H.P. Lovecraft
Encyclopaedia Necronomica - ein Überblick über seine gesammelten Werke
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Was macht die besondere Faszination, die seine Werke ausüben, aus? Insbesondere heutzutage, wo doch die Erzählungen eigentlich eher in einer Zeit des „wissenschaftlichen Aufbruchs“ entstanden sind. Sind wir nicht eigentlich vollständig „entmystifiziert“ in der heutigen Gesellschaft?
PH: „Das ist eine sehr interessante Frage, weil sie uns zu der Frage führt, warum Lovecraft überhaupt als Begründer der modernen Horrorliteratur – mit Betonung auf „modernen“ – gilt. Der Unterschied zwischen Lovecraft und etwa seinem großen Vorbild Edgar Allan Poe ist der, dass Poes Gruselgeschichten immer in der Welt des Übernatürlichen, Magischen stattfinden. Lovecraft dagegen beschäftigte sich intensiv mit verschiedenen Feldern der Wissenschaft – Biologie, Chemie, Physik, Astronomie und Mathematik – um seinen Geschichten damit ein glaubwürdiges Fundament zu verleihen. Er geht auf mathematische und physikalische Theorien zu Zeitreisen ein, beschreibt seine Monster mit biologischen Fachbegriffen und erklärt, welche außerirdischen Hochkulturen in welchen Erdzeitaltern auf der Erde gelebt haben und wie die Kontinentalverschiebung ihr Dasein beeinflusst hat. Mit anderen Worten: Er begibt sich auf eine Schnittstelle zwischen Horror und Science-Fiction, an der die grauenhaften Ereignisse seiner Geschichten plötzlich real, da wissenschaftlich erklär- und beweisbar erscheinen. Die Verlagerung vom Mystischen hin zum Rationalen eliminiert Lovecrafts Horror also nicht, sondern intensiviert ihn sogar.“
Unterstützung für dieses Projekt kam auch von der „Deutschen Lovecraft Gesellschaft e.V.“. Gemäß Satzung ist „der Zweck des Vereins die Förderung von Kunst und Kultur durch die kritische Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk Howard P. Lovecrafts sowie die zeitgenössische Interpretation dieser.“ Ein nobler Zweck, kann man sagen, ist H.P. Lovecraft im deutschprachigen Raum doch weitaus weniger geläufig als andere Klassiker der Literatur…
Die Literatur von Lovecraft scheint im deutschsprachigen Raum keinen derartigen Stellenwert zu haben wie z.B. im englischsprachigen. Würdest Du das auch so sehen, und warum ist das so?
PH: „Der Unterschied ist wirklich gewaltig, das stimmt. Von der Metalszene war ich es noch gewohnt, dass so ziemlich jedem Ansprechpartner Lovecraft zumindest ein Begriff ist, deshalb war ich etwas erstaunt, als ich mit meiner Bachelor-Thesis angefangen habe und erstmal jedem meiner Kommilitonen erklären musste, wer Lovecraft ist. Während die Kampagne lief, erreichten mich dann etliche Anfragen aus den USA, ob ich das Buch auch auf Englisch übersetzen würde – und das, obwohl ich nur die deutsche Kickstarter-Seite genutzt habe und mein kompletter Kampagnentext auf Deutsch war. Ein amerikanischer Kommilitone hat mir erzählt, dass in der direkten Umgebung seines Heimatortes mehrere Kneipen existieren, die sich nach Lovecraft-Texten benannt haben, und das, obwohl er von der Westcoast stammt, also vom exakt entgegengesetzten Ende Amerikas, an dem Lovecraft lebte. Woher dieser mangelnde Bekanntheitsgrad Lovecrafts im deutschsprachigen Raum rührt, kann ich allerdings selbst nicht erklären. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass die Autoren, die Lovecraft durch ihre Fortsetzungen seiner Geschichten so berühmt gemacht haben, alle aus den USA stammen und zeitlebens selbst oft nicht außerhalb der Staaten wahrgenommen wurden.“
Das Buch enthält auch ein Kapitel über Lovecrafts Einfluss auf die Musik – insbesondere den Metal. Wo siehst Du selbst die Verbindung zwischen Metal und Lovecrafts Universum?
PH: „Metal war schon immer eine Musikrichtung, die sich außergewöhnlich stark mit literarischen Themen befasst hat. Allein mit der Menge an Tolkien-Vertonungen könnte man eine ganze Veranstaltungsreihe mehrere Abende lang mit Musik beschallen, ohne dass sich ein Song wiederholen würde. Aber auch andere Autoren werden immer wieder gewürdigt – jedem Metalfan dürften spontan einige Lieder zu Poe, LaVey oder Hemingway einfallen. Lovecraft dürfte aber nach Tolkien aber der am zweithäufigsten im Metal-Stil vertonte Schriftsteller der Weltliteratur sein. Schon auf dem Debüt von Black Sabbath, das ja als Initialzündung des Metal gilt, taucht er in „Behind the Wall of Sleep“ auf – passenderweise direkt nach dem Tolkien-inspirierten „The Wizard“.
Was die Gründe für diese wirklich auffällige Lovecraft-Fixierung der Metalszene angeht, muss ich auch etwas spekulieren. Natürlich ist da erstmal die Metal-typische Vorliebe für Horror, Fantasy, Science-Fiction, Okkultismus und allgemein düstere und mystische Themen. Dann trägt wahrscheinlich auch der Fakt, dass der Lovecraft-Mythos immer weiter fortgeschrieben und weiterentwickelt wird, auch dazu bei, dass viele Künstler ihren Beitrag zu dieser Entwicklung leisten wollen. Und letztendlich schwingt in Lovecrafts Texten immer dieser abfällige Nihilismus mit, nach dem der Mensch nur ein schwacher, unbedeutender Funke im Universum, ein Spielball entsetzlicher außerweltlicher Mächte ist – eine sehr passende Metapher, die bei Black oder Doom Metal wie die Faust aufs Auge passt.“
Diese Frage haben wir im übrigen auch einigen Musikern gestellt – was unter anderem Schwadorf von THE VISION BLEAK und Byron Roberts von BAL-SAGOTH dazu sagen lest ihr in „Die 10 hingebungsvollsten H. P. Lovecraft-Projekte“. Aber den ersten Gehversuch in diese Richtung wagten wohl die Psychedelic-Rocker H.P.LOVECRAFT 1967.
Mehr über das Werk und die Bezugsmöglichkeiten auf der folgenden Seite…
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Ein sehr interessanter Artikel!