Dornenreich
"In Luft geritzt" Listening-Session
Special
Am Samstag, den 19.01.08 hatten DORNENREICH nach Österreich in die schöne Alpenmetropole Innsbruck zur Listening-Session des neuen Albums „In Luft geritzt“ eingeladen. Da ich die Werke der Band schon seit zig Jahren sehr schätze, packte ich noch meine Freundin mit ins Auto, und auf ging es Richtung Süden. Spätestens ab Kufstein konnten wir angesichts der unglaublichen Landschaft erahnen, woher DORNENREICH, zumindest unbewusst, einen Teil ihrer Inspiration erhalten. Der Weg führte uns vorbei an unzähligen Burgruinen, kleinen Schlösschen, alten Kirchen, zwischen hohen Bergen mit Wiesen und dichten Wäldern hinauf bis zur Baumgrenze, über der blanke Schneeflächen glänzten. Alleine schon die schiere Größe der massiven, majestätischen Bergwelt beeindruckte enorm. Dazu die frische, klare Winterluft und die Ruhe der märchenhaften Winterlandschaft. Ja, hier kann man sich in aller Ruhe auf seine Sinne, auf sein Innerstes konzentrieren. Spüren, riechen, hören, fühlen, greifen – die Natur in all ihrer Pracht erleben. Und so stehe ich kleines Menschwesen fasziniert vor riesigen Gebirgen und lasse mich von dem Anblick verzaubern. Da noch etwas Zeit übrig blieb, machten wir uns noch zu Fuß auf in die historische Altstadt Innsbrucks und genossen die schönen, mittelalterlichen Gassen mit all ihren Sehenswürdigkeiten. Gegen 18 Uhr fand sich dann die kleine Schar an Pressevertretern im Hauptbahnhof ein, um von Eviga und Inve abgeholt zu werden. Im VW-Bus ging es über eine kurvenreiche Strecke immer höher in die Berge nach Vill, wo sich das Mastering-Studio von Andreas Wein, welcher bei den Aufnahmen hinter den Reglern saß, befand. Nach einer lockeren Plauderrunde wurde uns dann endlich das sehnsüchtig erwartete neue Werk vorgestellt.
Vorneweg sei darauf hingewiesen, dass der „Durch den Traum“ Nachfolger „In Luft geritzt“ gänzlich akustische Musik enthält. Gitarre, Violine, Stimme, hier und da ein wenig Perkussion – mit diesen wenigen, aber effektiven Mitteln wurde das neue Album eingespielt. Dabei wirken die neuen Kompositionen sehr organisch und authentisch, was wohl nicht zuletzt am Aufnahme-Ort, einem alten Gemäuer südlich von Innsbruck, liegen mag. Mit Metal hat die Musik eigentlich nichts mehr oder wenig zu tun, vielmehr liegt diese irgendwo zwischen düsteratmosphärischer Weltmusik und Neo-Folk. Dabei ist trotzdem immer klar zu vernehmen, dass hier DORNENREICH am Werke sind. Sämtliche neuen Stücke schaffen Stimmungen und Bilder, wozu auch die wenigen, archaischen Worte beitragen. Vor allem in Evigas Stimme als auch dem Violinenspiel Inves lebt ein leidenschaftlicher Ausdruck. Passend zur Musik zeigt sich das wie immer spärlich gehaltene Cover in Blau mit einem Blitz.
Die Stücke von „In Luft geritzt“ im Einzelnen:
Drang
Der Song lebt vom zischenden Gesang Evigas und recht dominanten Melodien der Violine. Hiermit wird gleich zu Anfang eine neue Facette in DORNENREICHs Klangwelten gezeigt. Gitarre, Violine und Stimme steigern sich im Verlauf immer mehr und bilden eine wundervolle, intensive Symbiose. Die sich wiederholenden Worte und Melodien brennen sich im Gedächtnis des Hörers fest und wollen ihn nicht mehr loslassen.
Unruhe
Wie der Titel selbst schon sagt, klingt „Unruhe“ sehr gespannt, unruhig. Auch wenn das Stück etwas harmonischer wird, so ist dem Hörer doch klar, dass hier etwas in der Luft liegt. Flüstern, die Spannung steigert sich ins Unermessliche. Eviga und Inve strapazieren die Nerven des Hörers auf äußerst positive, künstlerische Weise. Harmonische Passagen bieten der Seele kleine Inseln, an welchen man kurz auszuruhen vermag. Ganz groß!
Jagd
Langsam aber stetig steigern sich die Instrumente, das Stück nimmt an Intensität zu, um wieder leise zu verstummen, und sich danach wieder aufzubauen. Die Stimme wird von Zeile zu Zeile garstiger, der Wolf kommt aus Eviga raus und die Gefühle bersten zum großen Finale.
Freitanz
Dieser Song hat ein starkes mittelalterliches Flair und vielleicht die stärkste Folk Ader. Dabei wird das Wort „Frei“ ständig wiederholt, mehr Worte bedarf es in diesem Stück nicht. Diese Freiheit spiegelt sich auch in der Musik wider, denn „Freitanz“ klingt wirklich sehr positiv, fast schon euphorisch. Man fühlt sich auf eine große Wiese versetzt, um einen herum nur saftiges Grün und ein sanfter Windhauch, welcher durch die Haare streift.
Sehnlauf
Kontrast: Eine traurige Melodie auf der Violine baut Spannung auf, Eviga flüstert eindringlich, um immer mal wieder auszubrechen. „Sehnlauf“ ist ein Wechselbad der Gefühle, so finden sich hier zuhauf Ruhepole als auch aufbrausende Parts. Die Dynamik in diesem Stück ist der schiere Wahnsinn.
Flügel in Fels
Das Stück beginnt sehr leise, die Violine klingt zart, zerbrechlich, um sich zusammen mit der Gitarre und Stimme zu steigern. Auch dieses Stück besticht durch seine starke Dynamik zwischen sehr lauten und sehr leisen Stellen. Die Klänge wirken sehnsuchtsvoll, sie bilden eine Reise. Wieder erschaffen DORNENREICH Bilder im Kopf, man schwebt hoch über den Bergen, kreist über neblige Wälder.
Meer
Zurück auf dem Boden, wirkt „Meer“, trotz wunderschöner Harmonien, wieder aufrüttelnd, es ist ein Auf und Ab, wie Ebbe und Flut. Im letzten Satz fragt Eviga den Hörer: „Erinnerst Du Dich?“
Aufbruch
Ein äußerst sehnsuchtsvolles Stück, melancholisch und gleichzeitig hoffnungsvoll, erwartungsvoll. Auch hier erfährt die Intensität der Musik immer wieder Steigerungen.
Dem Wind geboren
Hier hört man zu Anfang lediglich die Stimme Evigas, ehe die Gitarre einsetzt und sich kurz darauf auch die Violine dazugesellt. Vor dem geistigen Auge ziehen Gewitterwolken schnell vorbei, bläst der Wind durch die Baumwipfel und singt sein Lied.
Zauberzeichen
Im letzten Stück werden nochmals alle „neuen“ Elemente vereinigt. Auch dieser Song durchläuft mehrere Wandel im Fluss der Klänge.
Abschließend sei festgestellt, dass „In Luft geritzt“ zwar neue Aspekte, neue Facetten im Schaffen DORNENREICHs zeigt, aber es ist trotzdem klar, aus wessen Feder die Stücke stammen. Dafür sorgt schon alleine der bekannte Klang Evigas Stimme, die Texte, die Stimmungen, die intensiv dramatische Atmosphäre oder auch diese typischen Breaks und die Dynamik. Musik und Texte gehen hierbei eine perfekte Symbiose ein. Der Weg geht weiter nach vorne, die Entwicklung schreitet voran, ein Blick zurück findet nicht statt. Wer ein zweites „Her von welken Nächten“ oder „Durch den Traum“ erwartet, wird hier enttäuscht. Doch wer sich mit auf die Reise begibt, wer sich fallen lässt und Klänge als auch Texte auf sich wirken lässt, der wird mit einem emotionalen Meisterwerk der Extraklasse belohnt. DORNENREICH sind Künstler durch und durch. „In Luft geritzt“ zeigt die Österreicher erneut gereift.
Mehr zum neuen Werk und dem Schaffen DORNENREICHs in Kürze hier im Interview mit Eviga!
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