"Inklusion Muss Laut Sein"
Über Teilhabe, BUDDIES und echte Freundschaften
Special
Kultur lebt vom Erleben. Besonders in der Musik geht es um mehr als nur das Hören. Sei es das Stöbern in einem liebevoll gestalteten Booklet, während die Lieblingsband über die Stereoanlage scheppert, oder die einzigartige Atmosphäre bei einem Konzertbesuch. Gerade live, in kleinen Clubs oder auf großen Festivals, geht es für viele Besucher:innen um den Gesamteindruck – einen Eindruck, der alle Sinne anspricht.
Aber was, wenn dieser bereichernde Eindruck nicht (mehr) ohne Unterstützung erlebt werden kann? Für die einen sind es nur Sekundenbruchteile, wie nach einem Unfall, die ihr Leben und das ihrer Angehörigen völlig auf den Kopf stellen. Andere sind bereits von Geburt an durch eine Behinderung eingeschränkt. Es ist eine rhetorische Frage, ob eine Behinderung oder andere Einschränkungen wirklich Gründe sein dürfen, nicht mehr teilzuhaben.
Ende November hatte metal.de die Gelegenheit, mit Ron Paustian über Teilhabe, aber auch viele andere Themen zu sprechen. Aus einem Musikmagazin, das sich mit Rock, Punk, Metal und Behinderung beschäftigt, gründete er 2009 die soziale Organisation „Inklusion Muss Laut Sein“ (IMLS). Ziel der Organisation ist es, mit kreativen Ideen und Ansätzen Barrieren abzubauen und Inklusion zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Ihr Engagement beruht auf der Überzeugung, dass Veränderung durch Taten, nicht durch Worte, erreicht wird.
„Inklusion Muss Laut Sein“ ist eine Organisation, die sich für die Inklusion und Gleichberechtigung von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen einsetzt. Das bedeutet, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner Behinderung oder chronischen Erkrankung, die gleichen Chancen und Möglichkeiten erhalten sollte, aber auch die selben Pflichten trägt.
Seit 2015 bringt IMLS Menschen mit Behinderungen mit ehrenamtlichen „BUDDIES“ zusammen und ermöglicht ihnen, gemeinsam Festivals, Museen, Fußballspiele und andere Veranstaltungen zu erleben. Unter dem Motto „Von Fans für Fans“ steht hierbei der Mensch und der freundschaftliche Umgang im Vordergrund. Dies unterscheidet IMLS von einem Pflegedienst oder Serviceangeboten wie Sanitätshäusern, die Menschen mit Behinderungen auf Veranstaltungen unterstützen können.

Wo aus Fremden Freunde werden
Bei „Inklusion Muss Laut Sein“ entscheiden Menschen mit Behinderungen selbst, welche Unterstützung sie benötigen, ohne auf falsch verstandene Hilfe oder unnötiges Mitleid zu stoßen. Ihre „BUDDIES“ sind ehrenamtliche Begleiter:innen, die nach individuellen Interessen ausgewählt werden. Ob es der gleiche Musikgeschmack, die gleiche Fan-Leidenschaft oder ein anderes gemeinsames Hobby ist – die Auswahl ist vielfältig.
Das BUDDIE-Netzwerk erstreckt sich nach gut 10 Jahren über ganz Europa. Es ist so groß geworden, dass auch ungewöhnliche Begleitungen – wie der Besuch einer SM-Messe – ermöglicht werden. 2024 gab es etwa 700 Begleitungen durch BUDDIES. Ein Beweis für die Qualität des Netzwerks ist, dass nur für zwei Anfragen keine Begleitung gefunden werden konnte.
Betroffenen und BUDDIES bilden ein Team, wenn sie gemeinsam unterwegs sind und feiern. Ron erzählt im Gespräch, dass oft langjährige Freundschaften entstehen. Das macht für ihn „Inklusion Muss Laut Sein“ und die BUDDIE-Begleitung zu einem ganz besonderen Projekt.
Ein BUDDIE-Team gibt sich gegenseitig Sicherheit. Dennoch ist Ron Paustian bei jeder Begleitung jederzeit erreichbar. Für ihn ist eine Begleitung erst dann zu Ende, “wenn alle wieder sicher zu Hause sind.“ Im Gespräch mit metal.de erzählt er davon, wie er in den frühen Morgenstunden Selfies von glücklichen Teams bekommt. Aber auch, wenn die Bahn “mal” nicht kommt, organisiert Ron, oftmals aus der Ferne, einen sicheren Heimweg.
Gut zu wissen: “Die BUDDIES sind durch die eigene Krankenkasse und Haftpflicht geschützt. Diesen Schutz hat IMLS wir erweitert. Sollte bei einer Begleitung etwas passieren, so steht die Organisation hinter Ihren Ehrenamtler:innen euch. Die BUDDIES sind auch auf dem Weg zu einer Begleitung und nach Hause versichert.”
Ich glaub’, ich brauch’ n BUDDIE!
Der BUDDIE-Begleitservice richtet sich an Menschen mit Schwerbehinderung, die über einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B“ verfügen. „Inklusion Muss Laut Sein“ verfolgt das Ziel, für Betroffene einen BUDDIE zu finden, mit dem sie beispielsweise über die Musik sprechen können, den sie für seine Begeisterung für das Theater schätzen oder mit dem sie gemeinsam Kunstwerke im Museum entdecken.
Um mit dem Service bestmöglich den Bedürfnissen und Anforderungen der einzelnen Personen gerecht zu werden, gibt es jedoch bestimmte Einschränkungen. So können nur in Ausnahmefällen Menschen aus betreuten Einrichtungen begleitet werden Grundsätzlich gilt: „Unser Ziel ist es, die Dienstleistungen zu ergänzen, nicht zu ersetzen“, erklärt Ron im Gespräch.
Menschen, die den BUDDIE-Begleitservice in Anspruch nehmen möchte, können sich sicher sein, dass die Auswahl der Begleitperson in ihren eigenen Händen liegt. IMLS stellt verschiedene anonymisierte Vorschläge zur Verfügung, aus denen die passende Begleiter:in auswählt wird. Es ist wichtig, dass sich die Menschen mit ihrer Begleitung wohlfühlen und auf einer persönlichen Ebene eine Verbindung aufbauen können.
Um sicherzustellen, dass die Begleitungen den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen, ist es sinnvoll, sich rechtzeitig bei IMLS zu melden. So kann das Team genügend Zeit einplanen, um die bestmögliche Begleitung zu finden.
BUDDIE werden und IMLS unterstützen
Jeder Mensch, der Interesse hat, BUDDIE zu werden, kann Teil von „Inklusion Muss Laut Sein“ werden. Interessierte nutzen hierfür das Kontaktformular auf der IMLS-Homepage. Ron nimmt zukünftige BUDDIES in einem ersten Gespräch persönlich in Empfang, denn gerade neue Ehrenamtliche haben oft viele Fragen zu ihrer Rolle als BUDDIE oder zu den Grenzen ihres Engagements. Vor allem aber werden persönliche Interessen ausgelotet, um später ein möglichst gutes „Match“ für eine Begleitung zu finden.
BUDDIES schenken für „Inklusion Muss Laut Sein“ ihr wichtigstes Gut: ihre Zeit. Für Ron und sein Team ist es deswegen selbstverständlich, dass den BUDDIES bei Begleitungen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Aber, da sich Inklusion Muss Laut Sein aus Eigenleistungen und Spenden finanziert, bedeutet das, dass nicht immer gleich viele Begleitungen möglich sind.
Ihr möchtet „Inklusion Muss Laut Sein“ unterstützen, aber BUDDIE zu werden ist nicht das Richtige für euch? Dann fördert die ehrenamtliche Arbeit der BUDDIES gerne mit einer Spende.
Awareness, Barrierefreiheit von Clubs und Festivals, Schulungen und vieles mehr
Das BUDDIE-Versum ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Bestandteil von „Inklusion Muss Laut Sein“. Zusätzlich bietet die Organisation eine Reihe weiterer Dienstleistungen an. Auch um die entstehenden Kosten für die Begleitungen oder andere Projekte zu refinanzieren.
Zu den Angeboten gehören Beratungen für Veranstalter:innen oder Betreiber:innen sowie der Einsatz von Awareness-Teams bei Veranstaltungen selbst. Im Zentrum der Angebote stehen laut Ron immer die Individualität der jeweiligen Veranstaltung oder Location – vor allem aber die Bedürfnisse der Menschen.
Im Gespräch wird schnell klar: Awareness, Integration und Co. funktionieren nicht nach Schema F. Genauso unterschiedlich wie Menschen und Locations sind, müssen auch die Lösungen und Angebote sein. Je besser diese aufeinander abgestimmt sind, desto erfolgreicher wird die Umsetzung auf den Veranstaltungen.
Zusätzlich hat „Inklusion Muss Laut Sein“ im Laufe der letzten Jahre mit und für die Community eine beeindruckende Datenbank aufgebaut, die Informationen zur Barrierefreiheit von Locations in Deutschland sowie Österreich, Tschechien, Luxemburg, der Schweiz, Belgien und Irland sammelt. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, diese Datenbank aktuell zu halten und weiterzuentwickeln, indem Informationen über die Barrierefreiheit der jeweiligen Location oder des Events an IMLS weitergeleitet werden.
Fazit
Seit über zehn Jahren leistet das Team von „Inklusion Muss Laut Sein“ großartige Arbeit – Arbeit, die nicht nur die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an kulturellen Angeboten ermöglicht, sondern vor allem Menschen zusammenbringt und Freundschaften bildet. Das BUDDIE-Versum zeigt, wie echte Inklusion und Teilhabe durch gemeinsame Interessen funktionieren. IMLS schafft einen sicheren Raum, in dem BUDDIE-Teams unvergessliche Erlebnisse teilen und genießen können.
Registriere dich jetzt als BUDDIE im Netzwerk von „Inklusion Muss Laut Sein“. Auch eine Spende hilft Ron Paustian und seinem Team, weiterhin Begleitungen zu ermöglichen.