Gravenhorsts Graveyard
Mai 2020
Special
Das Album, welches ich letztes Jahr am meisten erwartet habe, war das dritte Studioalbum von NIGHT DEMON. Die Veröffentlichung von ebenjenem ist immer noch nicht angekündigt, aber trotzdem gibt es neue Töne aus Ventura, Kalifornien. In den letzten Monaten erschienen mit ‚Empires Fall‘ und ‚Kill The Pain‘ zwei neue Songs. Das Besondere: Sie wurden auch in physischer Form als 7″-Single veröffentlicht.
Die Vinyl-Renaissance wird oft zu allgemein gesehen und dabei geht aus dem Blick, was wirklich sein Comeback gefeiert hat: Das Album. Inmitten der Digitalisierung des Musikkonsums und der Fixierung auf playlist-taugliche Songs stellen die Vinylisten eine Gegenbewegung dar. Sie wollen das Album als ein Gesamtkunstwerk wahrnehmen, nicht als Sammlung von nicht-zusammenhängenden Songs. Da auf einer 7″ ein Song aber immer aus dem Albumkontext gerissen wird, konnte sie nicht vom Hype profitieren.
Es dreht sich weiter
Diese Renaissance veränderte sich in den letzten Jahren. Sie weitete sich im Rahmen einer Nostalgie auch auf andere Formate aus. Neben der VHS und MCD gehört dazu auch die 7″-Single. Was macht aber den Reiz jener aus? Da wäre zunächst das Haptische zu nennen, was sich bei Vinyl natürlich immer ergibt. Der Reiz im Gegensatz zur CD-Single besteht darin, dass sich LP und Single in ihrer äußeren Form merklich voneinander unterscheiden.
Zudem ist da der Bonus der B-Seite. Wenn die Band oder das Label unkreativ ist, packen sie dort einfach einen weiteren Song des Albums drauf. Aber im Falle von IRON MAIDEN etwa gibt es dort oft exklusiven Content, zumeist Coverversionen. Besonders in Erinnerung blieb aber die B-Seite von ‚2 Minutes To Midnight‘. Sie enthielt einen Streit zwischen Steve Harris und Nicko McBrain.
Zaghaftes Comeback
Als Liebhaber-Produkt hat es sich zuletzt bewährt. So haben VULTURE vor ihrem letzten Album ‚B.T.B.‘ veröffentlicht, welches schnell ausverkauft war und auch NIGHT DEMON können in schöner Regelmäßigkeit „Ausverkauft“ vermelden. Es gibt also eine Nachfrage nach weiteren 7″-Veröffentlichungen. Mein Wunschszenario wäre es, wenn im Vorfeld einer Albumveröffentlichung die erste Single zunächst auf 7″ im Plattenladen erhältlich ist und erst Wochen später digital verfügbar gemacht wird. Aber dafür ist die Welt noch nicht weit genug.
Top 5 der dieses Jahr erschienen Metal-Songs, von denen ich mir eine 7″-Single kaufen würde
1. STALLION – No Mercy
2. DOOL – Wolf Moon
3. FREEWAYS – Sorrows (Was Her Name)
4. KONVENT – World Of Gone
5. BODY COUNT – Bum-Rush
DARK PASSAGE – The Legacy Of Blood
Heavy Metal
Rockshot Records
VÖ: 3. April 2020
16 Songs/56:31
Fave-Single: When I Killed The King/Crown Prince
So früh schon so ambitioniert: Das Debüt „The Legacy Of Blood“ (Ein Euro in’s Phrasenschwein.) der Italiener DARK PASSAGE ist ein Konzeptalbum. Und zum Glück vermeiden sie darauf die üblichen Fehler. Die Songs und der Sound sind nicht zu überambitioniert, sondern sich ihrer Stärken bewusst, die sie dann auch ausspielen. Einzig die (zumeist unverstärkten) Zwischenstücke sind da typischerweise auszumachen. Aber die Italiener nehmen sich auch Zeit für Intros und Gitarrenspielereien. Somit kommen runde Songs heraus. Als einzige Schwäche lässt sich der nicht schlechte, aber doch nicht befriedigende Gesang ausmachen. Dennoch sollte man sich durch ihn nicht um dieses Juwel bringen lassen.
PARALYSIS – Mob Justice
Crossover Thrash
No Dust Records
VÖ: 29. Mai 2020
10 Songs/29:17
Fave-Single: Nihilist/Cut Short
PARALYSIS möchten sich nicht in den Genre-Durchschnitt einsortieren: Sie sind seit zehn Jahren aktiv und haben durch zwei EPs und ein Album von sich reden gemacht. Der erfolgreichste Clip auf YouTube ist ‚You Can’t Win‘ mit Gerre als Gastsänger. Mit „Mob Justice“ folgt nun der Zweitschlag auf dem sie ihren Crossover Thrash weiterentwickeln. Elemente des Black Metals halten Einzug, so überdeutlich beim Gesang von Jon Plemenik, der in einer schwärzeren Kapelle wohl nicht weiter stören würde. Hohe Geschwindigkeit ist eher nachrangig, der Drummer ist nicht so schnell. Dazu überschreiten viele Songs auch die Drei-Minuten-Marke und brechen deutlich mit den klassischen Song-Schemen. ‚Oblivious‘ erweist sich als ganz schön komplex. ‚Nihilist‘ kommt mit starken Riff. Ganz nett, wenn man sich ein bisschen zurücklehnen will und keine Probleme mit repetitiven Songs hat.
SHOK PARIS – Full Metal Jacket
Hard Rock/NWoBHM
No Remorse Records
VÖ: 29. Mai 2020
11 Songs/44:11
Fave-Single: Black Boots/Do Or Die
Müssen SHOK PARIS sich ihren ersten Eindruck unbedingt so sehr versauen? Ein Dekolletee als Cover ist direkt aus zwei Gründen verwerflich: Da wäre die zunächst schamlose Reduktion der Frau auf ihren Körper und andererseits der schale Beigeschmack, dass sich die Band nicht wirklich Gedanken über ihr Cover gemacht hat und deswegen ein aufsehenerregendes gewählt hat, wobei sie das dank der drei Underground-Klassiker aus den Achtzigern eigentlich nicht nötig hätte. Dennoch sind die Sympathiewerte eigentlich schon vor dem ersten Anhören im Keller, aber das würde der Platte ungerecht werden. Die größte Schwäche vorneweg: Der Sänger ist in die Jahre gekommen – geschenkt. Dafür entschädigen aber Hits wie ‚Black Boots‘, kreatives, wenngleich auch nicht besonders innovative Songs und die melodiösen Gitarrensoli, welche die Fähigkeiten der Gruppe gut dokumentieren. Die banale Lektion des Albums für den Hörer lautet, dass man sich nicht von seinem ersten Eindruck leiten lassen sollte. Für die Band, dass man auch als Band aus den Achtzigern mit der Zeit gehen muss.
SOLDATI – Doom Nacional
Stoner Rock
Argonauta Records
VÖ: 24. April 2020
7 Songs/49:58
Fave-Single: Suicide Girl/Un Tren Al Sol
Sergio Ch ist kein Unbekannter. Als Sänger von LOS NATAS gehörte er zu den Aushängeschildern des argentinischen Stoner Rock. Nachdem sich die Band 2012 aufgelöst hat, veröffentlicht er nun mit SOLDATI das Debüt „Doom Nacional“. Hier verhält es sich leider, wie bei den meisten Nebenprojekten: Der Geist des Originals fehlt. Wo die Hauptband durch psychedelische und folkloristische Elemente noch erfrischte, so sind diese hier verschwunden. Die Wüste breitet sich wieder aus. Dabei verstehen es die Argentinier auch, Schwung in die Angelegenheit reinzubringen, wobei auf der vollen Albumdistanz dann doch merklich die Ideen ausgehen. Das macht der Charme aber wieder wett.
WALK THROUGH FIRE – Vår Avgrund
Funeral Doom
Wolves & Vibrancy Records
VÖ: 27. März 2020
7 Songs/76:45
Fave-Maxi-Single: Vägar Mot Slutet/Ett Inre Krig
Das erste, was bei den ersten Tönen dieses Funeral-Doom-Albums ins Ohr sticht, sind die unverzerrten Gitarren. Man ist dazu geneigt, die Abkürzung des Band-Namens laut auszusprechen. Doch es gibt Entwarnung: Natürlich gibt es auch Parts mit verzerrten Gitarren und damit nicht genug, auch weitere Instrumente bereichern den Sound. Gerade die schiefen Saxophone und die Hammond-Orgel sorgen für eine erhebliche Auflockerung. Das Schlagzeug und der Gesang erfahren einen wesentlich geringeren Einsatz. Dabei ist insbesondere auch die Dramaturgie des Albums hervorzuheben, welches wie eine Abwärtsspirale immer düsterer wird. Dieser Eindruck verschleppt sich zwar durch die Repetition, kommt aber zum tragen. Darüber hinaus vermögen es auch die unkonventionellen Songstrukturen, das Interesse des Hörers auf sich zu ziehen. Letztlich bestechen WALK THROUGH FIRE nicht nur durch durchdachte Songs, sondern auch durch die Ausweitung des Klangbilds und die daraus resultierende packende Atmosphäre.
ZOLLE – Macello
Noise Rock/Sludge
Subsound Records
VÖ: 3. April 2020
9 Songs/27:14
Fave-Single: S’offre/L’ara
Wie es für Sludger eher ungewöhnlich ist, kommt das Album ohne Gesang aus, nur der Opener ‚S’offre‘ stellt da eine Ausnahme dar. Also instrumentaler Stoner Rock. Das gelingt besser als man manchen Unkenrufen glauben mag. Das Duo ist sich bewusst, dass es da eine Vielzahl an guten Ideen braucht, um die halbe Stunde unterhaltsam zu gestalten, die sie auch haben: ‚M’io‘ fällt durch die Blues-Rock-Gitarre auf, ‚M’accetta‘ versprüht durch die Synthies Techno-Vibes und ‚L’ama‘ verarbeitet spielerisch das zugrunde liegende Riff. Die Songs einzeln zu betrachten ist aber etwas unsinnig, da sie gerade in ihrer Gesamtheit die rohe Offenheit eines Jams entfalten. Dazu muss man auch den Verlauf positiv werten. Während es gerade zu Beginn noch einige optimistische Töne gibt, so wandelt es sich im Verlauf. Bei „Macello“ handelt es sich um einen völlig unerwarteten Geheimtipp.