Dew-Scented
Listening Session zu "Issue VI"
Special
Es war einer dieser Tage, an denen der Winter nach Tagen voll Sonnenschein und Temperaturen über dem Gefrierpunkt wieder seine hässliche Fratze zeigt und alle Reisenden mit nicht gerade vorteilhaften Straßenverhältnissen beglückt. DEW-SCENTED können davon ein Lied singen, trudelten sie doch nach schier endlosen zehn Stunden Anreise mit zwei Stunden Verspätung bei ihrer eigenen Listening Session ein. Nuclear Blast hatten mal wieder das gute Bürgerstüble in Reichenbach bei Donzdorf zum Austragungsort gewählt, wo die gespannten Pressemenschen ein erstes Ohr auf den heiß erwarteten Nachfolger des 2003er Auswurfs „Impact“ riskieren durften. Die Stammgäste des Bürgerstübles haben sich sicher schon lange an die in regelmäßigen Abständen einfallenden langhaarigen Bombenleger gewöhnt, die sich in buntestem Kauderwelsch daherredend im Nebenraum verschanzen, eine knappe Stunde Höllenlärm veranstalten und danach fürstlich tafeln. Vielleicht ist sich der eine oder andere ja auch bewusst, wobei er da Zaungast ist.
An diesem verschneiten Samstag sollte es jedenfalls eine kleine Lehrstunde in Sachen tightem Arschtritt-Thrash werden. Denn nichts anderes ist das neue DEW-SCENTED Album „Issue VI“ geworden. Die offensichtlichste Frage, wie man den unschlagbaren Doppelpack aus „Inwards“ und „Impact“ in Sachen Geschwindigkeit und Aggression noch zu toppen gedenkt, beantworten die sympathischen Jungs um Fronthüne Leif, indem sie einfach den Fuß etwas vom Gas nehmen und Grooves einbauen, dass einem das Herz aufgeht. Langsame Songs findet man auf „Issue VI“ trotzdem keine. Was für DEW-SCENTED „langsam“ bedeutet, dürfte anderen Bands immer noch den Schweiß auf die Stirn treiben. Man unterscheide folglich zwischen „schnellen“ und „sehr schnellen“ Songs. Welchen Eindruck die einzelnen Titel hinterlassen haben, hier im Detail.
Processing Life
Den Auftakt bildet „Processing Life“, das ungewohnt deathig aus den Boxen knallt und sofort Erinnerungen an die seligen AT THE GATES oder auch THE HAUNTED wachrüttelt. In extremer Geschwindigkeit und mit hohem Blastanteil pflügt der Song durch die Botanik und legt zunächst einmal die Vermutung nahe, „Issue VI“ würde genau da ansetzen, wo „Impact“ aufgehört hat.
Rituals Of Time
Dass dem nicht so ist, macht allerdings Song Nummer 2 gleich klar. Mit für DEW-SCENTEDsche Verhältnisse deutlich gezügeltem Tempo morphen die Riffs zu Beginn des Tracks abwechselnd aus dem linken und dem rechten Kanal. Dieses Spiel mit gegensätzlichen Elementen zieht sich durch den gesamten Song, der besonders durch seine Vielzahl verschiedener Rhythmen auffällt und so einen sehr anspruchsvollen Charakter hat. Die Vocals werden ziemlich reduziert eingesetzt, die Instrumentalfraktion nutzt dagegen die ihr gegebene Freiheit und tobt sich in technischen Kabinettstückchen aus. Insgesamt fällt der Song ziemlich heavy aus und zeichnet sich durch anspruchsvolles Drumming und freche Breaks aus.
Ruins Of Hope
Der Anfang kommt einem doch bekannt vor! Fast könnte man meinen, man hätte es mit einem zweiten „Locked In Motion“ zu tun. Nach zwei eher untypischen Tracks geht „Ruins Of Hope“ als erster reinrassiger Thrash Song an den Start und knüppelt im klassischen Uffta-Beat daher. Auch in diesem Song spielen DEW-SCENTED geschickt mit dem Kontrast Groove/Geschwindigkeit, der ein sehr intensives Hörerlebnis beschert!
Out Of The Self
Trotz seines im Vergleich etwas gezügelten Tempos zeigt einem „Out Of The Self“ sofort, wo der Hammer hängt und geht auch ohne Blasts ordentlich nach vorn! Das fette Stakkato Riffing verleiht dem ganzen eine coole traditionelle Note.
The Prison Of Reason
Nach einem kurzen Sample-Intro wird man sofort mitten in den Song geworfen, der sich gar nicht lange damit aufhält, Spannung aufzubauen, sondern diese gleich auf breiter Front entlädt und einen im fetten uptempo Groove überfährt! Mit seinen verspult-filigranen Leads, den Twinguitar-Läufen in der Mitte des Songs und den flinken Soli ist auch „The Prison Of Reason“ eine technische Spielwiese, auf der sich die Band richtig schön austobt.
Bled Dry
Mit einem markanten „Go!“ legt „Bled Dry“ los und vereint praktisch alles in sich, was einen typischen DEW-SCENTED Song so gut macht: treibender Groove, heftiges Stakkato Riffing und geile Soli wecken nicht nur einmal wohlige „Inwards“-Gefühle.
In Defeat
Das erste Wort, das ich zu diesem Song aufgeschrieben habe: SLAYER. Ein hitverdächtiges Riff, das schwer an die Könige erinnert, ein forsch nach vorne gehender Rhythmus, Blastbeats, Stakkato-Gehacke und ein ausgedehntes, abartig geiles Solo machen „In Defeat“ spontan zu einem meiner Favoriten auf dem Album. Fett!
Turn To Ash
Ein weiterer sehr zügiger Song, der ohne Kompromisse einschlägt. Ein gewisses SLAYER-Zitat in seinem Break kann auch „Turn To Ash“ nicht leugnen. Die Position des Tracks auf dem endgültigen Release steht laut Band allerdings noch nicht fest, sodass sich hier noch Änderungen ergeben können.
Never To Return
Keine Gefangenen! Eingeläutet wird der Track mit einem kurzen Part aus der Rehearsal Version des Songs, wonach es allerdings ohne Umschweife gleich mächtig in die Kauleiste gibt. Im ordentlich angezogenen Uptempo setzt „Never To Return“ das grundlegende Konzept der Platte um, das auf den Kontrast aus messerscharfen Rhythmus- und Geschwindigkeitswechseln setzt. Dass das wunderbar funktioniert, zeigt „Never To Return“ in kompakter Form.
Vortex
Schon der Titel lässt stilfremde Elemente erwarten bzw. befürchten. Aber keine Sorge! DEW-SCENTED wissen, was man von ihnen erwartet, halten sie sodann auf seltene subtile Stimmeffekte reduziert und binden diese sehr homogen, passend und keineswegs störend in dieses Doublebass Groovemassaker ein.
The Torrent
„The Torrent“ zeichnet sich durch einen relativ langen Spannungsaufbau zu Beginn des Tracks aus, der sich urplötzlich in einem genialen Break entlädt, nach dem Sänger Leif unerbittlich zum Angriff bläst! Auch dieser Song lebt vom krassen Kontrast aus Groove und highspeed Blasts, die durch die immanente Abwechslung eine besondere Betonung erfahren. Einmal mehr beweisen DEW-SCENTED, dass sie zur Speerspitze der jungen Thrash Generation gehören. Denn sonst geht niemand so leichtfüßig und spielerisch mit so messerscharf exakt eingesetzten Breaks um! Einmalig!
Conceptual End
Abschließend empfehlen sich DEW-SCENTED noch einmal groovig und beschließen damit ein Album, wie es abwechslungsreicher kaum sein könnte! Macht Euch auf etwas gefasst!
Full-Blown Revenge
Hoffentlich schafft es „Full-Blown Revenge“ auf die reguläre CD. Vorgesehen ist der Track zwar als Bonus, aber so eine Perle darf man nicht unter den Tisch fallen lassen! Der Song beginnt mit einem recht vertrackten Rhythmus, der aber bald dem klassischen Uffta-Thrash weicht. Immer wieder tauchen kleine rhythmische Spielereien auf, die den Song gekonnt aufmischen.
Evil Dead
Saucool! Anders kann man das ZEKE-Cover nicht beschreiben. Rotzig, ultraschnell und mit viel Schmackes dargeboten! Muss man mit den Eiern fühlen!
Was Leif und Hendrik zu ihrem neuesten Streich meinen, lest Ihr im Interview!