Judas Priest
"Firepower" - Das meint die Redaktion
Special
Auch nach dem Release des neuen JUDAS PRIEST-Albums „Firepower“ scheint die Welle der Euphorie nicht abzuebben. Ganz im Gegenteil, die Platte ist hoch in die Charts eingestiegen und die Tickets für die Tour verkaufen sich ebenfalls mehr als gut. Doch ist die Scheibe wirklich so gut, wie man immer wieder hört? Selbst in der Redaktion sind die Kollegen sich nicht einig, ob die Platte jetzt gut, durchschnitt oder mies ist. Die Herren Rothe, Klaas und Büttner haben „Firepower“ ebenfalls genau unter die Lupe genommen.
JUDAS PRIEST haben seit „Painkiller“ keine durchweg überzeugende Scheibe mehr abgeliefert. Und das war immerhin 1990. Die heiß ersehnte Halford-Rückkehr „Angel Of Retribution“ ritt ausschließlich auf alten Großtaten rum, „Redeemer Of Souls“ klang mehr bemüht als gekonnt und was „Nostradamus“ sein sollte, fragt sich ein Großteil der Fangemeinde wohl heute noch. Die Phase mit Ripper Owens fällt bei den meisten Metalfans ohnehin genauso durch, wie die MAIDEN-Platten mit Blaze Bayley. Umso überraschender waren die ersten, durchweg positiven Stimmen, die Anfang des Jahres zu „Firepower“ durchs Netz kursierten. Bei den Fans trafen die Singles „Lightning Strike“, „Firepower“ und „Never The Heroes“ ebenfalls den richtigen Nerv. Haben JUDAS PRIEST also endlich zu alter Stärke zurückgefunden?
JUDAS PRIEST haben ihre „Firepower“ wiedergefunden
Der eröffnende Titelsong ist definitiv der geilste PRIEST-Opener seit Dekaden und ein verdammt fettes Heavy-Metal-Brett. Das Riffing erinnert an ACCEPT. Deren letzten vier Alben wurden bekanntlich von Andy Sneap produziert, der auch bei „Firepower“ hinter den Reglern saß. Genau wie der teutonischen Stahlschmiede, zimmert Sneap den Judaspriestern eine mächtige Soundwand. Unterstützt wurde er dabei von Tom Allon, der zum ersten Mal seit „Ram It Down“ an der Produktion eines JUDAS PRIEST-Albums beteiligt war. Vom saftlosen „Redeemer Of Souls“-Sound fehlt auf jeden Fall jede Spur und mit nur einem Song steckt „Firepower“ bereits die letzten drei Platten in die Tasche. Danach folgt es Schlag auf Schlag: „Never The Heroes“ sorgt für Gänsehaut, bei „Evil Never Dies“ wippt der Kopf sofort mit und „Children Of The Sun“ besticht durch Abwechslung. Dieses hohe Niveau halten JUDAS PRIEST durch nahezu alle 14 Songs. Mit einem Kauf von „Firepower“ kann somit kein Metalfan etwas falsch machen.
(9/10 | Dominik Rothe)
Tja, JUDAS PRIEST… „Firepower“… und nun sitze ich wieder hier und habe das Gefühl, dass ich einfach den geschmacklichen Anschluss an die Metalszene verloren habe. Denn wenn „Firepower“ bei mir auf dem Plattenteller rotiert, dann vernehme ich nicht den Heilsbringer des Heavy Metal, für den gefühlt jeder das Album zu halten scheint. Ich höre bestenfalls ein passables Album, dessen durchweg solide Songs schon was hermachen, doch wirklich Kante geschweige denn irgendeine Form von Identität fernab des Bandnamens, der das Cover ziert, und natürlich Rob Halfords Stimme hat das Teil für mich nicht.
Über die Songs selbst ist sicher schon zu genüge gesprochen worden. Großes Highlight ist für mich „Evil Never Dies“, das mit einem kräftig drückenden Refrain richtig Dampf macht. Doch ansonsten rauscht „Firepower“ weitestgehend spurlos an mir vorbei.
Damit wir uns richtig verstehen: „Firepower“ enthält passable Songs und für sich genommen auch keinen wirklichen Aussetzer. Aber – und die Hardcore-Fans mögen mir die Ketzerei, die ich im Begriff bin zu begehen, verzeihen – so mau „Angel Of Retribution“ in seiner Gesamtheit gewesen sein mag, dessen Opener „Judas Rising“ halte ich für deutlich größer und massiver als alles, was mir „Firepower“ zu bieten hat, das mir in dieser Hinsicht eindeutig zu sehr auf Nummer sicher eingespielt vorkommt. Über „Nostradamus“ ziehen es besagte Konservenbüchsen ja vor, den Mantel des Schweigens zu legen, aber das Album hat sich wenigstens was getraut. Über dessen Erfolg lässt sich natürlich streiten, aber das Album hat mir persönlich mit „Pestilence And Plague“ sowie dem Titeltrack zwei Songs der Marke Guilty Pleasure geschenkt, zu denen ich immer wieder zurückzukehren pflege, mag der Rest der Platte auch – möglicherweise zurecht – die Meinung der Fans spalten. Doch sehe ich dieses wenn auch zweifelhafte Potential nirgendwo bei „Firepower“, das mir – ich wiederhole mich – einfach zu sehr auf Nummer sicher eingespielt ist. Es ist in Zeiten von maßlosen Überproduktionen von Metal-Alben nach altem Vorbild ein zu allerweltliches Metal-Scheibchen, das ich eher von einen der zahllosen PRIEST-Epigonen denn von JUDAS PRIEST selbst erwartet hätte – und damit keines, für das man diesen Namen tragen muss.
Damit sind PRIEST für mich volle Kanne in die VOLBEAT-Falle gelatscht und haben ein qualitativ passables Werk vorgelegt, das allerdings ein bisschen zu sehr mit Autopilot fliegt und über das man infolgedessen vermutlich kaum länger als ein Jahr diskutieren wird. Und ganz bestimmt keines, das sich auf einem Level mit dem so oft zum Vergleich herangezogenen „Painkiller“ befindet. „Firepower“ hat damit für mich auch kaum einen Grund, sich derart feiern zu lassen. Oder um es mit Luthers Worten zu sagen: „Nun steh ich hier und kann nicht anders“. In diesem Sinne: Mediocre!
(6/10 | Michael Klaas)
Nach dem experimentellen “Nostradamus” und dem eher belanglosen “Redeemer Of Souls” war die Erwartungshaltung an ein neues Album von JUDAS PRIEST nicht allzu groß. Die Helden schienen ihren Biss verloren zu haben. Doch dann wurde die erste Single “Lightning Strike” und die Fangemeinde stand von jetzt auf gleich wieder Kopf. Die Frage, ob “Firepower” auch in seiner Gänze überzeugen kann, ist leicht zu beantworten: jein. Denn ist “Firepower” nicht ganz so stark, wie vielerorts kolportiert.
Fakt ist, “Firepower” ist ein durchaus starkes Album, das aber trotzdem einige Schwächen aufweist. Dass Priest die Songs nicht unnötig in die Länge gezogen haben, ist sicherlich ein großer Pluspunkt. Ohne Schnörkel auf den Punkt komponiert, kommen Songs wie “No Surrender”, “Flame Thrower”, der Titeltrack, das Sabbath-artige “Children Of The Sun” oder “Evil Never Dies” schön knackig aus den Boxen, und erinnern an die gute alte Zeit. Halford hat zudem erkannt, in welchen Tonlagen er auch heute noch eine Komfortzone hat, d.h. “Painkiller”-Gekreische hört man auf “Firepower” allenfalls im Hintergrund. Gut so! Das Songwriting klingt generell frischer als noch zuletzt, hierbei zeigt sich vor allem Richie Faulkner als Gewinner, da er sich als kongenialer Partner an Tiptons Seite erweist. Trotz all der positiven Aspekte ist “Firepower” dennoch ein wenig zu lang geraten. Nicht in einzelnen Passagen, wie oben erwähnt. Es gibt aber einige Songs, die, meiner Meinung nach, das Album dann doch unnötig in die Länge ziehen. Auf das abschließende “Sea Of Red” hätte man – trotz der 70ies Vibes – durchaus verzichten können. Auch “Spectre” und das modern riffende “Lonewolf” wollen nicht so recht zünden, wohingegen “Never The Heros” zwar über eine interessante Strophe verfügt, unter dem Strich aber nur ‘nett’ ist.
Man könnte sich auch noch über die Produktion, wie es in den sozialen Netzwerken schon seit Release getan wird, auslassen. Mache ich aber nicht, denn “Firepower” hat ein passendes Soundgewand kredenzt bekommen, unabhängig davon, wie man zu Andy Sneap-Produktionen steht. Unter dem Strich ist “Firepower” also durchaus gelungen. Für Höchstwertungen müsste die Platte ausschließlich Kracher enthalten oder wenigstens den ‚Aha‘-Effekt auslösen. Das tut sie aber nicht.
(7/10 | Colin Büttner)