Herrn Møllers rumpelnde Underground-Obskuritäten
Januar 2016
Special
Januargerumpel
Alle wieder nüchtern, alle wieder wach – Neujahr ist um, und auch die Musiker und Labelmenschen der hier relevanten Genres waren nicht untätig. Das heißt, bis auf die Death Metaller – denn die scheinen den Januar verpennt zu haben. Klar, DISASTER K.F.W.s neues Album „Pieces“ und ein Re-Release von ANTROPOMORPHIAs „Necromantic Love Songs“ sind nennenswert … ansonsten gab es aber im Januar nicht allzu viel spannende Releases im Death Metal.
Dafür sieht die Lage im Black Metal schon sehr viel ergiebiger aus: Die LP-Boxen und CDs von BATUSHKAs „Litourgiya“ wurden von Witching Hour Productions endlich versandt, das italienische Allstar-Black’n’Roll-Projekt WHISKEY RITUAL hat zu seinem neuen Album „Blow With The Devil“ noch ein wirklich, wirklich starkes und böses Video zum Titelsong nachgelegt, und die Isländer NAÐRA (samt MISÞYRMING- und MANNVEIRA-Musikern) haben mit ihrem Debütalbum „Allir Vegir Til Glötunar“ überzeugen können (obwohl sich die Meinung der Szene bei diesem Album ein wenig spaltet).
Des Weiteren interessant: Gestern, am 5. Februar 2016, erschien das abschließende, posthume URGEHAL-Album „Aeons In Sodom“ via Season Of Mist, welches übrigens nach wie vor auf metalbandcamp.com in Gänze streambar ist. Und dann gab es zum Monatsabschluss noch das neue SPEKTR-Album „The Art To Disappear“, das einmal mehr eine sehr düstere Reise durch Black Metal, Ambient und Industrial geworden ist. Und: Die süddeutschen Black Metaller WEIRD FATE haben zwar bereits im letzten August ihr neues Album „Cycle Of Naught“ herausgebracht, vor ein paar Tagen aber noch ein Video zum Titeltrack hinterhergeschoben.
Und auch eine traurige Meldung gibt es zu nennen – denn vor ein paar Tagen, am 2. Februar 2016, ist der langjährige BLACK WITCHERY-Gitarrist Steve „Tregenda“ Childers bei einem Autounfall verstorben. Rest in Chaos, Tregenda!
Nun aber einmal mehr zur eigentlichen Sache dieser Kolumne: Underground-Gerumpel, das zu obskur und bizarr für ein reguläres Erscheinen auf metal.de ist. 7″-EPs, Singles, Demos, Compilations, Re-Releases, Eigenproduktionen – hier kommt alles rein, was selbst unter den Black- und Death-Metal-Truestern nur als „Special Interest“ gilt. Wie immer gilt: Wer Spaß daran hat, der findet auf den kommenden Seiten vielleicht ein paar Schätzchen. Und des Weiteren gilt wie immer: Wenn ich etwas übersehe, aus Versehen etwas Falsches schreibe oder wenn ihr mit eurer Rumpelveröffentlichung in der nächsten Ausgabe der Kolumne unterkommen wollt – ich bin unter stephan.moeller@metal.de erreichbar.
JAWBONE – „Blow Me Blind“
Eigenproduktion (Digitales Release)
VÖ: 7. Januar 2016
6 Tracks | 30:39 Minuten
Fangen wir mit einem Kleinod aus der hiesigen Szene an: JAWBONE aus Hamburg haben 1995 ihr Mini-Album „Blow Me Blind“ aufgenommen, gemischt 1996 von Norbert Munk und Thomas Siebert – aber sie haben es nie rausgebracht. Bis jetzt, denn mit den neuesten technischen Möglichkeiten bieten JAWBONE „Blow Me Blind“ für interessierte Leute zum Download an. Und jeder Fan von thrashig-groovigem Death Metal sollte sich das mal geben, denn JAWBONE zocken ihre Mucke so cool und fetzig herunter, dass es eine Freude ist. Dass dieses Album nie erschienen ist, ist eine Schande, denn in ihrer Mischung aus PANTERA und groovigen Death-Anleihen haben JAWBONE damals ihren eigenen Stil gefunden – das hätte, gerade in den Neunzigern, richtig gut funktionieren und groß werden können.
JAWBONEs „Blow Me Blind“ als „Name your Price“-Download auf Bandcamp
REENCARNACIÓN – „888 Metal“ (Compilation)
Nuclear War Now! Productions
VÖ: 1. Februar 2016
18 Tracks | 73:12 Minuten
Die kolumbianischen Black Thrasher REENCARNACIÓN waren 1988 und 1989 fleißig: Erst haben sie ihr Full-Length-Debüt „Reencarnación (888 Metal)“ herausgebracht, dann die „Acompáñame A La Tumba“-EP, und ein Livealbum namens „Live 89“ haben sie auch noch aufgenommen (allerdings erst 2005 veröffentlicht). Mit der Compilation „888 Metal“ bringen die US-Chefrumpler Nuclear War Now! Productions nun alle drei Veröffentlichungen in einem heraus … und das ist gewöhnungsbedürftig. Denn obwohl wir alle, die wir diese Zeilen tippen oder lesen, etwas für Gerumpel übrig haben sollten, bewegen sich REENCARNACIÓN permanent hart an der Grenze der Hörbarkeit. Die Riffs (und Songs im Allgemeinen) sind höchst einfach, der Sound ist ganz, GANZ schrammelig, und manche Ideen sind einfach so schräg, dass man sie nur noch „kurios“ nennen kann (man höre das Gequietsche am Ende von „Nexus Universalis“). Das alles mag auf Länge eines Albums oder einer EP noch ganz gut klappen und ob seiner Kuriosität ein Reinhören wert sein … aber bei 73 Minuten Spielzeit? Never!
Homepage von Nuclear War Now! Productions
Nuclear War Now! Productions auf Facebook
VÅREN – „Heimatlos“ und „Folge mir“ (Soundcloud-VÖ)
Atmospheric/Melodic Black Metal
Eigenproduktion
VÖ: Bereits erschienen
2 Tracks | 12:53 Minuten
VÅREN ist ein Nebenprojekt von THYRGRIM-Sänger, -Gitarrist und -Bandkopf Kain. Im Rahmen dieses Projekts veröffentlicht dieser spontane Einfälle, Ausdrücke seines Innenlebens. Offizielle Releases, Veröffentlichungsdaten etc. wird es bei VÅREN nicht geben – wenn etwas fertig ist, wird es bei Soundcloud hochgeladen. Die ersten beiden Stücke „Heimatlos“ und „Folge mir“ sind im Januar gekommen, und die klingen sehr ordentlich – um nicht zu sagen: besser als alles, was Kain bisher mit THYRGRIM herausgebracht hat. „Heimatlos“ ist ein Down- und Midtempo-Song, höchst melodisch, mit eindringlichem Gesang, ein bisschen in Richtung DRUDKH, aber dennoch eigenständig. „Folge mir“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, geht es zunächst ruhig an und steigt erst nach rund einer Minute mit dem Schlagzeug ein. Letztlich nicht ganz so eindringlich wie „Heimatlos“, aber durchaus hörenswert.
SOV – „Smutsig“ (Digital Single)
Despotz Records
VÖ: 4. Januar 2016
1 Track | 04:58 Minuten
Nachdem es SOVs erste digitale Single „Horor Och Charlatanter“ bereits in die November-Ausgabe dieser Kolumne geschafft hatte, legt das schwedische Black-Metal-Duo nun eine weitere Single namens „Smutsig“ nach. Auch die ist wieder nur digital erhältlich, schlägt aber zumindest musikalisch in eine ganz andere Kerbe: War „Horor Och Charlataner“ noch ein Uptempo-Stück zwischen schwedischem und norwegischem Old School Black Metal, ist „Smutsig“ – passend zum Namen – dreckiger, hintergründiger und ein wenig verspielter. Gegen Ende wirkt der Song etwas zerfahren, aber anfangs durchaus gefällig. Man darf weiterhin gespannt sein, was das für irgendwann 2016 angekündigte Album bringen mag.
SOV auf der Homepage von Despotz Records
TERROR – „Legion Of Gore“ (Single)
Hells Headbangers Records
VÖ: 31. Dezember 2015
2 Tracks | 11:09 Minuten
TERROR sind zurück – nein, nicht die Hardcore-Formation, sondern die Underground-Thrasher aus Cleveland, Ohio. Die haben zwischen 1987 und 1995 ganze zwölf Demos, aber nie ein Full-Length-Album veröffentlicht und kehren nun mit der Single „Legion Of Gore“ zurück an die Thrash-Front. Die beiden Tracks dieser Veröffentlichung – der Titeltrack und „Carving Techniques“ – sind klassischer US-Thrash-Metal, eher im Stil der Ost- denn der Westküste, sie klingen relativ düster und überraschen mit relativ wenig Up- und mehr Mid- und Downtempo. Damit gehören TERROR zwar sicherlich nicht zu den versiertesten amerikanischen Thrashern, auch nicht zu den originellsten oder den spannendsten – aber auf jeden Fall nach wie vor zu den kultigsten.
TERRORs „Legion Of Gore“-Single auf der Bandcamp-Seite von Hells Headbangers Records
PLAGUE PHALANX – „Plague Phalanx“ (EP)
Aphotic Sonance
VÖ: 1. September 2015
5 Tracks | 14:41 Minuten
Aus dem sonnigen Kalifornien ist im letzten September eine gar nicht so sonnige War-Metal-Band namens PLAGUE PHALANX mit ihrer Debüt-EP dahergekommen. Darauf geht es brutal und gemein zur Sache, der Opener „Offering At Tophet“ ist ein ultraflinker Uptempo-Nackenbrecher, in „Raped By Apparitions“ lassen die Amis den Black-Metal-Disharmonien freien Lauf, bevor „Deathmarch“ ein bisschen Groove auspackt und „The Befouling Aspergillum“ an ein, zwei Stellen sogar Melodie erkennen lässt. Mit dem abschließenden „Seraphim Bone Armament“ gibt es dann zum Schluss nochmal gehörig auf die Glocke – Geholze par excellance. Vielleicht innerhalb der War-Metal-Szene nicht gerade was neues, was PLAGUE PHALANX da für ihre Debüt-EP zusammengetrümmert haben, aber Hölle, das Teil haut so komprimiert auf die Fresse, dass man die knappe Viertelstunde ruhig mal antesten darf. Zumal es die „Plague Phalanx“-EP auf der Bandcamp-Seite der Band für „name your price“ gibt.
PLAGUE PHALANX‘ Debüt-EP auf Bandcamp
TOSKA – „Toska“ (EP)
Eigenproduktion
VÖ: 4. Dezember 2015
7 Tracks | 23:06 Minuten
Aus Island kamen in den letzten Jahren einige sehr hörenswerte Bands aus dem finster-orthodoxen Bereich – SVARTIDAUÐI, MISÞYRMING, NAÐRA, SINMARA, MANNVEIRA sind nur einige isländische Black-Metal-Bands, die man auf dem Schirm haben sollte. TOSKA kommen ebenfalls aus Island, setzen aber im Gegensatz zu den genannten Bands nicht auf Orthodoxie und Finsternis, sondern auf folkige Melodiösität und Melancholie. Die fünf Songs (plus Intro und Zwischenspiel) ihrer selbstbetitelten Debüt-EP glänzen zwar nicht in Gänze mit funktionierenden Ideen, haben aber aufgrund ihrer wilden, rasenden Herangehensweise, die mit den höchst melodischen Folk-Elementen verknüpft wird, einen sehr eigenständigen Touch. Was noch fehlt ist kompositorische Finesse, aber interessant sind TOSKA schon jetzt.
METLEHEM – Diverse Liveaufnahmen auf Soundcloud
Black Metal
Eigenproduktion
Die Berliner Black Metaller METLEHEM gehören zwar sicherlich zu den Bands mit den beschissensten Namen – aber musikalisch können die Herren trotzdem was reißen. Auf Soundcloud stehen diverse Liveaufnahmen der Band zum Anhören zur Verfügung, und der raue Black Metal, der stark von finnischen Black-Metal-Bands der Marke SARGEIST oder frühe HORNA beeinflusst ist, klingt dermaßen fetzig-kultig, dass das Zuhören eine Freude ist. Anspieltipps: „Winter des Gehörnten“ und „Misanthropia“. Man sollte nichts Besonderes erwarten, aber einen netten Black-Metal-Happen für Zwischendurch bieten METLEHEM sehr wohl. Jetzt darf gerne mal ein Album kommen … aber bitte mit anderem Namen. Als METLEHEM wird euch niemand – NIEMAND! – in der Szene ernstnehmen, Jungs!
XANTAM – „LifeDeathBeyond“ (Demo-Re-Release)
Blood Harvest
VÖ: 25. Januar 2016
3 Tracks | 26:10 Minuten
Die kalifornischen Melodic Death Metaller XANTAM veröffentlichten 2015 eine Demo-CD namens „LifeDeathBeyond“, und diese wurde nun jüngst von Blood Harvest als Tape wiederveröffentlicht. (Die Ironie, dass die Demoversion als CD und die Labelversion als Tape erscheint, darf an dieser Stelle ruhig einen Moment genossen werden.) Aber egal: XANTAMs melodischer Death Metal klingt schraddelig und derbe nach Proberaum – aber gerade deshalb so erfrischend. Denn seien wir ehrlich: Allzu viel spannendes ist (abgesehen von SHADED ENMITY und den verschiedenen Projekten des Tuomas Saukkonen) in den letzten Jahren nicht im Melodic Death Metal passiert. XANTAM hingegen klingen eher wie eine obskure Black/Death-Metal-Band, die auf einmal Melodien für sich entdeckt hat, und das macht die Angelegenheit irgendwie sehr cool. Ein frühes Jahreshighlight was melodischen Death Metal angeht? Möglich!
XANTAM auf Facebook
XANTAMs „LifeDeathBeyond“ auf der Bandcamp-Seite von Blood Harvest