Excrementory Grindfuckers
Tourtagebuch 2018
Special
EXCREMENTORY GRINDFUCKERS-Tourtagebuch Teil 2 – Träume
Meine Güte… in 90 Minuten waren wir schon Prag. Eine erstaunlich kurze Fahrt, allerdings muss man nochmal 90 Minuten hinzuplanen, um einen Parkplatz zu finden. Aber nur, wenn es wirklich gut läuft. Immerhin konnte man die hübsche Ost-Metropole vom Auto aus bestaunen. Quasi wie in einer Stripbar: gucken, aber nicht anfassen. Für einen kurzen Moment erschien es vernünftig, die Suche abzubrechen und einfach wieder zurück nach Deutschland zu fahren, dort den untermotorisierten und überstrapazierten Schwerbehindertenbus an einer Autobahnpissrinne zu entsorgen und im Anschluss zu Fuß nach Prag zu latschen. Man hätte sicherlich Zeit und Nerven gespart.
Leider war unser Fahrer Kai (der nebenbei Sänger bei den unglaublichen Excrementory Grindfuckers ist) beharrlich auf der Suche. Bon Scott war übrigens auch jahrelang Bandbusfahrer für AC/DC. Ist der nicht in einem Swimming Pool an seiner eigenen Kotze erstickt? Hat die Band nicht danach mit neuem Sänger ihre Karriere auf ungeahnte Höhen gebracht? Wäre „Back in Black“ auch ein solches Jahrhundertalbum geworden, wenn Bon Scott noch gelebt und darauf gesungen hätte? Es macht keinen Sinn, diese Idee weiterzuspinnen. Einen Pool hatten wir im Prager Hotel ohnehin nicht, nicht mal eine Badewanne. Und wer soll auch den Bandbus fahren? Christus verwechselt die Pedale mit seiner Fußmaschine. Mike hat schon eine Schramme in den Bus gefahren, ohne dass wir dafür Hannover verlassen mussten. Und dem Rest traue ich schon aufgrund ihres Drogenkonsums nicht. Mir selbst sowieso nicht.
Während ich an das promotechnische Ausschlachten eines Bandmitglied-Ablebens nachgedacht habe, fand sich nach gefühlten drei Stunden ein Parkplatz inmitten der Prager Stadtmitte. Uns hat ein Wirtshaus mit unaussprechlichem Namen durch sein Angebot an böhmischer Koch- und Braukunst wie ein Magnet angelockt. Eisbein, Kirmes-Ente, Wildschweingulasch, Rotkohl mit Klößen. Großartig, aber in solchen Mengen, dass selbst Tage danach meine Fürze nach tschechischer Landluft riechen.
Was nicht fehlen durfte, war der Besuch der Karlsbrücke, die man dank der Vielzahl an Touristen gar nicht sehen konnte. Das sah aus wie in World War Z, wo die Zombies übereinander hinweg geklettert sind. Nur ohne Brad Pitt.
Nach absolviertem Touriprogramm ging’s zum Club, dessen Namen ich vergessen habe: irgendwas wie Czrsmszs Kraszisnsz oder so. Ernüchterung trat ein, als eine heruntergekommene Bretterbude am Rande der Stadt sich als unsere Konzertlocation herauskristallisierte. Doch der Schein trügt wie so häufig. Kaum drin, entpuppte sich der Club als gemütliche und klanglich hervorragend geeignete Bretterbude am Rande der Stadt. Es gab sogar innovative Wohnkonzepte: die Klobrille wurde an die Wand übers Klo gehängt und konnte bei Bedarf entwendet werden. Ob die Mädels sich diese aus dem Männerklo holen mussten?
Apropos Mädels, die Vorbands waren allesamt brutalste Prügelbands, die den Club zerlegten und uns wie Spinal Tap aussehen ließen. Ich liebe Spinal Tap. Die Band direkt vor uns waren drei Franzosen samt einer Frontfrau, die beängstigend krakelen konnte, und einem Drummer und Gitarristen, die beide dank Speed drei Tage lang wach waren und ihren Grind bei im Schnitt 300 BPM performten. Leider wurde das Publikum geblitzdingst, als die Sängerin ihr Top auszog. Schade.
Dann war es Zeit für uns, so zu tun, als ob wir zum restlichen Grindcore-Rahmenprogramm passen würden. Entweder hat das Publikum das bei unser Performance nicht gemerkt oder es war allen egal. Der Laden hat jedenfalls gebebt, alle am ausgelassen abhotten und mitgrölen, wo die doch gar kein Deutsch verstehen. Vielleicht denken die, wir vertonen Hitler-Reden. Das denkt der Rest der Welt auch von Rammstein. Zum Glück blieb der rechte Arm bei allen unten.
Mit zunehmender Spielzeit wurde es immer ausgelassener, wärmer und gefährlicher. Der Boden im Club wurde durch eine Mischung aus Schweiß und Bier zum Curling-Trainingsplatz. Beim Versuch eines Fans, Kai zum Stagediven von der Bühne zu heben, haben sich beide der Schwerkraft ergeben müssen. Für einen kurzen Moment habe ich unser „Back in Black“ vor Augen gehabt. Man wird ja nochmal träumen dürfen.
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