Endstille
Kapitulation 2013: Die zweite Meinung
Special
In der Tat hat Kollege Pascal nicht Unrecht, wenn er in seiner Review zu ENDSTILLEs neuem Album „Kapitulation 2013“ schreibt, dass die Band ihr Potenzial, das seit jeher zum guten Teil auf Provokation basiert, ein Stück weit eingebüßt hat: So wirklich interessiert das keinen mehr, die Truester sind längst weitergezogen und reden höchstens noch von „Ach, Trendstulle sind auch da“, wenn das Bandlogo auf Festivalplakaten auftaucht, und die damals Sechzehnjährigen, die offen für die Hart-an-der-Grenze-Provokationen und die eingängigen Refrains eines „Dominanz“ oder eines „Navigator“ waren, sind mittlerweile auch erwachsen.
Und dennoch muss man ENDSTILLE konstatieren, dass sie die Kontroverse wieder für sich entdeckt zu haben scheinen: Songtitel wie „Sick Heil“, „Reich an Jugend“ oder „Stalin Note“ sind dann ja doch eine andere Kategorie als die der letzten zwei, drei Alben. Die Frage, inwieweit dies vielleicht auch ein Rettungsanker ist, nach dem die Band greift, um sich (wieder?) interessant zu machen, ist sicherlich berechtigt. Denn „Kapitulation 2013“ wirkt über weite Strecken wie ein Wieder-Aufguss älterer Werke der Band: Zurecht merkt Pascal an, dass in „Stalin Note“ nicht nur Verneigungen vor, sondern direkte Zitate aus dem „Navigator“-Titelsong eingebaut wurden, auch „Nostalgia“ macht seinem Titel alle Ehre und hätte ohne weiteres auf „Frühlingserwachen“ stehen können. Das Spektakulärste an „Sick Heil“ ist sein Titel und das Auffäligste an „Reich an Jugend“ das Nazi-Sprachsample zur Vereinnahmung der Jugend im/für das dritte Reich.
Und dennoch lassen ENDSTILLE hier und da aufhorchen: „Monotonus 2013“ reiht sich nahtlos in die Reihe der anderen „Monotonus“-Teile ein, ebenso das obligatorische „Endstille“ (diesmal ist’s der „Abschied“) zum Schluss – und beide überzeugen durch ENDSTILLE-typisches Riffing, das man zwar auch schon ganz ähnlich gehört hat, das aber dennoch was kann. Auch das SODOM-Cover „Blasphemer“ kann einiges, und das bereits angesprochene, an „Frühlingserwachen“-Zeiten erinnernde „Nostalgia“ klingt angenehm nach alten Großtaten. Und letztlich ist der „Navigator“-Gedenksong „Stalin Note“ auch nicht schlechter als sein Vorbild.
Das alles reicht natürlich nicht für ein gutes Album, auch da hat Pascal Recht. Trotzdem halte ich vier Punkte für übertrieben: Ja, ENDSTILLE mögen anno 2013 mittelmäßig sein, aber oberes Mittelmaß ist das meiner Ansicht nach immer noch.
6/10 Punkten