Heavy Trip
Die Filmkritik zur Metal-Comedy
Special
Im Rahmen des Fantasy Filmfests feiert die finnische Metal-Comedy „Heavy Trip“ (Originaltitel „Hevi Reissu“) diesen September ihre Deutschlandpremiere. Im Film geht es um eine Dorfband, deren Ziel es ist, einen Auftritt beim (fiktiven) Northern Damnation Festival in Norwegen an Land zu ziehen. Da sich Frontmann Turo (Johannes Holopainen) gegenüber seiner Angebeteten verplappert, weiß das bald das ganze Dorf. Nun müssen die Jungs entsprechend abliefern. Wir haben uns den Film in Berlin angesehen und uns sehr über den finnischen Originalton mit deutschen Untertiteln gefreut.
Das Fantasy Filmfest zeigt „Heavy Trip“ noch in folgenden Städten:
München: Donnerstag 20.09. 20:15 Uhr
Hamburg: Freitag 21.09. 20:15 Uhr
Frankfurt: Sonntag 23.09. 18:15 Uhr
Nürnberg: Donnerstag 27.09. 20:15 Uhr
Stuttgart: Donnerstag 27.09. 18:00 Uhr
„Heavy Trip“-Spoiler ahead
Wer den Film gerne relativ ungespoilert sehen möchte, der begebe sich direkt auf Seite 2, denn diese Seite hier befasst sich ausschließlich mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse im Plot. So ganz ohne Spoiler kommt aber auch die Kritik nicht aus. Wer also wirklich jungfräulich an „Heavy Trip“ herangehen will, liest am besten nur den letzten Absatz und die Wertung auf Seite 2!
Plot
Die Band um Sänger Turo besteht außerdem aus Gitarrist Lotvonen (Samuli Jaskio), Bassist Pasi (Max Ovaska) und Drummer Jynkky (Antti Heikkinen). Allesamt sind sie Außenseiter und werden im Dorf verhöhnt. Turo, der Inbegriff des introvertierten, aber dabei sensiblen Finnen, ergeht es dabei am schlimmsten. Die Band gibt es zwar schon seit 12 Jahren, doch eigene Songs, Auftritte oder gar einen Bandnamen hat sie bisher nicht. Um endlich auch live spielen zu können, müssen nun eigene Stücke her. Dabei tut sich die Truppe allerdings schwer. Durch Zufall finden sie dann ihren Sound, als Lotvonen im Rentier-Schlachthof seines Vaters aus Versehen ein halbes Rentier samt Schlachtmesser in den Fleischwolf schiebt. Der daraus resultierende Sound, genannt Symphonic-Post-Apocalyptic-Reindeer-Grinding-Christ-Abusing-Extreme-War-Pagan-Fennoscandian-Metal, wird der der Band werden. Schnell wird ein Demo eingespielt – auf Kassette versteht sich.
Durch Zufall verschlägt es den Promoter des norwegischen Northern Damnation Festivals auf den Schlachthof. Einen sonderlich guten Eindruck hinterlassen die Jungs bei ihm nicht, doch er nimmt ihr Demo an sich. Es folgt das Warten auf einen Rückruf. Zwischenzeitlich erwähnt Turo gegenüber seiner Angebeteten Miia (Minka Kuustonen) dummerweise den möglichen Auftritt. Die erzählt es prompt im Dorf herum. Turo, der zu schüchtern ist, die Sache aufzuklären, verstrickt sich immer mehr in der Fehlinformation, sodass am Ende sogar seine Bandkollegen denken, der Gig sei schon gebucht. Während Turo heimlich vor sich hinleidet, bereiten die anderen sich auf den Auftritt vor. Pasi eignet sich das Pseudonym „Xytrax“ an und wird nur noch in Corpsepaint und reichlich Spikes gesehen.
Norwegen, tot oder lebendig
Ein Bandname findet sich mit IMPALED REKTUM. Ein Gig in einer Dorfkneipe ergibt sich auch bald. Dieser endet jedoch im Desaster, da Turo sein Lampenfieber nicht unter Kontrolle bekommt und den Bürgermeister in der ersten Reihe vollkotzt. Zudem zündet sich Jynkky versehentlich an. Am gleichen Abend ruft das Festival an und teilt Turo mit, dass die Band in diesem Jahr dort leider nicht spielen können wird. IMPALED REKTUM scheinen am Ende zu sein, doch Jynkky hat noch viel vor. Bei der Umsetzung dessen kommt er aber leider bei einem Autounfall ums Leben.
Von Jynkkys Tod schwer getroffen will Turo ihm seinen letzten Wunsch, tot oder lebendig beim Northern Damnation aufzutreten, aber erfüllen. Er und der Rest der Band entführen kurzerhand Oula (Chike Ohanwe), einen Insassen aus der Irrenanstalt, in der Turo als Pfleger arbeitet. Dieser hat sich zuvor als genialer Drummer herausgestellt. Zudem buddeln sie Jynkky wieder aus, schnallen den Sarg aufs Dach und machen sich auf nach Norwegen. Obwohl die Dorfpolizei versucht, sie aufzuhalten und sie mit ihrem Van auf einer Klippe landen, schaffen sie es letztendlich mit der Hilfe einer Gruppe Larpern zum Festival. Auf einem Wikingerschiff laufen sie im dazugehörigen Hafen ein und laufen in offene Arme, denn die Band, die einen Irren entführt und eine Leiche ausgegraben hat, ist durch die Nachrichten mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund. So können IMPALED REKTUM doch noch auf dem Festival auftreten.
Was man den beiden Drehbuchautoren und Regisseuren Juuso Laatio und Jukka Vidgren auf jeden Fall lassen muss, ist, dass sie es auf immer wieder lustige Weise schaffen, Genreklischees durch den Kakao zu ziehen. Dass der Metalhead an sich ein gewisses Maß an Selbstironie besitzen muss, um sich nicht auf den Schlips getreten zu fühlen, ist klar. So manch trver Metaller mag deshalb so seine Problemchen mit dem Film haben. Albern sein ist schließlich nicht cvlt genug. Wer die Metalszene aber nicht ganz so verbissen sieht und auch mal über sich selbst lachen kann, wird garantiert seinen Spaß an „Heavy Trip“ haben.
Schon das Genre der Film-Band IMPALED REKTUM lässt schmunzeln. Zur Erinnerung, gespielt wird Symphonic-Post-Apocalyptic-Reindeer-Grinding-Christ-Abusing-Extreme-War-Pagan-Fennoscandian-Metal. Na, wen erinnert das an die sich immer weiter verzweigenden Genres, die wir alle so lieben? Auch die Art und Weise, wie die Jungs bei der Suche nach einem Bandnamen vorgehen, kann man sich so auch gut bei der ein oder anderen Band gewisser Genrezugehörigkeiten vorstellen. Gesucht wird nämlich ein Bandname, der möglichst eklig ist und Bezug auf Wörter wie Kotze oder Arsch nimmt.
Wer hat den trve Metallern eigentlich den Stock in den Arsch geschoben?
Letztendlich wird der Bandname gefunden, als einer der Dorfbewohner die Frage aufwirft, wer Pasi, der Persönlichkeitsmerkmale von Sheldon Cooper (aus der TV-Serie „The Big Bang Theory“) aufweist, eigentlich einen Stock in den Arsch geschoben hat. Pasi – Pardon, Xytrax – ist es auch, der sein enzyklopädisches Wissen über Bands gerne auch mal ungefragt zum Besten gibt. Teilweise sehr zum Leidwesen seiner Bandkollegen. Spaß versteht er nicht so wirklich, und er macht gerne verallgemeinernde Aussagen darüber, was im Metal wie zu sein hat. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, kennen die meisten von uns sicher auch den ein oder anderen, auf den diese Beschreibung passt. Was man Pasi allerdings lassen muss, ist, dass er das Ganze nicht wertend, sondern nur beschreibend kundtut.
Eine ganz gute Szeneparodie ist „Heavy Trip“ also auf jeden Fall, auch, wenn der Film sich im Grunde auf eine kleine Gruppe von Metallern konzentriert, die inmitten einer idyllischen Dorfgemeinde existiert. Wie sieht es aber mit der Musik aus? Da lässt sich sagen, überraschend gut. Der Soundtrack stammt immerhin auch von Lauri Porra, der seit 2005 den Bass bei STRATOVARIUS schwingt und zudem reichlich Erfahrung im Komponieren von Filmmusik hat. Gäbe es IMPALED REKTUM tatsächlich und würden sie so klingen wie im Film, ich würde sie mir jedenfalls anhören. Das Berliner Publikum klatscht sogar Beifall, nachdem die Band auf der Leinwand zum ersten Mal ihren Song spielt.
„Heavy Trip“ überzeugt mit mal subtilem und mal plattem Humor
Auch so mancher Gag in „Heavy Trip“ animiert die Leute im Kino zu Applaus. Fast keine Minute vergeht, ohne dass Gelächter im Saal ertönt. Für einige der Witze muss man eine gewisse Affinität zu Finnland haben, und das damit einhergehende Verständnis für seine Marotten. Da wir uns im Norden befinden (zur finnisch-norwegischen Grenze ist es nicht weit), kreuzt gerne mal ein Rentier unseren Weg, wie man sehen wird zum Teil mit fatalen Folgen. Weniger heiter ist die Perspektivlosigkeit, die für junge Leute im ländlichen Finnland herrscht. Diese wird jedoch auf lustige Weise thematisiert und ist auf eine gewisse Art auch das, was die Band antreibt.
Einige Schwächen hat „Heavy Trip“ aber definitiv ebenfalls. Der Plot ist mitunter holprig und wird gerade gegen Ende reichlich absurd. So wird durch einen einzigen, finnischen Dorfpolizisten die norwegische Nationalgarde – beziehungsweise deren Resterampe bestehend aus einem Haufen Amateur-Reservisten – mobilisiert, um die Band am Grenzübertritt zu hindern. Diese Situation eskaliert überaus schnell und kulminiert dann in der Explosion des Waffenlagers. Vielleicht ein wenig zu viel, um in den sonst noch einigermaßen realistischen Film zu passen. Auch die Tatsache, dass die Jungs von einer sehr hohen Klippe springen und dann geschlossen und vor allem unverletzt am Ufer eines Fjords angespült werden, lässt einen dann doch kurz mit den Augen rollen. Zudem findet ein Großteil des Films nicht on the road, sondern zu Hause im Dorf statt. Der eigentliche Trip umfasst nur ca. die letzten 20-30 Minuten von „Heavy Trip“.
Metal und Freundschaft
Betrachtet man „Heavy Trip“ aber als Ganzes, so kann man die Progression des Absurden am Ende dann doch irgendwie nachvollziehen. Man darf auch nicht vergessen, was man von so einer Komödie zu erwarten hat und was nicht. Spätestens als IMPALED REKTUM auf dem Wikingerschiff samt Besatzung auf dem Northern Damnation Festival einlaufen, Jynkkys Sarg auf die Bühne tragen und die Menge begeistern, bekommt man ein angenehm warmes Gefühl in der Magengrube. „Heavy Trip“ schafft es, seine Message rüberzubringen. Zusammenhalten und so das scheinbar Unmögliche schaffen; dabei über sich hinauswachsen und Hindernisse – ob innere oder äußere – überwinden; das geht am besten mit guten Freunden. Und guter Musik.
Wertung: 9/10