Der viel zu späte
Jahresrückblick 2017
Special
2017 war nicht alles schlecht. Aber wir müssen darüber reden.
Dieser Jahresrückblick wurde unter akutem Einfluss des neuen MACHINE HEAD-Albums verfasst. Alleine deshalb lohnt sich der Blick zurück auf ein Jahr, in dem dieses Album glücklicherweise noch in den Untiefen von Rob Flynns Festplatte zu schmoren hatte. Auf ein Jahr, in dem eine SLAYER-Auflösung zwar nicht weit entfernt schien, aber immerhin noch nicht bestätigt war. Auf ein Jahr, in dem eine polnische Death-Metal-Band wochenlang in den Vereinigten Staaten festgehalten wurde. Und auf ein Jahr, in dem zahlreiche bezaubernde audiovisuelle Meisterstücke das Licht der Welt erblickten.
metal.de blickt zurück auf ein Jahr voller juristisch gestützter Wichtigtuer, unerhörter Revoluzzer und verstorbener Metal- und Rocklegenden. Das ausführliche Protokoll gibt’s auf den nächsten Seiten – im viel zu späten Jahresrückblick 2017.
Januar 2017
GRAVEYARD sind zurück. So überraschend und classy („struggling n juggling with personal issues“) die schwedischen Blues Rocker im September 2016 ihren Hut nahmen, so nonchalant setzen sie ihn sich nur drei Monate später wieder aufs Haupt. Drummer Axel Sjöberg ist raus, die restlichen Mitglieder sind allerdings back on track und lassen die Matten bereits im Sommer wieder auf deutschen Festivalbühnen rotieren. Selten gab es schönere Nachrichten vom Friedhof.
Auf einen solchen wird dann tragischerweise auch Prog-Legende John Wetton verlegt. Der 67-jährige Sänger und Bassist stirbt am 31. Januar an Darmkrebs – sein langer Kampf kennt kein Happy End. Der Brite hat mit seiner musikalischen Arbeit tiefe Einschnitte in den Diskografien von KING CRIMSON, URIAH HEEP, ASIA und WISHBONE ASH hinterlassen. We salute you!
Angela Gossow back in Action
Für Alt-Progger reißen die schlechten Nachrichten nicht ab: Erst wenige Tage zuvor erklärten die kanadischen SAGA sich selbst für zu Ende erzählt. Hoffnung macht dafür aber Köllefornia-Girl Angela Gossow, die drei Jahre nach ihrem ARCH ENEMY-Ausstieg verspricht, ein neues Metalprojekt zu starten. Dabei wären wir ja schon zufrieden, wenn sie als Business-Managerin der Band mal wieder ein paar abwechslungsreichere Melodien aus Mr. Amott herauskitzeln könnte. Das dramatisch durchschnittliche „Will To Power“ zeigt acht Monate später jedoch kaum ein Anzeichen der Besserung.
Doch das Herz des schwedischen Melodic Death Metal schlägt inzwischen ohnehin woanders: AT THE GATES allerdings lassen den Melodienquell zunächst versiegen und gründen zu drei Fünfteln die Old-School-Death-Metal-Gruppierung THE LURKING FEAR. Klingt im Januar noch wie eine durchschnittlich lahme Supergroup, überzeugt aber spätestens zum Release von „Out Of The Voiceless Grave“ im August auch den letzten Puristen.
Februar 2017
Faschingszeit, Freudenzeit. Denken sich auch die etwas offeneren Metalhörer, als METALLICA Mitte Februar Pop-Queen LADY GAGA auf die Grammy-Bühne bitten – und ein Stagehand Mr. Hetfield mittendrin den Mikrostecker zieht. Sicher, wer nach „Justice For All“ keinen Nerv mehr für die größte Metalband aller Zeiten übrig hatte, würde sich das generell einmal für die ganze Band wünschen. Aber lasst uns ehrlich sein: So kacke war die Nummer doch gar nicht.
Generell waren die Grammys ein einziges Freudenfest, schließlich mutierte selbst METALLICA-Antagonist Dave Mustaine unverhofft zum Honigkuchenpferd, als die Veranstalter seinen Gang zur Bühne mit einer Coverversion zu „Master Of Puppets“ unterlegten. MEGADETH‘ „Dystopia“ wird im Februar als „Best Metal Performance“ ausgezeichnet.
KREATOR auf der Eins
Generell scheint der Februar den Erfolg hart arbeitender Thrash-Ikonen zu honorieren: Eine Woche nach Release steht fest: KREATOR stehen mit ihrem 14. Studioalbum „Gods Of Violence“ auf Platz eins der deutschen Albumcharts. Wer hätte das gedacht? Die Kollegen, die schon beim Charteinstieg von „Pleasure To Kill“ (1986) auf Platz 1 der damaligen Hitparade Visionen von kommerzieller Anbiederung hatten, sicher nicht.
Zur selben Zeit wird bekannt, dass das Auftragskiller beauftragende Steroid-Monster Tim Lambesis bereits seit einigen Wochen wieder auf freiem Fuß ist. Der ehemalige AS I LAY DYING-Sänger wurde drei Jahre zuvor verhaftet, nachdem er seine Ehefrau ermorden lassen wollte. Schaurige Fakten: Nur drei Monate nach seiner Entlassung auf Bewährung heiratet Lambesis erneut. Wir wünschen – und das gilt hier lediglich seiner neuen Liebsten – viel Glück und viel Segen.
Eine Welt ohne BLACK SABBATH
The End – am 4. Februar spielen BLACK SABBATH ihr letztes Konzert. Ever. Forever ever. Nach 13 Monaten endet die Abschiedstour der wohl einzig wahren Genre-Initialzünder in Birmingham. Neben dem gesundheitlich angeschlagen Tony Iommi möchte auch Fledermausfetischist Ozzy künftig kürzertreten. Für 2018 kündet Osbourne seine Abschiedstournee an. Mit an Bord: BLACK LABEL SOCIETY-Chef Zakk Wylde. Eine freundschaftliche Legenden-Reunion wie sie SABBATH-Drummer Bill Ward bis zuletzt verwehrt blieb.
Dass Abschiedstourneen nicht nur sehr emotional, sondern auch brandgefährlich werden können, müssen THE DILLINGER ESCAPE PLAN am 14. Februar am eigenen Leib erfahren. Ihr Tourbus verunglückt. Ein Glück: Ernsthafte Verletzungen trägt keines der Mitglieder davon, dafür liegt das Equipment der Mathcore-Veteranen nun verstreut auf polnischen Highways.
Zur Aufmunterung: Nur einen Tag später veröffentlicht der peruanische YouTube-Musiker TONGO seine Coverversion zu LINKIN PARKs „Numb“. Und diese erstrahlten in tausend bunten Farben. Intensiv.
März 2017
HIM geben bekannt, dass das Heartagram Ende des Jahres endgültig ausbrennen wird. Überfällig, sagen die einen, während die andere Hälfte der Redaktion plötzlich mit Tränen in den Augen die Doom-Balladen der frühen 2000er wiederentdeckt. Sänger Ville Valo spricht von Friede, Freude, Eierkuchen: Alle kommen gut miteinander klar, doch beim Proben merkte man plötzlich: „[…] that spark was missing.“ Etwa so fühlte sich das dann auch bei den Abschiedskonzerten im Herbst an.
Als sei die Erwähnung solchen Pop-Frevels nicht genug, wagt es sich metal.de im selben Monat, die aktuelle DEPECHE MODE-Platte zu besprechen. Dass die Band um Martin Gore als Blaupause für ganze elektrifizierte Metal-Subgenres diente, scheint nicht alle Leser zu interessieren – dass die Gruppe mit „Spirit“ ihren Zenit längst überschritten hat, auch nicht. Da wird sich auch gerne mal „über den ganzen Synthie-Pop-Schmalz“ beschwert. Wenn die mal um das unausgewogene Metal-Synthie-Pop-Verhältnis bei unseren Redaktionstreffen wüssten …
Negru stirbt überraschend
Zahlreiche nicht-metallische Einflüsse haben in der Vergangenheit übrigens auch NEGUR? BUNGET verarbeitet. Das verdankten die rumänischen Folk-Blacker nicht zuletzt Schlagzeuger und Gründungsmitglied Gabriel „Negru“ Mafa, der diese Welt am 21. März überraschend verlässt. Gerade einmal drei Tage nach Rock’n’Roll-Pionier Chuck Berry – dem aber ein mehr als doppelt so langes Leben beschert war. Status NEGUR? BUNGETs? Bis heute unbekannt.
MAYHEM-Sänger und Zeremonienmeister Attila Csihar erläutert derweil, dass ihn das von den Black-Metal-Vorreitern inspirierte METALLICA-Musikvideo zu „ManUNkind“ eher weniger beeindruckte. „Der Film basiert auf unserer Story. Ich meine: What the fuck?“ Noch weniger hält der Csihar übrigens nur noch von der 2018 tatsächlich erscheinenden „Lords Of Chaos„-Verfilmung.
April 2017
Metalhörer gegen Kinderarbeit! Einverstanden? Na gut, Ausnahmen gehen immer. Denn im April 2017 bahnt sich ein Fall an, der nichts mit Markenschuhen und Teppichknüpferei zu tun hat: KORN kündigen an, dass der gerade einmal 12-jährige Tye Trujillo, Sohn von Metallica-Bassist Robert, Rastamann Fieldy auf der kommenden Südamerika-Tournee ersetzen wird. Und leckt mich fett, hat der Junge es drauf – auch mit drei Saiten.
Hard Rock lebt! Neben EUROPE gibt es noch eine andere 70er-Institution, die bis ins Jahr 2017 hinein mächtig Staub aufwedelt. Am 7. April veröffentlichen DEEP PURPLE „inFinite„, ihr bislang 20. Studioalbum. Zwei Tage vorher verabschiedet sich die Welt von Paul O’Neill, bekannt durch SAVATAGE und das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. Er stirbt im Alter von 61 Jahren an einer unbekannten chronischen Erkrankung.
Die Geister sind los
Aufruhr und Panik hingegen bei der jüngeren Generation: Ex-GHOST-Gitarrist Simon Söderberg geht an die Öffentlichkeit – und lüftet so manches Geheimnis. Gemeinsam mit drei anderen ehemaligen „Nameless Ghouls“ verklagt er Sänger Tobias Forge (Papa Emeritus) auf einen fünfstelligen Dollarbetrag. Es geht um nicht bezahlte Gagen und geistiges Eigentum. GHOST touren munter weiter – mit neuen Ghouls an Gitarre, Bass, Keyboard und Drums.
Mai 2017
BREAKDOWN OF SANITY verkünden ihre Auflösung. TEXTURES verkünden ihre Auflösung. Und: AEROSMITH starten ihre Abschiedstournee, drohen aber in waschechter SCORPIONS-Manier damit, dass selbige bis zum Jahr 2021 andauern könne. Alles halb so wild, vergleicht man es mit dem Schock, den die moderne Rock- und Metalwelt am 18. Mai erleben muss: Während der aktuellen SOUNDGARDEN-Tournee verstirbt Chris Cornell. Der Sänger begeht im Alter von 52 Jahren Selbstmord. Besonders hart trifft das seinen langjährigen Freund Chester Bennington.
LINKIN PARK weiter vom Metal entfernt denn je
Dessen Band LINKIN PARK veröffentlicht nur einen Tag später ihr siebtes Studioalbum „One More Light“. Wenngleich vom Metal nie weiter entfernt, ist es in Deutschland das erfolgreichste Album des Jahres einer Band mit Metal-Hintergrund. In den Jahrescharts landet es auf Platz 17. Zwei Wochen später entern Rammstein mit ihrem fünfundneunzigsten Livealbum „Rammstein: Paris“ Platz 1 der Charts. Ein neues Album für 2018 erscheint mittlerweile möglich, es wäre das erste Studiorelease der Pyromanen seit „Liebe ist für alle da“ von 2009.
Doch warum auf Neues warten, wenn das Gute so nah liegt? Bereits Anfang Mai veröffentlicht Ex-NAGELFAR-Musiker Meilenwald das fünfte THE RUINS OF BEVERAST-Album „Exuvia„. Das Blackened-Doom-Meisterstück schließt das Jahr auf Platz 1 der metal.de-Redaktionscharts ab. Ähnlich beliebt: Der (eindrucks-)volle Auftritt der finnischen Black Metaller AZAZEL auf dem Steelfest. Groß.
Juni 2017
Zwergenaufstand: Nur wenige Metal-Musiker reißen so gerne ihr Maul auf wie Corey Taylor. Zumindest wenn man einmal Gene Simmons und Dave Mustaine im Gehege lässt. Gerade NICKELBACK-Sänger Chad Kroeger, seinerseits häufig dem Gespött der härteren Hörerschaft ausgesetzt, ätzt nun aber einfach mal zurück – und bezeichnet Taylors STONE SOUR als „Nickelback light„. Der ebenfalls bei SLIPKNOT aktive Taylor findet daraufhin klare Worte: „Du kannst so lange über mich lästern, wie du willst. Aber ich weiß, dass ich trotz Maske zum ‚Sexiest Dude in Rock‘ gewählt wurde und du zweimal zum hässlichsten – sogar ohne Maske. Schieb dir das in den Arsch!“
Für Corey Taylor fast schon fester Bestandteil seiner Sommer-Schedule: Rock am Ring. Doch diesmal stehen weder STONE SOUR noch SLIPKNOT auf der Running Order. Statt King Corey schauen FIVE FINGER DEATH PUNCH, AIRBOURNE, IN FLAMES, SUICIDE SILENCE und RAMMSTEIN vorbei. Doch der Auftritt letzterer fällt kurzerhand ins Wasser. Diesmal jedoch nicht sprichwörtlich. Nach zwei unwetterreichen Jahren steht den Veranstaltern 2017 eine Terrorwarnung ins Haus. Zwar muss das Festival nicht wie im Vorjahr vorzeitig abgebrochen werden, die ausgefallenen Auftritte vom Freitag können allerdings nicht nachgeholt werden.
WARBRINGER-Drummer ertrinkt
Und auch der Juni kommt nicht ohne Todesfall aus. Im Alter von gerade einmal 36 Jahren stirbt Ex-WARBRINGER-Mitglied Nic Ritter. Der Drummer ertrinkt in seinem Pool. Sänger John Kevill kommentiert: „Ich war zwei Jahre mit dem Kerl unterwegs und wir haben vermutlich 350 bis 400 Gigs zusammen gespielt. Es macht mich wirklich fertig, dass er fort ist.“ Ruhe in Frieden, Nic, dein Drumming auf „Waking Into Nightmares“ wird uns noch lange begleiten.
Juli 2017
Nein, so wird das einfach nichts mit einem neuen SYSTEM OF A DOWN-Album. Wenngleich mindestens zwei Mitglieder der armenisch-amerikanischen Crossoverlegende nach neuen Songs lechzen, so erteilt doch gerade Serj Tankian immer wieder Absagen. Neueste Argumentation: Er hat einfach keinen Bock mehr aufs Singen. „Ich schreibe lieber Instrumentalmusik.“ Sich die Taschen alle Jahre wieder mit ein paar üppigen Festival-Headliner-Slots auffüllen ist da natürlich Ehrensache. Auch wenn man dafür mal für zwei Stunden die Zähne auseinander kriegen muss.
Sollte es allerdings jemals wieder ein neues LINKIN PARK-Album geben, so wird es sich wohl grundlegend von allen anderen Werken der ohnehin schon so wandelbaren Band unterscheiden. Denn am 20. Juli 2017 wird bekannt: Chester Bennington lebt nicht mehr. Nur zwei Monate nach Chris Cornell nimmt sich der langjährige LINKIN PARK-Sänger am Geburtstag desselben das Leben. Das mag den gemeinen Blacker, Deather oder Thrasher nicht direkt betreffen – doch nur wenige andere Alben dienten so sehr als notwendige Bedingung für den musikalischen Einstieg der jüngeren Metal-Generationen wie „Hybrid Theory“ und „Meteora“.
Tödlicher Crash bei ADRENALINE MOB
Aber der Hochsommer fordert noch mehr Opfer: Bereits eine knappe Woche zuvor rammt ein Sattelschlepper den Tourbus von ADRENALINE MOB, was Neubassist David Zablidowsky noch vor Ort das Leben kostet. Tourmanagerin Jane Train erliegt anderthalb Monate später ihren schweren Verletzungen. Die übrigen Musiker Mike Orlando, Russell Allen und Jordan Cannata überleben – wenngleich nicht ohne Verletzungen.
August 2017
Die Festivalsaison ist voll im Gange. Wacken, Summer Breeze, With Full Force – wir kommen aus dem Berichten nicht mehr raus. Und aus dem wöchentlichen KREATOR-Abfeiern, versteht sich. Noch während die Party im hohen Norden läuft, kündigen die schwedischen Tech-Deather SPAWN OF POSSESSION in einem spektakulär unspektakulären Posting ihre Auflösung an. Es mangelt an Zeit – und folglich wohl auch an Geld.
Davon genug hat laut seinen Ex-Kollegen unter anderem Tobias Forge – der Mann, der GHOST in Interviews mittlerweile immer mehr als sein von langer Hand geplantes Soloprojekt verkauft. Noch während die juristischen Querelen im Hintergrund weiterlaufen, enthüllt Papa Emeritus III. dann auch erstmals offiziell seine Identität. Nicht, dass diese noch ein Geheimnis wäre. Wie schafft man es eigentlich, bei so einer Musikerfluktuation einen einheitlichen Bandsound zu etablieren? Für Sir Toby ein Leichtes: „I have to teach them to play how I play it; that’s how I do it.“
MASTODON bei Game Of Thrones
MASTODON bringen derweil ihren „Emperor Of Sand“ auf die europäischen Festivalbühnen – jedenfalls, wenn sie nicht gerade für Game Of Thrones vor der Kamera stehen. So richtig gerecht wird die Platte dem mittlerweile gänzlich realitätsfernen Hype um das Quartett zwar nicht (wir nennen es den GOJIRA-Effekt), in der Serie machen die Bartträger dafür aber eine umso bessere Figur.
Weise Voraussicht derweil bei SLAYERs Kerry King: „Ich habe [einen Song] auf dem nächsten Album, der Trumps Nonsens behandelt, aber eigentlich wird es nur darum gehen, wie die Republikaner einfach alles verkacken.“
Doch es sollte alles anders kommen. Oder?
September 2017
Am 9. September steht plötzlich die kalifornische Polizei vor der Tür und nimmt Wac?aw Kie?tyka, Rafa? Piotrowski, Micha? ?ysejko und Hubert Wi?cek in Gewahrsam. DECAPITATED sind festgenommen. Die polnische Death-Metal-Band soll in der Nacht vom 31. August auf den 1. September eine Konzertbesucherin gekidnappt und vergewaltigt haben. Ein großes Tohuwabohu aus Verlegungen, Verleumdungen und Verunsicherungen folgt. Die Band weist alle Vorwürfe von sich – und wird nach langen Querelen am 5. Januar 2018 freigesprochen. Die Anklägerin war bereits in der Vergangenheit durch eine Falschaussage aufgefallen.
„MANSON IM KRANKENHAUS“ – diese Meldung gibt es gleich zweimal innerhalb weniger Wochen zu hören. Während der namensgebende Charles mittlerweile verdientermaßen in der Hölle schmort, muss auch Mr. Marilyn kurz eingeliefert werden. Während eines Konzerts in New York stürzen Teile des Bühnenaufbaus auf den Industrial-Rocker, der daraufhin zunächst reglos am Boden zu liegen scheint. Letzten Endes bricht Manson sich jedoch bloß das Wadenbein. Seine November-Auftritte in Deutschland kann er wie geplant absolvieren. Ist halt nur noch etwas blass im Gesicht.
Manson vs. Bieber
Dem Ganzen voraus geht übrigens eine kleine Privatfehde mit JUSTIN BIEBER. Hintergrund ist ein von Manson nicht autorisiertes Shirt-Design, woraufhin Manson Bieber ein „Eichhörnchen-Gehirn“ attestiert. 2016 war immerhin noch ein gemeinsames Selfie drin. Ob Justin etwa an der Bühnenkonstruktion … ?
Derweil erreicht die „Worldwired“-Tournee dann auch das europäische Festland. Deutschland ist im METALLICA-Fieber, die Hallen sind trotz astronomischer Ticketpreise saftig gefüllt. In Köln wird zusätzlich mit einem Pop-Up-Store abkassiert. Und was man da alles kaufen kann: „Master Of Puppets Tour 1986 – ich war dabei (wenngleich noch nicht geboren)„. Dafür „Leper Messiah“ und „Fuel“ in der Setlist. Ist gebongt.
Oktober 2017
So reaktionär MARILYN MANSON in Bezug auf Popmusiker auch reagieren mag, so kurzen Prozess macht er dann auch, als die #metoo-Debatte im Oktober 2017 auch über die Metalszene hinwegrollt. So wird auch Manson-Bassist Twiggy Ramirez von seiner Ex-Freundin Jessicka Addams des Missbrauchs und der Vergewaltigung bezichtigt. Manson, den selbst eine Freundschaft mit Addams verbindet, entlässt den Beschuldigten daraufhin aus seiner Band. Ramirez war unter anderem auch Mitglied von NINE INCH NAILS und A PERFECT CIRCLE.
Am 2. Oktober stirbt TOM PETTY an einer versehentlichen Überdosis Schmerzmittel – er hatte die bisherige Tour mit gebrochener Hüfte gespielt. Warum tun Musiker sich so etwas an? Wir wissen es nicht. Doch wir wissen, dass die US-amerikanische Rockmusik einen ihrer größten Songwriter verloren hat.
Martin Eric Ain stirbt mit 50
Doch noch im selben Monat holt Gevatter Tod erneut zum Schlag aus und diesmal trifft es die Metalszene in ihren Grundfesten: Martin Eric Ain, bürgerlich Martin Stricker, stirbt im Alter von 50 Jahren an einem Herzinfarkt. Mit seinen Beteiligungen an den legendären Schweizer Bands HELLHAMMER und CELTIC FROST gilt Ain gemeinsam mit Thomas Gabriel Fischer als stilprägender Protagonist extremer Metal-Spielarten. Fischer würdigt seinen Ex-Kollegen mit einem äußerst emotionalen Statement: „Unsere Beziehung war sehr komplex und definitiv nicht frei von Konflikten, aber Martins Leben und meines waren sehr eng miteinander verbunden, seitdem wir uns 1983 kennenlernten.“
Tatsächlich erhört der Herr aber noch Gebete und schenkt uns zum Ende des Monats das wohl beste DREAM THEATER-Album seit Jahren. Bloß erscheint es diesmal unter dem Namen SONS OF APOLLO.
November 2017
BEHEMOTH proben wieder! Wenn das mal nicht Nachricht genug ist. Nachdem Nergal und Co. 2014 das beste Extreme-Metal-Album der Dekade™ veröffentlichten und der Mastermind sich daraufhin seinem latent uninspirierten Cash/Cave-Klon ME AND THAT MAN widmete, steht 2018 wohl der nächste große Schlag an. Im Oktober postet Nergal erste Snippets aus dem Proberaum. Derweil gerät die Band wieder einmal ins Visier der polnischen Justiz: Ihr Merchandise soll den polnischen Doppelkopfadler entweihen. Ja, wenn’s sonst nichts ist.
Am 9. November stirbt Ex-FAITH NO MORE-Sänger Chuck Mosley. Schuld ist eine mutmaßliche Heroin-Überdosis. Neun Tage später tritt dann auch noch Malcolm Young ab, gemeinsam mit seinem Bruder Angus Komponist zahlreicher AC/DC-Hits und somit ein absoluter Grundpfeiler von Rockmusik der härteren Spielart. Mehr als ein Metal-Musiker verguckte sich in der Vergangenheit in Malcolms extrem harte und präzise Anschlagtechnik, sein Schaffen gilt als Blaupause für den frühen Heavy Metal. In Nachrufen wird Malcolm als das „stille Genie“ der zweiten Reihe bezeichnet.
„Pumpkins United“ verzücken Deutschland
Und auch sonst wird weiterhin der Vergangenheit gefrönt. HELLOWEENs „Pumpkins United“-Tour erreicht im Oktober erstmals Deutschland, Hansen und Kiske lösen redaktionsintern mehr als eine geistige Scheinverjüngung von mindestens zwanzig Jahren aus. Und selbst IN FLAMES besinnen sich mit der „Down, Wicked And No Good„-EP wieder auf die Vergangenheit – leider allerdings nicht auf ihre eigene. Stattdessen gibt es die achtzigste Akustikverwurstung von NINs „Hurt“ und CHRIS ISAAKs „Wicked Game“. Himmel hilf.
Dezember 2017
All good things come to an end – MANOWAR allerdings auch. Dabei ist es ja eigentlich ein wohlgehütetes Geheimnis, dass ROSS THE BOSS inzwischen die wahren „Kings Of Metal“-Repräsentationen auf die Bühne bringt. Doch einige Unverbesserliche zahlen natürlich gerne noch mal ihre 90 Euro für die Abschiedstournee. Und dafür gibt’s dann nicht mal eine Rede. Die hat sich Onkel Joey nämlich für seine Spoken-Word-Tournee Ende 2019(!) aufgehoben. Tickets ab 42 Euro. Klingt wie Satire, ist aber MANOWAR.
Der Blick auf das kommende Jahr bleibt nicht aus: 2018 soll es geschehen. Ein neues TOOL-Album wird erscheinen. Das macht Drummer Dany Carey im Dezember nun noch einmal unmissverständlich klar. Nichts kann die Gruppe um Maynard James Keenan jetzt noch aufhalten. Außer vielleicht – Gene Simmons? Nicht, dass der KISS-Megalomane noch auf die Idee kommt, sich deren Bandnamen für ein exklusiven KISS-TOOLkit patentieren zu lassen.
Patent für Pommesgabel
Mit der Mano Cornuta hat er es nun bereits versucht. Spannenderweise wurde seinem Antrag, künftig Patent auf die Pommesgabel zu erheben, nicht stattgegeben. Dafür darf sich Simmons nun wegen sexueller Belästigung vor Gericht verantworten. Simmons lässt hierzu verlauten: „Ich freue mich bereits darauf.“
Der KISS-Basser und Hobby-Merchandise-Erfinder soll einer Radiomoderatorin an den Hintern gefasst haben. Bei Fox News hat der Mann, von dem unter anderem Lebensweisheiten wie „Ich bin reich, ich kann machen, was ich will“ stammen, bereits lebenslanges Hausverbot. Der Donald Trump des Hard Rocks eben.
SLIPKNOT im Studio
SLIPKNOT wollen sich derweil im Tonstudio verkriechen, um am Nachfolger von „The Gray Chapter“ zu arbeiten. Dabei könnte sich erneut der unaufhaltsame Mitgliederschwund bemerkbar machen. Shawn „Clown“ Crahan stellt gemäß widersprüchlicher Interview-Aussagen seine Beteiligung infrage. Oder auch nicht. Much ado about nothing? Wie das eben so ist mit den Percussionisten.
Ende scheiße, alles scheiße: Am 13. Dezember stirbt SANCTUARY- und NEVERMORE-Sänger Warrel Dane an einem Herzinfarkt. Erst Anfang des Jahres war ein neues SANCTUARY-Album erschienen, an einem weiteren soll der 56-Jährige gerade gearbeitet haben. 2017 geizt eben nicht mit Wermutstropfen.
Zum Jahresende beenden dann mit HIM und THE DILLINGER ESCAPE PLAN zwei Bands ihre Karriere, die die Spannweite der metallischen Klänge wohl besser herausstellen als irgendjemand anders. Vom simpel-doomigen Pop-Appeal bis zum jazzbeinflussten Math-Gefrickel. Man wird sie vermissen – wie man sie alle vermissen wird.