Gravenhorsts Graveyard
Warum waren Van Halen nie richtig groß?
Special
Es gab kein Entkommen, da konnte ich so viel scrollen, wie ich wollte. Mitternacht am 7. Oktober gab es in meinem Facebook-Feed kein anderes Thema als den Tod von Eddie Van Halen, eine Sammlung von Superlativen und Anekdoten. Der nicht gerade bescheidene Yngwie Malmsteen nannte ihn einen der absoluten Giganten, Paul Stanley erinnerte sich daran, wie er ihn 1976 in einem Club spielen sah und Sammy Hagar postete ein Bild, auf dem Eddie seinen Arm um seine Schulter gelegt hat. Jeder, der nach 1978 mit dem Gitarre spielen anfing, war von ihm beeinflusst. Wenn jemand zu den herausragenden Gitarristen gehört, dann definitiv der Niederländer.
Wandlungsfähig
Und das ist nicht einmal alles. Das Debüt der gleichnamigen Band ist ein unfassbar unbekümmertes Album, das die Hits einfach aus dem Ärmel schüttelt. Wie ich in meiner Review zu dem Album festhielt, ist es das erste Glam-Metal-Album, damals noch völlig roh. Später aber nicht mehr. Auch wenn „1984“ im direkten Vergleich abstinkt, so ist der Charaktertest hier phänomenal. Sie eignen sich den Stil ihrer Fans an und spielen ihn mit einer Leichtigkeit, so dass man denken könnte, dass sie ihn erfunden hätten.
Aber angesichts dieser herausragenden Technik und Songs ist es verwunderlich, dass VAN HALEN doch nie zu den großen Legenden gezählt haben, sie immer eine Stufe unter METALLICA oder AC/DC, aber auch GUNS N‘ ROSES waren. Die Verehrung für diese Band beschränkt sich in Deutschland auf die Metal-Szene, wenn man mal von dem eigentlich sehr untypischen Song ‚Jump‘ absehen will. Wie konnte das nur passieren?
Everbody wants some??
Einleitend sollte man festhalten, dass es sich hier um ein Europa-/Nordamerika-Gefälle handelt. Während in Deutschland die Wertschätzung kühl ist, sind VAN HALEN in den USA beliebter. Von den wohl rund 80 Millionen Alben, die weltweit verkauft wurden, entfallen 56 Millionen auf die USA, was 70% entspricht. Bei AEROSMITH beträgt der US-Anteil nur 44%. Zudem halten sie dort einen größeren Einzug in die Popkultur, wurden in Serien wie How I Met Your Mother oder South Park erwähnt. Warum reicht es hier nicht für die Riege der Großen?
Das dürfte vor allem am ungewöhnlichen Karriereverlauf liegen. Mit ihrem Debüt haben sie sofort ein Meisterwerk abgeliefert. Im Gegensatz zu anderen Bands mussten sie sich nicht über Jahre etablieren und eine Fanbase aufbauen, sondern das war alles auf einen Schlag da. Schwieriger wurde es, den Erfolg zu halten und nicht als One-Hit-Wonder in der Versenkung zu verschwinden. Es gelang nur mäßig. „II“ war eine seelenlose kommerziellere Version des Erstlings, „Fair Warning“ und „Diver Down“ waren zu stark von den Bedürfnissen des durchschnittlichen Rockers entfernt. In dieser Tiefphase wurde lediglich das freche „Women And Children First“ positiv aufgenommen.
Fünf Jahre ohne Hit-Album waren damals eine lange Zeit, in der die NWoBHM und neue Bands wie MÖTLEY CRÜE den Ton angaben. Die Kehrtwende gelang erst 1983, als „1984“ erschienen ist und die Combo gleich mehrere Hits landete. Ab dem Zeitpunkt ging es so langsam über in die übliche Biografie einer erfolgreichen Rockband. Sicherlich sind solche Popularitätsschwankungen hinderlich, aber dennoch hat sich der Legendenstatus in den USA durchgesetzt. Woran könnte es noch liegen?
Jump
Ein weiterer Grund dürfte sein, dass die Band kaum durch Europa getourt ist. 1978, 1979, 1980, 1984 als Teil von „Monsters Of Rock“, 1993, 1995 als Vorgruppe von BON JOVI und einige Sommer-Konzerte 1998 mit Gary Cherone. Wenn man sich auf die Vollständigkeit von VH Archives verlassen kann. Das würde bedeuten, dass seit dem letzten Europa-Konzert sich VAN HALEN mit Sammy Hagar und David Lee Roth wiedervereinigt haben, ohne dass global zu zelebrieren. Viele in den USA populäre Bands kommen unregelmäßig nach Europa, doch das stellt eine weitere Stufe dar. Dieser Europa-Boykott sorgt natürlich dafür, dass Liebschaften abkühlen und auch neue Generationen immer eine gewisse Distanz zur Band haben. Wobei es für eine Reunion in nahezu originaler Besetzung zweifellos einen Markt gegeben hätte.
Runnin‘ With The Devil
Der letzte Grund ist banal, hat aber auch einen gewichtigen Anteil an dieser Situation: Die Stile, die auf den beiden Hitalben von VAN HALEN bedient wurden, waren in Europa nicht sonderlich beliebt. Mit ihrem Debüt haben sie sich an den US-amerikanischen Seventies-Rock angelehnt, der in Deutschland eher zurückhaltend rezipiert wurde. Ähnliches gilt auch für „1984“. ‚Jump‘ passte zwar perfekt in den Mainstream-Achtziger-Zeitgeist, ist für die Band aber ungewohnt synthielastig. Und auch Glam Metal war ein Phänomen, welches in den USA einfach größer war. 1984 brachten DESTRUCTION, GRAVE DIGGER und RUNNING WILD ihre ersten Veröffentlichungen heraus, womit sie die ganze Aufmerksamkeit auf sich zogen.
VAN HALEN hatten hier nicht den Rückenwind, weswegen sie sich um Europa gar nicht mehr bemüht haben. Darum sind sie in der Nische geblieben. Auch wenn das schade ist, so ist das beileibe nichts schlimmes. Den Schaden trägt in erster Linie die Band selbst, dann ihre Geschäftspartner. Aber wir Musikhörer können uns aufspielen, wenn irgendein Grünschnabel findet, dass ‚Jump‘ ein guter Song ist oder Angus Young ein guter Gitarrist. Und nur darum geht es doch.
VAN-HALEN-Songs, die gerne mehr Beachtung finden dürfen:
1. I’m The One
2. Top Jimmy
3. Everybody Wants Some
4. In A Simple Rhyme
5. Jamie’s Cryin
VAN-HALEN-Songs, die gerne weniger Beachtung finden dürfen:
Forever Number 1: Jump
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Stile | Classic Rock, Epic Doom, Funeral Doom Metal |
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Also, wenn ich mich nicht täusche, bin ich mir ganz sicher VH 1993 als Headliner in der Essener Grugahalle gesehen zu haben?!
Da hast du Recht, das Jahr habe ich übersehen. Danke für den Hinweis. Ist im Text korrigiert.