Herrn Møllers rumpelnde Underground-Obskuritäten
November 2015
Special
Ein Magazin wie metal.de bekommt viele, viele Einsendungen vieler, vieler Labels und Bands, die alle ihre Veröffentlichungen bei uns rezensiert sehen möchten. Das Problem: Auch unsere Kapazitäten sind begrenzt, und obwohl wir vor einiger Zeit die „Kurz notiert“-Reviews eingeführt haben, um gegen die Masse anzukommen, bleibt immer noch vieles auf der Strecke. So kam es zu einer Unterhaltung ähnlich wie dieser:
Ich:
Ey, Chef, wo ist denn das ganze Gerumpel im Themenverteiler geblieben? Ich will mehr Krach!
Eckart:
Da kam gar nicht so viel rein … und viele Singles, 7″-Splits und was da so kommt, sortiere ich halt gern auch mal aus, wenn die Bands nicht bekannter sind … interessiert ja keinen.
Ich:
Denkste, interessiert keinen. Interessiert mich! Ich will mehr Krach!
Eckart:
Ja, aber schaffst du das denn alles neben den regulären Platten?
Ich:
Pffft. Wer braucht reguläre Platten, wenn man Gerumpel haben kann? Ich will mehr Krach!
Eckart:
Hm … mach doch sonst ’ne Kolumne!
Also: Fortan stelle ich einmal im Monat an dieser Stelle Underground-Gerumpel der übleren Sorte vor, das zv trve vnd vntergrvndig für den Rest der Redaktion (oder zumindest für Chef Eckart) ist. Singles, Splits, Eigenproduktionen, Demos – hier bin ich mir für nichts zu schade, solange „Black“, „Death“, „Doom“ oder eine Kombination daraus unter „Genre“ vermerkt ist. Das passiert in erster Linie aus Spaß an derbem Gepolter – hier geht’s um Obskuritäten und Nischenreleases, die sonst kaum Aufmerksamkeit bei uns bekämen. Wer wie ich Spaß an sowas hat und einfach, ähm, mehr Krach will, darf sich freuen. Und falls ich mal was übersehe: Unter stephan.moeller@metal.de nehme ich Tipps, Hinweise, Einsendungen eurer Rumpeldemos und all das entgegen. Los geht’s!
BLOOD OF THE WOLF – „I: The Law Of Retaliation“
Eigenproduktion
VÖ: 28.08.2015
10 Tracks | 36:45 Minuten
Die Amis BLOOD OF THE WOLF sind eigentlich gar nicht soooo rumpelig und nicht soooo undergroundig – immerhin spielen Musiker von u.a. KOMMANDANT, OTHENDARA und ehemals NACHTMYSTIUM in der Band mit. Der leicht angeschwärzte Hochtempo-Death-Metal macht aber trotzdem eine ganze Menge Spaß, obwohl die Produktion digital ist und kaum rauscht. Trotzdem: Das derbe Gemörtel zwischen BEHEMOTH zu „Demigod“-Zeiten, klassischem Death Metal der US-amerikanischen Machart und hier und dort aufblinkenden Black-Metal-Gitarren kann was und regt zum Mitgehen an. Atmosphäre ist kaum da, aber dafür ist „I: The Law Of Retaliation“ eingängig as fuck und brutal wie sonstwas.
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SOV – „Horor Och Charlataner“ (Digital Single)
Despotz Records
VÖ: 13.11.2015
1 Track | 04:26 Minuten
Noch ist über das schwedische Black-Metal-Duo SOV nicht viel bekannt: Gut, sie sind zu zweit, kommen aus Schweden und die „Horor Och Charlataner“-Single ist ihr erstes Lebenszeichen, dem 2016 mehr folgen soll. Bis dahin bleiben dem geneigten Hörer nur knappe viereinhalb Minuten Musik, möchte er sich mit SOV beschäftigen. Die hören sich jedoch ziemlich gut an: „Horor Och Charlataner“ ist eine gelungene Mischung aus klassisch-norwegischem und klassisch-schwedischem Black-Metal-Gerödel, Vergleiche zum MAYHEM-Debüt (Akkordfolge/Melodieführung) lassen sich genauso ziehen wie zum ARCKANUM-Debüt „Fran Marder“ (Atmosphäre, Gesamteindruck). Mit Ausnahme des kurzen, für diese Art von Black Metal ungewöhnlichen Gitarrensolos machen SOV damit sicherlich nichts allzu Neues, aber nett anzuhören ist die „Horor Och Charlataner“-Single allemal. Und sie lässt darauf hoffen, dass SOV dieses Niveau 2016 halten werden.
SOV auf der Homepage von Despotz Records
CEMETERY FILTH + ECTOVOID + SABBATORY + TRENCHROT – „4 Doors To Death“ (Split-CD)
Death Metal
Unspeakable Axe Records
VÖ: 22.01.2016
10 Tracks | 49:25
Dreimal USA, einmal Kanada: Auf der im Januar erscheinenden Split-CD „4 Doors To Death“ haben sich mit CEMETERY FILTH, ECTOVOID, SABBATORY und TRENCHROT gleich vier illustre Todeskombos versammelt. Los geht’s mit CEMETERY FILTH im Dreierpack, die klassischen Ami-Death-Metal zocken und hin und wieder aufhorchen lassen, aber wenige Höhepunkte zu bieten haben. Der lieblose Digitalsound ist ein zusätzlicher Minuspunkt. Mit ECTOVOID aus Alabama rumpelt es im Anschluss gleich schon viel mehr – sowohl was den Klang angeht, als auch das Material selbst, welches sehr ungestüm und rabiat klingt. Wer sich GRAVE RITUAL in etwas weniger bizarr vorstellen kann, der sollte mit ECTOVOID glücklich werden. Noch finsterer und rumpeliger wird es daraufhin mit den Kanadiern SABBATORY, die ein wenig so klingen, als hätten BLACK WITCHERY einen Doom-Clown verschluckt. Auch schön: Der Gesang klingt wie vom jungen Martin van Drunen. Höhepunkt der Split! Und dann wieder Amis: TRENCHROT aus Philadelphia haben den Doom noch dominanter in ihrem Sound, Erinnerungen an alte ASPHYX oder alte BOLT THROWER kommen nicht von irgendwoher. Auch schön, aber nicht so kultig wie der SABBATORY-Teil der Split. Nettes Teil, US-Death-Metal-Jünger sollten dem ganzen mal eine Chance geben.
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EUCHARIST – „Demise Rites“ (Compilation) (Re-Release)
Iron Bonehead Productions
VÖ: 27.11.2015
6 Tracks | 28:25 Minuten
2011 veröffentlichten die obskuren australischen Black Metaller EUCHARIST zwei Demos namens „Tenebrous Summoning“ und „Demise Rites“, 2012 wurden beide Demos auf einem Tape als Compilation herausgegeben, und eben diese „Demise Rites“-Compilation wird nun von Iron Bonehead Productions auf Vinyl wiederveröffentlicht. Mitgekommen? Egal: Die Mucke zählt. Und die ist ziemlich cool, die A-Seite in Form der „Tenebrous Summoning“-Demo rumpelt und rödelt genüsslich vor sich hin, der dumpfe Sound und die tiefergestimmten Gitarren geben dem Ganzen einen gewissen War-Metal-Flair im Stile von BLACK WITCHERY. Allerdings blasten EUCHARIST weniger als dort üblich, stattdessen ist das Material in Sachen Tempo sehr abwechslungsreich. Die „Demise Rites“-Demo klingt ähnlich charmant nach Früh-Neunziger-Proberaum als „Tenebrous Summoning“, überrascht aber gegen Ende des Titeltracks mit einem fast melodischen Zwischenspiel, während Track zwei der B-Seite, „Gates Of Doom“ die bereits im Titel genannte Doom-Keule schwingt. Somit ist EUCHARISTs „Demise Rites“-Compilation zwischen BLACK WITCHERY, ARCHGOAT und frühen BEHERIT ein nettes Häppchen für zwischendurch – aber Obacht, selbst Rumpelkennern könnte diese tiefste Proberaumproduktion zuviel sein.
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GRAVEWÜRM – „Doomed To Eternity“
Hells Headbangers
VÖ: 25.12.2015
11 Tracks | 35:21 Minuten
Schade, die US-amerikanischen Black-Death-Vielveröffentlicher GRAVEWÜRM klingen auf „Doomed To Eternity“ gar nicht mehr so rappelig wie früher. (Wobei ich gestehen muss, dass ich von den neueren Veröffentlichungen kaum was gehört habe, also nicht sagen kann, wie lange das schon der Fall ist.) Trotzdem ist „Doomed To Eternity“ ein schicker, rockig-rotziger Brocken aus Black Metal, Death Metal und ein bisschen Punk-Attitüde, aus NUNSLAUGHTER-, HELLHAMMER- und POSSESSED-Einflüssen. Was allzu besonderes ist das natürlich nicht, aber es macht schon Spaß. Wer die bisherigen Alben von GRAVEWÜRM mochte, der wird bestimmt auch an „Doomed To Eternity“ seinen Spaß haben.
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YSENGRIN + BLACK GRAIL – „Nigrum Nigrius Nigro“ (Split-EP)
Nuclear War Now! Productions (Vinyl) / Caverna Abysmal Records (Tape)
VÖ: 01.12.2015 (Vinyl) / 11.12.2015 (Tape)
5 Tracks | 28:01 Minuten
Heidewitzka, das ist ja selbst mir zu schrammelig. YSENGRIN, die französischen Black/Death/Doom Metaller bringen zusammen mit den chilenischen Black Metallern BLACK GRAIL die Split „Nigrum Nigrius Nigro“ heraus, und was darauf zu hören ist, rumpelt wie Hölle, ist aber auch kaum hörbar – oder sagen wir mal so: Wer sich den YSENGRIN-Teil ohne Ohrenbluten anhören und danach behaupten kann, Musik genossen zu haben, der gehört zu den ganz Harten im Garten. Die vier Tracks der YSENGRIN-Seite folgen keinem gängigen Muster der Musikalität, sie sind kaum greifbar – und das wirklich nicht im coolen Sinne obskur-mysteriöser Black-/Death-Metal-Bands der Marke VEILED. BLACK GRAIL bieten da schon etwas geradlinigeren Black Metal, der klassisches südamerikanisches Gerödel mit Doom und Elementen des europäischen Orthodox Black Metal verbindet, und das sogar auf einigermaßen interessante (wenngleich schiefe) Weise. Wirklich spannend ist das Ergebnis nicht, aber definitiv um einiges hörbarer als die YSENGRIN-Seite von „Nigrum Nigrius Nigro“.
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CHAOS ECHŒS – Re-Releases 2015
Death Doom Metal
Nuclear War Now! Productions
15.12.2015
Aus Frankreich und dem Umfeld von u.a. NECROWRETCH kommt das obskur-rumpelige Death-Doom-/Ambient-Drone-Projekt CHAOS ECHŒS, das vor seinem 2015er-Debütalbum „Transient“ bereits die Rehearsal-Demo „Parisian Sessions / Rehearsal I“, die EP „Duo Experience / Spectral Affinities“ sowie das Livealbum „A Voiceless Ritual“ herausgebracht hat. Diese drei Veröffentlichungen erfahren nun Vinyl-Re-Releases durch Nuclear War Now! Productions, die hier getrennt voneinander betrachtet werden sollen:
„Parisian Sessions / Rehearsal I“
4 Tracks | 39:35 Minuten
Die „Parisian Sessions / Rehearsal I“ bestehen aus den drei improvisierten Stücken „Funeral Free“, „Silencio Tomba“ und „Erratic“ sowie dem Song „Weather The Storm“. Damit klingt diese Rehearsal-Demo nicht nur (natürlicherweise) nach Proberaum, sondern auch vom improvisierten Material her recht chaotisch, aufgrund der doomig-schleppenden Herangehensweise aber nie undurchdringbar. Gesang gibt es nicht, dafür aber hier und dort Noise-artiges Arbeiten mit Gequietsche und Rückkopplungen. Insgesamt versprüht „Parisian Sessions / Rehearsal I“ einen sehr rauhen Charme und kann mit viel hörbarem Herzblut punkten. Mit dem nichtimprovisierten Stück „Weather The Storm“ gibt es obendrein einen sehr abwechslungsreichen Song, der seine Spannung nur langsam aufbaut, aber über die ganze Spielzeit hält. Toll.
„Duo Experience / Spectral Affinities“
5 Tracks | 37:39 Minuten
Auch die EP „Duo Experience / Spectral Affinities“ ist eine rein instrumentale Angelegenheit, die zwar auf dem Papier nicht improvisiert ist, in der gefühlt aber trotzdem sehr viel Spontaneität steckt. Der mehr als zehnminütige Opener „Occurence“ baut sich über dreieinhalb Minuten Ambient-Intro auf, bevor er zur Sache kommt, und verbleibt in den übrigen sieben Minuten in denselben Schemata – eher für Drone- und Ambient-Fans spannend. „Between Doors“ fügt dem Konzept Flamenco-artige Akustikgitarren hinzu, kommt damit aber leider nicht so richtig zum Punkt. Auch „The Elders“ und das Abschlussdoppel „Moving Soil / Sand“ und „Moving Soil / Dust“ bewegen sich eher in Drone-Gefilden. Muss jeder für sich wissen, ob man das braucht, aber bewusstseinserweiternde Substanzen könnten für den Genuss von „Duo Experience / Spectral Affinities“ von Nöten sein.
„A Voiceless Ritual“
5 Tracks | 44:30 Minuten
Das Livealbum „A Voiceless Ritual“ wirkt ebenfalls höchst spontan und improvisiert, kommt aber wieder etwas mehr zur Sache als die „Duo Experience / Spectral Affinities“-EP. (In der zweiten Hälfte des Openers „The Innermost Depths Of Knowledge“ gibt es sogar einen geraden Takt zu hören.) Der Sound ist auch hier – wie auf allen drei Re-Releases von CHAOS ECHŒS – sehr dumpf und unpoliert, was dem Ganzen eine Menge Charme verleiht … allerdings dürfte das für viele Leser aus dem Zielpublikum dieser Kolumne auch der einzige Reiz an diesen drei Platten sein. Die eigenwillige Mischung aus Death Doom, Impro-Show, Drone, Ambient und Noise ist zwar konzeptuell spannend, aber auch für „A Voiceless Ritual“ gilt: hart an der Grenze der Hörbarkeit, so interessant die Idee dahinter auch ist.