metal.de-Redaktion
Durch die Lappen gegangen

Special

Durch die Lappen gegangen – die metal.de-Resterampe

Tja, 2017 ist jetzt auch schon wieder ein paar Tage her – und doch sind uns eine ganze Menge toller Alben in und um den Metal gewaltig durch die Lappen gegangen. Neben einigen bekannteren Veröffentlichungen, mit denen wir nicht bemustert worden sind oder derer sich keiner erbarmt hat, hat es auch einige Perlen im Underground gegeben, denen wir keine Aufmerksamkeit gewidmet haben, entweder weil sie an uns vorbeigegangen sind, oder wir an ihnen. Schande über unser Haupt, aber das hält uns natürlich nicht davon ab, einigen wenigen dieser Platten in dem folgenden Konvolut die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdient haben.

So here goes!

EREB ALTOR – Ulfven

Die immer wieder als BATHORY-Erben titulierten EREB ALTOR haben mit „Ulfven“ einen vollwertigen Nachfolger für ihr 2015er-Album „Nattramn“ eingespielt. Mittlerweile bei Hammerheart Records (wie passend!) im Labelstall machen die vier Schweden auf „Ulfven“ das, was sie nachweislich am besten können: Epischen Viking Metal auf hohem Niveau. Da verzeiht man natürlich gern die musikalische Berechenbarkeit der Band: Man bekommt, was man erwartet – auch wenn man in den schnellen, harscheren Passagen ein wenig zu einfach und austauschbar zu Werke geht. Die Stärken der Band liegen eben doch woanders.

Neben dem stimmungsvollen Titeltrack kann „Ulfven“ daher besonders in den Phasen richtig Punkten, in denen EREB ALTOR die Handbremse anziehen und sich im Schleichtempo mit mehrstimmigen Chören und dem einen oder anderen kleinen Gitarrensolo auf ihrem Drachenboot durch die „Twilight Of The Gods“-Gewässer Pflügen. Der Rausschmeißer „Bloodline“ ist hier das Paradebeispiel und rechtfertigt beinahe allein der Erwerb von „Ulfven“ – neuzeitliche Wikinger und Quorthon-Enthusiasten kommen um „Ulfven“ ohnehin nicht drumrum.

(Sven Lattemann)

DYSCARNATE – With All Their Might

Besser spät als nie. Fast drei Monate ist die Platte schon draußen, nun auch bei metal.de.

DYSCARNATE sind für Krach-Affictionados mit Hang zu brutalem, groovigem Auf-die-Fresse Metal kein unbeschriebenes Blatt mehr, haben doch die beiden Vorgänger „Enduring the Massacre“ (2010) und „And So It Came To Pass“ (2012) bei Unique Leader bereits einige aufhorchen lassen, auch wenn vielen das noch zu stumpf auf die Dauer war.

Manchmal wurden sie gar als die britischen DYING FETUS beschrieben, da die Jungs ebenfalls als Trio unterwegs sind. Im Gegensatz zu den Amerikanern gehen DYSCARNATE aber nicht ganz so technisch und auch (noch) nicht auf solch einem hohen songwriter-ischen Level zu Werke, also zieht der Vergleich nur bedingt.
Dass das UK eine Bank für stahlharten Groove ohne viel Firlefanz und mit dickem Gemächt ist, dürfte nicht erst seit gestern bekannt sein. Trotzdem schön, dass eine relativ junge Band das Heimatland des Metal wieder auf die Karte packt und genau mit dieser Spielart auftrumpft.

DYSCARNATE überrollen dich wie ein Panzer…

Persönlich hat der Rezensent nach einer Welle von progressiven und atmosphärischem Weichspül-Metal, Core-Anbiederungen und ähnlichem ein wenig die Schnauze voll. Warum nicht einfach mal wieder gepflegt sich umnieten lassen? Ohne Schnörkel, unnötige Soloausflüge oder technisches Gewichse. Andere englische Bands wie etwa SHRAPNEL mit der neuesten Platte (hier vom Kollegen Herrn Gravenhorst beschrieben) haben das auch schon nett vorgemacht. DYSCARNATE fallen gleich ohne Intro oder sonstigen überflüssigen Ballast im ersten Song „Of Mice and Mountains“ über den Hörer her. „Onwards“!-like, BOLT THROWER oder BENEDICTION lassen grüßen. Nicht unbedingt vom genauen Sound her, aber schlicht von der Energie, welche sich durch die Musik überträgt.

Das wird in den folgenden 40 Minuten nicht groß variiert. Die Riffs sind simpel, aber songdienlich und lassen auch den größten Feingeist der ein wenig was mit Metal anfangen kann wie einen Irren durchs Zimmer moshen. Die Produktion ist zeitgemäß und kristallklar, stößt aber trotzdem nicht sauer auf, sie fördert eher noch die Brutalität der Songs. Tom Whitty (Gitarre)und Al Llewellyn (Bass) teilen sich die Vocals zwischen Growls und Screams, die nicht besonders herausstechen, aber definitiv dem Aggressionspotential nicht abträglich sind. Matt Unsworth feuert die gut geölte Maschine mit Doublebass-Hagel und hin und wieder durchscheinenden Blasts solide an. DYSCARNATE pflügen also ohne Rücksicht auf Verluste durch die Botanik, Albumtitel und der Hammer auf dem Cover sind programmatisch zu nehmen („In Soviet Russia, umm GB I mean, Hammer crushes you!“). Haben sie aber neben proletarischer Aggression sonst noch was zu bieten?

… haben aber durchaus mehr zu bieten, wenn sie denn wollen

Aufgelockert wird das alles durch Breaks und Tempowechsel, längere melodische Outros („To End All Flesh Before Me“, „This Is Fire!“), Riffs die sich in die Gehörgänge fressen (Videoauskopplung „Iron Strengthens Iron“), mal einer mehr atmosphärischen Walze im Midtempo welche am Ende schön Fahrt aufnimmt („Traitors In The Palace“) oder dem sich langsam aufbauendem Closer „Nothing Seems Right“. Theoretisch können DYSCARNATE also ausbrechen aus Schema F, wenn sie denn wollen. Das ist aber nicht sehr oft und beschränkt der Fall. Zu gute halten muss man der Platte, dass sie nicht zu lang ist, denn somit vermeidet man das Ermüden ob dem Dauerbombardement, aber das wird nicht jeden überzeugen. Hier wäre mit etwas mehr Variation und vielleicht mehr Ideen definitiv mehr drin gewesen. Wer was neues für das Fitnessstudio zum Pumpen sucht, ’ne Anti-Aggressionstherapie braucht, oder sich einfach mal nur wieder umblasen lassen möchte, wird darüber aber bestimmt hinweg sehen und genussvoll „With All Their Might“ dauerrotieren lassen.

(Alexander Santel)

LÖR – In Forgotten Sleep

Im Power Metal steckt so viel mehr, als uns die „Großen“ des Genres heutzutage weismachen wollen. Und wer das erst mal nicht glaubt, weil er den Power Metal – bedingt durch besagte Bands – nur noch als faden, aufgeblasenen Quietschmetal wahr nimmt, der muss nur mal einen Blick in den Underground werfen, dort, wo die Musik im Allgemeinen und der Metal im Besonderen noch zu etwas Großem gedeihen kann. LÖR aus Philadelphia haben letztes Jahr ihr Full-Lenght-Debüt „In Forgotten Sleep“ in Eigenregie veröffentlicht, nachdem sie im Vorfeld schon fünf Jahre durch die Lokalitäten getourt sind. Und sie sind damit mächtig eingeschlagen, vor allem deshalb, weil die Band eindrucksvoll zeigt, wie geil Power Metal sein kann, wenn man sich nur mal richtig Mühe gibt und auch mal Eier zeigt.

Und beiläufig – so scheint es – nehmen sie noch Elemente aus Folk und Prog mit, letzteres wohlgemerkt, ohne in die Power-Prog-Falle zu latschen, d. h. rudimentäre Songs unnötig auf Überlänge aufzublasen, ohne sie mit der nötigen Substanz zu füllen. Nein, hier werden die Songs noch richtig auseinander genommen und neu zusammen gesetzt, teilweise garniert mit klassischen oder Folk-Intermezzi. Auch technisch gibt es einiges zu bewundern. Hier haben LÖR alles richtig gemacht. Und bei alledem geben sich LÖR zu jeder Zeit erfrischend heavy. Hier ist nahezu jeder Track ein kleines Abenteuer. So und nicht anders hat Power-Prog zu klingen. Hier stecken Substanz, Hirn und – auch und vor allem – Power drin. Und gerade letzteres ist etwas, das vielen Power-(Prog-)Bands heute mit erschreckender Regelmäßigkeit abhanden kommt.

LÖR geben dem Power Metal die Power zurück

Dass man das mit den Ambitionen des Prog in Einklang bringen kann, beweisen LÖR vor allem mit ihrem Songwriting, das natürlich in erster Linie dem „Power“-Aspekt dient. Dennoch steckt hier mehr drin, denn um diese Wucht wirklich spüren zu können, braucht es eben auch Passagen, die darauf hinarbeiten. Und genau hier kommen die Folk- und Prog-Elemente ins Spiel, welche die Phasen zwischen den kraftvollen Passagen mit Leben füllen. Erstere machen sich direkt beim Opener „Dusk“ bemerkbar. Mystische Klänge leiten in einen knapp elfminütigen Track ein, der auf dem Weg zum Ziel eine ganze Menge Wendungen durchmacht und dabei doch wiedererkennbar bleibt. Durchgehend Gas geben die Herren dagegen im kurzen „Dark Cloud“, das inklusive Hammer-Hook daherkommt. Doch weil sich die Band hier kurz fasst, funktioniert das auch ohne große Wendungen. „Visions Of Awakening“ wartet mit einem weiteren, großartigen Refraun auf, dessen Chöre in Sachen Bombast und Epik zusätzlich ganze Arbeit leisten und sich hervorragend mit den Folk-Metal-Anteilen im Sound ergänzen. FALCONER lassen hier herzlich grüßen. Richtig Gänsehaut darf man beim Zwölfminüter „Eidolon“ bekommen, das in puncto Theatralik zulegt und dank seiner zahlreichen Wendungen der mit Abstand progressivste Track der Platte ist.

Hier sitzt einfach alles, auch der Sound. Der hat richtig Durchschlagskraft und klingt doch ausreichend roh. Hier schwingen die Musiker ihre Instrumente noch wie Waffen, was sich hervorragend mit den Folk-Elementen verträgt. Und Sänger Tyler Fedeli verzichtet sogar auf nervigen Falsettgesang. Auch ein paar Faucher haben sich eingeschlichen. Ja, ein kleines bisschen haben LÖR mit den Folk-Elementen natürlich schon in der Klischeekiste gewühlt, hin zum Punkt, wo „In Forgotten Sleep“ gelegentlich Pagan-Metal-Luft schnuppert. Aber hey, wenn es so gut funktioniert wie auf „In Forgotten Sleep“, dann nehme ich gerne mehr davon. „In Forgotten Sleep“ ist ein hervorragend hörbares Album für alle, die wieder einmal in den Genuss des vollen Power-Metal-Programmes kommen wollen und dabei auf den üblichen Kitsch und Camp verzichten können.

(Michael Klaas)

 

MISANTHROPE MONARCH – Regress to the Saturnine Chapter

Die Ruhrpottler von MISANTHROPE MONARCH konnten mit ihrer kleinen selbstbetitelten MCD (2014) im Untergrund vor vier Jahren und der nachfolgenden Single “The Omega Embrace” (2015) so einige Augenbrauen nach oben und das Bier aus der Hand schnellen lassen, danach kam aufgrund personeller Neuaufstellung, Drummersuche und ähnlichem nervigem Kram erstmal lange Zeit gar nichts. Nachdem mit Nachwuchstalent Maximilian Scheefeldt aber endlich der passende Mann hinter den Kesseln und mit Chris Mieves jemand fürs Mikro gefunden wurde (und nun schon wieder jemand neues gesucht wird), konnte der andere Kris, nämlich Guitarrero und Hauptsongwriter Kris Gøbels seine bisher gesammelten Kompositionen endlich als vollständige Band auf Bühne und Band (das Band, nicht die Band) bringen.

Das hier gestandene Musiker, die was von ihrem Handwerk verstehen, am Start sind, merkt man der Platte zu jeder Sekunde an. Jedes Solo, jedes Arrangement, jeder Schlag auf den Drums ist genauso geplant, perfekt austariert und soll so sein. Dabei steckt in der Musik von MISANTHROPE MONARCH durchaus einiges: Die Band schert sich einen feuchten Kericht um Genre-Konventionen und mixt munter Death, Black und Thrash Metal miteinander, so wie es in den Kram passt. Das macht es auch schwer Referenzen aufzuzeigen, macht die Band gleichzeitig aber sicherlich auch für mehrere Leute interessant, sowohl aus dem Thrash Lager (DEW-SCENTED oder KREATOR) als auch dem angeschwärzten oder angethrashten Todesstahl (THE CROWN, BEHEMOTH, diverse andere). Nach kurzem (eigentlich überflüssigem) Intro, fegt einen “Usurping the Throne” auch schon aus den Socken, mit an Thrash angelehnten Elementen, aber auch Einflüssen aus Death Metal mit Blasts und härterem Riffing.“Crushing the Unbeliever”, schon bekannt von der MCD, bringt dann ein wenig mehr Groove ins Spiel. “Dispelled” pendelt abwechslungsreich zwischen Keule und Melodie. Die nachfolgenden Tracks sind meist ähnlich aufgebaut und legen je nach Song den Schwerpunkt anders aus. Mal beinahe schon rockige, spielerische Riffs, Solo-Wahnsinn, dann wieder die Keule ausgepackt, dann wieder eher groove-betont. Der Spagat gelingt! Mit dem Zwischenspiel “Black Sirens Lurking” und dem Closer “Cosmic Maze” bringt man ein wenig mehr Atmosphäre und Langsamkeit als kleine Verschnaufpause mit hinein. Da die Platte dann auch nur 35 Minuten auf der Uhr hinterlässt, ist sie eine abwechslungsreiche und kurzweilige Angelegenheit. Einzige Kritikpunkte sind vielleicht wirklich die etwas geringe Spielzeit, die mit Neueinspielungen schon bekannter Songs (“Crushing the Unbeliever”, “Father Sin and the hollow Spirit”, “The Omega Embrace”) auch nicht so viel “neues” bietet und das teilweise noch etwas unschlüssige Songwriting, wenn vielleicht etwas zu viele Ideen in einem Song zusammen geworfen oder nicht ganz zum Ende ausgeführt werden.

Das ist aber Meckern auf hohem Niveau, es gebührt alleine schon Respekt, ein Debüt so professionell aufgemacht, sowohl hinsichtlich Produktion, Songs an sich, aber auch optischer Präsentation, die allesamt aus Eigenregie stammen, neben Label-Veröffentlichungen großer Namen zu sehen, wo man absolut mithalten kann! Unterstützenswert und live auch eine Bank!

(Alexander Santel)

ELDER – Reflections Of A Floating World

Einen ziemlichen Brocken haben uns ELDER letztes Jahr beschert. Wobei Brocken übertrieben ist. „Reflections Of A Floating World“ überbietet seinen Vorgänger „Lore“ noch einmal um fünf Minuten, was die Gesamtlänge der Platte betrifft, stellt sich aber – der Titel lässt es erahnen – als erstaunlich leichtfüßig heraus. Das mit der Zeit ist natürlich nur ein Detail, denn in gehörter Form spürt man relativ wenig von der Tatsache, dass „Reflections Of A Floating World“ noch einmal an Länge zugelegt hat. Die Songs gehen einfach runter wie Öl und haben dank eines geschmeidigen Sounds eine hervorragende Hörbarkeit inne, die jeden Song butterweich in die Ohren gleiten lässt.

Zwischen schwer groovendem Stoner Doom und atmosphärischem Psychedelic Rock pendelnd legen die Bostoner sechs Songs aufs Parkett, die überdies immer wieder dezente Prog-Anklänge verlauten lassen. Diese äußern sich wahlweise in den vertrackteren Riffs oder aber im Songwriting selbst, das die Überlänge seiner Songs durch deren angenehme Komplexität rechtfertigt. „The Falling Veil“ erweist sich so etwa recht abwechslungsreich, ehe die Heavy-Schraube im mittleren Uptempo-Teil etwas mehr angezogen wird und erst wieder für den abschließenden, wiederum recht vielschichtigen Part zurückgeschraubt wird. Und natürlich darf bei einem Album, das sich das Zitieren klassischer Prog-Tropen nicht nehmen lässt, auch schöne, atmosphärische Mellotron-Streicher nicht fehlen, die hier und da zum Einsatz kommen.

Schade ist eigentlich nur, dass „Reflections Of A Floating World“ keine wirkliche Klimax enthält. Das Album lässt sich dennoch wunderbar hören und bietet allerhand Substanz für mehrere Hördurchläufe.

(Michael Klaas)

AKERCOCKE – Renaissance In Extremis

Abteilung ‚Reunions, die Sinn ergeben‘: Die Briten AKERCOCKE haben sich 2016 nach einer vierjährigen Pause wieder zusammengefunden, um zehn Jahre nach dem letzten Album endlich einen neuen Rundling vorzulegen – und „Renaissance In Extremis“ ist so ungefähr das geworden, was sich Fans in ihren heftigsten Fieberträumen erhoffen durften. Um nicht zu sagen: das Album ist so farbig und aufwühlend wie ein Fiebertraum, dabei aber so geschickt konstruiert und handwerklich so brillant, dass man aus diesem Traum nicht mehr erwachen möchte.

Das beginnt schon beim Opener „Disappear“, der bereits in der Eingangssequenz alle Trademarks auffährt: Atemloses Riffing über präzisen Drums, dann ein brillantes Gitarrensolo, schließlich der ultratiefe Gesang von Frontmann Jason Mendonça. Nein, bei AKERCOCKE hat sich nicht notwendigerweise viel geändert, aber vorhersehbar ist „Renaissance In Extremis“ erst recht nicht geworden. Dafür ist das Riffing zu progressiv und die ausgeloteten Extreme und Nichtextreme zu weit auseinander: Die Songs pendeln zwischen Black, Death, Thrash und Progressive Metal und stimmungsvollen Gänsehautparts – und das äußerst fließend.

Dabei geben die neun Tracks nicht immer sofort ihre Vorzüge preis: Manches Mal braucht es ein wenig, bis der Groschen fällt. Wie gesagt: „Renaissance In Extremis“ ist progressiv und verarbeitet alles von Siebziger-Jahre-Prog bis hin zu neueren MAYHEM, ist aber in der Grundstimmung überwiegend extrem. Selbst wenn beispielsweise die Klargesangspassagen überwiegen und der ultratiefe oder giftig-fauchende Gesang zum Schluss eher als Ergänzung eingesetzt wird.

Sicher: Für den Normalhörer mag „Renaissance In Extremis“ zu verwinkelt, zu undurchdringlich und nicht nachvollziehbar genug sein, aber das macht gerade den Reiz aus. Gerade weil eben genügend memorable Passagen eingestreut sind. Und an der Klasse von AKERCOCKE ändert das nichts: „Renaissance In Extremis“ ist brillant und eine fulminante Rückkehr. Welcome back!

(Eckart Maronde)

GUERILLA TOSS – GT Ultra

Von einer Knüppel- und Krachkombo hin zum Artpop-Geheimtipp mit punkiger Rotznase, das muss man den Bostonern GUERILLA TOSS erst einmal nachmachen. Die Band um Kassie Carlson hat mit „GT Ultra“ ihr vielleicht reifstes Werk aufs Parkett gezaubert. Der Sound klingt aufgeräumt und die Songs bieten Abwechslung pur, wobei die Band die Waage zwischen punkigen Attacken, poppigen Synth-Passagen und funkigem Gewusel mit einigen Ausschlägen in jede Richtung souverän hält. Das mit der Reife ist natürlich und zum Glück nur im übertragenen Sinne zu verstehen. Denn gerade bei einer Band, die vor allem mit Punk-Einflüssen jongliert, möchte man gar nicht so viel Erwachsenes hören. Und zum Glück liefern GUERILLA TOSS ein quietschfideles, leicht spinnertes Album, das vor allem dank seiner aufgeweckten, frechen Art mitreißt.

Sängerin Carlson schimpft, quiekt, stöhnt und raunzt sich durch die Songs mit diesem gewissen Rotznasen-Flair, das durch die quirlige Musik abermals verstärkt wird. Hier wird dem Hörer ein Sound hingeklatscht, der durch seine Lebhaftigkeit und Spontanität besticht. Und statt durchgebratener Punk-Gitarren hebt Arian Shafiee lieber funkig-wuselige Riffs unter die geradlinigen Rhythmen und erzeugt so richtig viel Bewegung innerhalb der Songs. Weiterhin wird den Tracks durch den großzügigen Einsatz von großflächigen Keyboards ausreichend Größe und Form verpasst, sodass sie einem selbstbewusst entgegen springen. Da ist sogar für atmosphärische Spielereien wie bei „Skull Pop“ Platz. Geerdet wird das Ganze schließlich durch die präzise Arbeit von Greg Albert am Bass, der die funkigen Untertöne des Sounds abermals unterstreicht.

„GT Ultra“ ist entsprechend ein rundum spaßiges Album mit überraschend viel musikalischem Tiefgang geworden, dank dem es eine enorme Langlebigkeit entwickelt hat. Und es lädt mit Krachern wie „Betty Dreams Of Green Men“, „Can I Get The Real Stuff“ und „Dog In The Mirror“ zum wild Herumtanzen und -wuseln ein. Zu schade, dass GUERILLA TOSS noch eher ein Geheimtipp sind. Noch…

(Michael Klaas)

 

CYTOTOXIN – Gammageddon

CYTOTOXIN sind dem Rezensenten damals erst mit ihrem Zweitling „Radiophobia“ unter gekommen. Dieser war eine tolle Melange aus eher ungewöhnlichem Thema für eine Tech/Brutal Death Metal Band (dem Reaktorunfall des ukrainischen Atomkraftwerks Chernobyl), wahnsinnigen Sweeps, einer Unmenge an Groove und Aggressivität und zeigte, dass auch die Deutschen international auf dem Tech/Brutal Death Parkett ganz oben mitspielen können. Nun also der Nachfolger 5 Jahre später. Nach dem Weggang von Ollie, dem Tier an dem Drums, waren doch ein wenig Zweifel da, mit Ankündigung von Stephan „Stocki“ Stockburger als Ersatz Fellpfleger folgte doch zuversichtlicher Optimismus.

2017 war schon ein tolles Jahr für Death Metal in jeglicher Form und Ausprägung (VALLENFYRE, VENENUM, SUFFOCATION, ORIGIN, DYING FETUS, uvm.) auch wenn nicht alle Alben letztendlich überzeugten. Wie steht es nun mit CYTOTOXIN ?

MASSIVE.RADIATION.DETECTED

Im Vergleich zum Vorgänger „Radiophobia“ hat sich eigentlich nicht allzu viel geändert. Es gibt immer noch gewaltig auf die Kauleiste, das charakteristische Sweep-Picking, Flitzefinger-Solos und technische Riffs treffen auf brutale Breakdowns, es wird aber auch mal schon stumpf einfach ein „Chugga-chugga-Riff“ rausgeholzt. Die Songs bieten im Gegensatz zu „Radiophobia“ aber besseres Songwriting und mehr Abwechslung: Das Tempo wird öfter variiert, die Songs stehen mehr für sich selbst und haben alle Wiedererkennungswert. Stocki feuert das alles mit Überschallgeschwindigkeit-Blasts an, ist aber – vor allem in den Akzenten auf den Becken – immer noch sehr variabel. Dies lockert das etwas maschinelle Feeling, das die Drums in diesem Genre meist haben, sehr gut auf. Über allem thront das Organ und die Pigsqueals (von denen ich nicht der größte Fan bin, hier sind sie aber ok) von Sänger und Frontsau Grimo, zusätzlich hat man sich stimmliche Unterstützung von ABORTED (Svencho ) und BENIGHTED (Julien) geholt, die ausgezeichnet mit hinein passen.

Brutalität, Abwechslungsreichtum, Eingängigkeit. Geigerzähler schlägt überall aus.

Schon der Opener „Radiatus Generis“ vereint alle Stärken der Band: Brutalität, technische Versatzstücke, aber auch Abwechslung und eine gewisse Eingängigkeit, zusammen mit netten kleinen Experimenten wie zum Beispiel dem Geigerzähler und einprägsamem Massive.Radiation.Detected Sample am Ende, was massiv groovt. Live sicherlich eine Bank. Der Titeltrack kommt sogar ungewöhnlich melodisch und beinahe episch daher im Chorus, während er dazwischen alles kleinholzt. „Chernopolis“ ist der bisher längste Song in der Diskographie und sehr abwechslungsreich aufgebaut. Tracks wie „Chaos Cascade“ oder „Corium Era“ sind eher kürzer und mehr auf den Punkt. Hier stirbt alles, was bei Drei nicht Zuflucht im Reaktor gesucht hat, während zum Beispiel „Outearthed“ sich mehr entwickelt und mehr oder weniger eine Geschichte erzählt. Hier wird nicht der typische Strophe-Chorus-Strophe-Breakdown-Chorus Aufbau verfolgt. Hin und wieder wirken die Songs sogar simplifiziert, man hält ein Riff mal länger anstatt sofort wieder in technisches Zurschaustellen der eigenen Fähigkeiten zu verfallen. Das tut „Gammageddon“ extrem gut: Die Songs erhalten Wiedererkennungswert und die Nackenmuskulatur wird voll strapaziert.

Freudestrahlend

Die Produktion ist immer noch differenziert und druckvoll, wirkt auf mich aber nicht mehr so steril wie auf „Radiophobia“, speziell was das Schlagzeug angeht und den hier sehr viel besser hörbaren Bass. Definitiv ein weiterer Pluspunkt, der den Songs zugute kommt. Also ist summa summarum alles vorhanden was ein gutes Album ausmacht: Eigenständigkeit, Eingängigkeit, aber auch Abwechslungsreichtum. Ein kohäsives, fließendes Songwriting. Besinnen auf die eigenen Stärken mit kleinen, aber sinnvollen Experimenten (mehr Melodie, Samples…) angereichert. Dieses Album lässt mich im Gegensatz zu den Kollegen von z.B. DECREPIT BIRTH und ORIGIN, die mittlerweile ein wenig Abnutzungserscheinungen zeigen, freudestrahlend zurück. 9 von 10 Reaktorunfällen. Would blow up again.

PS.: Die Studio Reports sind auch diesmal wieder absolut sehenswert! Ossi-Humor FTW!

(Alexander Santel)

COMMUNIC – Where Echoes Gather

Da will man eigentlich einfach nur ein Review zu einer Scheibe verfassen, die bei uns leider unter den Schirm gefallen war, und dann überholt einen dabei die traurige Realität. Warrel Dane, der Frontmann von NEVERMORE, verstarb am 13.12.2017. Und ohne diese Band hätte es COMMUNIC in dieser Form ganz sicher nie gegeben. Doch trotz all dieser Tragik lohnt sich natürlich ein Blick auf deren aktuelles Werk absolut.

Geschlagene sechs Jahre ließen sich COMMUNIC Zeit für den Nachfolger zu „The Bottom Deep“. Und ungefähr genauso lange liegen die großen Vorbilder NEVERMORE nun leider auch schon auf Eis, diesmal tragischerweise ziemlich sicher für immer. Harte Zeiten für die Fangemeinde. Doch nun ist die Erlösung da, denn „Where Echoes Gather“ steht endlich am Start.

Und gleich mit dem Opener „The Pulse Of The Earth (Part 1 – The Magnetic Center)“ ist man sofort wieder gefangen in der ganz eigenen Welt von COMMUNIC. Ist das nun Power Metal, oder doch eher Progressiv? Egal, nennen wir es einfach NEVERMORE-Metal, da weiß jeder sofort, was ihn erwartet. Einerseits schwere und kraftvolle Musik, andererseits regelrecht fragil und herrlich melancholisch. Die Norweger beherrschen perfekt die angenehme Härte, die einen durchaus niederdrückt, aber dennoch genug Raum zum Atmen lässt. Das ist nach wie vor nichts zum nebenbei Hören oder gar Mitträllern, diese Mucke will entdeckt und erobert werden. „The Pulse Of The Earth (Part 2 – Impact Of The Wave)“ bietet dann erstmals so einen feinen Refrain, den man vielleicht nicht gleich beim ersten Mal mitsummt, dann aber dafür um so öfter. COMMUNIC sind zwar oft progressiv unterwegs, aber stets songdienlich. Da fügen sich nahtlos Puzzleteile zusammen, die zunächst scheinbar gar nicht zueinander zu passen scheinen. Ein gutes Beispiel für die gelungene Härte ist ganz klar „Where Echoes Gather (Part 2 – The Underground Swine)“, hier geht man fast schon thrashig zu Werke. Als Kontrast dazu folgt das zerbrechliche „Moondance“, sanft und balladesk, trotzdem angenehm unpeinlich. Und auf der ganzen Scheibe sind es vor allem die Details, die den Unterschied zwischen COMMUNIC und anderen ähnlich gearteten Kapellen ausmachen. Da wäre beispielsweise das coole Bass-Intro zu „Black Flag Of Hate“ oder aber diese Göttergabe von Melodie in „Where History Lives“. Diese wird nur einmal intoniert, denn Wiederholungen haben die Jungs gar nicht nötig. Andere Bands hätten aus diesem kleinen Part sicher einen ganzen Song gestrickt. Alleine anhand dieser Beispiele wird schon überdeutlich, der Ideenreichtum dieser Scheibe ist fast schon unheimlich. Und der zieht sich souverän durch bis zum Grande Finale „The Claws Of The Sea (Part 2 – The First Moment)“, nochmal so ein absoluter Ohrenschmeichler vor dem Herrn.

COMMUNIC pendeln souverän zwischen Stärke und Gebrechlichkeit

Die Bonus Tracks in Form von Live-Versionen bekannter Songs ergänzen das Hauptgericht als nette Beilage.

Kaum einer Band gelingt dieser gewagte Spagat zwischen Stärke und Gebrechlichkeit so überzeugend wie diesen Jungs aus Norwegen. Und obwohl man natürlich genau hört, wer hier Vorbild und Inspiration waren, weiß man doch zu jeder Zeit, dass man COMMUNIC hört. Einfach große Kunst.
Die Band ist hier vielleicht etwas weniger eingängig unterwegs als auf den vorhergehenden Scheiben, aber die Langzeitwirkung von „Where Echoes Gather“ dürfte 100%ig garantiert sein. COMMUNIC haben sich auf einem verdammt hohen Niveau stabilisiert und sind wahrlich die perfekte Alternative für die große Schar der NEVERMORE-Fans. Wobei, stimmt so eigentlich auch nicht wirklich, COMMUNIC sind mehr als nur das.

Dennoch gehören die letzten Worte Bandleader Oddleif Stensland, der auf Facebook Abschied von einem seiner Idole nahm: „So sssad to hear about the passing of Warrel… Thanks for the great music, fantastic lyrics and great inspiration!“ Damit wäre alles gesagt.

(Christian Popp)

RED VOX – Another Light

Wenn Youtuber Musik machen bzw. sich an solcher beteiligen, dann kann das schon gerne mal nach hinten losgehen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte Kollege Rothe mit REVEAL ein solches Beispiel zerlegt. Dass es auch anders, genauer: besser geht, zeigen indes RED VOX, die Band um den als Vinny bekannten Streamer, Youtuber und Vinesauce-Gründer, die mit „Another Light“ Ende letzten Jahres noch mal ordentlich haben aufhorchen lassen.

Hatte die Band ihre Einflüsse des klassischen Rock auf dem Vorgänger „What Could Go Wrong“ noch recht offen gezeigt, so bewegen sich die New Yorker mit der neuen Platte deutlich mehr in Richtung Eigenständigkeit. Geboten wird Rock, der immer ein bisschen zwischen Independent, Grunge und Alternative pendelt, dabei seinen Blick weiterhin auf die Klassiker richtet. Der Unterschied zum Vorgänger ist, dass einem diese Einflüsse nicht mehr so offensiv ins Gesicht springen und deutlich subtiler in das Klanggewand eingearbeitet worden sind. RED VOX lassen dadurch ihren Sound deutlich souveräner klingen und das schlägt sich in der Qualität nieder, mit der „Another Light“ auftrumpft.

Insgesamt wurde  die Laune etwas gedämpft, sodass das neue Album deutlich melancholischer herüberkommt. Der Titeltrack eröffnet rockig die Platte im Sinne neuerer ALICE IN CHAINS  („Check My Brain“ ist ein guter Anhaltspunkt) und lässt den Kurs der Platte in puncto Stimmung schon erahnen. Atmosphärische Synthesizer, die schon auf dem Vorgänger zu hören waren (u. a. „Atom Bomb“), spielen auf dem neuen Album eine deutlich größere Rolle. Das Ergebnis sind einige richtig mitreißende Nummern wie „Memories Lie“ oder „In The Garden“, bei denen man sich einfach nur rückwärts in diesen samtigen Sound hineinfallen lassen möchte. Besonders überzeugt erstgenannter Track dann, wenn er seinen Höhepunkt erreicht und eine sentimentale Hook vom allerfeinsten aufs Parkett legt. Etwas rockiger aber nicht minder stimmungsvoll geht es dagegen auf „Reno“ zu.

Die Musik passt gut in die kalte Jahreszeit hinein und dürfte für so manch wohligen Schauer sorgen. Freche Gitarren, die immer wieder hervorbrechen, runden das Ganze ab und erden es letzten Endes firm im Rock. „Another Light“ ist ein vielschichtiges, atmosphärisches Album, das dem Klischee der Youtube-Gurke trotzig ins Gesicht grinst.

(Michael Klaas)

VOYAGER – Ghost Mile

Also angepriesen wird mir VOYAGER als “Progressive Melodic Metal” “Spacy Art Rock”, ich meine auch gewisse Djent-Einflüsse rauszuhören… ein wenig ANIMALS AS LEADERS, ein bisschen PERIPHERY, Clean Vocals, Synthesizer, vertrackte Rhythmen, Djent Riffs, aber auch mal ausgepackte Blast Beats… Klingt nach einem bunten Strauß Zutaten, nur kann da auch was raus werden? Die Aussie’s von VOYAGER sind schon seit 2003 unterwegs und haben eine kleine, aber eingeschworene Fanschar aufbauen können. Bei den meisten wird der Name nur Schulterzucken auslösen, aber eingeschworene Progger und Djentleman werden die Band wahrscheinlich längst auf dem Schirm haben, die letztes Jahr auch u.a. beim EUROBLAST am Start waren, was schon ein wenig dem Ritterschlag nahekommt.

Nun aber zum neuesten Output „Ghost Mile“.

Es wird schon sofort mit heruntergestimmten Gitarren im Opener “Ascension” gestartet, über die sich die klare,cleane Stimme von Daniel “Nephil” Estrin (Übrigens aus Deutschland!) legt, der Song ist poppig-catchy im positiven Sinne, als dann in der Mitte des Songs diese geilen spacy-verzerrten Gitarren auftauchen ist es schon um mich geschehen. “Misery is only Company” verfolgt dankbarerweise die nachvollziehbare Spur und kann mit einigen dezenten, aber gut eingeflechteten Keyboards und einem netten Chorus aufwarten. “Lifeline” packt vertracktere Rhythmen, Tapping-parts und viel Echo-Effekt auf den Gitarren mit rein. “The Fragile Serene” mixt aus den bisher bekannten Zutaten dann noch einen weiteren Song. So geht es im Prinzip über die Dauer des Albums weiter.

Während die Songs für sich einzeln genommen durchaus ordentlich sind, kommt über Albenlänge ein wenig Beliebigkeit auf. Keyboard, Synthies, ruhigere Parts, vertrackte Rhythmen? Kein spezieller Punkt eines einzelnen Songs, man kann alle Trademarks in beinahe jedem Song finden. Somit ist skippen kein großes Problem, da man nicht wirklich was verpasst. Da können nur der mit einem kleinen coolen Backbeat-Blast unterlegte Ausbruch am Schluss daher kommende Titelsong, das ruhigere Zwischenspiel “To The Riverside” und das zackig groovende “What a wonderful Day” noch ein wenig überraschen. Leicht ironisch, da diese “reduzierter” auf eine Songidee sind, als die restlichen Songs, sich dafür umso mehr im Gedächtnis festsetzen. Applaus muss auch nochmal der oft recht funky gespielte Bass von Alex Canion bekommen, der aber leider nicht oft genug heraus kommt und scheinen kann.

Das die ganze Chose fantastisch und fett produziert ist, versteht sich des Genres wegen schon fast von selbst. Mir fehlt ein wenig noch der letzte Aha-Effekt, so bleibt es bei einem soliden, aber keine Bäume ausreißendem Album, dass trotz Abwechslung seltsam beliebig wirkt.

(Alexander Santel)

Und was neben dem Metal noch so los war:

Various Artists – Baby Driver Original Motion Picture Soundtrack

Eigentlich hab ich es mit Musicals ja nicht so. Allerdings zieht BABY DRIVER anfangs das interessante Konzept – klassischer Thriller bzw. Heist-Movie mit Musical-artiger Untermalung, das thematisch und storytechnisch mit eingewoben wird – wirklich top durch… dass der Film seinen Ansatz ab dem letzten Drittel ein wenig vergisst und einen flachen 08/15 Hollywood-Abschluss hinlegt, war dann leicht enttäuschend. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich seit vielen Jahren keine so gute Cinematographie und so spektakuläre Verfolgungsjagden gesehen habe! (Ja, das schließt “Größer,schneller,weiter, uns fällt eh nix neues mehr ein”- FAST & FURIOUS mit ein!). Aber wird sind hier ja wegen der Musik. Und die ist wahrlich ein Fest! Während sich hauptsächlich an alten Oldies und Klassikern bedient wird (was den Coolnessfaktor der Szenen unterstreicht und den Film gleichzeitig auch noch veredelt), ist es gerade die wilde Mischung und Tanz- und Mitsingbarkeit, die diesen Soundtrack so herausstechen lassen. Ob das nun die alten Brit-Rocker von THE DAMNED oder T.Rex sind, die Soul-Queen CARLA THOMAS, Klassisches wie “Easy” von THE COMMODORES, Old-School Hip-Hop von YOUNG MC, dem gleichnamigen Song “Baby Driver” von SIMON & GARFUNKEL oder die Frauenherzen zerfließen lassende Stimme eines BARRY WHITE… wer aus diesem Potpourri nicht zumindest einen Song mitnimmt, auf den er abgeht, kann sich das mit dem Musikliebhaber gleich aus dem Kopf schlagen. Geht zurück Charts-Müll hören! Alle anderen schwelgen in Nostalgie und Retromanie oder feiern einfach mal wieder derbe ab! Und entdecken dank Empfehlungen und Vorschlägen bei diversen digitalen Anbietern gleich neue Genres oder Künstler für sich!

(alexander Santel)


 

ALEX CAMERON – Forced Withness

Der Herr Cameron ist schon ein schräger Vogel. Da jubelt er einem mit seinem zweiten Album „Forced Witness“ einfach mal so ein sahniges Synthie-Pop-Album unter, das wirklich alle Register zieht. Melodien gibt es en masse, Alex Cameron selbst singt mit trockenem Pathos, die Songs gehen richtig gut ins Ohr und dazu liefert „Geschäftsparter“ Roy Molloy immer wieder seine stimmungsvollen Saxofon-Soli. Der Cheese ist stark mit „Forced Witness“ und immer wieder erwischt man sich selbst als beinharter Metaller beim Mitwippen zu diesen eigentlich recht zahm anmutenden Songs.

Doch schnell merkt man, irgendetwas ist hier seltsam. Und dann fängt man einfach so an, auf die Texte zu achten und merkt erst dann, dass Cameron einem ein Paar sagenhaft eingängige Nummern übers Mastubieren, wilde Fremdgehfantasien und die Liebe am Rande der Legalität vorgesungen hat hin zum Punkt, wo man sich schon fragt, wo hier die Satire anfängt und wo sie aufhört. So sensationell geil schießen nur die wenigsten Künstler mit voller Absicht über das Ziel hinaus. Alex Cameron hat’s geschafft und uns dabei ein kriminell gutes Album hinterlassen.

(Michael Klaas)


 

MORLOKK DILEMMA & BRENK SINATRA – Hexenkessel Pt. I + II

Also ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich spitz jedes Mal die Öhrchen wenn es neues Futter vom Meister mit dem größten Wortschatz im deutschen Sprechgesang (zumindest laut dem BR) gibt. Die harten Battle-Texte von MORLOCKK zu dem m***ergef****en DILEMMA gepaart mit einem wohligen old-school Boom-Bap Sound haben über ganz Deutschland und darüber hinaus längst eine treue Fanschar erzeugt und auch der Herr Dilemma selbst zeigt sich äußerst produktiv, so sind diverse Re-Releases, als auch Instrumental-Zeug unter dem Alter Ego MORLOCKKO PLUS und andere Mixtapes erst 1 – 2 Jahre her. Aber Stillstand ist ja bekanntlich der Tod. Nun kehrte anno 2017 also der eiserne Besen wieder, im Schlepptau den Wiener Haus- und Hofproduzenten BRENK SINATRA, der ja nun auch kein Leichtgewicht in der Szene ist.

Und was soll man sagen: Es kommt mal wieder zu lyrischer Gewalt im mehrschichtigen Gedichtdickicht, untermalt vom bluesigen und funkigem Fundament von BRENK SINATRA. Story-Telling wie in “Jack” ist aber durchaus auch wieder vorhanden. Rap zwischen Straßenpoesie, Zynismus, dem Alk zum Vergessen und der folgenden Kneipenschlägerei. Das ist nicht unbedingt großartig anders als auf den eigenen vorherigen Veröffentlichungen, aber qualitativ immer noch genauso hoch anzusiedeln! Dass diverse Filmsamples und Interludes wieder am Start sind, ist mittlerweile auch gewohnter Standard. Gute Gastbeiträge von u.A. KARATE ANDI, AUDIO88 & YASSIN, MC BOMBER und Lieblings-Homie-auf-Lebenszeit HIOB runden das Ganze ab. Einfach mal “Abschiebehaft” oder “Kopfnuss” auschecken!

“Komm‘ auf die Bühne, goldbehangen, nur in Lammfell-Shorts
Und deutschen Rappern bleibt nur Suff und der Bilanzselbstmord
[…]
Start‘ ich auf Partymeilen ein Handgemenge
Ich mach‘ mit der Nagelfeile die Straßenzeile
Zum Gazastreifen und du Naseweis kriegst Angstzustände”

(Alexander Santel)


 

ROSALÍA – Los Angeles

Wie wäre es zur Abwechslung mal mit etwas Flamenco? Warum nicht, hatten wir ja immerhin schon mal mit EXQUIRLA und deren Album „Para Quienes Aún Viven„. Schon das, was TOUNDRA zusammen mit Niño de Elche auf die Beine gestellt haben, hat eine ungemeine Faszination ausgeübt.

Doch „Los Angeles“ von Rosalía ist was ganz anderes. Anstatt ihren Flamenco in die vertrauten Wogen des Rock einzubetten verzichtet Rosalía gänzlich auf derlei Kompromisse. „Los Angeles“ bietet intensive, geradezu intime Musik, welche die Passion und das Mysteriöse des Flamenco einfangen, komplett auf akustische Gitarre und die sagenhafte Stimme von Rosalía reduziert. Und nur so können die Stücke ihre hypnotische Macht so richtig entfesseln, die einen gnadenlos für sich einnimmt. Hier liegt ein sagenhaftes Folk-Album vor, das man nicht verpassen sollte, gerade wenn man ein Freund der stimmungsvolleren, ernsthafteren Klänge ist.

(Michael Klaas)


 

DISASTAR – Minus x Minus = +

Ein Jahr nach dem letzten Mixtape “Sturm und Drang”, 2 Jahre nach dem letzten regulären Album “Kontraste”, mit dem DISARSTAR erstmals in Hip-Hop Medien wie auch in so manchem Feuilleton so richtig durchstarten konnte, ist das neueste draußen. Nach dem Labelwechsel zu Warner wurden die Ausverkauf-Rüfe natürlich erst einmal groß. Auf dem neuesten ist das Nachwuchs Talent aber wieder einmal lyrisch, rap-technisch und sozialkritisch auf hohem Level unterwegs. Immer noch stramm links unterwegs und kein Freund von Rechten, Kapitalismus und Bonzen, wie Songs wie “Glücksrad”, “Kapitalismus” und “Konsum” beweisen, aber auch Representer-tracks wie “Frischer Wind” “Death Metal”, Songs über den Rap bzw. die Liebe dazu und auch die (zerbrochene) Liebe an sich sind wieder am Start (“Beat, Stift und Blatt”, “Ares und Area”). Es wird also viel Wert auf Abwechslung gelegt. Mal melancholisch, mal kämpferisch, mal wütend unterwegs, deckt DISARSTAR viele Paletten ab, auch wenn das seiner Reibeisenstimme ein wenig abgeht, die ist aber eh schon seit den alten Platten sein Trademark. Entweder man mag sie oder man mag sie nicht. Die Produktion der Beats aus der Feder von SiNCH, TYPHOON und KILLA M lassen mal wieder keine Wünsche offen, von traurigen Klavier-Samples über Boom-Bap Anklänge über dreckige Snares die an 80/90er Hip-Hop erinnern ist ein breites Spektrum vertreten, es wirkt aber trotzdem nicht wie Stückwerk sondern ist stimmig auf Albenlänge.“Per Aspera ad Astra” mit Mohammed Ali Malik als Unterstützung hat man als eine Art Mut-mach-Hymne an den Schluss gepackt. Das geht schon gefährlich nahe in die Mainstream-Richtung, die ein KOOL SAVAS auch schon mit Xavier Naidoo eingeschlagen hat, ist aber ist trotzdem hörenswert. Weitere Features beinhalten TUA, LIEDFETT und CREDIBIL. Auf der Bonusnoch remasterte Tracks aus Kontraste und Instrumentals dazu. Das Standard-Album kommt somit nur auf 13 gegenüber 38 Tracks auf der erweiterten Version, was beinahe wenig ist für einen Solo-Ausflug im Hip-Hop. Ganz so stark wie den Vorgänger “Kontraste” finde ich “Minus x minus = +” auch ehrlich gesagt nicht, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Ich hoffe auf eine rosige Zukunft für den Hamburger Jung, verdient hätte er es und mit Warner im Rücken hat er nun auch das Rüstzeug dazu, bekannter zu werden. Nur was Metallica mit Death Metal zu tun haben und warum nur DISARSTAR weiß, dass sie sich schon mal aufgelöst haben und wieder zusammen gekommen sind, ist noch ein Buch mit sieben Siegeln für mich.

(Alexander Santel)

13.01.2018
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