Excrementory Grindfuckers
Tourtagebuch 2018
Special
EXCREMENTORY GRINDFUCKERS-Tourtagebuch Teil 6 – 2 x 3 Stunden Schlaf
Der Bukarest-Besuch war wie ein One-Night-Stand. Nachts von Scheinwerfen bestrahlt hat die Stadt uns bezirzen können, aber der Morgen danach entblöst vor unserem Hotelfenster eine Reihe trister Plattenbauten, die sogar die finstersten ostdeutschen Wohnblocks wie die blühenden Landschaften wirken lassen, die einst Helmut Kohl zur Wende allen DDR-Bürgern versprochen hat. Und so, wie’s hier ausschaut, so fühlen wir uns auch – schön ist anders. Schuld daran ist sicher auch die allseits präsente Fast-Food-Weißmehlpampe, die an diesem Morgen mal wieder als Frühstück herhalten soll. Immerhin ist der Franchisenehmer gütig und gönnt uns ein halbes Salatblatt pro Sandwich. Es wird für die nächsten zwölf Stunden die einzige Mahlzeit bleiben.
Im Anschluss sieben Stunden Fahrt durch die Walachei, und das ist nicht mal ’ne Redewendung. Unser Fahrer war davon unbeeindruckt und wirkte gut gelaunt, was sich auch darin manifestierte, dass er uns eine Tüte Snacks mitgebracht hatte. An Herzlichkeit mangelte es also nicht, auch wenn die Snacks selbst nichts an unserem ramponierten Zustand zu bessern vermochten. Kaum hinter der Grenze hielten wir zur Pinkelpause an und stellten fest, dass Bulgarien gar nicht so viel anders als Rumänien ist. Die Straßen sind gleichsam schlaglochig und zugemüllt, nur halt mit kyrillischer Schrift geziert.
In Sofia angekommen blieb diesmal keine Zeit für Sightseeing. Schnell das Equipment im Club entsorgt und ab ins Hostelbett. Wir bildeten einen Think-Tank, um rauszufinden, wie sich die Betten allein mit zwei Laken beziehen lassen. Nach 180 Sekunden geistigen Scheiterns war der Schlaf schneller und die Betten unbezogen. Nach drei Stunden ineffizienter Bettruhe ab in den Club „Live and Loud“, der unerwartet schick anmutete und mit guter Besucherzahl glänzte. Schon komisch, 1800 km weit weg von zuhause, in einem Land, in dem wir noch nie gespielt haben und trotzdem kommen die Leute, um uns zu sehen. Entweder müssen die uns mit Tokio Hotel verwechselt haben, oder wir haben uns bei der Adresse vertan. Egal, wenn wir schon mal hier sind, spielen wir auch gleich.
Im Backstage zogen sich auf 3,5 qm (und das ist keine Untertreibung) mehrere Bands gleichzeitig um. Mittendrin eine scheinbar hoffentlich nur zu Showzwecken stark menstruierende Geigenspielerin und drei Typen mit grotesken Masken. Warum verkleiden sich so viele unserer Vorbands? Vielleicht aus Scham, sich mit uns eine Bühne teilen zu müssen… da bleiben viele lieber inkognito. Dabei gab es nichts, wofür man sich an dem Abend schämen hätte können, außer, dass ich mal wieder nur in Unterhose spielen musste. Ich habs nicht so mit Hosen.
Unsere Performance hat natürlich nicht darunter gelitten, im Gegenteil ein würdiger Tourabschluss ohne statische Routine oder einen alkoholinduzierten Filmriss. An dem Abend waren wir das, was uns nach wie vor viele nicht zutrauen: eine richtige gute Band. Wäre ich kein Teil der Band, ich wäre spätestens an dem Abend Fan der EXCREMENTORY GRINDFUCKERS geworden, so sehr haben wir vor Spielfreude gestrotzt.
Natürlich ist der Eindruck auch dem Publikum geschuldet, das wie auch schon in den letzten Tagen extrem dankbar jeden akustischen Sondermüll wie eine Manowar-Comeback-Single gefeiert haben. Sogar unser letzter Merch wurde uns mit Freudenstrahlen aus den Händen gerissen. Wahrscheinlich haben uns die ganzen Tschechien, Ungarn, Rumänen und Bulgaren mit Spielgeld-Banknoten verarscht. Aber egal, sie hatten die ganze Tour über für eine euphorische Grundstimmung gesorgt. Dafür liebe ich die Osteuropäer, sie feiern die Konzerte, anstatt sich passiv belustigen zu lassen. Und all das rechtfertigt auch die Strapazen, welche noch folgen.
Kurz nach Mitternacht ging’s zurück ins Hostel für Snacks, alternative Tabakwaren, lauwarme Jackie-Cola und knapp drei Stunden Schlaf. Um 4 Uhr morgens warteten schon die Taxis zum Flughafen. Stehend K.O. checkten wir zum Flug ein und hatten Glück, dass um 5 Uhr morgens nicht mal die Wizz-Air-Mitarbeiter den Elan haben, uns wie üblich mit Übergepäck-Diskussionen zu schikanieren. Vielleicht wars auch nur aus Mitleid, denn in unseren Gesichtern wars zu erkennen: 4000 km Fahrt, 100 Liter alkoholischer Getränke, 0,1 Tonnen Snacks, vier verschlissene Mietwagen, die nach dieser Tour auf eine Abwrackpremiere hoffen, Sodbrennen, Halsschmerzen, Husten und vier vernachlässigte Spielerfrauen daheim.
War es das wert? Diese Frage stellt sich gar nicht. Wir nehmen von dieser Tour eine Menge mit, und damit meine ich nicht die ganzen Lutschis, Klatschis, Lumpis oder wie diese komischen Ost-Währungen alle heißen. Wir bedanken uns bei allen, die uns auf dieser Tour begegnet sind, und hoffen, uns mit unserer Bühnenpräsenz für die gute Zeit ein wenig dafür revanchiert zu haben. Es wird nicht der letzte Abstecher in Sachen Osteuropa bleiben. Wir kommen sowieso wieder, auch wenn alle uns scheiße fanden.
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