Dornenreich
Das meint die Redaktion zu "Freiheit"

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DORNENREICH können vieles: Sie können laut, sie können leise, sie können metallisch, sie können folkig, hart und weich, stählern und sanft. Was sie wohl nicht (mehr) können, ist, ein Album aufzunehmen, das die Lager nicht spaltet. Und oberflächlich sein – und so ist es kein Wunder, dass unser Redakteur Markus Endres DORNENREICHs neuem, achtem Album „Freiheit“, das heute, 02.05., via Prophecy Productions erscheint, einmal mehr qualitative Hochwertigkeit attestiert und die 9/10 gezückt hat. Dass wir uns redaktionsintern noch einmal hingesetzt und nachgehorcht haben, wie das Album auf andere langjährige DORNENREICH-Hörer wirkt, ist bei so einer Wertung für eine solche Band natürlich obligatorisch. Meine Damen und Herren – das meint die Redaktion zu „Freiheit“ von DORNENREICH!

Als großer Verfechter der metallisch geprägten Alben „Bitter Ist’s Dem Tod Zu Dienen“ und „Her Von Welken Nächten“ konnte ich mich nie so recht für die ruhigen und vornehmlich akustischen Alben („Hexenwind“, „Durch Den Traum“, „In Luft Geritzt“) begeistern. Dennoch, und das muss ausdrücklich festgehalten werden, habe ich DORNENREICH immer für ihren Mut, den eigenen Weg zu finden und diesen auch zu gehen, bewundert. Dementsprechend wurde das eventuell letzte Studioalbum der Österreicher auch etwas wehmütig von mir entgegengenommen.

„Freiheit“ vereint viele Momente früherer Alben. Anfangs durch für mich so manch nervtötenden Violinenpart an „In Luft geritzt“ erinnernd, öffnen sich DORNENREICH mit dem vierten Stück „Das Licht Vertraut Der Nacht“ erstmals ihrer metallischen Seite. Evigas kraftvoller und leidenschaftlicher Gesang weckt Erinnerungen an alte Zeiten. Überraschenderweise überzeugen mich neben diesem Stück auch die nachfolgenden, wieder etwas ruhiger anmutenden Songs auf “Freiheit“ zumindest teilweise. Dies liegt insbesondere daran, dass besagte Stückte einprägsamer und klarer auf den Punkt komponiert sind und so eine verträumte Stimmung („Traumestraum“) entstehen lassen, ohne vor sich hinzudümpeln. Durchaus hörenswert, aber nicht zwangsläufig für Fans der frühen Alben zu empfehlen.

(Richard Mertens | 7/10 Punkten)

DORNENREICH sind dafür bekannt, dass sie musikalisch nicht immer durch ein Reich aus Dornen führen, den Hörer auch über satte Wiesen unter klarem Himmel geleiten. Folk. Black Metal. Flamenco. Singer/Songwriter. Ambient. Wer der Meinung ist, hier noch sinnvoll kategorisieren zu können, hat sich indes doch gestochen. „Freiheit“ nimmt sich seinen Titel zu Herzen und kombiniert eifrig. In den ersten drei Songs dominieren filigrane Gitarren-Klimperei und Violinen-Dynamik. Die akustische Grenze bleibt unüberschritten, trotzdem erscheinen Passagen durch den rasenden, ungestümen Charakter auf faszinierende Weise metallisch. Weil man sich die Ausbrüche auch wunderbar als verzerrte Riffs vorstellen kann, es beinahe erwartet, wenn die Violine forsch (aber harmonisch), die Flamenco-Gitarre angriffslustig (aber schön) ertönt. Und doch ist man keinesfalls enttäuscht, dass die E-Gitarren erst ab dem vierten Lied einsetzen.

Generell ist das Wechselspiel von sanft und aufbrausend der rote Faden, der „Freiheit“ eindrucksvoll durchzieht. Tempo und Lautstärke variieren ständig, aber immer mit Bedacht. Die Strukturen sind fein herausgearbeitet, das Songwriting verdient Applaus. Wenn das majestätische Violinenspiel im fünften Lied seine herausragenden Melodien mit den Gitarren und Drums vermengt, entsteht Kunst, die über Musik hinausgeht. Und um die Kompositionen herum flüstert, schimmert, brüllt Evíga in bekannter Manier und Qualität. Was einem auf „Freiheit“ zu Ohren kommt, muss und wird nicht jedem gefallen, sollte aber lyrisch wie instrumental abseits jeder Subjektivität Anerkennung erfahren. DORNENREICH spielen zu keiner Sekunde Black Metal, sie reduzieren den Metal im Allgemeinen stark, aber sie liefern ein Album ab, das unter die Haut und in die Haarspitzen geht.

(André Gabriel | 8/10 Punkten)

Ich beneide Markus nicht dafür, die neue DORNENREICH rezensieren zu müssen. „Freiheit“ ist eines jener Alben, die ich für viele Ideen am liebsten feiern würde, und bei denen ich gleichzeitig regelmäßig nach 20 Minuten einschlafe. So gut wie jedes Riff auf der Platte ist brillant. Und die Idee, Akustikgitarre und Violine zu einem groovenden Kammermusikgemisch zu vereinen, regelrecht visionär. Aber warum müssen die Strophen zwischen den Riffs so musikalisch bedeutungslos und ohne jede Spannung sein? Für mich ist es die nicht funktionierende Dynamik, die „Freiheit“ das Potential zum Klassiker nimmt.

Das ist enorm schade, weil sich mittlerweile herumgesprochen haben sollte, wie großartig Jochen Stock Riffs zusammenbasteln kann. Bisher hatte ich auch nicht das Gefühl, dass DORNENREICH Probleme damit haben, funktionierende und doch unkonventionelle Songstrukturen aufzubauen. Ich werde vermutlich noch bis ins Rentenalter vom Opener des famosen „Hexenwind“ schwärmen, auf dem man zehn Minuten mit aufgerundet anderthalb Riffs füllen konnte. „Freiheit“ klingt im Gegensatz dazu wie der gescheiterte Versuch, auf Fünfminutern die Riffanzahl auf ein einziges zu reduzieren. Mit gutem Willen kann man darin einen Dialog zwischen melodischen Refrains und hörspielartigen Strophen sehen. Für mich klingt es aber oft so, als würde Eviga die halben Songs über seine Gitarre stimmen, und darüber ein paar Zeilen eines Novalis-Gedichts flüstern. Zugegebenermaßen mit einigen Ausnahmen. „Das Licht vertraut der Nacht“ zum Beispiel: ein harter, metallischer Song mit aufwühlender Dynamik und gelegentlicher Violinen-Melancholie. So mitreißend hätte ich mir die akustischeren Songs auch gewünscht.

„Freiheit“ ist daher eines der besten Alben, die ich nach kürzester Zeit wieder von meinem MP3-Player geschmissen habe. Für das an sich starke Riffmaterial und den engagierten Versuch, neue Wege zu gehen, schätze ich es sehr. Aber für gelungen halte ich es nicht. Auf meinem Ranking schlechter DORNENREICH-Alben pendelt es sich etwa auf dem Niveau von „Durch den Traum“ ein.

(Frederik Pankalla | 6/10 Punkten)

02.05.2014
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