metal.de-Redaktion
Durch die Lappen gegangen

Special

Lör

LÖR – In Forgotten Sleep

Im Power Metal steckt so viel mehr, als uns die „Großen“ des Genres heutzutage weismachen wollen. Und wer das erst mal nicht glaubt, weil er den Power Metal – bedingt durch besagte Bands – nur noch als faden, aufgeblasenen Quietschmetal wahr nimmt, der muss nur mal einen Blick in den Underground werfen, dort, wo die Musik im Allgemeinen und der Metal im Besonderen noch zu etwas Großem gedeihen kann. LÖR aus Philadelphia haben letztes Jahr ihr Full-Lenght-Debüt „In Forgotten Sleep“ in Eigenregie veröffentlicht, nachdem sie im Vorfeld schon fünf Jahre durch die Lokalitäten getourt sind. Und sie sind damit mächtig eingeschlagen, vor allem deshalb, weil die Band eindrucksvoll zeigt, wie geil Power Metal sein kann, wenn man sich nur mal richtig Mühe gibt und auch mal Eier zeigt.

Und beiläufig – so scheint es – nehmen sie noch Elemente aus Folk und Prog mit, letzteres wohlgemerkt, ohne in die Power-Prog-Falle zu latschen, d. h. rudimentäre Songs unnötig auf Überlänge aufzublasen, ohne sie mit der nötigen Substanz zu füllen. Nein, hier werden die Songs noch richtig auseinander genommen und neu zusammen gesetzt, teilweise garniert mit klassischen oder Folk-Intermezzi. Auch technisch gibt es einiges zu bewundern. Hier haben LÖR alles richtig gemacht. Und bei alledem geben sich LÖR zu jeder Zeit erfrischend heavy. Hier ist nahezu jeder Track ein kleines Abenteuer. So und nicht anders hat Power-Prog zu klingen. Hier stecken Substanz, Hirn und – auch und vor allem – Power drin. Und gerade letzteres ist etwas, das vielen Power-(Prog-)Bands heute mit erschreckender Regelmäßigkeit abhanden kommt.

LÖR geben dem Power Metal die Power zurück

Dass man das mit den Ambitionen des Prog in Einklang bringen kann, beweisen LÖR vor allem mit ihrem Songwriting, das natürlich in erster Linie dem „Power“-Aspekt dient. Dennoch steckt hier mehr drin, denn um diese Wucht wirklich spüren zu können, braucht es eben auch Passagen, die darauf hinarbeiten. Und genau hier kommen die Folk- und Prog-Elemente ins Spiel, welche die Phasen zwischen den kraftvollen Passagen mit Leben füllen. Erstere machen sich direkt beim Opener „Dusk“ bemerkbar. Mystische Klänge leiten in einen knapp elfminütigen Track ein, der auf dem Weg zum Ziel eine ganze Menge Wendungen durchmacht und dabei doch wiedererkennbar bleibt. Durchgehend Gas geben die Herren dagegen im kurzen „Dark Cloud“, das inklusive Hammer-Hook daherkommt. Doch weil sich die Band hier kurz fasst, funktioniert das auch ohne große Wendungen. „Visions Of Awakening“ wartet mit einem weiteren, großartigen Refraun auf, dessen Chöre in Sachen Bombast und Epik zusätzlich ganze Arbeit leisten und sich hervorragend mit den Folk-Metal-Anteilen im Sound ergänzen. FALCONER lassen hier herzlich grüßen. Richtig Gänsehaut darf man beim Zwölfminüter „Eidolon“ bekommen, das in puncto Theatralik zulegt und dank seiner zahlreichen Wendungen der mit Abstand progressivste Track der Platte ist.

Hier sitzt einfach alles, auch der Sound. Der hat richtig Durchschlagskraft und klingt doch ausreichend roh. Hier schwingen die Musiker ihre Instrumente noch wie Waffen, was sich hervorragend mit den Folk-Elementen verträgt. Und Sänger Tyler Fedeli verzichtet sogar auf nervigen Falsettgesang. Auch ein paar Faucher haben sich eingeschlichen. Ja, ein kleines bisschen haben LÖR mit den Folk-Elementen natürlich schon in der Klischeekiste gewühlt, hin zum Punkt, wo „In Forgotten Sleep“ gelegentlich Pagan-Metal-Luft schnuppert. Aber hey, wenn es so gut funktioniert wie auf „In Forgotten Sleep“, dann nehme ich gerne mehr davon. „In Forgotten Sleep“ ist ein hervorragend hörbares Album für alle, die wieder einmal in den Genuss des vollen Power-Metal-Programmes kommen wollen und dabei auf den üblichen Kitsch und Camp verzichten können.

(Michael Klaas)

Seiten in diesem Artikel

12345678910111213
13.01.2018

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37294 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

9 Kommentare zu metal.de-Redaktion - Durch die Lappen gegangen

  1. Hypnos sagt:

    Liebe Redaktion, wie kommt es dass euch das letztjährige ‚Album des Jahres‘, nämlich ‚Stranger Times‘ von Vulture Industries nun ein weiteres mal durch die Lappen gegangen ist? Zumal ihr ankündigende Artikel zu diesem musikalischen Juwel veröffentlicht habt.

    Das grossartige ‚To The Elements‘ von Sun Of The Sleepless würde leider auch übersehen

  2. Sven sagt:

    Ich würde mal frech behaupten, euch wäre die neue CD von Leprous durch die Lappen gegangen? Ihr habt sogar ein Konzert-Report gemacht, jedoch nie ein Review von „Malina“ veröffentlicht. Bizarr?

  3. FreesingFab sagt:

    Witzig, das sind genau die Albumreviews, die mir hier auch abgegangen sind 🙂 (Also „Stranger Times“ von Vulture Industries und „Malina“ von Leprous.) Zwei wirklich tolle Alben…
    Wenigstens „Ghost Mile“ von Voyager hat es nachträglich noch reingeschafft, auch wenn ich die Kritik der Beliebigkeit nicht ganz nachvollziehen kann und den Songs einen hohen Wiedererkennungswert zusprechen würde. Musste aber vll auch einfach schnell gehen, eine Meinung abzugeben, was bei Prog leicht zu Urteilen führen kann, die man nach etwas „Reifezeit“ ganz anders sieht.

  4. Rantanplan sagt:

    Fjoergyns „Lucifer Es“ ist euch mal sowas von durch die Lappen gegangen… selbst schuld, kann man da nur sagen.

    1. DieBlindeGardine sagt:

      Naja metal.de wird ja soweit ich weiß komplett ehrenamtlich, also von leuten in ihrer freizeit betrieben. Selbst schuld ist da relativ, ich schreibe selbst für ein kleines onlinemagazin und manchmal ist es halt so, dass sich für manche platten erstmal kein rezensent findet oder die in der flut von veröffentlichungen einfach untergeht. Kann halt passieren.

      1. Alexander Santel sagt:

        insert „thankyou.gif“ here 😉

  5. Doktor von Pain sagt:

    Ja, und „Corpseraping Sorrow Throughout the Silence of the Northern Hemisphere“ von Frosteinlauf habt ihr auch einfach ignoriert! Dabei haben die das Jugendzentrum in Klein Schlingelsdorf gefüllt und allein da bestimmt fünf CDs verkauft. Nun frage ich mich: Wie konnte das passieren?

    (Man hat übrigens nicht viel verpasst, wenn man das neue Album von Vulture Industries nicht kennt – meine Meinung.)

    1. TCND! sagt:

      Danke, hab mich gut unterhalten gefühlt! :’D

    2. Hypnos sagt:

      man hat lediglich das Album des Jahres verpasst – meine Meinung