In Flames
"Sounds Of A Playground Fading" - Das meint die Redaktion
Special
IN FLAMES veröffentlichen mit „Sounds Of A Playground Fading“ mittlerweile ihr zehntes Album. Unser Redakteur Jens hat viele Highlights entdeckt, musste sich aber eingestehen, dass der neue Longplayer der Schweden kein unumstrittenes Meisterwerk geworden ist. Ob die Redaktion anderer Meinung ist, und wer was über dieses Werk denkt, erfahrt ihr hier:
I say goodbye to all at once – Don’t dare to face you all alone – I went from wreckage to world class – With a box of t-shirts and some records to sell – But times have changed, I have to defend my actions – The foundation crumbles and I have to leave – Thanks for everything, I couldn’t ask for more – I say: I love you all – As I vanish through the jester’s door
Treffender als mit diesen Worten kann man den Kern des zehnten IN FLAMES-Albums kaum fassen. Anders Fridén selbst wählt sie im kurzen Zwischenspiel „Jester’s Door“ und offeriert gleich mehrere Sichtweisen: als Abschiedsgrüße von Jesper Strömblad, der der Band alkoholsuchtbedingt 2010 endgültig den Rücken kehrte und sie bar jeglicher Gründungsmitglieder zurückließ. Als Lebewohl an diejenigen Anhänger, die unverbesserlich an die Rückkehr zu alter Stärke glaubten. Und als indirekte Willkommensworte an neue, jüngere Fans, die sich IN FLAMES in Zukunft definitiv erspielen werden. Welcher Lesart man auch den Vorzug geben mag: alle drei stecken in jeder Note von „Sounds Of A Playground Fading“, das die Abnabelung von der Basis nicht nur textlich so deutlich wie kein anderes Album zuvor artikuliert. Und während Strömblad sich mittlerweile wieder berappelt hat und mit Glenn Ljungström, ebenfalls ehemaliger In FLAMES-Gründer, THE RESISTANCE als Melo-Death-Hoffnungsschimmer aus der Taufe hebt, lastet die kreative Bürde merklich auf der einstigen Institution des Göteborg-Sounds. Der ehemalige Hauptsongwriter fehlt an allen Ecken und Enden. Björn Gelotte, der für das gesamte Songwriting auf „Sounds Of A Playground Fading“ verantwortlich zeichnet, erreicht nicht annähernd die kompositorische Klasse seines ehemaligen Komplizen, selbst im Bewusstsein des reduzierten Härteanspruchs und der heutigen Mainstream-Orientierung der Band. Das Tragische: weiter als bis zu den völlig austauschbaren Stampfbeat-Refrains der ersten zwei Songs braucht man für diese Erkenntnis nicht zu gehen. IN FLAMES ergehen sich über weite Strecken in generischen Riffs ohne Ecken und Kanten, die weder aggressive Wucht (Ausnahme: „Darker Times“) noch hungrigen Biss offenbaren, sondern vornehmlich auf Gefälligkeit geschrieben sind. Selbst in puncto Tempo lassen sie sich so lange Zeit wie nie zuvor: „The Puzzle“ an vierter Stelle ist einer von insgesamt nur zwei schnellen Tracks, während sich der Rest in einlullendem Soft-Groove ergeht. Trotz Geschwindigkeitsüberschusses beugen auch sie sich letztendlich dem Diktat schmeichelnden Pop-Metals. Diesbezüglich setzt das Abschlussduo „A New Dawn“ und „Liberation“ neue Maßstäbe im IN FLAMES-Kosmos: ein hymnenhaft angelegtes, süßliches Präludium mit Streichern und pathetischem Pipapo, das zu einer unerträglich biedersüßen, klebrigen Stadionrock-Ballade im Alternative-Gewand mutiert. Und wer wissen will, wieso Anders Fridén nie wieder von PASSENGER hat hören lassen, denke ausgehend von seiner Gesangsleistung auf dem Vorgänger „A Sense Of Purpose“ einen Schritt weiter.
Nun dürfte das alles wenig überraschend sein. Schon vor drei Jahren schielten IN FLAMES zwar noch mit mehr Härte aber auch mehr als nur einem Auge in Richtung eines neuen Selbstverständnisses. Und schließlich ist Weiterentwicklung jedem Kunstschaffenden vorbehalten und entbehrt jeglicher Grundlage für Vorwürfe. Doch die metallische Flamme lodert schwach ihrer Tilgung entgegen. Selbst in jenen, die mit „Come Clarity“ noch etwas anfangen konnten, dürfte das Feuer kaum neu zu entfachen sein. In diesem Sinne: Adieu, IN FLAMES. Vive la RESISTANCE!
Peter (5/10)
Typisches Beispiel für viel Lärm um Nichts: Als Herausforderung für ihre Fans, als mutigen Schritt in eine neue Richtung haben IN FLAMES ihren neuen Longplayer angekündigt – herausgekommen ist ein Album, das im Wesentlichen exakt den Weg des Vorgängers weitergeht. Die Neuerungen beschränken sich auf ein überflüssiges, elektronisch angehauchtes Zwischenstück mit melodischem, ruhigem, aber emotionslosem Gesang, das zu nichts weiter taugt, als den Albumflüss zu stören („The Attic“) und noch eins mit Flüsterstimme, das dem dem gleichen Zweck zu dienen scheint („Jester’s Door“). Ansonsten herrscht die gleiche Formel vor wie zuletzt, eine Masse an ähnlich komponierten Songs, mal ist der Gesang etwas aggressiver, mal etwas melodischer, immer getragen von eingängigen Refrains, die mal gelungen sind, mal eher austauschbar daherkommen. Highlights: der Titelsong, „Deliver Us“, „Where The Dead Ships Dwell“, oder auch der überaus poppige Rausschmeißer „Liberation“, bei dem Anders Fridén aber ein wenig mit seiner seltsamen Betonung von Endsilben nervt.
Man braucht es kaum zu erwähnen: Melodische Gitarrenleads oder irgend etwas, was nach Melodic Death klingt, gibt es eh schon seit einer Dekade nicht mehr, seit Jespers Ausstieg erst recht nicht. Für Freunde der letzten Scheiben der Schweden, und denjenigen, die mit mangelnder Emotion und fehlendem Anspruch kein Problem haben, dürfte dieses nette Album in Ordnung gehen.
Heiko (6/10)
Das ist es also, das zehnte Studioalbum der schwedischen Melo-Death-Pioniere, und für mich ist es das bisher enttäuschendste der Bandgeschichte zugleich. Dazu muss ich sagen, dass ich – obwohl die beiden älteren Alben „The Jester Race“ (1996) und „Whoracle“ (1997) meine Lieblingsalben der Band sind und, wie es aussieht, auch erstmal bleiben werden – auch die so oft kritisierte neuere Ausrichtung der Band, weg vom klassischen Melodic Death Metal hin zum oft nur sporadisch an Death Metal erinnernden Modern Metal, etwas abgewinnen kann. Jener Stil, der sich auf „Colony“ und „Clayman“ bereits leicht andeutete und dann auf „Reroute To Remain“ komplett das Ruder übernahm, hatte immerhin, wenn schon oft keine wirklich tödliche Härte mehr, immer auch Ohrwürmer und richtig gute Songs dabei: „Reroute To Remain“ hatte mit dem Titelsong, „Trigger“, „Cloud Connected“ und noch ein paar anderen gleich einige Songs, die ich bis heute gerne höre, auch „Soundtrack To Your Escape“ und „Come Clarity“ hatten ihre starken Seiten und selbst das schwächere „A Sense Of Purpose“ hatte meiner Meinung nach seine Momente.
Und nun „Sounds Of A Playground Fading“. Ein Titel, der schon andeutet, dass der kindlich-jugendliche Spielplatz nun verlassen wird – hin zu einem erwachseneren, reiferen Stil. Sage ich jetzt mal so, ohne die Presseinfo zum Album gelesen zu haben (was ich mit Absicht nicht getan habe). Nur leider trifft auch auf „Sounds Of A Playground Fading“ zu, was auch auf so viele andere Alben zutrifft, die „erwachsen“ sind: Es ist langweilig. Die 13 Tracks bewegen sich überwiegend nur im Midtempo, Ausbrüche ins Uptempo gibt es nur noch sehr, sehr selten, dementsprechend fehlt auf jeden Fall schon mal eins: Abwechslung. IN FLAMES haben hier einfach Songs geschrieben, die auf dem Papier gut aussehen, habe ich das Gefühl – aber in der Ausführung mangelt es einfach an dem, was man von IN FLAMES erwartet, wenn sie schon keinen Death Metal mehr spielen: Ohrwürmer, Songs, die auf CD funktionieren, aber vor der Bühne auch einen verdammten Moshpit entfachen – und davon gibt es hier nur sehr wenige. Der eröffnende Titeltrack, ja, der ist ganz nett. Ebenso der Song „The Puzzle“, welcher zumindest sporadisch mit Uptempo daherkommt und einen Refrain hat, der echt schlecht wieder aus dem Ohr geht. Dieser Song hätte übrigens auch ganz gut auf „Come Clarity“ gepasst – und er ähnelt dessen starkem Opener „Take This Life“ sogar ein gutes Stück.
Aber der Rest des Albums ist für mich hauptsächlich eins: müßig. Klar, „Deliver Us“, die erste Single-Auskopplung, kann schon irgendwo was, ist im Kontext der restlichen Diskographie der Band aber weitestgehend unspektakulär. Genauso wie der Rest des Albums, obwohl hier und da, wie gesagt, immer mal wieder eine gute Idee auftaucht. Der Refrain von „Fear Is The Weakness“, das düstere Zwischenstück „Jester’s Door“, das alles hat was, wirkt aber im Gegensatz zu dem, was die Band sonst noch so veröffentlicht hat, dünn und blass.
Ich sehe, dass ich anfange, mich zu wiederholen, deshalb das Fazit: „Sounds Of A Playground Fading“ ist für mich das bisher schwächste Album der Bandgeschichte. Songs wie der Titelsong oder „The Puzzle“ erinnern zwar an vergangene Glanztaten, sind aber auf dem Album nur rar gesät. Dementsprechend nehme ich die zwei angesprochenen Songs gerne in meine Alltime-IN-FLAMES-Playlist auf, der Rest des Albums mag zwar reif und erwachsen wirken, aber letzlich krankt es auch genau daran und fliegt deshalb wegen Langeweile aus meinem Player.
Dann doch lieber noch ein hundertstes mal „The Jester Race“ – oder auch „Reroute To Remain“.
Stephan Möller (3/10)
Wenn die ersten Töne eines etwas an die Göteborgphase der Band und gleichzeitig auch an METALLICA erinnernden Intros erklingen, befindet man sich sofort im Lieblingsriff der Schweden IN FLAMES. Immer wieder haben sie diese traurige Melodie variiert. Der sich anschließende Opener und Titeltrack „Sounds Of A Playground Fading“ bietet uns auch gleich das, was uns im Kommenden in Dauerschleife begegnet: Den etwas hektisch anmutenden Strophenaufbau mit Fridéns giftigen, allerdings überhaupt nicht mehr am Death Metal orientierten Gesang sowie einen weit ausholenden, sehr melancholischen Chorus, welcher zumindest mir sehr bekannt vorkommt.
Die Single „Deliver Us“ wiederholt noch charttauglich-zuckriger Altbekanntes. Schlecht tönen IN FLAMES dabei keineswegs. Allerdings gehen auch die kommenden Songs trotz einiger starker Passagen auf Nummer sicher; das früher satt-markante Riffing ist trocken-hektischem Geschiebe gewichen, die Refrains werden „emotional“ (ich vermeide hier mal das Wort „Emo“) vorgetragen und Soli sind immer sehr kurz, denn viel kann in vier Minuten Songlänge nicht untergebracht werden.
Und das ist sehr schade. Denn IN FLAMES könnten viel experimenteller vorgehen. Das ruhige Atmosphäre hauchende „The Attic“ zeigt das. Hier weichen die Schweden vom hölzernen Schema ab, das die letzten vier Veröffentlichungen alle so gleich klingen ließ. Andererseits könnten sie es auch härter, weit interessanter, denn „A New Dawn“, „Darker Times“ oder „The Puzzle“ sowie einige andere Tracks deuten schon an, dass (mit anderen Produzenten) auch bissigere Ergebnisse herauskommen könnten, mit vielleicht etwas variabler und härter vorgetragenen Chorussen und mal einem kantigen Riff als Klammer.
Richtig giftige Songs wie „Resin“, „Colony“ (Album: „Colony“), „Satellites And Astronauts“ oder „As The Future Repeats Today“ mit dem sich wie eine Zauberblume öffnenden Refrain (Album: „Clayman“), in denen es noch wuchtig zuging, Heaviness sich nicht nur andeutete, Hammonds bisweilen unheilschwangeren Groove bildeten, Leads flüssig dem goldenen Schnitt zustrebten, all das sucht man somit auf dem neuen Album wieder einmal vergebens.
Stattdessen wirkt das Liedgut recht schablonenhaft und berührt nicht wirklich, wozu die eigentümlich sandig-sterile Produktion das Ihrige leistet. Und dass Fridén in „Ropes“ stellenweise singt wie Klaus Meine und die Band mit „Liberation“ einen Eurovisionssong allerkitschigsten Zuschnitts mit grausigstem Refrain (0 Punkte) auf den arglosen Hörer loslässt, trägt auch nicht zur restlosen Begeisterung bei.
„A New Dawn“, „Darker Times“ (mit lässigem Chorus) und drei, vier andere Tracks lassen schon aufhorchen aber ähnlich den Finnen von AMORPHIS jüngst nutzen IN FLAMES ihr Potential überhaupt nicht bzw. wirkt alles Liedgut glatt und platt produziert und das, was wir „Markt“ nennen, überantwortet diese eigentlich gute, talentierte Band restlos dem Mainstream.
Stendahl (6/10)
Wenn man über den sogenannten Göteborg-Death spricht, dann wird man unweigerlich an IN FLAMES geraten. Die Skandinavier konnten mit jedem Wurf mehr Fans rekrutieren und zählen sicherlich nicht erst seit gestern zu den wichtigsten Vertretern dieses Genres. Nun steht mit „Sounds Of A Playground Fading“ der langerwartete neue Streich in den Läden. Doch was erwartet die Fans anno 2011 aus dem Hause IN FLAMES?
Wer von den Jungs rund um Sänger Anders Fridén ein zweites „The Jesters Race“ oder „Colony“ erwartet hat, sollte lieber weiterhin in seinen Träumen leben. Die Schweden setzen mit „Sounds Of A Playground Fading“ genau da an, wo sie mit dem durchwachsenem „A Sense Of Purpose“ aufgehört haben. Wie auch schon beim Vorgänger gibt es eine Menge zuckersüßer, klebriger Melodien, nicht zu viel Härte und eine ziemlich poppige Soundkulisse. All das führt die Band nur weiter vom Death Metal früherer Tage weg. Zwar konnten sich IN FLAMES im Gegensatz zum Vorgänger wieder gewaltig steigern, allerdings fehlt dem Material immer noch der nötige Biss, und auch der sprichwörtliche Funke will nur bedingt überspringen. Auf Dauer stellt sich so eine gewisse Gleichförmigkeit ein, wobei andere Bands immer noch froh wären, würden sie nur einen Song diesen Kalibers zusammenzubringen.
„Sounds Of A Playground Fading“ schwankt teilweise in seiner Qualität hin und her. So findet man zum einen austauschbares Material, wie das langatmige und uninspirierte „The Puzzle“, aber es verstecken sich auch einige Hits unter den 13 Stücken. Dazu zählen beispielsweise die erste Singleauskopplung „Deliver Us“ oder das verhältnismäßig heftige „Darker Times“. Im Gegensatz dazu zeigt das elektronische „Jester’s Door“ die Jungs von einer gänzlich anderen Seite und punktet auf ganzer Linie, bevor mit „A New Dawn“ sogar Streicher ihren Einsatz bekommen. Gerade mit dieser Experimentierfreudigkeit schaffen es die Skandinavier wieder, Gänsehautfeeling zu erschaffen und an alte Glanztaten anzuschließen. Hier weiß man als langjähriger Fan, warum man diese Band nach wie vor ernst nehmen muss.
IN FLAMES konnten sich nach dem Ausstieg von Jesper Strömblad und dem sehr durchwachsenem „A Sense Of Purpose“ wieder fangen und sind abermals auf dem richtigen Kurs. Zwar wurde aus „Sounds Of A Playground Fading“ nicht das erwünschte Überwerk, aber ein über weite Strecken gutes Album. Fans werden eh wieder freudig über diesen Streich diskutieren, und deshalb sollte sich am besten jeder selbst eine Meinung bilden.
Florian Hefft (6/10)
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Stile | Melodic Death Metal, Modern Metal |
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Eigentlich hab ich schon darauf gewartet, das Album richtig kacke zu finden, doch es will mir nicht gelingen. Im Gegenteil, irgendwie klingt das Album konsequenter als gedacht. Das Album klingt in meinen Ohren auch nicht mehr so pseudoamerikanisch wie die Alben davor. Nun sollten sich IF, jetzt wo Strömblad weg ist, endgültig von alten Zöpfen trennen. Und das sage ich als Fan der frühen IF. Mir laufen die neuen Songs, je poppiger sie sind, lustigerweise richtig gut rein. Man sollte sich eventuell davon verabschieden, dass bei IF die Gitarrenriffs im Vordergrund sind. Eher sind sie Beiwerk zu den (zugegebenermaßen gar nicht mal schwachen) Melodien. Komisch. Dabei würde ich so gerne ablästern.