Digitalisierung
Gefahr oder Chance für Musiker?

Special

Es lohnt ein genauerer Blick

Denn die nun im Raum stehende, wichtigste Frage für die eigentlichen Erschaffer des „Contents“ (vermutlich mein Unwort des Jahres 2020) ist nun: Wo bleiben die Musiker finanziell im neuen, sich durchsetzenden Vertriebsmodell? Wie werden sie an der ungeheuren Marktmacht und den Rekordgewinnen, die Amazon, Apple Music, Spotify & Co einfahren, beteiligt?

Vereinfacht dargestellt, machen diese Plattformen funktionell im Kern nichts Neues, was Platte und CD vorher nicht auch schon geleistet haben. Die Distribution von Musik nämlich.

Und da lohnt sich durchaus ein tieferer Blick in die Beteiligung an Stream-Einnahmen. Wichtig ist natürlich der absolute Betrag per Stream, aber auch die (zahlenden) Abonnenten und auch die Abonnements der digitalen Plattform insgesamt, die natürlich die mögliche Konsumentengruppe vergrößern. Kurz gesagt: Die Masse macht es.

Das Perfide ist daran, dass derjenige Anbieter der (diskutierbar) angemessen vergütet, mit der billigeren Konkurrenz am Markt nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Microsofts GrooveMusic, was relativ schnell nach Launch wieder eingestellt wurde, ist dafür ein Beispiel.

Eine Aufstellung der Onlinehändler zeigt, dass etwa Apple Music und Amazon Prime fast doppelt so viel an ihre Künstler auszahlen wie Spotify (0,00675 US-Dollar pro Stream vs. 0,00348 US-Dollar pro Stream waren es noch letztes Jahr im Oktober). Nun ist die Marktverbreitung der beiden erstgenannten Plattformen allerdings sehr viel beschränkter. Das lässt natürlich Alternativen zu Spotify weniger attraktiv erscheinen, trotz höherer Vergütung.

Im Idealfall könnten also Bands, statt irgendwelcher Exklusivdeals mit den für sie besten Bedingungen auf einer bestimmten Plattform, eher auf eine möglichst breite Streuung setzen, was zusätzliche Arbeit bedeuten würde.

Was verdient ein Künstler an Streaming?

Ein Einkommen pauschal zu berechnen, gestaltet sich schwierig. Um einen durchschnittlichen Verdienst von um die 3000 € per Musiker/Künstler pro Monat zu generieren, müssen zwischen einer halben bis einer ganzen Million Streams (in besagtem Monat) abgelaufen sein, je nach Vergütung, Plattform, Anzahl von Hörern und so weiter.

Das hört sich zunächst mal nach einem doch grundsätzlich ordentlichen Verdienst und auch machbaren Zahlen an. Die Cellistin Zoe Keating hat etwa für das Jahr 2017 ihre Einnahmen über die verschiedenen digitalen Plattformen öffentlich gemacht und scheint davon ordentlich leben zu können.

Aber die Sache wird komplizierter: Erstens bestehen Bands ja meist aus mehreren Künstlern, die davon Lebensunterhalt, Miete und so weiter zahlen müssen, zweitens wollen Musikinstrumente, Aufnahmen, Touren, etc. ebenfalls bezahlt werden. Das Label in Form von Verträgen bekommt natürlich auch noch einen Teil ab. Aber zurück zum Streaming:

Konzertfoto von Sons of Apollo - Psychotic Symphony Tour 2018

Mike Portnoy zeigte sich „not amused“ über die Aussagen von Spotify CEO Daniel Ek… und war bei weitem nicht der einzige Künstler.

Das Vergütungsmodell von Spotify & Co. ist ein sogenanntes „Pro Rata“-Modell. Es existieren durchaus diskutable Alternativen und Modelle, um Musiker fairer zu vergüten. Dazu fehlt scheinbar allerdings noch ein Wille, diese auch umzusetzen. Eine pauschale Verurteilung von Streaming im Allgemeinen soll diese Kolumne im übrigen nicht sein, aber aufzeigen, dass bei heutigen Gegebenheiten ein faires Bezahlmodell, sowohl für Künstler als auch Konsumenten, deutlich anders aussehen kann, ja aussehen muss.

Auf die oben als Beispiel genannten Streamzahlen für ein normales Auskommen einer einzigen (!) Person kommen im Metal wenn überhaupt nur große Bands. Mit anderen Worten: Wer hat, dem wird gegeben (also verkürzt gesagt sorgen sehr viele Streams/Bekanntheit für ein einigermaßen gutes Auskommen durch Streaming), die kleinen, unbekannten Bands fallen so wieder hauptsächlich unter den Tisch.

Auch steckt neben der unfairen Vergütung ein höchst fragwürdiges Menschenbild, bei dem nach Produktivität über Wert der Künstler geurteilt wird (der somit einzig zur Einnahme-Maschine degradiert wird und nicht mehr gleichberechtigter Partner in diesem Vertrag ist), als auch ein äußerst fragwürdiges Kunstverständnis dahinter.

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09.03.2021

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18 Kommentare zu Digitalisierung - Gefahr oder Chance für Musiker?

  1. Watutinki sagt:

    „Ich nutze wie wahrscheinlich jeder der Leser auch wahnsinnig gerne Spotify, ja auch Amazon, da ich die Bequemlichkeit und Leichtigkeit sehr schätze.“

    Dann gehöre ich nicht zu diesen „jeder Leser“. Ich habe noch nie in meinem Leben so ein Streaming Dienst genutzt. Einzelne Songs abzurufen hat doch mit Metal wenig zu tun. Möglicherweise kann man dort auch ganze Alben abrufen, keine Ahnung, aber irgendwie reizt mich das nicht. Ich bin eigentlich sehr digital unterwegs, aber ich habe die Musik gerne lokal auf meinem PC und MP3-Player.

    Wenn bandcamp zu empfehlen ist, verstehe ich jedoch nicht, wieso hier bei metal.de in den Rezensionen sehr häufig Amazon verlinkt ist. Bringt das metal.de irgendwelche Einnahmen? Wenn nein, dann setzt doch bitte permanent einen bandcamp link unter die Rezensionen. Allerdings wird bandcamp sicher auch nicht auf alle Ewigkeit ihrem Model treu bleiben. Es ist doch immer nur eine Frage der Zeit, bis eine Firma mehr Kohle aus ihrem Wertschöpfungsprozess herausholen möchte.

  2. Stormy sagt:

    „Dann gehöre ich nicht zu diesen „jeder Leser“. Ich habe noch nie in meinem Leben so ein Streaming Dienst genutzt.“

    Siehste, selbst wir haben Gemeinsamkeiten.
    Ich lehne gezieltes Streaming (also nicht Radio) von Alben oder einzelnen Songs ab, weil es aus meiner Sicht Musik künstlerisch wie monetär entwertet.

  3. casualtie78 sagt:

    Streaming Dienste nutze ich generell nicht. Dazu bin ich zu sehr (Metal-)Musikfan,aber jeder soll es machen wie er/sie will.
    Bei mir gibts neben dem Vinyl nur CD. MP3 nutze ich nur fürs Auto und das reicht.
    Sehr gut finde ich Bandcamp,man kauft die CD/das Vinyl und bekommt gleich noch immer den Download dazu.
    Gute Sache und absolut unterstützenswert.
    Spotify/Amazon nutze ich,wie gesagt überhaupt nicht-da gehöre ich wahrscheinlich auch zu einer Minderheit-aber egal. 🙂

  4. Lord Budweiser sagt:

    Ich bin auch Musikbegeistert und nutze Streaming Dienste wie Amazon und Youtube. Macht mich das jetzt zu einem fake oder was 😀
    Das entspricht halt nunmal dem heutigen Zeitgeist… Man entdeckt den Größtteil der Musik eben nicht mehr auf Seiten wie Metal.de oder in Magazinen wie dem Rock Hard.
    Außerdem kommt es den Künstlern indirekt schon zugute, solang man sich im Anschluss auch den Tonträger besorgt von der Musik die einem gefallen hat… und das machen viele eben nicht.
    Mehr als die Möglichkeit neue Musik zu entdecken und sich einen ersten Höreindruck zu verschaffen sollte man in diesen Streaming Diensten nicht sehen.
    Bei BC ist mir meist der Versand zu teuer, weshalb ich am liebsten beim Label direkt bestelle.

  5. Lord Budweiser sagt:

    Gerade für jüngere Menschen ist es doch eine schöne Sache Musik zu hören ohne ständig zu Mama zu rennen und zu fragen kaufst du mir das. Das sind die Käufer von morgen…

  6. BlindeGardine sagt:

    Der Watutinki wieder mit seinem unerschütterlichen Optimismus. Aber selbst wenn Bandcamp irgendwann das Geschäftsmodel ändert, dann kommt halt ein ähnliches Format daher und dann werden die Künstler und Labels eben dahin wandern, wenn sie bei Bandcamp keine Vorteile mehr sehen.

    Was Streaming angeht…nee, mag ich auch nicht. Da halte ich es wie Watutinki, hab das Zeug dann lieber auch lokal am Start, damit ich es jederzeit abrufen kann, ohne ständig irgendwo eingeloggt und online sein zu müssen. Wenn der Versand bei Bandcamp nicht zu teuer und die Aufmachung schick ist, wird auch mal ein physischer Tonträger erstanden. Das mache ich aber allein schon aus Platzgründen nur noch in Sonderfällen.
    Bei Amazon ist es ja lustigerweise manchmal so, dass der Tonträger billiger als die rein digitale Variante ist, nur dass man die digitale Variante dann noch umsonst dazu bekommt. Irgendwie absurd, hat aber wohl auch was mit Lagerbeständen zu tun.

    Auch wenn das hier mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun hat finde ich ja auch folgene Fragestellung ganz interessant: Tapetrading wird ja heute total romantisiert und ich persönlich habe mir früher auch recht viel im Second-Hand-Plattenladen gekauft. In beiden Fällen hat der Künstler ja auch nicht wirklich was davon, ersteres ist genaugenommen ja sogar Raubkopieren. Natürlich war Tapetrading ohne Internet und total vernetzte Szenen damals auch eine der einzigen Möglichkeiten, die Mucke weitläufig in Umlauf zu bringen, aber manchmal frage ich mich, wie man heute wohl dazu stehen würde.

  7. Watutinki sagt:

    „Aber selbst wenn Bandcamp irgendwann das Geschäftsmodel ändert, dann kommt halt ein ähnliches Format daher und dann werden die Künstler und Labels eben dahin wandern, wenn sie bei Bandcamp keine Vorteile mehr sehen.“

    Diese Sichtweise finde ich etwas naiv. So eine Plattform muss sich ja erst mal etablieren. Zu facebook, Whatsapp etc. gibt es ja seit gefühlt einer Ewigkeit auch keine wirkliche Alternative und das, obwohl gefühlt eigentlich jeder davon weg will. ICQ war platt und es kam nie ein Programm, welches das Tool mit vergleichbarem Erfolg ersetzt hat. Und es ist ja nicht so, als gebe es für facebook, Whatsapp etc. keine adäquaten Programme, die das tlws. sogar besser machen. Aber ein Monopol ist eben nicht umsonst ein Monopol.
    Also so einfach sehe ich das nicht. Zumal bandcamp im Fall der Fälle sicher auch nicht einfach alle Kunden vergraulen würde. So etwas passiert schleichend und i.d.R. vergrault man auch nie alle, sondern den eher härteren Kern, der sich dann wieder neu umschauen darf.

    In der DS Szene ist Tapetrading übrigens gang und gäbe.

  8. Stormy sagt:

    @BlindeGardine

    Tapetrading und SecondHand Kauf waren im Vergleich zu allem was seit der Digitalisierung möglich ist und stattfindet absolut marginal. Zum einen wurden mehr physische Tonträger verkauft, es gab ja keine digitale Alternative, und dadurch auch mehr Gewinn bei den Musikern über den Platten/CD Verkauf erzielt und zum anderen wurden die Tapes auch nur in geringer Stückzahl in einem überschaubaren Kreis geteilt, und nicht mit wenig Aufwand tausend-, wenn nicht gar millionenfach weltweit.

  9. BlindeGardine sagt:

    Das stimmt schon, war auch nur so ein Gedankenspiel, wenn auch ein recht dämliches bei näherer Überlegung 🙂

  10. Wordreth sagt:

    Ja ich nutze Spotify! Ich habe LP’s, Kassetten, CD’s und MP3’s für jedes der genannten bräuchte ich teils ein eigenes Gerät und auf Spotify finde ich 95% meine Musik und kann sie mit meinem Smartphone überall und jeder Zeit hören! Natürlich höre ich nicht nur meine alten Sachen die ich gekauft habe, sondern es sind mittlerweile auch einige „rein digitale“ Alben über Spotify auch dazu gekommen.

    Wie der Autor schön schreibt, ist das Internet gekommen um zu bleiben und so wird es auch mit dem Streaming Diensten sein. Meiner Meinung nach kann das Spotify Premium auch teurer werden, als das was ich aktuell bezahle, es wäre auch das doppelte noch wert und ich würde auch das noch bezahlen. Überall und immer Musik hören zu können und das mit einem Gerät was man so oder so in der Tasche hat und was man noch zum Telefonieren, Fotografieren, Orentieren usw. benutzen kann ist einfach super praktisch und zudem bin ich nicht abhängig von Tonträgern die zerkratzen und kaputt gehen können.

  11. Watutinki sagt:

    Ich finde man kann die Vorteile ja anerkennen, sich gleichzeitig aber auch zugestehen, dass mit der rein digitalen Welt künstlerisch gesehen, in der Wahrnehmung etwas verloren geht. Vielleicht fügt das Metaverse in sehr ferner Zukunft die haptischen und digitalen Vorteile ja wieder zusammen, allerdings nicht ohne im gleichen Atemzug dann wieder neue Nachteile zu provozieren.

  12. nili68 sagt:

    >dass mit der rein digitalen Welt künstlerisch gesehen, in der Wahrnehmung etwas verloren geht.<

    Das wird dich vielleicht wundern, aber ich stimme dir zu. Ich will einfach was "in der Hand" haben, nicht nur irgendwo in einer Cloud. Das ist mir dann auch emotional ferner. Vielleicht werden/sind wir auch nur schon alt/etwas verrückt.. 🙁

  13. Watutinki sagt:

    „Vielleicht werden/sind wir auch nur schon alt/etwas verrückt.. 🙁“

    Das Alter selbst hat damit aber denke ich nicht viel zu tun, sondern dass uns die Erfahrung/Erinnerung daran noch sehr präsent ist und neue Generationen damit eben keine Erfahrungen mehr machen. Aus den „Augen“, aus dem Sinn.

  14. Nether sagt:

    Kein Spotify, Amazon nur auf dem heimischen TV und Bandcamp benutze ich gezielt um einzelne Platten runterzuladen.
    Wenn ich unterwegs bin (Auto, Camper, …), hab ich immer eine 128 GB SD-Karte dabei. Die wird ständig „aktualisiert“ und ist auch in Funklöchern einsetzbar.
    Ich hab mir vor Jahren mal Spotify angeschaut. Heute ist das Angebot sicherlich größer, aber damals war wenig aus meinem Beuteschema vertreten.
    Wo ich allerdings der blinden Gardine Recht geben muss, der Platz wird zu Hause mehr und mehr zum Argument.
    Nach über 30 Jahren Eichhörnchensammelei muss mittlerweile das Obergeschoss als Lager herhalten.

  15. Wordreth sagt:

    Ich weiß zwar nicht wie alt Ihr seit, aber jung bin ich leider auch nicht. Ich habe aber schon Anfang der 2000er Jahre meine Cds und Mcs digitalisiert um nicht ständig „irgendwas in der Hand zu haben“. Damals wars dann nur noch der MP3 Player den man ständig aktualisieren musste! Durch den Streamingdiensten brauch man mittlerweile nur mehr einen klick tätigen und die Musiksammlung ist aktualisiert. Was noch ein Vorteil ist, das man egal wo auf seine Playlists immer zugreifen kann egal ob man das Gerät seiner Tochter, das der Frau oder das eines Kumpels verwendet.

  16. Lysolium 68 sagt:

    @ Wordreth
    Geht mir ähnlich wie dir. Ich habe auch Ende Neunziger angefangen meine CDs damals noch als MP3 zu brennen und später mit Preisverfall von Festplatten habe ich alles als FLAC gerippt. Mittlerweile nutze ich seit einiger Zeit Qobuz
    als Streamingdienst und kaufe wenn mal n bischen was locker sitzt auch bei Bandcamp. Ich vermisse aber auch die Zeiten wo man in den Plattenladen seines Vertrauens gegangen ist und mit anderen Fans ins Gespräch kam. Gab meist geile Tips zum anhören. War halt doch eine andere Zeit. Hat alles seine Vor und Nachteile.

  17. nili68 sagt:

    >Hat alles seine Vor und Nachteile.<

    Sehe ich auch so. Ich habe zwar Vorlieben, sehe aber keine Veranlassung für die eine oder andere Ansicht elitär aufzutreten. Die Zeiten ändern sich halt. Ob zum Besseren oder Schlechteren ist manchmal/meistens subjektiv und ansonsten wird sich das schon herauskristallisieren. Noch stehen einem ja mehrere Optionen zur verfügung.

  18. dan360 sagt:

    Ich nutze Streamingdienste für unterwegs und um Blindkäufe zu vermeiden, gekauft werden, der Geldbörse zuliebe, nur die wirklich starken Alben. Dadurch habe ich schon viele neue Künstler entdeckt, welche ich sonst womöglich nicht entdeckt hätte. In der Hinsicht sind Spotify & Co. ein Segen für die Künstler, finanziell ist das für sie Verarsche bzw. Ausbeute.
    Ich liebe es einfach beispielsweise, nach nem langen Tag ne Platte aufzulegen oder ne CD einzuwerfen, das bedeutet für mich Entschleunigung, für diese Zeit mal das Smartphone weglegen zu können, welches am Tag gefühlt 100 mal aufploppt und irgendwas von dir will und ganz in die Musik zu versinken. Vllt. liebe ich auch grade deswegen die analoge bzw. physische Wiedergabe, wegen des Kontrastes. Gibt doch nichts schöneres, als die neue Platte seiner lieblings Band in den Händen zu halten.😉