Dornenreich
Listening-Session zu "Freiheit"

Special

Mit 18 Jahren erreicht man hierzulande die Volljährigkeit, gilt als Erwachsen, und in gewisser Hinsicht ist diese Jahreszahl auch programmatisch für DORNENREICH, welche eben jenes Jubiläum feiern und nun zum 02. Mai 2014 ihr achtes, wegweisend betiteltes Studioalbum „Freiheit“ veröffentlichen werden. Freiheit als Philosophie des permanenten Wandels, als freie, zwangsfreie Entscheidungsfindung in jeglicher Hinsicht, Autonomie; ein großes Wort, ein starkes Wort. Und in diesem Zusammenhang mit dem Jubiläum – ein Aufbruch in ein neues Zeitalter DORNENREICHs? Sind DORNENREICH nunmehr vollends „erwachsen“, „frei“?

Anlässlich der Fertigstellung von „Freiheit“ luden Prophecy Productions am 25. Januar einige Pressevertreter ins beschauliche Mellrichstadt zur Listeningsession in die Klangschmiede Studio E, in welchem mit Markus Stock das Album produziert wurde, um in gemütlicher Runde das neue Werk DORNENREICHs zum ersten Mal Außenstehenden vorzuspielen. Hierbei handelt es sich um ein Konzeptalbum über die Entwicklung des Menschwesens von der ungetrennten Seinsweise eines Kindes hin zu einer bewussten inneren und damit letztendlich auch äußeren Freiheit eines erwachsenen Menschenkindes. Mit insgesamt 5 Wochen Produktionszeit handelt es sich hierbei um die längste Studiozeit von DORNENREICH, was auch der nicht gerade üblichen Struktur des Albums und der Stücke geschuldet ist. Und dies soll für längere Zeit das letzte Studioalbum DORNENREICHs bleiben.

Nachfolgend beschreibe ich meine allerersten Höreindrücke von „Freiheit“.

1. Im ersten aller Spiele

Der Opener beginnt ruhig alleine mit Akustikgitarre und der einsetzenden Stimme Evigas. Eviga spielt offene Akkorde, die Geige kommt dazu, teilweise etwas dissonant, und im Wechselspiel ergibt sich eine starke Dynamik, von ruhig, DORNENREICH kommen immer wieder auf den Nullpunkt, bis aufbrausend, auch was die verschiedenen Tempi anbelangt. Die Hauptmelodie setzt sich schnell im Ohr fest und berührt die Seele, die Stimme ist mitten im Kopf präsent, die Musik zeichnet Farben. Im Verlauf des Stücks wird alles immer wilder, die Gitarre spielt sehr schnell, „Im ersten aller Spiele“ steigert sich immer weiter bis zum großen, sehr intensiven Finale.

2. Von Kraft und Wunsch und jungen Federn

Auch dieses Stück beginnt mit der Akustikgitarre, aber auch die Geige ist gleich präsent. Der emotionale Gesang ist zurückhaltend, aber man spürt, dass er Ausbrechen würde, die Spannung und die psychische Kraft sind enorm. Dann herrscht Stille – unvermittelt setzen Arpeggios ein, die den Charakter eines Flamencos tragen. Es folgt ein plötzliches Break, es ist wieder sehr ruhig, Eviga haucht, die Melodie der Geige wird immer harmonischer, die Stimme immer wieder aufbrausend. In diesem Stück zeigt sich deutlich, wie stark die Gitarrenarbeit weiterentwickelt wurde. Auch hier scheint die Stimme mitten im Kopf zu sitzen, die Geige greift nach dem Menschwesen, gemeinsam entführen Stimme und Geige in die Welt DORNENREICHs. Das Stück ähnelt etwas dem Lied „Jagd“.

3. Des Meeres Atmen

Auch dieses Lied fängt mit der Akustikgitarre an, kurz darauf fügt sich die Geige harmonisch dazu. Das Stück wirkt sehr träumerisch, mit abrupten Wechseln, wodurch mich die Struktur an „Durch den Traum“ erinnert. Eviga haucht und flüstert eindringlich, das dynamische Stück wirkt sehr sehnsuchtsvoll, sucht nach der Weite, sehnt sich dem fernen Horizont entgegen.

4. Das Licht vertraut der Nacht

Das Stück ist ein harter Kontrast zu den vorherigen, hart angeschlagene Gitarre und Geige beginnen, ehe sich mit Schlagzeug und verzerrter E-Gitarre, beides zum ersten Mal auf „Freiheit“, eine dichte Black-Metal-Soundwand aufbaut. Der charismatische, abgründige Kreischgesang von Eviga ertönt, das kraftvolle Stück ist sehr wuchtig und atmosphärisch. Es folgen ruhigere Parts, die Geige setzt wieder ein. Schleppend geht es weiter, es kommt wieder ein leiserer akustischer Teil, der sich aufbaut bis hin zu einem Break, um dann wieder mit voller Kraft schwarzmetallisch loszulegen, ehe das Lied zum Ende leise verklingt.

5. Aus Mut gewirkt

Auch dieses Stück beginnt ruhig und sanft, ehe es treibend mit wuchtigem Schlagzeugspiel, sägenden E-Gitarren und Geige weitergeht. Die Atmosphäre ist sehr dicht, es gesellen sich abgefahrene Gitarrenlinien und sehr schöne Leads dazu, ehe sich wieder ein Ruhepol findet. Immer wieder finden  diese Wechsel aus langsam ruhigen und aufbrausenden, laut treibenden Momenten. Ganz besonders hervorragend neben der unglaublichen Dynamik in diesem Stück sind die faszinierend starken Melodien, welche sich vom ersten Hör weg im Hirn festsetzen. Das Lied klingt zum Ende hin akustisch aus.

6. Im Fluss die Flammen

Nun ist es an der Geige, alleine den Anfang zu machen. Die Akustikgitarre gesellt sich dazu, und es baut sich sogleich eine berührende, naturmystische Atmosphäre auf.  Das vielfältige Stück enthält abwechslungsreiche Gitarrenarbeit, wunderschöne Gitarrenmelodien in Symbiose mit ansprechenden Geigenharmonien,  sägende E-Gitarren-Riffs, akustische Klänge, dabei sind die Übergänge zwischen den einzelnen Momenten und Themen sehr fließend gehalten. „Im Fluss der Flammen“ klingt sehr offen und erwachsen. Die sehnsuchtsvolle Gitarrenmelodie gegen Ende des Liedes ist ein weiterer Höhepunkt eines schon jetzt wunderbaren Albums.

7. Traumestraum

Die Akustikgitarre beginnt leise, eine Melodie steht zuerst einsam, ehe die Geige dazukommt, und eine traurige Harmonie anstimmt. Gesang setzt ein, und dann kommen wieder mit Wucht das Schlagwerk und die Wand aus riffenden E-Gitarren. Die Dynamik ist unglaublich, es geht stampfend weiter. Das Schlagzeug verstummt, lediglich Becken werden noch angeschlagen, es setzt wieder ein, ehe es sogleich wieder leise wird. Nun dominiert die Geige, dazu Gitarre, es steigert sich, und dann ist da wieder die Black-Metal-Klangwand aus E-Gitarre und Schlagzeug. Das hochemotionale, leidenschaftliche „Traumestraum“ klingt leise aus.

8. Blume der Stille

Hierbei handelt es sich um ein reines Instrumental, bei welchem der Name Programm ist. Der ruhige Anfang mit Akustikgitarre ist klassisch gespielt, einzelne Töne werden besonders stark akzentuiert, dann wird wieder offen angeschlagen. Die Geige ist wieder da, und das Stück steigert sich, wird zwingender, zupackender. Unvermittelt herrscht Stille, ehe sich der Aufbau wiederholt. Die Geige vermag es, mit ihren eindringlichen Tönen den Geist zu streicheln, sie berührt ganz tief im Innern, am verwundbarsten Punkt – Gänsehaut pur! Der Gitarrenlauf erinnert an Barockmusik. Eviga haucht, flüstert, dazu dezente Perkussion. „Freiheit“ endet einfach nur wundervoll.

Direkt nach diesem ersten Hören von „Freiheit“ bin ich erst einmal geplättet und sprachlos von der enormen emotionalen Wucht, die da über einen einbricht. Die ersten Stücke wirken wie ein puristisches Live-Ereignis, wie eine Fortführung des Akustikalbums „In Luft geritzt“, sind extrem rhythmisch und dynamisch. Die folgenden Stücke erinnern stilistisch stark an „Flammentriebe“. Zwischendurch gibt es aber auch neue Ansätze mit dem barocken Elementen, dem Flamenco, und auch Jazz schwingt mindestens unterschwellig in „Freiheit“ mit. Das Album klingt noch dynamischer, kontrastreicher und vielschichtiger als bisher.  Im Verlauf des Werkes mit seinen vielen Brüchen wird der Anteil der Texte weniger bis hin zum reinen Instrumental „Blume der Stille“. DORNENREICH ist mit dem leidenschaftlichen „Freiheit“ ein wunderschönes, erwachsenes, detailreiches, ergreifend fesselndes, dramatisches, intensiv dichtes Album gelungen, organisch und authentisch, zupackend und nicht mehr loslassend.  Es schlägt die Brücke zur eigenen Vergangenheit, und bietet gleichzeitig doch eine Erweiterung des ureigenen Stils. Die Zeit bis zur sehnsuchtsvoll erwarteten Veröffentlichung wird mir unendlich erscheinen.

DORNENREICH stellten sich anschließend den ersten Fragen der Pressevertreter zum neuen Album. Das Interview findet ihr hier. Wir werden vor der Veröffentlichung von „Freiheit“ allerdings noch ein weiteres Interview mit DORNENREICH führen und versuchen, weiter einzutauchen.

02.02.2014

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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