Doro
Listening-Session zum neuen Album "Raise Your Fist"

Special

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Obwohl Doro Pesch nun wirklich schon lange genug im Musikbusiness unterwegs ist, wirkt sie noch immer aufgeregt wie ein kleines Mädchen, als sie Mitte Juli erstmals das neue DORO-Album „Raise Your Fist“, das am 19. Oktober diesen Jahres erscheinen wird, den versammelten Presse-Vertretern im Donzdorfer Nuclear-Blast-Hauptquartier vorstellt. Dass die Grande Dame des deutschen Heavy Metal ihr Lampenfieber nicht verbergen kann, macht sie nur umso sympathischer und unterstreicht ihre Authentizität. Und nicht nur ihre Worte, auch ihre Musik kommt zweifellos stets von Herzen.

Bevor wir uns aber dem neuen Material widmen, begrüßt Frau Pesch erst einmal alle Anwesenden und schickt eine kleine Warnung voraus: „Die Scheibe ist noch nicht gemastert worden. Da werden viele Sachen noch angeglichen, ein paar Sachen werden vielleicht rausgeschnitten oder gekürzt und die Fades werden alle schön gemacht. Da kann ich dann auch noch sagen, welcher Song dann wo hin soll. Deswegen würde es mich sehr interessieren, was ihr von der Reihenfolge so haltet.“

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Und schon gibt es mit dem inzwischen auch von der gleichnamigen EP bekannten Titeltrack „Raise Your Fist In The Air“ den perfekten Opener auf die Ohren. Die geradlinige DORO-Hymne bietet so ziemlich alles, was man als Fan erwarten durfte, bis hin zum unvermeidlichen Drums-Only-Mitsing-Break im Mittelteil.

Es folgt mit „Coldhearted Lover“ ein textlich arg klischeelastiges, dafür mit einem starken Groove und jeder Menge 80er-Jahre-Flair versehenes Stück, bei dem im Mastering hoffentlich noch das heute etwas dumpf klingende Bass-Wummern etwas aufpoliert wird.

Wo wir gerade schon bei klischeelastigen Texten sind, wird es mit einem „Rock ‚Till Death“ betitelten Stück natürlich keineswegs besser. Dafür überzeugt der garantiert mitsingtaugliche Live-Kracher mit herrlich treibenden Drums und einem relativ modernen Vibe.

Für die erste Ballade „It Still Hurts“ hat sich DORO einen ganz besonderen Gast ins Studio geholt: Lemmy höchstpersönlich gibt sich die Ehre, klingt hier weniger rau als bei MOTÖRHEAD, geradezu samtig, aber natürlich nuschelig wie eh und je. Der zeilenweise wechselnde Duett-Gesang sticht heraus, ansonsten wirkt das Stück aber etwas kalkuliert und vorhersehbar.

Mit „Take No Prisoner“ geht es nach einem Polizeisirenen-Intro zurück ins Up-Tempo, letztlich geht das unspektakuläre Stück aber eher als mittelmäßig durch.

Umso mehr fällt die Klasse von „Grab The Bull (Last Man Standing)“ auf, das sich mit coolen Bass-Linien und einem Mörder-Groove zur epischen Hymne hochschaukelt. FIREWIND-Kopf und OZZY-OSBOURNE-Gitarrist Gus G. hat zu dem Stück ein schickes Frickel-Solo beigesteuert und das Ende mündet in den von einem Männerchor gesungenen „Ohohoh“-Part.

Mit „Engel“ folgt nun die zweite Ballade, die ebenfalls bereits von der EP bekannt ist. Dank des deutschsprachigen Textes erinnert die von Streichern und Klavier dominierte, durchwegs Radio-kompatible Heavy-Ballade entfernt an „Für Immer“, während der Refrain-Text sich auf Kinderreim-Niveau bewegt, was man wahlweise gut oder schlecht finden darf.

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Den wohl ungewöhnlichsten Track des Albums und zugleich ein weiteres Highlight stellt „Freiheit (Human Rights)“ dar, bei dem Frau Pesch weder von Herzschmerz singt, noch ihre harte Rocker-Seite nach außen kehrt, sondern ein eindeutiges politisches Statement abgibt. Entsprechend steht hier der Text weit im Vordergrund, wodurch das Stück sehr modern wirkt und gewissermaßen das Metal-Pendant zu einem Rap-Song darstellt. Das mag sich vielleicht komisch lesen, klingt aber absolut genial und profitiert sogar von einer recht modernen, fast schon Nu-Metal-artigen Produktion.

Das Stück mit dem unglaublich niedlichen Titel „Little Headbanger (Nackenbrecher)“ kehrt nun umso heftiger zu den Text-Klischees zurück. Die Heli- und Motoren-Sounds im Solo-Part sind auch nicht unbedingt innovativ zu nennen, dennoch überzeugt der treibend flotte Gute-Laune-Banger mit einem hohen Aggressionslevel.

True-Metal-Riffing und Double-Bass – wenn man den Gesang austauscht, könnte „Revenge“ auch als typischer HammerFall-Song durchgehen. Das Stück wirkt extrem simpel, gerade dadurch zündet es aber sofort und weiß auf Anhieb zu gefallen.

Mit „Free My Heart“ gibt es noch einmal eine Ballade zu hören. Trotz einfühlsamer Piano- und Streicherklänge ist es natürlich vor allem Doro Peschs Stimme, die den Titel zu einem wahren Gänsehaut-Marsch macht.

MIt „Victory“ gibt es zum Abschluss einen weiteren bereits von der EP bekannten Song mit einer Extraportion Groove und – für DORO-Verhältnisse – extrem modern anmutendem Riffing. Dank seines ungewöhnlichen Flairs könnte das Stück zu einem potentiellen Live-Kracher werden, dürfte sich aber auch im Abspann eines Hollywood-Blockbusters extrem gut machen. Dabei wäre das Stück beinahe viel weiter oben in der Tracklist gelandet. „Es stand für das Album zur Debatte, ‚Victory‘ an die zweite Stelle zu packen, wie schon auf der EP. Aber da dachte ich mir, dass es dann dasselbe ist und zu gleich wird.“

Doch halt, ein Lied wäre da noch, nämlich „Hero“. „Dieses Lied ist einem ganz besonderen Menschen gewidmet,“ verkündet Doro und bereits bei der ersten Textzeile wird klar, um wen es sich dabei handelt: „Like a rainbow in the dark“ – klar, dass hier Ronnie James Dio gemeint ist. Und auch wenn sich die internationale Metal-Szene seit seinem Tod vor gut zwei Jahren mit Ehrerbietungen immer wieder gegenseitig zu übertreffen versucht, klingt das Requiem von DORO alles andere als abgedroschen. Nach einem vergleichsweise sparsam instrumentierten Anfang explodiert das Stück im Mittelteil zu einer treibenden Heavy-Walze und überzeugt vor allem mit ausdrucksstarken Drum-Strukturen.

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Nachdem die letzten Töne verklungen sind, gibt es begeisterten Applaus der Anwesenden und Doro Pesch wirkt erleichtert darüber, dass ihr neustes Werk bei den anwesenden Journalisten offensichtlich hervorragend ankommt. Tatsächlich zeigt Doro auf „Raise Your Fist“, dass sie zwar eine deutsche Ikone des traditionellen Metal ist sich aber auch vor moderneren Einflüssen keineswegs verschließt und diese gezielt, aber niemals übertrieben zum Einsatz bringt. Dadurch bleibt ihre Musik frisch und unverbraucht, obwohl die Handschrift der Metal-Queen zu jedem Zeitpunkt erkennbar bleibt.

Und was sagt Doro selbst zu ihrem neuen Album? „Ich bin insgesamt sehr zufrieden. Heute war wirklich das erste Mal, wo wir alles am Stück durchgehört haben. Sonst hat man ja immer nur an einzelnen Songs gebastelt. Die Reihenfolge war eigentlich auch vorher noch nicht fest.“ Tatsächlich hat das positive Feedback der Pressevertreter DORO jedoch darin bestätigt, die nun auch offiziell bekanntgegebene Tracklist genau so zu belassen.

„Bis jetzt haben nur die Leute, die heute hier im Headquarter von Nuclear Blast waren, das gehört, sonst kennt’s noch keiner. Die Scheibe kommt ja erst im Oktober raus.“ Genauer gesagt am 19. Oktober. Und auf diesen Tag dürfen sich alle DORO-Fans jetzt schon freuen, denn „Raise Your Fist“ zeigt, dass Frau Pesch auch mit 48 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen gehört und nach wie vor in der Lage ist, mitreißende Metal-Hymnen zu komponieren, an denen traditionsbewusste Metaller kaum vorbeikommen werden.

Galerie mit 30 Bildern: Doro - Too Close For Comfort Tour 2024 in Berlin
03.09.2012

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