Ein Metalmärchen
Im Reich der Musik
Special
Wir laufen eine Weile schweigend durch den Wald, als plötzlich Wolfsgeheul zu hören ist. Ich zucke zusammen. „Keine Sorge. Um den Powerwolf kümmern wir uns“, versucht er mich zu beruhigen. „Ein Powerwolf?“ frage ich. „Ja, die Düsteraner haben ihn wohl geschickt, um zu verhindern, dass du den dunkelsten Gipfel erreichst, aber ich werde mit den anderen losziehen und
ihn jagen.“ Mittlerweile haben wir Wacken erreicht. Einige Leute kommen direkt auf uns zugelaufen. „Till, Meddlbradder, der Powerwolf kommt immer näher. Wir sollten bald los“, wird er von einem ziemlich bärtigen Typen angesprochen. Till springt auf ein nahegelegenes Fass. Er räuspert sich und brüllt, so laut er kann: „Hört ihr mich? Seht ihr mich? Fühlt ihr mich?“
Die Menge schreit ihm inbrünstig „Wir hören dich! Wir sehen dich! Wir fühlen dich!“ entgegen. „Ich will, dass ihr mir vertraut. Ich will, dass ihr mir glaubt. Ich will eure Blicke spüren. Ich will jeden Herzschlag kontrollieren“, setzt Till seine Rede fort. Die Menge eskaliert. Sie springen aggressiv gegeneinander, schubsen und wälzen sich im Schlamm. „Auf dem Lande auf dem Meer lauert das Verderben. Die Kreatur muss sterben!“ brüllt Till und stürmt in den Wald. Die anderen folgen ihm, während sie „Waidmanns, Manns, Manns, Manns Heil“, singen und beginnen wie von Sinnen ihre langen Haare in alle Richtungen zu schütteln. Irritiert bleibe ich zurück und stehe plötzlich allein auf dem Marktplatz. Mehrere Stunden vergehen – die Nacht bricht an. Mir
fallen schon beinahe die Augen zu, als ich Schritte höre. Ich gucke Richtung Wald und sehe Fackeln in der Ferne leuchten. Kurze Zeit später ist der Jagdtrupp wieder in Wacken angekommen. Einige Männer tragen den toten Powerwolf ins Dorf. „Ihr wart also erfolgreich, wie ich sehe“, sage ich zu Till. „Bei Odins Bart, das waren wir!“ bestätigt er. „Aber jetzt komm´ erstmal mit.
Du kannst bei mir im Haus schlafen und morgen geht es den Düsteranern an den Kragen!“ Er ballt seine linke Hand zu einer Faust. Ich folge ihm und nach einer ruhelosen Nacht, werde ich vom Krächzen eines Raben geweckt. Till ist auch schon wach. Nachdem wir ausgiebig gefrühstückt haben, machen wir uns auf dem Weg zu Mjölnir. Als wir an einem scheinbar verlassenen Haus
vorbeikommen, sind plötzlich ohrenbetäubendes Gebrüll und Gekreische zu hören. „Oh Gott, da schreien Leute. Wir müssen ihnen helfen!“ rufe ich entsetzt. „Das können wir nicht. Das sind die Meddlloide, die sich mit dem Hardcore-Virus infiziert haben. Sie haben nach und nach ihren Verstand verloren und sind nicht mehr die, die sie mal waren. Sie begannen seltsame Hüte, ärmellose
Shirts, viel zu enge Hosen und Sportschuhe zu tragen. Dann schnitten sie im Wahn ihre Haare ab und dehnten ihre Ohrläppchen, bis sie löchrig wurden und stopften sie mit Scheiben und Pflöcken. Uns blieb nichts anderes übrig, als sie wegzusperren, um das Schlimmste zu verhindern“, erwidert er, sichtlich emotional. „Das ist ja wirklich furchtbar! Kann man denn gar nichts
tun, um ihr Leiden zu lindern?“ frage ich. „Seit die Düsteraner aufgetaucht sind, ist alles aus dem Gleichgewicht geraten. Wir hoffen, dass sie wieder zu Sinnen kommen, sobald der Feind besiegt wurde.“ entgegnet Till und ich ergänze: „Dann setzen wir heute wirklich alles auf eine Karte.“ „Ja, aber mach dir keinen Kopf. Es wird schon alles gut gehen“, sagt er aufmunternd und schlägt mir auf den Arm. Wir gehen zum Marktplatz zurück.
Dort führt mich Till zu einem großen Steinblock, auf dem ein silberner Hammer liegt. Er ist mit Ranken und anderen Ornamenten verziert und der Griff mit braunem Leder ummantelt. „Versuch ihn anzuheben und wenn du wirklich true bist, wird es sich offenbaren“, fordert mich Till auf. Ich nicke, packe den Griff des Hammers mit beiden Händen und ziehe so fest ich kann. Erst bewegt er sich nicht, doch plötzlich löst sich Mjölnir von dem Stein und ich falle nach hinten um. „Sieht aus, als wärst du true genug“, sagt Till und lacht schelmisch. Ich rappele mich wieder auf und grinse. „Scheint so.“ Er bringt mich noch ein Stück durch den Wald bis zum Hang des Berges, auf dem sich der dunkelste Gipfel befindet. Dann verabschieden wir uns. Mit klopfendem Herzen besteige ich den immer karger werdenden Berghang. Irgendwann ist der Weg nur noch von verkohlten Bäumen und Ruß gesäumt und jeder Atemzug brennt in meinen Lungen. Ich höre Feuer knistern und stehe kurze Zeit später vor einer Kirche im Flammenmeer. Zwei in braune Kutten gehüllte Gestalten tanzen um einen seltsamen fünfzackigen Stern auf dem Boden und sprühen das Blut eines toten Ziegenbocks in die Flammen. Ich bleibe wie versteinert stehen. Die Gestalten drehen sich zu mir um. Ihre Gesichter sind kreideweiß, aber ihre Augen und Münder sind pechschwarz verlaufen. Sie kreischen ohrenbetäubend und rasen auf mich zu.
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