GLÜCK IN DOSEN
Ein Blick hinter die Sammelkulissen
Special
Spenden auf einem Festival sammeln? Gar nicht so einfach, selbst wenn man die Leute gerade beim entspannten Flanieren mit der Kaltschale auf dem Infield erwischt. Doch im Jahr 2013 hatten Mitglieder des Rotaract Club Clausthal-Zellerfeld eine Schnaps- oder doch viel mehr eine Bier-Idee: Ihr saufen, wir laufen! Also mit eurem Pfand zur Abgabestelle. Die Erfolgsgeschichte auf dem ROCKHARZ-Festival ist vorprogrammiert.
10 Jahre später hat sich der gesammelte Betrag ganz geschmeidig 1300-fach erhöht und 24.000 Besucher:innen generieren eine sagenhafte Summe von rund 70.000 Euro. Pro Person in Bierdosen umgerechnet ergibt sich … ein nicht ganz zu verschweigendes Alkoholproblem. „Allerdings kann man ja auch Unalkoholisches konsumieren“, so Manuel, der 1. Vorsitzende des GLÜCK IN DOSEN e.V.
Bei heißem Wetter würde sich die Zusammensetzung der Pfandspende dementsprechend vermehrt in PET-Wasserflaschen statt in Bierdosen niederschlagen. Aber auch beim ROCKHARZ 2024 ging es wieder mehr in Richtung Gerstensaft.
GLÜCK IN DOSEN: Von der Supermarktkasse zur Recyclingfirma
Heutzutage ist die Spendenmenge so groß, da macht GLÜCK IN DOSEN natürlich keinen Umweg über einen Supermarkt, sondern steuert mit diversen LKW-Fuhren direkt die Recyclingfirma an. Zuvor sortieren viele ehrenamtlich helfende Hände die PET- und Weißblechspenden mit dem begehrten Pfandsymbol. Pfandfreie Dosen aus dem Ausland kommen gar nicht mehr so häufig vor: „Tatsächlich sagen viele Leute, ‚Wir fahren jetzt nicht mehr nach Dänemark, in die Niederlande oder nach Tschechien, weil die Dosen zu euch gehen. Da sind sie gut aufgehoben‘“. Außerdem spare man sich auch die zusätzliche Autofahrt und den Sprit. Doch auch herausgefischte pfandfreie Dosen sind nicht für die (Restmüll-)Tonne. Die Zusammenarbeit mit einer Weißblech-Recyclingfirma schlägt noch ein paar gequetschte Euronen auf die Spendensumme drauf.
Als Manu und seine Rotaract-Kolleg:innen damals mit dem Pfandsammeln begannen, studierten sie noch. Heute sind sie berufstätig und nehmen sich extra Urlaub für das ROCKHARZ und GLÜCK IN DOSEN. Doch Nachwuchs kommt stetig nach. „Es macht offensichtlich Spaß, sonst hätten wir nicht so viele freiwillige Helfer.“ Und viele können es danach einfach nicht mehr lassen und kommen Jahr für Jahr zurück. „Es entstehen richtige Freundschaften zwischen den Helfern aus ganz Deutschland“, erzählt Manu. „Und man freut sich, wenn man sich ein- oder zweimal im Jahr auf dem Festival und zur Spendenübergabe trifft.“
Dosenwerfen mal anders
Damit die Spendensumme maximal üppig ausfällt, wollen sie die Fremdkosten – von Einweghandschuhen über Müllsäcke bis hin zur Verpflegung – so gering wie möglich halten. „Durch das Ehrenamt und die enge Kooperation mit Dani [Daniela Glogner, Mitbegründerin und Veranstalterin des ROCKHARZ, Anm. d. Red.] müssen wir viele Kosten nicht selbst tragen“, erzählt Manu. „Letztes Jahr hatten wir bei einer Summe von 70.000 Euro knapp 4.000 Euro an Ausgaben. Das ist eine Relation, bei der man keine Bauchschmerzen haben muss.“
Und der nächste Schritt? „Wir haben es bisher noch nicht so richtig publik gemacht, aber wir versuchen über die Festivalbesuche auch ein paar Fördermitglieder anzuwerben.“ Denn über Vereinsspenden ließe sich einiges abfedern, so Manu. „Dann könnte alles, was wir an Spenden sammeln, eins zu eins an die Projekte rausgehen. Das wäre unser Traum.“
Der größte Einfluss ist und bleibt jedoch die Pfandspendenbereitschaft von uns allen. Und manches Camp nimmt das sportlich. Noch an diesem Tag kam eine bereits bekannte Gruppe zum Wurfstand und sammelte 136 Stempel. Jeder Stempel bedeutet: eine Dose, die das Loch in der Wand getroffen hat. Die „GLÜCK IN DOSEN“-Sticker, in die man die gesammelten Stempel umwandeln kann, sind mittlerweile zu einem begehrten Sammelobjekt avanciert und landen auf Campingtischen oder Autos.
Malerkrepp statt Panzertape
Sportlich nehmen es auch die kreativen Dosenkünstler:innen: ob Giraffen in Menschengröße, der eiserne (oder eben weißblecherne) Thron aus Game Of Thrones, Dososaurier oder ganz klassische Dosen-Dackel. Alle möglichen Gebilde stehen am Ende im Dosen-Sortierbereich. Doch so unterhaltsam die Kunstwerke auch seien, das zusammenhaltende Panzertape ist eine undankbare Angelegenheit. In der Zeit, in der die Dosen von ihrem klebenden Gerüst befreit werden müssen, könnten sie etliche andere Dosen sortieren, sagt Manu. Und hat einen Lösungsvorschlag: Malerkrepp geht deutlich leichter wieder ab.
Bleibt noch eine spannende Frage: Wie viel kommt wohl 2024 für die Kinder- und Jugendprojekte zusammen? Die sich bereits am 2. Tag türmenden Säcke im Sonnenuntergang machen Hoffnung, dass auch dieses Jahr ein neuer Rekord geknackt wird. Genau werden wir es zur Spendenübergabe im Herbst wissen. Aber jetzt stoßen wir erst mal glücklich und das ROCKHARZ 2024 genießend mit unserem Lieblingsgetränk in Pfanddosen an. Prost!