Hit or Shit?
Frostbite Orckings - The Orcish Eclipse

Special

„The Frostbite Eclipse“ – Shit

Eine Sache muss ich vorab zugestehen: wie sich diese KI-Geschichte in Zukunft noch entwickeln wird, ist ohne Zweifel spannend und sollte aufmerksam verfolgt werden. Aber fürs erste kann ich euch alle beruhigen. Die Revolution der Maschinen ist noch weit entfernt, wenn „The Orcish Eclipse“ das beste ist, was die KI derzeit hinbekommt. Die „Band“ FROSTBITE ORCKINGS bewegt sich auf dem rumpeligen Niveau ungehörter Proberaum-Aufnahmen von etablierten Bands wie POWERWOLF oder WIND ROSE.

Klar, auch ich habe schon einmal schlechteres gehört, aber auch nur weil ich vor 20 Jahren obskure Power-Metal-Demos aus den hintersten Ecken Skandinaviens heruntergeladen habe. Hauptsache Fantasy, ein bisschen Pathos und nebenbei Dark Age of Camelot zocken. Auch wenn ich damals für Albion war, habe ich mir öfters die Midgard-Hymne „Dem Hibbies“ reingezogen. Rückblickend könnte es sich dabei um den ersten Song von FROSTBITE ORCKINGS handeln, nur hat die „Band“ offenbar jedes Gespür für Groove und Timing verloren.

KI-Sound aus dem Hinterhof

Ernsthaft, als ich hörte, dass „The Orcish Eclipse“ von einer KI generiert wurde, hatte ich zunächst ein klinisch getaktetes Werk aus der Dose erwartet. Dass das Album so verwaschen und rumpelig klingt, hat mich deswegen sehr überrascht. Offenbar hat man der KI auch den Mix überlassen und als Parameter den weirden Alt-Hippie eingegeben, der in einer Garage in einem Hinterhof von Wanne-Eickel für wenig Geld die Aufnahmen übernimmt und nebenbei ein paar duftende Tüten vertickt. Da möchte man gar nicht wissen, wie sich das KI-Produkt vor dem Mix angehört hat.

Um auch mal was zur Musik an sich zu sagen: die ist einfach nur lahm und eintönig. Ohrwurmpotenzial? Da muss ich vehement widersprechen, sind die Refrains doch so austauschbar, dass das Gehirn sie zum Glück direkt im Papierkorb ablegt. Da hilft es auch nicht, dass die KI sich entschieden hat, sie mit episch-besoffenen Mitsing-Chorälen zu unterlegen und penetrant zu wiederholen. Einzige Ausnahme ist der Song „Hammers High“, der sich aber eher in die Gehörgänge nervt als an diese schmiegt.

Texte, Musik, Artwork; alles an diesem Album ist Quatsch. Wäre „The Orcish Eclipse“ eine simple Tech-Demo, könnte man ja noch wohlwollende Gnade walten lassen. Denn es ist durchaus interessant zu sehen, was die KI aktuell leisten kann. Und ja, es ist kein Totalabsturz, auch wenn die Platte durch heftige Turbulenzen schlittert.

Eine Demo zum Vollpreis

„Platte“ ist bei der Gelegenheit ein gutes Stichwort. Denn bei „The Orcish Eclipse“ handelt es sich eben nicht um eine witzige Tech-Demo, sondern um das Vollpreis-Produkt eines großen Labels. Wenn ihr wollt, könnt ihr für ein Produkt aus der tatsächlichen Dose, das auf CD und in verschiedenen Vinyl-Versionen erscheint, das gleiche Geld hinblättern wie für ein Album, an dem eine echte Band mehrere Wochen und Monate oder gar Jahre gearbeitet hat.

Ihr könntet zum Beispiel im Shop des Labels die neue DRAGONFORCE auf lilafarbenem Vinyl für knapp 28 Euro vorbestellen oder die blaugefärbte KI-Demo auf Vinyl für drei Tacken weniger ordern. Oder ihr legt gleich 39,95 Euro auf den virtuellen Tresen um ein überdimensioniertes Digipak des FROSTBITE ORCKINGS-Gerumpels zu bekommen, was, um bei dem Vergleich zu bleiben, exakt der Preis der teuersten DRAGONFORCE-Edition ist, die aber auch noch mit einigen Goodies daherkommt. Klingt vom Verhältnis her nicht so fair, oder?

Einfach nur frech

Gut, ganz automatisch geht es nicht, denn die Ergebnisse der KI basieren auf dem Input einiger echter Menschen an echten Instrumenten, die diese ins sogenannte „Metalverse“ eingespeist haben. Doch auch wenn der Preis vermutlich von Stückzahl sowie genereller Mindestbepreisung abhängt, ist das einfach nur frech. Wenn diese Praxis Schule macht, dürfte uns in Zukunft noch mehr Retortenmusik erwarten als ohnehin schon, sowie belanglose Texte und Artworks, die aufgrund ihres Charakterdesigns jederzeit von Blizzard Entertainment abgemahnt werden könnten. Immerhin, schauen wir auf die Vorbesteller-Rankings bei Amazon trennen DRAGONFORCE und FROSTBITE ORCKINGS in der Rubrik „Heavy Metal“ mehrere tausend Rangplätze.

Über den ganzen Kram mit echter menschlicher Leidenschaft und authentischer Kunst haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen. Sicher ist, dass auch Menschen oft nur formelhafte Stangenware produzieren. Aber selbst diese klingt meistens nicht so austauschbar und unfertig wie „The Orcish Eclipse“. Die KI hat noch viel zu lernen und das Schlimmste ist, dass sie damit nicht aufhören wird.

(Marc Thorbrügge)

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23.12.2023

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2 Kommentare zu Hit or Shit? - Frostbite Orckings - The Orcish Eclipse

  1. Zauberelefant sagt:

    Das ist doch entsetzlich egal…generative KI ist momentan ein Hype, und weil niemand genau versteht, was da passieren wird, wird jetzt viel Blödsinn gemacht, ausprobiert und manch einer macht sich Sorgen, dass die Technologie „den Menschen“ ersetzen könnte.
    Gemach. Erstmal präsentiert uns die KI, basierend auf den Daten die man ihr gibt, einen Durch/Querschnitt des Metals – und man ahnt, worauf ich hinaus will, der Durchschnitt des Metal ist ein wenig öde, generisch, uninspiriert etc.
    Das dürfte auch für so ziemlich jedes andere Genre gelten, btw.

    Und wer jetzt ruft, „Nein, das stimmt nicht, die finnische Power Metal Band XYZ ist das beste seit Weißbrot in Scheiben!!!1!!“ widerspricht nicht, sondern ergänzt bloß: Der Hörer ist letztlich das entscheidende Ding. Es gibt weiß Gott genug echte Bands, die ziemlich generische Mucke machen – und die haben trotzdem Fans. Von Beispielen aus der wirklich populären Musik nicht zu reden. Aber der Zuhörer, und nur der individuelle Zuhörer, kann eben sagen ob ein Musikstück ihm/ihr taugt oder nicht.

    Allerdings, angesichts der Qualität dieses Klangbeispiels gehe ich jede Wette ein, dass wir erstmal keine Welttournee der Warcraft Orcs befürchten müssen. Nichtmal als Vorband von GWAR.

  2. Werner sagt:

    Boah – das ist echt von KI gemacht?
    Ich bin da recht sprachlos!
    Mir persönlich erscheint das Schlagzeug künstlich vom Sound und als Gitarrist muß ich sagen,
    da wird schon massiv geschreddert – was eigentlich so in der Art weniger gemacht wird über lange Strecken.

    Aber insgesamt schön anzuhören – mir wäre ohne die Vorabinfo nicht der Gedanke auf Mucke aus der Retorte gekommen.

    Musikalisch hätte ich das so bei 6 bis 7 von 10 gesehen.

    Wißt ihr, ich bin schon etwas älter – und daß es so was mal geben würde – hätte ich vor 50 Jahren nicht für möglich gehalten und auch nicht gedacht, daß ich so was noch erlebe.

    Mal schauen, ob sich da noch mehr tut in der Richtung oder ob es bei einem Experiment bleibt.

    Danke mal hier für die Berichterstattung – da wäre ich nicht drauf gestoßen.