Dio
"They say that life's a carousel spinning fast, you've got to ride it well" - Zum Tod von Ronnie James Dio

Special

(M)Ein etwas anderer Nachruf

Natürlich bin ich auch sehr schockiert und betroffen gewesen, als ich vom Tod Ronnie James Dios erfahren habe. Geweint habe ich nicht (aber das pflege ich in vergleichbaren Situationen auch sonst nicht zu tun). Sicher, im Gegensatz dazu… ich kenne Menschen, die deswegen tagelang nur schwer ansprechbar waren. Das war ich trotz dieses Schocks dann doch, vielleicht, weil ich nicht der allergrößte RAINBOW-, BLACK SABBATH- oder DIO-Fan bin und das heute auch nicht, trotz des günstigen Anlasses, von mir behaupten will.

Ein Fan bin ich trotzdem, wenn auch nicht so lange, wie ich es aus meiner heutigen Perspektive gerne wäre. Ich habe Dio nie live gesehen, ich habe die erste Platte mit seinem Gesang erst vor ein paar Jahren gekauft. Dass ich ein Spätzünder bin (das pflege ich übrigens in vergleichbaren Situationen sonst auch zu tun), ändert aber nichts daran, dass ich diesen Mann sehr zu schätzen gelernt habe, in erster Linie als wirklich emotionalen, fantastischen Sänger. Klar, es ist in der letzten Woche fast schick geworden, Ronnie James Dio auch „als einzigartigen Menschen mit einem großen Herzen“ in den Rockolymp zu heben. Seinen Platz dort hat er sich verdient, darüber muss man nicht sprechen. Tatsache ist aber, dass ich von mir nicht behaupten kann, diesen Mann als Menschen gekannt zu haben. Wer kann das schon? Deswegen traue ich mich nicht, bei aller Betroffenheit darüber etwas zu schreiben, wie Dio als Mensch gewesen ist. Das soll übrigens keineswegs bedeuten, dass ich es jemandem absprechen möchte, dass er eine tiefe Verbundenheit zu Dio empfunden hat, ohne ihn jemals getroffen zu haben. Nur habe ich sie nicht gehabt.

Stattdessen möchte ich sagen: was mich dieser Tage am meisten bewegt, ist zu sehen, zu wieviel (tiefer, echter oder hier und da vielleicht auch etwas forcierter) Emotion Metalfans fähig sind. Riesige Männer, voller Tätowierungen, in vor Bierdunst starrenden Kutten heulen sich die Seele aus dem Leib. Gestandene Beamte und Familienväter, die das Woodstock höchstselbst miterlebt haben, legen in Großraumbüros und Lehrerzimmern Schweigeminuten für den letzten Helden ihrer späten Jugend ein. Wunderhübsche Mädchen, gerade so alt wie „Dehumanizer“, telefonieren stundenlang mit Freunden, um ihre Trauer zu teilen oder einfach loszuwerden. Das ist fast, als würde die zu einem oft ziemlich widerlichen Kommerzzirkus verkommene Metalwelt für einen kleinen Moment zum Stillstand kommen. Und das alles, weil ein kleiner Mann, der einige wunderbare Alben gemacht hat, sein Leben lang sein (ich muss es dann doch zugeben: zweifellos großes) Herz auf der Zunge getragen hat, und jetzt einigen Menschen als leuchtendes Beispiel bewusst geworden ist, wie man leben könnte und sollte. Ich glaube, das hätte Ronnie James Dio sehr, sehr glücklich gemacht. Es ist nur schade, dass solche Dinge immer erst passieren, wenn es dieser Mensch schon nicht mehr miterleben darf.

Deshalb möchte ich persönlich, ein Stück fernab einer manchmal vielleicht etwas zu pathetischen Nachruf-Welle, hier vor allem einen wunderbaren Sänger ehren. Und darüber hinaus einen Mann, der in der letzten Woche einigen Menschen sehr tiefe Emotionen beschert hat. Zwei Dinge, die nicht jeder von sich behaupten kann, und die ich beide von ganzem Herzen bewundere und schätze. (Florian Dammasch)

 

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24.05.2010

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