und sich neue Gerätschaften finanzieren lassen, geht das von ganz alleine. Das war so 1998 herum. Seit dem expandiere ich fröhlich weiter. Ach ja, zwischendrin habe ich noch ein Jahr in einem Studio für Schlager, Techno und Radiowerbung gearbeitet. Da hab ich viel gelernt.
Wer bin ich? Manche kennen mich vielleicht als CENTURY Gitarristen. Mittlerweile spiele ich in einem neuen Projekt namens KOKOON.

Welches sind die namhaftesten Bands, die du bislang produziert hast?

Das sind wohl Crematory und Agathodaimon. Aber da kommen noch viele interessante Produktionen auf euch zu. Aktuell kommt demnächst das neue Album von Benighted aus Frankreich und Demos von Seduction, Hands of Fate und The Legacy.

Wie sieht dein alltäglicher Tagesablauf aus?

10 Uhr mit Kaffee ins Studio. Je nach anstehender Arbeit Aufnahme, Mixdown usw. Das Ganze setzt sich meistens bis 18, 19 Uhr fort. In diesem Job gibt’s halt keinen geregelten Feierabend. Ich rechne auch bewußt nicht nach Stunden, sondern nach Tagen ab, um en lockeres Arbeiten zu gewährleisten.

Ist es korrekt, dich als hauptberuflichen Produzenten zu titulieren?

Ja, man muß allerdings unterscheiden zwischen der Produzententätigkeit und der technischen Arbeit. Man glaubt ja im Allgemeinen, der Produzent sei der, der die Knöppe dreht, das ist allerdings strenggenommen nur der Toningenieur. Ein Produzent ist mitverantwortlich für das Arrangement, greift ein ins musikalische Geschehen, liefert Ideen einen Song zu verbessern, ist also kreativ beteiligt. Oft, wie bei mir, ist man Produzent und Toningenieur in Personalunion. Manche Bands wollen, daß ich einfach ordentlich aufnehme, manche aber auch, daß ich kreativ mitwirke, was natürlich mehr Spaß macht. Gerade bei Agathodaimon, um ein prominentes Beispiel zu nennen, habe ich viel zum Arrangement zur Struktur, sprich zum Gelingen der Songs auf „Chapter III“ beigetragen.

Wann war für dich der Punkt erreicht, als das Produzieren nicht mehr reines Hobby war, sondern in Arbeit (im klassischen Sinn gesehen) ausuferte? Gehe ich recht in der Annahme, dass es eher eine schleichende Entwicklung war?

Richtig. Irgendwann stellt man fest, daß der Tagesablauf und die Jahresplanung immer mehr von Aufnahmeterminen abhängen. Aber was kann es schöneres geben als hauptberuflich Musik aufzunehmen und an der Entstehung von Kunst mitzuwirken?

Spontan würde mir da nur die Tätigkeit eines Musikjournalisten einfallen, denn was gibt es schöneres, als in Anspruch zu nehmen, den Wert dieser Kunst zu schätzen? 😉 Aber zurück zu deinem Tätigkeitsbereich – Welche Instrumente sollte man beherrschen, um ernsthaft mit dem Gedanken spielen zu können, als Produzent oder eben Toningenieur zu arbeiten.

Das läßt sich nicht generalisieren. Musikalisches Verständnis ist meiner Meinung nach aber das A und O der Produzententätigkeit. Wichtiger als zu wissen, welchen Knopf ich drehe, um die BassDrum wuchtiger zu machen, ist zu wissen, wo die Bassdrum getreten werden muß, damit es groovt. Nimmt man – wie ich – größtenteils Rockmusik und Metal auf, ist wohl ein tiefgehendes Verständnis von Gitarre, Bass und Schlagzeug primär wichtig. Wenn man versteht, wie ein Instrument wirken kann und muß und wenn man versteht, wie sich der Musiker die Wirkung seines Instrumentes im Song vorstellt, ist schon viel erreicht. Das ist aber eine Lernentwicklung, die nie aufhört.

Inwiefern kannst du durch dein erlerntes Verständnis Einfluss auf die Musik der jeweiligen Band nehmen, die du gerade produzierst und in welchem Maß machst du von dieser Option auch Gebrauch?

Ich gehöre schon zu denen, die gerne Einfluß nehmen. Das letzte Wort hat dabei aber immer die Band. Man merkt relativ schnell in wie fern die Musiker meine Einflußnahme schätzen. Eigentlich gibt es nix langweiligeres als nur Start, Record und Stop zu drücken. Ich versuche, mich immer voll auf die aktuelle Produktion zu konzentrieren und kann erst ruhig schlafen, wenn die Songs optimal funktionieren. Nicht selten resultieren daraus freiwillige, unbezahlte Überstunden für meine eigene Zufriedenheit.

Wie lange arbeitest du grob geschätzt durchschnittlich an einer Produktion eines Full-Length-Albums, wenngleich sich das sicherlich nicht pauschal ausdrücken lässt?

Das ist unterschiedlich und hängt maßgeblich vom Budget der Band oder Plattenfirma ab. So 2-3 Wochen sind für ein professionelles Album schon minimal erforderlich.

Gab es von dir produzierte Alben, deren Veröffentlichung du besonders entgegengefierbert hast? Das Gefühl, eine eigene Produktion nach mehreren Monaten Arbeit endlich als fertige CD in Händen zu halten, kenne ich selbst aus Sicht eines Musikers. Fühlst du diese Art Stolz auch als Produzent nach Veröffentlichung einer Aufnahme, die in deinem Studio entstanden ist?

Klar, sonst wäre der Job ja wenig fruchtbar. Wichtiger ist mir allerdings, dass ich selbst die Produktion hören kann ohne mich zu ärgern. Wenn ich selbst zufrieden bin, ist es sekundär, wann und wo die Platte veröffentlicht wird oder wie die Presse reagiert.

Fällt es dir schwer, da du selbst auch als Musiker tätig bist, gute Ideen für andere Bands zu verwenden, die möglicherweise noch viel besser in deinen eigenen Songs zum Tragen kämen oder gehört das zum professionellen Arbeiten einfach dazu?

In dem Moment, in dem man versucht ein Stück zu optimieren, denkt man nicht strategisch. Es muß jetzt und hier geil und fett sein, egal was noch kommt!

Könntest du dir vorstellen im großen Stil als Songwriter für andere Bands tätig zu sein, inklusive Casting einer zusammengewürfelten Band einzelner Individuen, wie man es von den zahlreichen Boy- und Girlgroups, vor allem aus Übersee, her kennt?

Solange das ganze Spaß macht und ich mit der Musik etwas anfangen kann sicher.
Ich habe solche Dinge auch schon öfter gemacht.

Hast du einer Band, die bei dir aufnehmen wollte, schon jemals ins Gesicht gesagt, dass sie dafür noch nicht reif genug sind und somit eine Zusammenarbeit abgelehnt?

Nein, so nicht. Aber ich muß bei vollem Terminkalender natürlich schon auswählen. Allerdings habe ich keine Scheu einem Musiker zu sagen, dass er diesen oder jenen Part nicht überzeugend spielen kann. Dann muß man zusammen eine Alternative ausarbeiten.

Welchen Betrag muss eine 4-köpfige Band, die noch niemals in einem Tonstudio professionell etwas aufgenommen hat, für die Aufnahme eines 20minütigen 4-Track Demos im Kohlekeller grob geschätzt in etwa einplanen – vorausgesetzt es läuft mehr oder weniger alles nach Plan?

So ab 1200.- € + MwSt damit es knallt.

Stell dir vor, du würdest ein Angebot bekommen, bei der zweiten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ in der Jury mitzuwirken. Zugegeben eine utopische Vorstellung – nichtsdestotrotz, wie würdest du darauf reagieren? Eher mit Grausen oder Entzücken?

Ich habe nichts gegen Kommerz, eine völlig industrialisierte Show, bei der die Musik hinter Soapcharakteren in völliger Austauschbarkeit verschwindet, ist jedoch nicht meine Welt.

Welche Musik konsumierst du fernab des Regieraums am liebsten?

Kaum Metal. Ich mag Tori Amos, Vast, Porcupine Tree, Seal. In letzter Zeit fand ich The Used, Disturbed und Dark Tranquility ziemlich cool. Ich höre aber nur sehr selten privat Musik.

Gibt es für dich die perfekte Produktion?

Ja, aber das ändert sich ja permanent.

Hast du Vorbilder innerhalb dieser Branche?

Im Metalbereich finde ich Fredrik Nordström (Fredman Studio) und Andy Sneap (Backstage Studios) klasse. Oh und natürlich Andy Wallace.

Kannst du von diesem Job bereits jetzt (gut) leben?

Wie du siehst bekomme ich noch Luft. So lange man nicht wirklich riesige Aufträge hat, wird man nicht reich, aber ich bin sehr zufrieden mit der Situation. Ich lebe gut und das mit viel Krach!

Wo siehst du dich in 10 Jahren? Kannst du dir vorstellen, auch mal in einer anderen Position im Musikbusiness tätig zu sein, sagen wir beispielsweise als Journalist, A&R oder Konzertveranstalter?

In 10 Jahren bin ich hoffentlich immer noch grinsend vor meinem Mischpult! Dann überlasse ich die anderen Jobs gerne anderen Leuten, he, he.
Konkret hoffe ich, dieses Jahr meinen zweiten Regieraum und einen zusätzlichen Gesangsraum fertigzustellen. Es ist geplant, einen zweiten Kohlekeller im selben Haus zu errichten, wo gerade unerfahrene Bands günstiger produzieren können. Dafür suche ich übrigens noch einen Mitarbeiter. Wer sich für fähig hält, kann sich gerne melden!

Vielen Dank für deine aufschlussreichen Antworten und weiterhin alles Gute für dich. Wir werden sicherlich in Zukunft noch einiges von dir hören – im wahrsten Sinne des Wortes…

Ja, vielen Dank meinerseits! Ich hoffe, das war einigermaßen interessant. Wer mit mir in Kontakt treten will, soll das gerne tun. Es gibt noch so viele interessante Bands da draußen!

Wer sich durch diese Worte angesprochen fühlt, sollte nicht zögern, mit Kristian Kontakt aufzunehmen oder erst einmal mal unter www.KohlekellerStudio.de reinzuschauen.

07.05.2003
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