Hail Of Bullets
Kleine Geschichtsstunde mit Martin van Drunen: Die Texte auf "III The Rommel Chronicles"
Special
Die niederländischen Old School Death Metaller HAIL OF BULLETS veröffentlichen dieser Tage mit „III The Rommel Chronicles“ ihr drittes Album, das ein Konzeptwerk über das Leben und die Taten des berühmt-berüchtigten „Wüstenfuchses“ darstellt. Klare Sache, dass wir nicht das Album nicht nur mit einer Review versehen und uns dem Werk und seinem Kontext im Interview von musikalischer Seite nähern – wir haben auch bei HAIL OF BULLETS-Sänger und -Texter Martin van Drunen angeklopft und um eine Erläuterung des Textkonzepts gebeten. Eine kleine Rommel-Geschichtsstunde mit HAIL OF BULLETS:
Doch bevor wir uns dem Textkonzept selbst annähern, wollen wir erstmal wissen, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Nicht, dass Konzeptalben bei HAIL OF BULLETS eine Neuerung darstellen würden, aber nachdem auf „Of Frost And War“ (Krieg an der sogenannten deutschen Ostfront) und „On Divine Winds“ (Pazifikkrieg) zwei bestimmte Feldzüge des Zweiten Weltkriegs näher beleuchtet worden sind, geht es auf „III The Rommel Chronicles“ zum ersten Mal um den Werdegang einer bestimmten Person.
Martin dazu: „Tja, wie kam das. Sagen wir mal so, ich habe mittlerweile natürlich ziemlich viel über den Zweiten Weltkrieg gelesen, und wenn man viel über den zweiten Weltkrieg liest, dann stößt man automatisch über den Namen Erwin Rommel. Irgendwie hat der Mann dann ganz langsam angefangen, mich zu faszinieren, sodass ich einfach mehr über ihn wissen wollte. Also habe ich angefangen, mir Bücher zu kaufen und so hat sich mein Interesse dann immer mehr geworden, bis ich mich richtig darin vergraben habe. Damals haben wir noch an „On Divine Winds“ gearbeitet, und ich habe die Jungs direkt gefragt, wie es denn wäre, wenn wir auf der nächsten Platte sowas mal machen würden. Nur ein oder zwei Monate nach „On Divine Winds“ kam Stephan [Gebédi, Gitarre – Anmk. d. Red.] dann schon mit dem Albumtitel. Daraufhin haben alle gesagt, wow, das hört sich echt voll gut an. Und so habe ich dann angefangen, daran zu arbeiten.“
Und wieviel Lektüre liest Martin eigentlich im Zuge eines Albums? Wieviel Recherche steckt in einem Album, für das Martin das Textkonzept erarbeitet? „Puh, keine Ahnung, wie viele Bücher ich da so gelesen habe. Ist lese ja auch in verschiedenen Sprachen, ich lese alles, was ich auf Deutsch, auf Englisch und auf Holländisch finden kann. Insgesamt waren das für dieses Album wohl so sieben- bis zehntausend Seiten. Wenn ich wirklich an einer Scheibe arbeite, dann kann es auch sein, dass ich fünf, sechs Stunden am Tag lese. Aber auch normalerweise lese ich am Tag etwa zwei Stunden. Das ist bei mir normal.“
Nun aber zum eigentlichen Thema: die historische Seite von „III The Rommel Chronicles“. Interessant ist, dass Martin nicht nur den Afrikafeldzug behandelt hat, der mit Sicherheit die bekannteste Episode aus Erwin Rommels Leben ist. Stattdessen handeln die ersten vier Songs auf dem Album erstmal von Rommels Taten vor Nordafrika. Worum genau geht es da, Herr van Drunen?
„In den ersten beiden Songs geht es um seine Fronterfahrung im Ersten Weltkrieg. Dort hatte er zunächst in Frankreich gekämpft, später wurde er dann in Richtung südost geschickt, wo er gegen die Italiener und die Rumänen kämpfen musste. Da zeichnete er sich als junger Unteroffizier das erste Mal richtig aus. Später, als es gegen die Italiener ging, holte er sich auch das „Pour Le Mérite“, was für einen Unteroffizier schon eine Leistung war – das haben damals normalerweise nur Generäle bekommen. Damals war die deutsche Armee noch preußisch aufgebaut, da musste man eben schon einen Namen haben oder adelig sein, um es zum richtigen Offizier zu bringen. Dementsprechend war das was ganz Neues und zeigt, wie er sich schon damals ausgezeichnet hat. Es war also schon dort klar, was er drauf hat. Er hatte eben eine gewisse Einsicht in die Situation an der Front selbst.“
Damit wäre der Inhalt der ersten beiden Songs geklärt – und wie ging’s dann weiter? „Dann kam ja erstmal die lange Pause, die Weimarer Zeit bis die Nazis an die Macht kamen. Dort war er zunächst Ausbilder und hat an verschiedenen Schulen Kadetten unterrichtet. In der Zeit hat er auch sein Buch über seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg geschrieben, was man übrigens komischerweise sehr gut lesen kann. Ich denke immer, wenn so einer schreibt, müsste das langweilig sein. Es liest sich aber gut. Als dann der Zweite Weltkrieg kam, war man nicht zuletzt durch sein Buch auf ihn aufmerksam geworden. Hitler fragte ihn, ob er Befehlshaber sein wollte, und Rommel sagte, er hätte gerne eine Panzerdivision, die er auch gekriegt hat. Mit der ist er dann durch Frankreich durch, wo er sich auch wieder ausgezeichnet hat. Seine Division wurde dann die Gespensterdivision genannt wurde, weil sie so unglaublich schnell dadurch gerast sind, das hatte keiner erwartet. Sie waren dort, dann waren sie wieder dort. Unglaublich.“
Wäre das also geklärt. Die nächsten vier Songs auf dem Album handeln dann von Rommels Schaffen in Afrika selbst – wo ja auch jede Menge passiert ist, diverse Schlachten wurden geschlagen, wurden gewonnen oder verloren, man ist vorangestürmt und wurde wieder zurückgeschlagen. Auf welche Aspekte bezieht sich denn Martin in seinen Texten? „Zunächst einmal geht’s wieder um die Geschwindigkeit – es war ja noch nicht mal alles fertig, seine Truppen waren noch nicht einmal alle gelandet, da hat Rommel schon angefangen, sich zu orientieren und die Möglichkeiten abzuschätzen. Darin war er richtig gut – und die ersten Truppen, die gelandet sind, die Leichtdivision, hat er dann sofort an die Front geschickt. Damit hatten die Engländer überhaupt nicht gerechnet, die dachten, die Operation wäre noch im Aufbau. Das hat er voll ausgenutzt. Zunächst mal ist er mit den wenigen Mannschaften, die er hatte, durch ganz Libyen gerast. Das war das erste. Die Engländer haben natürlich eine Gegenoffensive gestartet und ihn zurückgeschlagen, aber auch da hat er wieder ganz geschickt gehandelt: Er konnte nicht nur gut angreifen, er konnte sich auch verdammt gut zurückziehen.
Dann sind so langsam auch die weiteren Divisionen angekommen, woraufhin er sofort die zweite Offensive gestartet hat. Die Knackpunkt war dann irgendwo Tobruk, was auch ein kleiner Fehler von ihm war, auch wenn er es dann doch noch eingenommen hat. Dann kam der Durchstoß und er war dann ja auch bei el-Alamein, was dann aber das Ende war. Auch, weil er eingesehen hat, dass dann nichts mehr aus der Unterstützung durch die Luftwaffe wurde. Die Waage war gerade das erste Mal im Krieg auf die Seite der Aliierten umgeschlagen, was zu ihrer Dominanz in der Luft geführt hatte. Das hat Rommel natürlich sofort eingesehen und hat auch gemeint, dass der Krieg zu diesem Zeitpunkt bereits verloren war. Und dann kam noch der geniale Rückzug von el-Alamein bis nach Tunis, wo er eigentlich kaum Soldaten verloren hat. Er wollte eigentlich noch das ganze Korps retten und von Afrika aus evakuieren, was Hitler aber nicht zugelassen hat – man musste ja bis zum Ende weiterkämpfen. Generell war er einer der wenigen, die Hitler nicht blind gefolgt sind. Auch der Rückzug aus el-Alamein ging ja auf seine eigene Kappe, nach Hitler hätte er dort weiterkämpfen sollen, ähnlich wie es Paulus in Stalingrad tat. Aber er wollte seine Soldaten eben nicht ohne Sinn und Zweck opfern.“
Doch damit hat es sich noch längst nicht – das waren die Inhalte der ersten acht Tracks auf dem Album. Zwei fehlen aber noch. Zunächst einmal „The Final Front“, worin es um die letzte Aufgabe Rommels im Zweiten Weltkrieg geht. Worum ging es denn da? „Na ja, die Aliierten sind damals in Syrien gelandet und er sollte zunächst in Italien die Alpenfront verstärken. Aber dann kam der Zustand in der Normandie, woraufhin man ihn dorthin schickte, um die Defensive zu verbessern und auch die Moral der Männer aufzuputschen. Aber auch dort gab es nicht die Mittel. Er hatte größere Pläne, mit denen er wohl auch was hätte erreichen können. Aber dann gab es eben zwei Führende in Frankreich, was Hitler ganz geschickt gemacht hat. Er wollte die Leute immer gegeneinander ausspielen, es sollte keiner irgendwo alleine entscheiden können. Er wollte damals eine Panzerdivision in der Nähe des Strandes, aber hinter der ersten Verteidigungslinie. Sein Konkurrent meinte aber, das sehe er nicht vor, worauf es dort schon zum Streit kam. Na, und dann kam am D-Day die Landung in der Normandie, wo natürlich alles zu spät war. Er war an dem Tag übrigens gar nicht vor Ort – ich glaube, er hatte zu Hause seinen Geburtstag gefeiert. Am kritischen Punkt war er also kurz nicht da und man hat ihn auch nicht schnell genug versucht zu erreichen.“
Das war dann also die letzte Front Rommels – ein Song bleibt trotzdem noch aus: „Death Of A Field Marshal“, der Tod eines Feldmarschalls. Eine Geschichte, die in der Literatur bis heute diskutiert wird: „Das Attentat auf Hitler war zur Zeit der Normandie schon geplant gewesen und nach allem, was ich darüber gelesen habe, wird noch heute diskutiert, ob Rommel davon gewusst hat. Ich glaube, er hat davon schon gewusst, war aber nicht daran beteiligt. Er selber wollte Hitler wohl vor’s Kriegsgericht bringen und dort entscheiden lassen, wie schuldig er war. Er meinte wohl, er sei kein Mörder. Das mag sich komisch anhören, war wohl aber so. Er dachte dabei wohl auch an eine mögliche Demoralisierung seiner Männer.“
Und wie kam es dann zur Ermordung, bzw. zum aufgezwungenen Freitod Rommels? Rommel wurde von den Nazis vor die Wahl gestellt, sich selbst mit Cyanid umzubringen oder unehrenhaft zu sterben – er wählte das Cyanid. Aber wie kam es denn eigentlich dazu? „Die Frage ist natürlich, ob die Nazis wirklich glaubten, dass Rommel am Attentat beteiligt war, oder ob er einfach zu gefährlich und zu kritisch wurde. Ich selber schätze, es war letzteres. Rommel ist damals von der Normandie aus selber nochmal zu Hitler gefahren und hat ihm gesagt, es sei aus und vorbei und man sollte doch jetzt lieber mit den Aliierten sprechen, bevor am Ende die Katastrophe im Osten stattfindet. Hitler hat sich natürlich geweigert, aber Rommel ist wohl der einzige gewesen, der das sehr offen mit ihm besprochen, es ihm ins Gesicht gesagt hat. Und nach dem Attentat ist Hitler natürlich vollkommen paranoid geworden. Jetzt war natürlich die Schwierigkeit, dass Rommel bei den Deutschen unheimlich populär war. Man konnte es nicht bringen, ihn hinzurichten, es musste einfach so geschehen. Man hat seinen Tod dann als Folge einer alten Verletzung dargestellt – die gab es auch wirklich, als er zurück in die Normandie fuhr, ist sein Wagen von einem englischen Jagdbomber angegriffen und getroffen worden, wobei er sich einen Granatsplitter im Schädel eingefangen hat. Die Nazi-Propaganda hat dann natürlich erzählt, er sei an dieser Kriegsverletzung gestorben. War aber natürlich nicht so, er war vorher schon wieder fit.“
Damit hätten wir das Album also thematisch beleuchtet. Wer sich weiter mit dem Thema beschäftigen möchte, dem wird von Martin für den Anfang „The Rommel Papers“ empfohlen, die von Erwin Rommels Sohn zusammen mit dem britischen Autoren Littleheart aufbereiteten Tagebücher. Bleibt noch zu sagen: Danke, Herr van Drunen. Doch Martin ist wichtig, zum Abschluss noch eine Sache klarzustellen: „Ich möchte dazusagen: Hätte ich rausgefunden, dass Rommel richtig fanatischer Nazi gewesen wäre oder Kriegsverbrechen begangen hätte, dann hätte ich das ganze Thema sofort gelassen. In alllem, was ich gelesen habe, in allem, was ich an Informationen zusammengetragen habe, konnte ich nirgendwo feststellen, dass das der Fall war. Er war zwar ein Bewunderer Hitlers, das waren damals viele, aber er sich aus den Nazisachen immer herausgehalten. Er hat seine Gefangenen immer gut und nach den Genfer Konventionen behandelt und er wollte auch nicht, dass seine Soldaten Verbrechen begehen, Das noch zu sagen ist mir wichtig, denn das war der einzige Grund, warum ich damit immer weitermachen konnte. Ich hätte natürlich auch über Montgomery oder Patton, was ja auch solche Zweite-WeltkriegsIkonen sind. Der Unterschied zwischen denen und Rommel ist nur, dass letzterer mit wenigen Mitteln Siege geholt hat, während die anderen alles hatten, was sie haben wollten. Das wollte ich noch kurz loswerden.“
Völlig zurecht, Martin – denn problematisch ist die Verarbeitung solcher Thematiken sicherlich immer, der schmale Grat zur Verherrlichung wird gerne auch überschritten. Nicht jedoch im Hause HAIL OF BULLETS: Martin ist ein Mann, der weiß, mit welch heiklen Thema er es zu tun hat. Dessen war sich der Verfasser dieser Zeilen noch nie so sicher wie nach diesem Gespräch.