Der erste Schuss
Mit welchen Bands hat alles angefangen?
Special
Eckart Maronde – Megadeth und Pretty Maids: gefährlich und großartig
Erstkontakt mit der Band?
Wahrscheinlich waren es das Video zu MEGADETHs „Wake Up Dead„ und eine Kaufempfehlung zu deren brandneuem Album „So Far, So Good … So What!„ in der damals führenden Metal-Gazette (richtig: die Fernsehzeitschrift prisma), die in mir völlig neue Gedanken entfesselten: Es scheint da draußen Musik zu geben, die hemmungsloser und gefährlicher als Punkrock ist und geächteter als ein Iroträger.
Wir schreiben das Jahr 1988, und ich habe gerade meine ersten Punkrock-Konzerte absolviert (mit Pogo) und alles zwischen ABWÄRTS, DIE FROHLIX, DIE TOTEN HOSEN, DIE GOLDENEN ZITRONEN … ach, man hört sich halt durch, und alles ist ja auch aufregend und toll. Wahnsinn!
Dann das Video zu „Wake Up Dead„: Irre Fans, die eine in einem Käfig aufspielende und noch irrere Band (man beachte den psychopathisch-angewiderten Gesichtsausdruck von Dave Mustaine) anfeuern und schließlich die eigentlich solide Maschendrahtumfriedung einreißen. Und erst die Kurzkritik zu „So Far, So Good … So What!„, die die Härte der Musik und die Kompositionen lobt und die Texte vom nahenden Atomkrieg nicht unter den Teppich kehrt. Nicht zu vergessen der Bandname … geile Scheiße – wenn BON JOVI der Helmut Kohl der harten Musik waren, dann mussten MEGADETH mindestens Ayatollah Chomeini, Muammar al-Gaddafi und Saddam Hussein in Personalunion sein!
Also habe ich schnell einen Klassenkameraden aktiviert, der mir eine TDK SA 90 mit ebenjener „So Far, So Good … So What!„ und auf meinen Wunsch hin die B-Seite mit der EP von den PRETTY MAIDS (er hatte nur die) bespielt und die Restzeit sorgsam mit Punk-Songs aufgefüllt hat („das hörst Du doch sonst so„).
PRETTY MAIDS … die hatten dieses ultrascharfe Video zu „Future World„ mit dem schwarzen Trans Am, der zum Vollgasriff und zur leichtfüßig tänzelnden Keyboardlinie durch die Wüste heizt. Und dann wurde der Song häufiger mal in unserer Lieblingskneipe aufgelegt. Kurzum: Beide Seiten der Kassette liefen auf der heimischen Anlage (Schneider Power-Pack) in Dauerrotation, aber eigentlich war die Seite mit den amerikanischen Speed-/Thrash-Titanen die interessantere: Das war der Stoff, aus dem die Alpträume sind. Das war die vertonte Gefahr eines Atomschlags und das in Musik gegossene Dahinsiechen danach.
„I don‚t … want to set the wööörld ooon feiöööör dudeldidum – fiiiiiiiiiieeeeep booooooom!!!„
Wie brandgefährlich der Text zu „Wake Up Dead„ war, habe ich übrigens erst sehr viel später nachlesen können.
Interludium: Schnellcheck Punk versus MEGADETH:
• Dosenbier vs. Dosenbier (Unentschieden)
• Pogo vs. Zäuneeinreißen (Unentschieden)
• Iro vs. Matte von Dave Mustaine (knapper Vorteil Megadeth)
• Sid Vicious vs. Dave Ellefson (beziehungsweise tot vs. drupp – Vorteil Megadeth)
• musikalischer Dilettantismus vs. ellenlange Gitarrensoli (Vorteil Megadeth)
• „Biervampir„ vs. „Set The World Afire„ (Game, Set, Match: Megadeth)
Was kam danach? Natürlich das Video zu „In My Darkest Hour„, das eigentlich ein Ausschnitt aus der Dokumentation „The Decline of Western Civilization Part II: The Metal Years„ war, in der sich eine Reihe damals angesagter Bands und Musiker zum Affen machte bzw. zum Affen gemacht wurde. Einzig MEGADETH gaben sich seriös:
„I‚m in this business for the reason that MEGADETH is in this business, and that‚s because of integrity, attitude and music.„ (Dave Ellefson, Chefanalytiker)
„Diedudüdeldudüdeldudüdeldudüdeldudüdeldudüdeldudüdel„ (Jeff Young, Gitarrensolist)
„Don‚t!„ (Dave Mustaine – schon damals desillusioniert – auf die Frage, was er Kids mit auf den Weg gibt, die Rockstars werden möchten)
Live gesehen habe ich MEGADETH dann schließlich 1991 auf der „Rust In Peace„-Tour: Die Band in ihrer toxischsten Phase, aber auch auf ihrem kreativen Höhepunkt. Selbst wenn „So Far, So Good … So What!„ für mich nach wie vor das beste Album von MEGADETH ist. Die PRETTY MAIDS waren übrigens erst letztes Jahr konzerttechnisch dran – und deren EP ist selbstverständlich nach wie vor unerreicht.
Womit sich die Frage nach dem „rückblickenden Schämfaktor„ erübrigt: Selbstverständlich nicht. Ich finde, jeder Jugendliche sollte MEGADETH und PRETTY MAIDS hören. Am besten abgespielt von einer TDK SA 90. Die Welt wäre ein besserer Ort – denkt mal drüber nach.
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