Electric Callboy (zuvor Eskimo Callboy)
(Update) Tourtagebuch zur "The Scene"-Tour - Teil 1 - 3
Special
Teil 3
ESKIMO CALLBOY waren Ende 2017 auf ausgiebiger „The Scene Tour“ durch Europa. Als Tourpräsentator freut es natürlich besonders, dass sich die Band dazu bereit erklärt hat, uns in unregelmäßigen Abständen auf dem Laufenden zu halten und ihre Anekdoten und Eindrücke aus dem Tourbus mit uns und euch zu teilen. Lest im offiziellen ESKIMO CALLBOY-Tourblog ab sofort alles, was ihr schon immer wissen oder auch nicht wissen wollt. Und los geht’s …
Tourbericht Teil 3 von Kevin Ratajczak
Fotos von: Christian Ripkens
Also wie einem die Zeit nur so um die Ohren fliegt, gerade als hart arbeitender Musiker, das habe ich ja bereits erklärt. Man kriegt irgendwann neue Tourdates rein, bespricht sie kurz, plant die Vorbereitungen und denkt sich insgeheim: „Bis dahin habe ich noch zweimal studiert und drei Kinder groß gezogen …!“ Dann geht man abends schlafen, dreht sich dreimal um, wacht auf und muss auch schon den Koffer packen.
Und zwar schnell, weil man schon in zwei Stunden am Flughafen sein muss, um pünktlich die obligatorische halbe Stunde zu spät zu sein.
Klar, je älter man wird, desto schneller scheint die Zeit zu vergehen. Das hat mir mein Dad damals schon gesagt, als ich im Alter von etwa 13 beschloss, Vollbart zu tragen.
Aber kann man das irgendwie stoppen?
Also dass die Zeit so schnell vergeht, meine ich jetzt, nicht den Haarwuchs. Da habe ich mittlerweile das Waxing für mich entdeckt.
Über die Jahre kam es mir immer so vor, dass, je mehr Hektik in meinem Leben herrscht, auch die Ereignisse immer schneller an mir vorbeihuschen. Und leider sind es dann ja gerade die geilen Dinge, die man mal gerne etwas länger wahrnehmen würde.
Die Zeiten auf Tour zum Beispiel.
Da sitzt du monatelang, Tag und Nacht, in deinem Studio, und wenn du dann hinterher diese kleine Scheibe in der Hand hast oder, noch schlimmer, eine kleine rar-Datei per Dropbox geschickt bekommst, denkst du dir bloß: „Das wars jetzt? Dafür habe ich das letzte Jahr auf ein Privatleben verzichtet?“
Die Antwort ist: Nein!
Zwar ist ein neues Album auch geil, wenn man es über die Media-Markt-Car-Hifi-Anlage mit 5000-Watt-Basemachine in seinem tiefergelegten Corsa A hört und gerade eine Assi-Runde durch die eigene Hood dreht, aber generell finden wir, dass Musik für die Bühne gemacht ist, um live gefeiert zu werden. Egal ob mit der Hose im Schritt, Goldkettchen und Kopfnicken oder mit von Bier durchnässtem Haar und den Beinen überm Kopf im Moshpit. Wichtig sind die sprudelnden Emotionen. Denn eben diese sind es ja auch, die die unterschiedlichsten Menschen vor eine Bühne zusammenbringen.
Und seitdem wir das Glück haben, mit einer supidupi Crew unterwegs zu sein, können wir uns diesen Emotionen auch viel besser hingeben.
Showtag – Stuttgart
Nach zwei supergeilen Tourblöcken saßen wir also wieder in unserem Bus auf dem Weg nach Stuttgart. Wir freuten uns total, denn neben München ist Stuttgart die zweite Stadt, in der man eine andere Sprache als zu Hause spricht und in der wir unsere ersten Auftritte fernab der Heimat hatten. Egal ob im 1210, Kellerclub oder jetzt im LKA Longhorn, immer waren es geile Shows, an die man sich gerne zurückerinnert. Und genau so sollte es auch dieses Mal sein. Dank unserer geilen Crew stand auch das komplette Bühnenbild nach kurzer Zeit. Und jedes Mal, wenn ich Crew sage, fühlt es sich echt ein bisschen komisch an, denn faktisch sind unsere Jungs eher Freunde als Typen, die mit uns arbeiten. Über die Jahre ist unsere Tour-Familie gewachsen, aber jedesmal, wenn jemand dazukam, war es vor allem auch, weil man einen Draht zueinander hatte. Eine gute Stimmung ist die Grundlage für jede harmonische Zusammenarbeit. Bis auf diese besonderen Zeiten, wenn wir Klatschen in FIFA verteilen, dann pausieren Freundschaften kurzzeitig.
Besonders makaber ist an dieser Stelle, dass die Jungs das Rack, in dem sich unser Tour-Entertainment samt TV, Playse und Soundsystem befindet, ja selber in den Backstage schleppen. Nicht zuletzt, um damit hinterher digital verprügelt zu werden, ganz so, als wenn der Todeskandidat dem Henker das Beil hinterherträgt. Aber naja, sie wollen es ja auch nicht anders.
Nachdem wir in Stuttgart nach der Show noch eine ganze Weile mit unseren Leuten quatschen konnten, die vor dem Bus auf uns gewartet haben, ging es an diesem Wochenende noch nach Salzburg, Wien und schließlich Leipzig.
Wenn man mit dem Bus auf Tour ist, hat man sein Wohnzimmer ja eigentlich immer dabei. Man ist genauso ordentlich oder in unserem Falle unordentlich wie daheim. Und so bleiben natürlich im Laufe einer Tour eine Menge Kleidungsstücke irgendwo liegen. Das Fatale an Socken aber ist: Die sehen meistens alle gleich aus. Und wenn es eine Sache gibt, die du in einem Tourbus voller Typen nicht anfassen solltest, dann sind es Socken. Vor allem, wenn es nicht deine eigenen sind. Und so sieht der Gang des Busses irgendwann aus wie ein Wühltisch beim Discounter, ein Minenfeld aus knusprigem Textil.
Showtag – Leipzig
Nachdem wir in Österreich zwei wundervolle Shows hatten, ging es zur letzten und, wir hätten es nicht erwartet, auch zur größten Show der Tour. Nach Leipzig!
Leipzig war immer schon eine Stadt, die uns gut behandelt hat. Gerne haben wir Zeit im örtlichen EMP-Store verbracht, die Leute kennengelernt … von den Shows gar nicht zu sprechen. Aber wir hätten niemals erwartet, dass Leipzig in Sachen Besucherzahlen noch an Köln vorbeizieht. Und was soll ich sagen. Wir lieben es einfach. Bei großen Shows wie dieser kommen auch immer viele unserer Freunde rum, um abzuhängen und eine gute Zeit zu verbringen. Und so geht es dann meistens auch nicht nur um das Konzert selber, sondern auch um das komplette Drumherum. Und es passte an diesem Tag einfach alles. Vom Essen im Haus Auensee, der Location selber, dem Sound beim Check bis hin zu einer Menge guter Gespräche im Backstage. Besonders wenn wir im Studio sind und an neuen Songs arbeiten, merke ich immer wieder, wie wichtig positive Emotionen für kreative Arbeit sind. Und auf Tour ist das nichts anderes.
Klaro, es ist megageil, mit seinen Besten unterwegs zu sein und auf der Bühne das zu feiern, für das man vorher hart gearbeitet hat … aber es gibt auch schlechte Tage. Tage, an denen man sich einfach nicht in der Lage fühlt, der Typ da auf der Bühne zu sein, der ja sowieso immer gute Laune hat.
Aber unsere Leute bezahlen mittlerweile leider eine Menge Geld für die Tickets, was eine geile Bühnenshow für uns zur Pflicht macht. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich nicht auf die Bühne wollte, aber schon, dass ich das Gefühl hatte, dem Ganzen nicht gerecht werden zu können, weil ich heute einfach gar nicht so viel reden will. Ich glaube, da spreche ich für jeden meiner Jungs. In diesen Momenten spielen eben diese Nebenfaktoren eine immense Rolle. Freunde, Zusammengehörigkeit, positive Emotionen und vor allem die Stimmung der Leute vor der Bühne können das Ruder fast immer rumreißen.
In Leipzig war das aber gar nicht nötig. Im Gegenteil: Wenn Du vorher schon richtig geil auf die Show bist, macht es eine gute Stimmung vorher nur noch besser. Die Zeit verflog dann auch echt schnell und eine gefühlte Minute, nachdem wir uns morgens aus dem Bus gepellt hatten, standen wir schon wieder in voller Montur zusammen, bereit, um auf die Bühne zu gehen. Dieses Zusammenkommen vor einer Show, samt Crew, ist so unsere Tradition … wir feuern uns an, damit alle von Beginn an Vollgas geben.
Und als wenn die Leute draußen Teil unseres Kreises waren, ging es direkt ab, von der ersten Sekunde an. Ein Hammergefühl, wenn man weiß, dass alle Menschen, die da vor einem stehen, für die eigene Mucke gekommen sind. Da baust du irgendwas in deinem Kämmerchen in Castrop-Rauxel zusammen, dir gefällt es natürlich, und dann sind da so viele Menschen, denen es auch gefällt … ich glaube, neben all dem Spaß am Songs schreiben sind Live-Auftritte das, was das Musikerleben so geil macht. Auch wenn Mama und Papa sich das vielleicht mal anders vorgestellt hatten …
Der Abend endete dann perfekterweise noch mit dem Geburtstag unseres Drummers David, der in Leipzig natürlich auch noch ausgiebig gefeiert wurde. Eine perfekte erste Hälfte der „The Scene“-Tour ging damit erstmal zu Ende.
Denn neben einer Einzelshow in Prag wartete ja auch noch eine anhängende Russland-Belarus-Ukraine-Tour auf uns.
Aber das hatte ja noch Zeit.
Bis dahin warteten noch eine Menge Kohlrouladen mit Klößen und Rotkohl an Omas Tisch auf uns.
Galerie mit 20 Bildern: Eskimo Callboy auf dem Knockdown Festival 2019Mehr zu Electric Callboy (zuvor Eskimo Callboy)
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Stile | Metalcore, Modern Metal |
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