Stormwitch
Die Überraschung war gelungen. Stormwitch haben es tatsächlich geschafft, den alten Geist zu beleben.
Special
Es mal wieder soweit. Nuclear Blast hatte geladen, ein Uhrgestein der deutschen Metal Szene ein gebührendes Comeback zu bereiten.
Damit aber nicht genug, denn man hatte gleich mit Evidence One einen weiteren hochkarätigen Act ins Boot der Metalschmiede geholt. Der Tag versprach also schon auf dem Papier einen Packen voller Retrospektiven und aktuellem Zeitgeschehen. Aber der Reihe nach. Zunächst galt es den Ort (Reichenbach) zu finden, der für diese Session ausgewählt wurde, was sich als nicht ganz einfach herausstellen sollte. Unter Mithilfe der freundlichen Bevölkerung war jedoch dieses Problem schnell gelöst und der Veranstaltungsort „Die Halle“ zügig gefunden. Zwar handelte es sich bei der Location nicht wirklich um eine Halle, sondern eher um einen stilvoll eingerichteten Club, der als Herberge für die anstehende Präsentation der beiden Alben dienen sollte. Die großzügige Umgebung wurde keineswegs ohne Hintergedanken gewählt, denn Nuclear Blast hatte sich wieder etwas Besonderes einfallen lassen. Beide Bands waren nicht nur gekommen, um der Presseschar ihre neuen Langeisen zu präsentieren, sondern auch, um der Öffentlichkeit einen Einblick in das brandneue Material in Form eines Live-Auftrittes zu gewähren. Eine wirklich gelungene Idee, wie sich später noch herausstellen sollte. Den zahlreich versammelten Journalisten nach zu urteilen, die aus ganz Europa zu dieser Session angereist waren, ließ sich folgern, dass diese Session wieder einen ganz besonderen Charakter haben würde. Ohne jedoch die Jungs von Evidence One in den Schatten stellen zu wollen, die schon im Vorfeld ziemlich aufgeregt durch die Gänge huschten, lag wohl das Hauptaugenmerk auf Stormwitch, die sich eine ganze Weile vom musikalischen Hexenkessel fern gehalten hatten. Gestärkt durch ein Bier und einen Happen vom Buffet, für das NB Haus und Hof Caterer Hansi verantwortlich war, ging es dann langsam los. Die Jungs von Evidence One hatten sich kollektiv versammelt und begeleiteten gespannt das Szenario. Lest selbst, was sich die Jungs für euch einfallen haben lassen:
01. Moonsigh
Eröffnet wird das Album mit einem recht langsamen jedoch ziemlich heavy Track, der besonders durch seine orientalischen Elemente auffällt, die immer wieder durchblitzen. Das Keyboard simuliert dabei Schalmeienklänge, die im Intro beinahe an Nile’sche Instrumentalstücke erinnern.
02. Virus In My Veins
Nach dem eher gemächlichen Opener wird das Tempo bei Virus In My Veins etwas angezogen. Daraus wird ein melodischer Uptempo Song, durch den sich spacige Keyboards ziehen und so immer wieder den roten Faden erkennen lassen.
03. Written In Blood
Das Anfangsriff mit der Twinguitar-Stelle erinnert schwer an Edguys Holy Shadows. Genau wie dieser melodische Track der deutschen Vorzeige Power-Kapelle entpuppt sich auch Written In Blood mit seinem galoppierenden Rhythmus als durchaus mitsingtauglich. Die Harmonien im Chorus erinnern dabei entfernt an ein von der Komplexität her stark abgespecktes Precious Jerusalem der Blinden Gardinen.
04. Tattooed Heart
Der Titeltrack erinnert mit seinem verklärten Keyboardauftakt stark an Nightwish, was jedoch nur wenige Sekunden währt. Denn sofort wird übergegangen in einen sehr melodischen Midtempo Hardrock-Song. Der Bass, der in diesem Song ziemlich dominant daherkommt, erinnert dabei stark an Manowars Warriors Of The World United.
05. Infinite Seconds
Sehr sphärisch eingeleitet, mit hohen mehrstimmigen Vocals, entpuppt sich „Infinite Seconds“ bald als schwerer Midtempo-Rocker. Immer wieder dezent auftauchende verzerrte Vocal-Samples bringen ein gewisses Kraftwerk-Feeling in den Song und verleihen ihm ein futuristisches Gewand.
06. When Thunder Hits The Ground
Ein eher unspektakulärer Track, der zwar auch wieder sehr melodisch geraten ist, jedoch aufgrund frischer Ideen etwas zahnlos erscheint.
07. In Love And War
Eröffnet wird In Love And War nur mit Keyboard und Vocals, die jedoch bald schon den hymnischen Charakter des Songs offenbaren. Mit viel Pathos schwankt der Track zwischen Ballade und heldenhafter Epik.
08. Slave To The Machine
Passend zum Titel präsentiert sich dieser Song im stampfenden Midtempo. Hartes, fast Rammsteinartig wirkend Riffing gepaart mit reduzierter Melodik vertonen das Thema treffend. Das ausgeprägte Solo könnte die Befreiung von der Maschine symbolisieren…
09. Anything I Need To Know
Was sich vom Titel her anhört wie die noch immer fehlende Quotenballade, enttäuscht entsprechende Erwartungen aber früh, denn der Track beginnt schon mit verzerrten Vocals, die wie ein Überbleibsel von Slave To The Machine wirken. Im Midtempo gehalten fällt auch dieser Song sonst recht unspektakulär aus.
10. Child Of Insanity
Zum Schluss legen Evidence One noch einmal ein paar Brickets nach und schließen Tattooed Heart mit einem Uptempo-Song ab, der besonders durch eine catchy Bridge und einen eingängigen Chorus besticht. Schön tight dargeboten bildet Child Of Insanity einen würdigen Abschluss.
Nach diesem ersten Teil, merkte man der Kombo offensichtlich die Erleichterung an, als deutlich wurde, dass der Großteil der Schreiberschaft durchaus positiv gestimmt dreinblickte. Nach einem kurzen Zwischensprint zum Buffet, welches angesichts des massiven Ansturms rapide abnahm, ging es nahtlos weiter mit einem neuen Kapitel der Hexen. 13 Songs hatten die Mannen im Gepäck, bei denen bereits im Vorfeld, der eine oder andere Songtitel für Spekulationen sorgte. Stormwitch melden sich mit nachfolgenden Songs eindrucksvoll zurück.
01. The Sinister Child
Im gemäßigten Midtempo kommt diese Ballade sehr melodisch aus den Boxen und steigert sich langsam durch ansteigende Vocals und zunehmende Komplexität bis zu ihrem Höhepunkt. Der ohrwurmige Chorus und Breaks, die das Ganze gekonnt konterkarieren, lassen The Sinister Child zur Hymne werden!
02. At The Break Of This Day
Song Nummer zwei macht wirklich Guten-Morgen-Stimmung! Mit einem freundlichen Gute-Laune-Chorus und einem treibenden Uptempo Rhythmus geht das Stück sofort in den Fuß und wird dabei von Andy Mücks akrobatischer Stimmleistung bis in höchste Höhen geleitet. Sicher vom Feeling her kein black romantic Song, aber dennoch Party in den Ohren.
03. Fallen From God
Skurrile Keyboards verheißen nichts Gutes, vor allem in Verbindung mit einem so nihilistischen Titel! Die Keys spielen weiterhin eine große Rolle während des gesamten Arrangements, doch offenbart der Chorus eine ganz andere Stimmung: fröhlich-beschwingt im Ich bin glücklich-Feeling taucht er das Ausgesagte in ironische Farben, um mit einem Kinderchor (!!!) zu schließen, der dem ganzen einen zynischen Stempel aufdrückt. Nicht leicht nachzuvollziehen, aber nett.
04. Frankenstein’s Brothers
Hat da jemand viel Hey Stoopid gehört? Nicht nur der Titel erinnert frappierend an Alice Coopers Feed My Frankenstein, auch das Riffing wirkt eindeutig achtzigermäßig! (ja, Hey Stoopid ist von 91, ich weiß!) Daneben sind eindeutig Maiden-Einflüsse auszumachen. Ein Schelm, wer dabei an Bring Your Daughter To The Slaughter denkt! Uptempo und ein Männer (Monster-?) Chor im Refrain machen diesen Song halloweentauglich!
05. Until The War Will End
Im Uptempo angesiedelt mit einem treibenden Rythmus mit häufigem Doublebass-Einsatz erinnert Until The War Will End ein wenig an Hammerfall, die ja nicht umsonst bekennende Stormwitch-Fans sind. Trotzdem wirkt der Song irgendwie belanglos.
06. Witchcraft
Klassikeralarm! Eindeutig der stärkste Song auf dem Album und zurecht Titeltrack, verbreitet Witchcraft ein manowar’sches Hymnenfeeling, das live auch die letzte Alk-Leiche zum Faust in den Himmel recken und Mitlallen animieren dürfte! Langsam und heroisch stolziert der Song aus den Boxen und setzt sich mit seinem Ohrwurm-Chorus sofort im Gehörgang fest! Groß!
07. Sleeping Beauty
Trotz des Titels weist dieser Song keinerlei Verwandtschaft zu Tiamat auf. Vielleicht eher zu einer zuckersüßen Blind Guardian Ballade. Zumindest erinnern die singenden Gitarren im Intro daran. Cembalo-Keys und verhaltene Streicher verbreiten zusammen mit der sauberen Stimme eine fast schon vorweihnachtliche Stimmung, bis in der zweiten Hälfte dann die volle Instrumentierung greift und die Ballade bis zum Ende geleitet.
08. Puppet In A Play
Nach so viel Besinnlichkeit wird es mit Puppet In A Play endlich wieder Zeit für etwas Schmackes in den Ohren. Zwar zieht sich die ruhige Stimmung noch bis in die erste Hälfte des Songs, doch die wird bald durch eine nach vorne preschende Speed Granate in Iron Maiden oder Running Wild Tradition abgelöst und von einem ohrwurmtauglichen Chorus gekrönt.
09. The Kiss Of Death
Wie schon bei Fallen From God scheinen sich Stormwitch auch bei The Kiss Of Death mit dem Song nicht wirklich an den Lyrics orientiert zu haben. Denn der kommt zwar als ziemlich straighter Midtempo Rocker daher, irritiert aber mit seiner guten Laune einmal mehr.
10. Moonfleet
Im unteren Midtempobereich kommt Moonfleet aus dem Äther. Man meint, Spuren von Iron Maiden zu erkennen, doch gibt sich der Song recht unauffällig. Obwohl einmal mehr Kinderstimmen zum Einsatz kommen, haben diese lange nicht den Effekt wie bei Fallen From God.
11. Salome
Ein bedrohlich wirkendes Intro aus Keyboardklängen und orientalisch anmutender Percussion mündet bald in einen flotten Uptempo-Rocker, der einmal mehr mit einem sehr melodischen Refrain aufwartet. Auch hier zeigt Andy Mück, zu welchen Tonlagen er fähig ist.
12. The Drinking Song
Ein Song, der sich wohl nicht vermeiden lässt! Ein Mitgrölchorus mit catchy Hookline erinnern entfernt an finntrollsche Gelage-Kompositionen oder irisches Wettsaufen. Beendet wird das Ganze natürlich mit einem zünftigen Chor und anstoßenden Gläsern. Prost!
13. Blood Lies In My Hand (Bonus Song)
Wohl eher ins Konzept des Albums gepasst hätte Blood Lies In My Hand, der allerdings als Bonustrack vorgesehen ist. Mit seiner langsamen Art und der morbid-balladesken Stimmung unterstreicht der Song den Titel der Band als Black Romantics. Akustikgitarre, Klavier und schwere Streicher tauchen den Track zunächst in melancholische Farben, die mit fortschreitender Spielzeit jedoch einer positiveren Stimmung weichen. Ein würdiger Abschluss!
Die Überraschung war gelungen. Stormwitch haben es tatsächlich geschafft, den alten Geist zu beleben. Dies merkte man auch bei den Anwesenden, die sich mit einem zufriedenen Grinsen die letzten Notizen machten und dann ihre Unterlagen verschwinden ließen. Nach den Interviews (am Ende dieses Berichtes) und einem ausgiebigen Abendessen war dann langsam aber sicher die Zeit gekommen, den gemütlichen Teil des Abends einzuläuten. Mittlerweile waren auch die Pforten für die Öffentlichkeit geöffnet. Nach anfänglich, recht zaghaftem Publikumsandrang, füllte sich „Die Halle“ allerdings zusehends. Darunter sogar einige recht skurrile Typen, die doch tatsächlich weißes Muskelshirt, abgeschnitten Metallica Jogging-Pants und Buffalos kombinierten. Dies aber nur am Rande, denn die Aufmerksamkeit galt selbstverständlich Evidence One, die gerade das erste Stück des Debüts ins Publikum geschleudert hatten. Man spürte, dass die Jungs tierischen Spaß hatten auf der Bühne. Insbesondere Sänger Carsten „Lizard”“ Schulz unterstrich den Eindruck mit wilden Gesten und extrem wendigem Stageackting. Das Programm war dabei eine gute Mischung des erfolgreichen Debüts und neuen Songs, die sehr wohlwollend vom Publikum aufgenommen wurden. Eine Sache wurde mehr als deutlich. Evidence One sind eine Live-Band, die erst auf der Bühne ihr Potenzial richtig entfalten kann. Nach kurzer Verschnaufpause war dann die Zeit der Sturmhexen gekommen, die ihrem Namen alle Ehre machten und das Publikum wirklich im Sturm eroberten. Die Jungs um Andy Mück boten dabei eine astreine Show, die neben neuen Stücken, wie Fallen From God, vor allem mit alten Klassikern zu brillieren wusste. Man spürte förmlich die Energie, die Songs wie Walpurgis Night und Ravenlord verbreiteten. Stormwitch werden wohl in dieser Form noch eine Menge Freunde finden. Tolle Live-Show, die keine Wünsche offen ließ.
Natürlich wird es auch noch Interviews geben. Diese werden in den nächsten Tagen bei uns zu lesen sind.
Vor Ort bangten Thomas und Norman.