Destruction
Listening-Session zum neuen Album "Spiritual Genocide"
Special
In den letzten 30 Jahren haben sich DESTRUCTION ihren rechtmäßigen Platz an der Spitze der Teutonen-Thrash-Szene und in den Herzen der Fans erspielt. Dass die Band auch im Jahr 2012 keineswegs an Relevanz eingebüßt hat, stellt sie Mitte September im Hauptquartier ihres Labels Nuclear Blast im schwäbischen Donzdorf unter Beweis, als sie ihr neues Album „Spiritual Genocide“ erstmals der versammelten Fachpresse präsentiert.
Dass man in stilistischer Hinsicht heute keine größeren Überraschungen erwartet, weiß auch Bandkopf Schmier, der „Spiritual Genocide“ schlicht als eine weitere typische DESTRUCTION-Scheibe ankündigt und augenzwinkernd hinzufügt, dass das Album „keine Ballade“ enthält. Ein wenig merkt man ihm die Anspannung schon an, wie wohl die Reaktionen der versammelten Fachpresse ausfallen werden. Doch entgegen aller Klischees greift er nicht zum Bier, um gegen das Lampenfieber anzutrinken – der Badener bevorzugt Sekt: „Ich komme aus einer Weinbau-Gegend, deswegen bin ich allgemein nicht so der Biertrinker.“
Doch nicht der Alkoholkonsum soll heute im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen, sondern das neue DESTRUCTION-Album, des detailreiches Cover-Artwork bereits reihum für anerkennendes Kopfnicken sorgt. Musikalisch startet die Scheibe mit dem Marschtrommel-Intro „Exordium“, das über eine starke Gitarren-Melodie nahtlos in den Opener „Cyanide“ überleitet. Das Stück entpuppt sich als flotte, wunderbar altmodische Abrissbirne ohne Schnörkel und stilistische Schlenker. Dennoch kann man bereits hier einige Details erahnen, die den Song spannend halten und auch bei mehrmaligem Hören noch neue Entdeckungen erlauben. „Wir haben versucht, eine Platte zu schreiben, die sehr hart ist, die trotzdem eingängig ist und die auch genügend Details hat, dass sie auch interessant bleibt. Ich denke, das ist so die Maxime, die wir uns gesetzt haben,“ beschreibt Schmier die Herangehensweise im Interview. Und die Fans werden es lieben, dass der Plan aufgegangen ist.
Weiter geht es mit dem Titeltrack „Spiritual Genocide“, einer gnadenlosen Dampframme, die im Refrain mit coolen Gang-Shouts aufwartet. Noch cooler sind jedoch die abgefahrenen Drum-Fill/Gitarren-Duelle zu Beginn des Stücks. Dass herausragende und von einer großartigen Produktion endveredelte Drumming sticht hier genauso ins Ohr wie im folgenden „Renegades“. Das Tempo wird hier leicht zurückgenommen, der Druck dafür in gleichem Maße erhöht. Hinter dem vermeintlichen Rumpel-Refrain versteckt sich eine genial-eingängige Melodie, bevor ein cooles Break in eine extrem groovige Bridge überleitet – definitiv ein Höhepunkt der Scheibe.
Auch dem mit Sirenen-Sound-Samples versehenen „City Of Doom“ liegt ein fetter Groove zugrunde. Und auch hier fällt ein starkes Break auf, das von einer waberigen Bass-Linie und einem flirrenden Gitarren-Solo gefolgt wird. Das punktgenaue Zusammenspiel der Instrumente funktioniert nur deshalb so gut, weil auch die überragende Produktion mitspielt. „Wir haben in Siegburg bei Martin Buchmeier aufgenommen,“ erklärt Schmier, „das ist der Schlagzeuger von PERZONAL WAR. Der hat da ein schönes kleines Studio, wo wir schon die letzte Scheibe gemacht haben. Wir stehen auf eine gute und relaxte Atmosphäre und das war dort sehr angenehm, weil er ein Kumpel von uns ist. Gemixt haben wir bei Andy Classen. Die letzten Platten haben wir immer in Dänemark gemacht, aber dieses Mal haben wir alles in Deutschland gehalten. Das war auf jeden Fall eine gute Entscheidung.“
Eine gute Entscheidung ist auch der hohe Groove-Anteil der Songs. So wechseln sich bei „No Signs Of Repentance“ zwingende Headbang-Parts mit frickeligem Up-Tempo-Riffing ab. Das folgende „To Dust You Will Decay“ entwickelt sich daraufhin auf Anhieb zu meinem Lieblingssong der Platte. „Komischerweise haben jetzt schon mehrere Leute gesagt, dass sie den Song gut finden, unter anderem auch vom Label,“ erzählt Schmier. „Dabei haben wir eigentlich gedacht, dass das einer von den untypischen Songs ist, die ein bisschen aus der Reihe tanzen.“ Gerade das macht wohl den Reiz des Stückes aus. Es beginnt als Mid-Tempo-Stampfer mit düsterer Atmosphäre, nimmt dann langsam, aber unaufhaltsam über Bridge und Refrain an Fahrt auf. Was im ersten Moment noch recht unscheinbar klingt, entfaltet dadurch ein enormes Hit-Potential, das sich im ersten Moment bestenfalls erahnen lässt. „Ich denke, eine Platte, die man nach zwei- oder dreimal Hören schon komplett ‚kann‘, die wird auch schnell langweilig. In dieser Beziehung sind auch die Details wichtig.“
Bei „Legacy Of The Past“ haben dann Gerre (TANKARD) und Tom Angelripper (SODOM) einen Gastauftritt. Gemeinsam mit Schmier ist hier gewissermaßen das „Trio Infernale“ des Teutonen-Thrash versammelt und zelebriert textlich eine mit bekannten Alben- und Songtiteln, sowie Bandnamen gespickte Andeinanderreihung archetypischer Thrash-Metal-Klischees. Dadurch entsteht eine starke Identifikationshymne für die deutsche Thrash-Szene, die im markanten „All For One“-Abschlussschrei gipfelt.
Es schließt sich mit „Carnivore“ Schmiers momentaner Lieblingssong an: „‚Carnivore‘ ist der Song, der mir am meisten am Herzen lag, weil das für mich eine Problembewältigung auf privater Basis war, wo ich mit einer Person abschließen musste, die mir ein Jahr lang irgendwie auf der Leber lag und wo ich einfach gesagt habe, das muss raus. Deshalb ist ‚Carnivore‘ für mich der persönlichste Text, der mich am meisten befreit hat. Das ist wahrscheinlich auch der Video-Clip der Scheibe.“ Angesichts des groovig-fetten Heavy-Rock-Riffs, auf dem der Song basiert, eine gute Entscheidung. Seinen Grundcharakter behält das Stück aber nur oberflächlich betrachtet über die gesamte Spieldauer bei, in Wirklichkeit handelt es sich um ein wandlungsfähiges Song-Chamäleon.
Dagegen wirkt „Riot Squad“ arg klassich, geradezu gewöhnlich. Man meint schon erkennen zu können, dass das Album mit seiner durchgängigen Auf-die-Fresse-Attitüde an dieser Stelle leichte Abnutzungserscheinungen zeigt – bis ein Break im Mittelteil für einen erstaunlichen Sound-Bruch sorgt und dadurch die Spannung augenblicklich in den Sound zurückbringt. Als Rausschmeißer fungiert dann die knüppelige Abrissbirne „Under Violent Sledge“, die zwar nicht schlecht, aber auch kein Highlight ist.
Echte Überraschungen bleiben dem DESTRUCTION-Fan auf „Spiritual Genocide“ also erspart, dank der großen Liebe zum Detail lässt sich hier aber immer wieder etwas neues entdecken, so dass die Scheibe über längere Zeit hinweg für beste Unterhaltung sorgen dürfte. Diesen Eindruck kann auch Schmier bestätigen: „Wenn man das nur einmal gehört hat, ist es natürlich schwierig, so eine harte Thrash-Scheibe einzuordnen. Alle Details hörst du da beim ersten Mal gar nicht. Ich denke aber, man hört die Essenz raus und es ist genug da, was hängen bleibt und was man sich auch merken kann.“
Als Bonus-Tracks haben DESTRUCTION noch eine Cover-Version von „Princess Of The Night“ (SAXON) und verschiedene Remixes von Stücken ihres 2003er „Metal Discharge“-Albums in Petto. Erscheinen wird das Album, das durch ein geniales Cover-Artwork des Ungarn Gyula Havancsák endveredelt wird, am 23. November. Diesen Termin sollten sich alle Thrash-Maniacs rot im Kalender anstreichen, denn DESTRUCTION bieten mit „Spiritual Genocide“ wieder eine Menge spannendes Klangfutter, das mit einem detailverliebten Songwriting, eingängigen Grooves und einer fetten Produktion punktet.
Und wie zufrieden ist Schmier mit den Reaktionen der versammelten Fachpresse auf „Spiritual Genocide“? „Die ersten Eindrücke kommen jetzt gerade erst, das heißt ich kann selber noch nicht genau sagen, wie die Scheibe aufgenommen wird. Ich bin auch selber noch gespannt, wie jetzt die Resonanzen sind, aber ich habe ein gutes Gefühl. Ich denke, es ist auf jeden Fall ein guter Nachfolger für die letzte Scheibe. Die war ja auch schon auf dem richtigen Weg und kam auch bei den Fans sehr gut an. Das ist am Ende des Tages auch das, was zählt, dass die Fans dann sagen: ‚Das klingt nach DESTRUCTION und ich kann mich damit identifizieren.‘ Man macht die Musik ja nicht für die Fans, sondern für sich selbst, aber wenn das keiner mehr kauft und die Fans es scheiße finden, dann hast du natürlich am Thema vorbei gearbeitet.“
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