Hit or Shit?
Six Feet Under – "Killing For Revenge"
Special
„Killing For Revenge“ = Shit
Einen Verriss zu einem neuen SIX-FEET-UNDER-Album zu schreiben, fühlt sich ein wenig so an, als würde man auf ein wehrloses Opfer am Boden eintreten. In durchgekiffter Einbildung und gnadenlos unironischer Selbstüberschätzung agieren Chris Barnes und seine gelegentlich wechselnden Mannen seit mindestens 20 Jahren so, als hätten sie im Death Metal was Relevantes zu sagen, nur weil Barnes die ersten vier legendären CANNIBAL-CORPSE-Platten eingeröchelt hat. Dass dabei nicht nur der ehemalige Arbeitgeber qualitativ die Nase um ganze Zeitzonen voraus hat und SIX FEET UNDER so ziemlich jeder jüngeren Death-Metal-Band aus dem Underground unterlegen ist, tangiert die inflationär veröffentlichende Band in der Regel genauso wenig wie ihre unverbesserlichen Fans, die Kritik an Barnes allein wegen seiner Vergangenheit bei den Kannibalenleichen als Blasphemie erachten.
SIX FEET UNDER – Ein Name mit verblasster Bedeutung
Doch selbst, wenn Barnes die E-Gitarre erfunden, die BEATLES gegründet und den Tod allen Rock’n’Rolls persönlich verhindert hätte – Talent, Musikalität und Relevanz sind längst dahin. Immerhin: die unbändige Veröffentlichungswut der Vergangenheit wurde etwas zurückgefahren. Außer der selbstverständlich nicht benötigten Boxset-Version der unsäglich schrecklichen “Graveyard Classics”-Coveralben ist seit “Nightmares Of The Decomposed” aus dem Jahre 2020 nicht viel passiert bei SIX FEET UNDER. Chris’ ehemaliger CANNIBAL-CORPSE-Kollege Jack Owen ist weiterhin mit an Bord und prägt das Songwriting von “Killing For Revenge”, zu dem er auch den Großteil der Texte verfasste.
Ansonsten könnte ich meinen eigentlich noch zu gnädigen Verriss zu “Nightmares …” wörtlich auf “Killing For Revenge” übertragen – auch wenn sich einige Details minimal verbessert haben. Ja, die Produktion ist etwas aus dem Heimstudiostandard des letzten Albums herausgekommen. Ja, Chris Barnes klingt auf “Killing For Revenge” wieder wesentlich kräftiger und überzeugender als auf dem gesanglich unhörbaren Vorgänger. Ja, insgesamt hat das Songwriting ein bisschen mehr Schmackes und schleppt sich nicht ganz so zahnlos daher. Das sind aber alles nur Verbesserungen im Nuancenbereich, die nicht darüber hinwegtäuschen, dass “Killing For Revenge” einfach keine gute Musik ist, die zudem nicht besonders überzeugend gespielt ist. Vollkommen absurd wird es bei der obligatorischen Coverversion. Diesmal wurde “Hair Of The Dog” von NAZARETH die Unschuld geraubt. Die Schrecklichkeit dieser Angelegenheit entspricht dabei jedem anderen Cover-Vorhaben der Band.
Es reicht nur für die Bollo-Disko
Ein cooles Riff hier, ein nettes Solo da – das reicht nicht. Das Album plätschert unmotiviert von Song zu Song und vergisst, dass Death Metal irgendwann mal musikalische Bedrohung, vielleicht auch echte Aggression, vielleicht ein wenig Morbidität ausstrahlen sollte. Bei SIX FEET UNDER? Fehlanzeige. In okayen Momenten klaustümpern sie sich durch Schablonen von OBITUARY, AUTOPSY und der eigenen Vergangenheit, in schlechten Momenten beweisen sie, dass sie nur ein bekannter Name, aber kein echter Repräsentant für das Genre mehr sind. Denn grundsätzlich hört sich aktuell so ziemlich jede jüngere Underground-Band überzeugender und enthusiastischer an. Diese arbeiten nach Feierabend wenigstens unter dem Einfluss echter Leidenschaft und nicht, weil ihnen das Geld für Pott ausgeht. SIX FEET UNDER sind ein perfektes Beispiel dafür, wie Qualität unter Berufsmusikertum und zu langen Karrieren leiden kann. Vielleicht solltet ihr einfach mal wieder bei einer jüngeren Band als Roadies anfangen, Jungs.
5 Punkte
Review von Johannes Werner
„Killing For Revenge“ = Hit
Was 1995 als Nebenprojekt zu seiner damaligen Hauptband CANNIBAL CORPSE begann, ist fast 30 Jahre später zu einer Institution des Death Metal geworden. Was damals als grooviger Gegenentwurf zu den technisch weitaus versierteren Kannibalen SIX FEET UNDER begann und sich auf den ersten Alben wie eine tiefe Wunde in die Musik bohrte und neben den unverkennbaren Vocals von Chris Barnes auch durch den Groove eine ganze Generation von Death Metal-Fans begeisterte, ist mittlerweile musikalisch etwas abgemildert.
Die eingängige Mischung, die Butler und West mit „Haunted“ in die Welt setzten, ist in Ansätzen immer noch vorhanden, wurde aber in alle Richtungen erweitert. Spätestens mit „Unborn“ oder auch „Undead“ gab es zwischenzeitlich sehr technischen Tobak, der so manchem Fan der Anfangstage sicher sauer aufgestoßen ist.
Killing For Revenge – starke Steigerung zum Vorgänger
In der Hemisphäre von „Killing For Revenge“ hält sich das Songwriting kaum zurück und lässt den ehemaligen CANNIBAL CORPSE-Gitarristen Jack Owen eine bunte Mischung an Songs zusammenstellen. Das stilistische Spektrum ist reichhaltig, erinnert selten an die Anfangstage, ist aber in seiner Vielfalt spannungsgeladen und von Nachhaltigkeit geprägt. Owen pendelt zwischen verschiedenen Extremen und zaubert viele coole Nummern aus der Schublade.
Stilistisch versucht er keinen Song wie den anderen klingen zu lassen und schiebt nach fast schon punkigen Trümmertracks wie „Fit Of Carnage“ oder „Judgment Day“ auch mal eine old-schoolige Midtemponummer wie „Hostitly Against Mankind“ hinterher. „When The Moon Goes Down In Blood“ atmet mit seinem fiesen Riffing alte MACABRE-Atmosphäre und was wäre ein SIX FEET ALBUM ohne die obligatorische Rock-Coverversion. „Hair Of The Dog“ kommt in bester „Graveyard Classics“-Manier daher und rundet das Album fröhlich ab.
SIX FEET UNDER spielen weiterhin in eigener Liga
Für den Vorgänger erntet Barnes relativ viel Kritik, was die Gesangsleistung angeht. Als CORPSE-Fan der ersten Stunde kann man da aber ein Auge zudrücken, auch wenn er heute gerne mal ein bisschen schräg durchs Internet trollt. Die Performance ist deutlich besser und inspirierter als auf „Nightmares Of The Decomposed“ und egal was man bemängeln mag, Barnes‘ Performance ist einfach ikonisch, reminizent und unverkennbar.
SIX FEET UNDER spielen nach wie vor in der ersten Liga des Death Metal. „Killing For Revenge“ ist eine farbenfrohe, inspirierte und unglaublich gut produzierte Scheibe, die auch nach dem x-ten Durchlauf noch so viel Spaß macht, dass der nächste SFU-Club-Live-War-Mosh-Pit hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt.
8 Punkte
Review von Oliver Schreyer