Black Metal genießt in unserer Szene einen gespaltenen Ruf, so viel ist klar – und dennoch haben sich in diesem Jahrtausend etliche Black-Metal-Bands zu großen Namen gemausert. Ob die Schreihälse, die da gleich von „Ausverkauf“ und „Verrat“ reden, Recht haben, sei einmal dahingestellt. Fakt ist aber, dass sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren eine Subszene entwickelt und etabliert hat, der kommerzieller Erfolg ziemlich egal ist (obwohl es mit WATAIN zumindest eine international erfolgreiche Band gibt und Bands wie BEHEMOTH oder MARDUK auf ihren letzten Alben teilweise mit auf den Zug aufgesprungen sind) und der es um den Ausdruck finsteren, meist satanischen Gedankenguts in Form von Musik mit viel Atmosphäre und morbider Stimmung geht: die orthodoxe Black-Metal-Szene.

Dass der Orthodox Black Metal aber mehr ist als bloße Provokation und Ideologie, beweisen einige interessante Bands, die in den vergangenen Jahren zu Vorschein gekommen sind. In diesem Special präsentieren wir Euch zehn der hörenswertesten orthodox-satanischen Black-Metal-Bands.

ONE TAIL, ONE HEAD

Den Anfang machen ONE TAIL, ONE HEAD, deren Mitglieder allesamt keine Unbekannten sind: Musiker von unter anderem MARE, APTORIAN DEMON, VEMOD, BEHEXEN, DARK SONORITY, KAOSRITUAL und ALTAAR haben sich unter diesem Banner versammelt, um gemeinsam dem Gehörnten zu huldigen. Seit 2006 unterwegs, haben es ONE TAIL, ONE HEAD bisher zwar „nur“ auf zwei Demos und zwei EPs gebracht, und das letzte Lebenszeichen der Band ist immerhin auch schon vier Jahre alt – aber trotzdem gehört dieses Projekt bei einem Special über orthodoxen Black Metal einfach dazu. Denn bei ONE TAIL, ONE HEAD rumpelt, rödelt und rifft es gleichzeitig so finster als auch so eingängig und oldschoolig, dass es einfach eine (finstere) Freude ist, der Band zuzuhören.

Diese Alben sollte man kennen:

Wie oben bereits angesprochen gibt es noch kein ganzes Album. Die beiden EPs „One Tail, One Head“ und „Tandava“ (beide 2011) sind allerdings (ebenfalls 2011) unter dem Namen „One Tail, One Head“ als Compilation veröffentlicht worden und beide sehr empfehlenswert, wenn man seinen Orthodox Black Metal auch im Old-School-Gewand mag.

AOSOTH

Die Franzosen AOSOTH müssen in diesem Special nicht nur genannt werden, weil sie einfach gut sind, sondern obendrein auch, weil ihr Sänger MkM – zusammen mit DEATHSPELL OMEGA-Bandkopf Hasjarl – mit für die Gründung des orthodoxen Black-Metal-Labels Norma Evangelium Diaboli verantwortlich ist, das neben Terratur Possessions allgemein als das wichtigste Label dieser Subszene gilt. AOSOTH selbst sind musikalisch definitiv eine der finstersten Kapellen auf Satans Erden, vor allem die beiden Alben „III – Violence & Variations“ (2011) sowie „IV: An Arrow In Heart“ (2013) sind Vorzeigebeispiele für gleichzeitig morbide-düsteren und eingängig-zugänglichen Black Metal.

Diese Alben sollte man kennen:

AOSOTH haben per se nichts schlechtes veröffentlicht, aber besonders die beiden genannten „III – Violence & Variations“ und „IV: An Arrow In Heart“ sollte man gehört haben.

SVARTIDAUÐI

Zwar haben SVARTIDAUÐI aus Island erst 2012 ihr Debütalbum „Flesh Cathedral“ veröffentlicht, mit ihrer Gründung im Jahr 2002 und Demoveröffentlichungen, die bis ins Jahr 2006 zurückreichen, sind sie aber dennoch einer der Vorreiter der orthodoxen isländischen Black-Metal-Szene, die später immerhin noch großartige Kapellen wie CARPE NOCTEM, SINMARA, MISþYRMING oder MANNVEIRA hervorgebracht hat. Aber der Vierer war nicht nur eine der ersten wirklich finsteren Black-Metal-Bands aus Island, nein, sie gelten auch als eine der besten. Die Texte über Transzedenz, Drogen und Satanismus fügen sich perfekt in die lebensfeindliche, aber trotzdem meditative Atmosphäre der Musik ein, deren Markenzeichen vor allem die repetitiven, disharmonischen Gitarrenleads sind, die sich über die relativ gerade gespielten Powerchords der Rhythmusgitarre legen. Mindestens ebenso unverkennbares Trademark SVARTIDAUÐIs sind darüber hinaus die Vocals von Sänger und Bassist Sturla Viðar, die mal hasserfüllt ausbrechen, dann wieder mit „saugend“-inhalierendem Klang die hypnotisch-vereinnahmende Stimmung der Musik unterstützen.

Diese Alben sollte man kennen:

Bisher ist lediglich das 2012er-Debüt „Flesh Cathedral“ erhältlich, welches jedoch uneingeschränkt empfehlenswert ist. Ebenfalls hörenswert ist die 2012er-Split mit PERDITION sowie die 2014er-EP „The Synthesis Of Whore And Beast“.

NIGHTBRINGER

Die US-Amerikaner NIGHTBRINGER sind eine der verschrobensten Bands der Auswahl. Wüste Songstrukturen treffen bei dieser Truppe auf viele Disharmonien und finsterste Gesänge, die zwar nur wenig Eingängigkeit vorweisen, dafür aber eine umso morbidere Atmosphäre durchscheinen lassen. Immerhin haben NIGHTBRINGER auf ihrem aktuellen Album „Ego Dominus Tuus“ von 2013 eine Leadgitarre in ihren Sound integriert, die verdächtig nach EMPERORs „Anthems To The Welkin At Dusk“ klingt und so die Hörbarkeit der Musik deutlich erhöht – jedoch ohne dass das Album weniger finster daherkäme. Das macht „Ego Dominus Tuus“ zum besten Album von NIGHTBRINGER, wenngleich die Band nie etwas wirklich Schlechtes aufgenommen hat.

Diese Alben sollte man kennen:

Einsteiger sollten sich zunächst an das oben genannte „Ego Dominus Tuus“ halten. Ansonsten sind vor allem die „Circumambulations Of The Solar Inferno“-Split-EP mit DØDSENGEL sowie das 2011er-Album „Hierophany Of The Open Grave“ empfehlenswert … wie gesagt immer unter dem Vorsatz, dass es bei NIGHTBRINGER eher um Atmosphäre als um Nachvollziehbarkeit geht.

DØDSENGEL

Das norwegische Duo DØDSENGEL zeigt, wie kunstvoll es gelingen kann, Eingängigkeit mit morbider Dunkelheit zu paaren. Oft kerzengerade im Vier-Viertel-Takt gespielt, in anderen Momenten krude, arhythmisch und disharmonisch verzwackt, gelingt es dem Black Metal der Norweger, auf dem schmalen Grat zwischen Unhörbarkeit (vor allem bei Albumlauflängen von zwischen 55 Minuten und zweieinhalb Stunden) und grandiosem Songwriting zu wandeln. Dies wird nicht zuletzt bei den Vocals deutlich, die wandlungsfähig zwischen Growls, Screams und bizarrem Klargesang hin- und herpendeln, mal direkt ins Ohr gehen und dann wiederum dazu führen, dass sich der Hörer die Frage stellt, was für ein kranker Typ denn da das Mikro schändet. Man höre dazu den „Imperator“-Opener „Sun On Earth“.

Diese Alben sollte man kennen:

„Mirium Occultum“ (2010) wenn man ein etwas direkteres, geradlinigeres Werk hören möchte. Das zweieinhalbstündige Doppelalbum „Imperator“ (2012) und die selbstbetitelte EP (2011) sind hingegen finsterer, aber auch etwas anstrengender. Das Debüt „Visionary“ (2009) ist nicht schlecht, aber nicht das Album, mit dem man die Band kennenlernen sollte.

SINMARA

Die Isländer SINMARA haben nicht nur personelle Überschneidungen mit den weiter oben bereits behandelten SVARTIDAUÐI, sondern auch stilistische: Bei beiden Bands werden disharmonische Gitarrenläufe auf die Spitze getrieben und dazu genutzt, den Hörer in den Bann zu ziehen. Bei SINMARA steht jedoch weniger die hypnotische Wirkung der repetetiven Disharmonien im Mittelpunkt, sondern vielmehr die morbide-infernalische Atmosphäre.

Diese Alben sollte man kennen:

Es gibt bisher nur das Debütalbum „Aphotic Womb“ aus dem Jahre 2014. Allerdings haben die verantwortlichen Köpfe mit dem SINMARA-Vorgängerprojekt CHAO 2012 bereits eine EP namens „Spiritus Sankti“ veröffentlicht, die nicht weniger empfehlenswert ist.

FUNERAL MIST

FUNERAL MIST stellen wohl die geradlinigste Band der hier vorgestellten Auswahl dar: Die Musik der Band basiert in erster Linie auf gerade gespieltem Powerchord-Riffing, was jedoch nicht bedeutet, dass FUNERAL MIST nur Standard machen. Im Gegenteil, als das Genie der Band lässt sich wohl vor allem Bandkopf und Sänger Arioch bezeichnen (besser bekannt als aktueller MARDUK-Sänger unter dem Pseudonym Mortuus), dessen fieses Röcheln und Schreien den Großteil der kranken, typischen FUNERAL MIST-Atmosphäre ausmachen. Auf jeden Fall auch erwähnenswert sind die oft – vor allem auf dem 2003er Debüt „Salvation“ – verwendeten Samples, die die Stimmung der Werke nochmals eine ganze Ecke weiter in die Düsternis ziehen.

Diese Alben sollte man kennen:

In erster Linie das Debüt „Salvation“ und die EP „Devilry“ (1998). Das 2009er-Album „Maranatha“ braucht man nicht wirklich, stattdessen kann man sich lieber die letzten beiden MARDUK-Alben „Serpent Sermon“ und „Frontschwein“ geben, die musikalisch verstärkt in Richtung FUNERAL MIST gerückt sind.

SALIGIA

Das norwegische Duo SALIGIA kommt aus dem direkten Umfeld von DØDSENGEL, und das hört man der Musik auch an, die sich im Falle beider Bands zwischen straight-rockigem Spiel und okkult-orthodoxem Wahnsinn bewegt. SALIGIA gehen etwas weniger chaotisch als DØDSENGEL zu Werke und präsentieren sich auch etwas eingängiger. Dafür funktioniert das Wechselspiel zwischen dem Gefangennehmen in der Atmosphäre und der Wucht, mit welcher der nächste gerade Teil angeprescht kommt, hier nicht ganz so gut. Trotzdem sind SALIGIA eine Perle des orthodoxen Black Metals.

Diese Alben sollte man kennen:

Vor allem die „Lvx Aeternae“-EP. Das Full-Length-Debüt „Sic Transit Gloria Mundi“ funktioniert leider nicht ganz so gut.

HETROERTZEN

Die chilenischen Auswanderer HETROERTZEN (die Band ist mittlerweile in Schweden ansässig) kann sicherlich mit einem der interessantesten Textkonzepte im orthodoxen Bereich punkten, so handeln nahezu alle Texte der Band von luciferianischer Magie, wohl wenige andere Bands haben ihre inhaltliche Seite derart sorgfältig ausgefeilt wie HETROERTZEN. Dafür gehört die Band musikalisch nicht unbedingt zum Spektakulärsten im Bereich des orthodoxen Black Metal, relativ einfaches Riffing trifft auf meist gerade Strukturen … fast ein wenig Standard. Trotzdem sind HETROERTZEN keine schlechte Band, sie fallen nur im Zuge dieses Specials etwas ab.

Diese Alben sollte man kennen:

„Exaltation Of Wisdom“ von 2010 und die „Capax Infiniti“-Split mit DØDSENGEL (2014).

DEATHSPELL OMEGA

DEATHSPELL OMEGA passen nur teilweise in dieses Special: Als klassisch-raue Black-Metal-Band gegründet, veröffentlichte das französische Projekt zunächst mit „Infernal Battles“ und „Inquisitors Of Satan“ zwei Alben, die kaum unter den Begriff „Orthodox Black Metal“ fallen. Auch die neueren Werke – vor allem das 2010er-Album „Paracletus“ und die 2012er-EP „Drought“ – sind eher avantgardistisch und progressiv angelegt, sodass eigentlich nur die beiden Alben „Si Monumentum Requires, Circumspice“ (2004) und „Fas – Ite, Maledicti, In Ignem Aeternum“ (2007) als wirklich orthodox durchgehen. Diese sind dafür qualitativ umso hochwertiger: Chaotisch-progressiver Black Metal mit oft undurchsichtigen Strukturen wechselt sich mit Höhepunkten ab; mit Parts, in denen dann doch ein Fünkchen Eingängigkeit durchscheint. (Dies ist besonders auf „Si Monumentum …“ der Fall, während „Fas“ teilweise bereits sehr in Richtung des wilden Avantgardismus der neuesten Werke läuft.)

Diese Alben sollte man kennen:

Die beiden genannten: „Si Monumentum Requires, Circumspice“ und „Fas – Ite, Maledicti, In Ignem Aeternum“. Vor allem ersteres ist ohne Einschränkungen empfehlenswert.