Der Death-Metal-Oldie-Check
Oder: Ist der ´91er-Jahrgang heute noch genießbar?
Special
Wir schreiben das Jahr 2021. Vor genau dreißig Jahren veröffentlichten Death-Metal-Würdenträger aller Länder Meisterwerke, die bis heute in keiner gut sortierten Plattensammlung fehlen dürfen. Meilensteine wie “Clandestine” oder “Blessed Are The Sick” erblickten im Jahre 1991 das Licht der Welt und stehen Pate für eine ganze Generation.
Zwar stellt dieser Jahrgang nicht wirklich die Geburtsstunde des mittlerweile als Old-School-Death-Metal bekannten Subgenres dar. Viele der damaligen Bands hatten sich nämlich bereits Mitte der 1980er teilweise unter anderen Namen zusammengefunden und schon mindestens einen Klassiker veröffentlicht. Selten aber gab es innerhalb von zwölf Monaten einen solchen Hype wie 1991.
Falten im Gesicht und Death Metal im Plattenschrank
Neben dem morgendlichen Blick in den Spiegel bestätigt auch das stetig anwachsende Sortiment an Todes-Metal-Bands, dass die Zeit nicht stehenbleibt. Um die Jahrtausendwende herum stolzierten die Prädikate “Technical Death Metal” und ”Deathcore” als Speerspitzen durch die Szene. Wichtigste Merkmale waren dabei aberwitzige Blastbeats auf glasklarem Finish, eine druckvolle Produktion an kunstfertigen Gitarren-Riffs und ein Cocktail aus Growling und emotionalem Clean-Gesang.
Jüngere Alben bestachen also weitestgehend durch ein fettes Mastering und akademische Skills an den Instrumenten, wohingegen der abgründige, nicht immer perfekte Todes-Metal der Anfangstage getrost zu den Oldies der Szene gezählt werden konnte.
Der Death-Metal-Stammbaum bleibt fest verwurzelt und wirft frische Triebe
Seit einigen Jahren scheint der Trend aber zurück zu den ersten Trieben des Death-Metal-Stammbaums zu gehen. Eine beachtliche Zahl an neuen Bands verleiht dem Glanz der alten Schule mit progressiven Farbtupfern oder gar halb-antiken Spielweisen sowie Okkultismus und Finsternis eine neue Sprungkraft.
Wir haben einen Blick auf die wichtigsten Originalalben von 1991 und ihre aktuellen Geschwister geworfen und ziehen Bilanz, in welchen Fällen der Aufguss Spaß macht und wann er verzichtbar gewesen wäre.
Das Derby von Stockholm
ENTOMBED (SWE) mit “Clandestine” vs. LIK (SWE) mit “Misanthropic Breed”
Zugegeben: Schwedischen Death Metal mit schwedischem Death Metal zu vergleichen, ist in etwa so, als würde man in der Antarktis einen Fachhandel für Gefriertruhen eröffnen. Beide oben genannten Bands stammen zudem aus der Hauptstadt, beide jagen Ihre Gitarren durch das Boss-HM2-Pedal und zersetzen ihren Death Metal mit groovigen Rhythmen und rockigem Charme. Insofern lohnt ein Blick unter die Oberfläche dann doch: Verkaufen die Youngsters bloß schamlose Raubkopien der Altvorderen?
LIK jagen ein wahres Feuerwerk an Kaufargumenten in die Hölle
“Clandestine” trieb den jugendlichen Fans bereits mit den ersten Tönen jegliche Flausen aus. Kein Intro – sofort ging “Living Dead” nach vorn und bereitete den Weg für neun Songs, die wie eine ungezügelte Büffelherde über alles hinwegfegten, das nicht bei Drei auf dem Baum saß. Mit temporeicher Aggression verabreichten ENTOMBED jedem Wimp und jedem Poser einen Fausthieb in die Eingeweide. Nebenbei versetzen Nicke Anderssons bestialischen Schreie die Hörer auch nach dreißig Jahren noch in Angst und Schrecken. Sein Schlagzeugspiel als dynamisch zu bezeichnen, wäre indes untertrieben.
“Misanthropic Breed” legt hingegen mit einem Horrorfilm-Intro los, bedient sich in der Ausführung und Song-Darbietung aber an mittlerweile traditionellen Stilmitteln: Grooviges Mid-Tempo-Geballer trifft auf rotzige Vocals und arrogantes Songwriting. Großartig! Auch wenn mit dem ersten angeschlagenen Akkord die Herkunft der Band klar ist, veredeln die Musiker ihr Handwerk mit einer zeitgemäßen Produktion. Das Ergebnis wirkt weniger niederträchtig als “Clandestine”, gleichzeitig aber ebenso bösartig.
Fazit: Freunde von CARNAGE, REVEL IN FLESH und NIHILIST wären zur ewigen Verdammnis bestimmt, besäßen sie nicht beide Werke.
Auf der Ersatzbank: SENTENCED (FIN) mit “Shadows Of The Past” – klassisch skandinavischer Death Metal. Das Zweitwerk “North From Here” schlug schwarz eingefärbte Pfade ein, die späteren Alben drifteten in epische Gefilde ab und hatten bald nicht mehr viel mit Death Metal am Hut.
Verschobene Akkorde bis zum Abwinken
MORBID ANGEL (USA) mit “Blessed Are The Sick” vs. BLOOD INCANTATION (USA) mit “Hidden History Of The Human Race”
Natürlich wird “Altars Of Madness” gemeinhin als das wichtigste Album aus dem Hause MORBID ANGEL ausgerufen. Auch wenn sich mehrheitlich alle relevanten Songs der Band darauf befinden und sich das Artwork auf jedem T-Shirt sehen lassen kann, bietet das hier beschriebene Nachfolgewerk mehr Hingabe zur eigentlichen Sache. Nicht zuletzt das an SLAYERs “Hell Awaits” erinnernde Intro oder die klassischen Versatzstücke “Doomsday Celebration” und “Leading The Rats” machen “Blessed Are The Sick” zu einem Meisterstück.
Präzision from Outer space
Eine ähnliche Schwerfälligkeit bringen BLOOD INCANTATION zwar nicht ganz so glaubwürdig aufs Band wie die Formation um Trey Azagthoth, der Gitarrensound scheint allerdings durch den gleichen Fleischwolf gepresst worden zu sein. All die schön disharmonischen Flageolette firmieren sich zusammen mit dem Gurgel-Grunzen von Sänger Paul Riedl ganz beiläufig zu einem amtlichen Alleinerben MORBID ANGELs aus der David-Vincent-Ära.
Auf “Hidden History Of The Human Race” kredenzt die Band gerade mal vier überlange Tracks, die aber nie langatmig wirken. Zu präzise wird die Gesamtkonzeption ins Songwriting übernommen und auch längere Instrumental-Parts wirken nicht wie ein willkürlicher Jam.
Fazit: BLOOD INCANTATION klingen schon heute so, wie MORBID ANGEL vor dreißig Jahren.
Auf der Ersatzbank: PESTILENCE (NL) mit “Testimony Of The Ancients” – Kreuze und Mägen umdrehender Gesang wird mit herrlich komplexem Gitarren-Gefrickel vereint.
Düstere Geschichten steigen aus dem Grab empor
MORGOTH (GER) mit “Cursed” vs. CHAPEL OF DISEASE (GER) mit “…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye”
Aus dem Sauerland wehte einstmals ein Wind der Verwesung über die umliegenden Ländereien, der später unter dem Banner MORGOTH über weite Teile Europas fegte. Zusammen mit ATROCITY war die Band einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Death Metal und erzählte mit extrem düsterer und roher Gestik Geschichten aus der Gruft. Diese Stimmung wird auf dem Cover-Artwork zu “Cursed” perfekt eingefangen: Violette Farbtöne und Spinnweben umrahmen eine morbide Kreuzigungsszene. Auch der schleppende Opener “Body Count” verheißt nichts Gutes. Dazu passen der verzweifelt bellende Gesang von Marc Grewe und der sehr organische Klang der Instrumente wie der Nagel auf den Sargdeckel.
MORGOTH traten allerdings nie mehr so stark in Erscheinung wie in ihrer Anfangszeit. Auf “Odium” versuchten sich die Mescheder an Industrial-Blended-Death-Metal und mit “Feel Sorry For The Fanatic” betraten sie gänzlich neue, dem Death Metal entfremdete Gefilde, was nicht nur für Jubelstürme unter den Kritikern sorgte.
Kann Veränderung funktionieren?
Ein wenig hinken mag der Vergleich zwischen den hier genannten Bands schon. Rein musikalisch gesehen würde man CHAPEL OF DISEASE nämlich nicht augenscheinlich als “oldschool” beschreiben. Dennoch: Allein beim Gesang verwenden die Kölner die gleiche Formel wie MORGOTH. Auch der Mut zur Veränderung und die Bereitschaft, neue Trends zu setzen, findet sich in beiden Band-Biografien. Mit einem Unterschied: CHAPEL OF DISEASE setzten mit “Summoning Black Gods” ein astreines Totenkopf-Segel, steuern fortan immer wieder auf unerforschte Gewässer zu und wirbeln gleichzeitig gekonnt den tiefliegenden Sand auf, ohne dabei ihre Identität zu verleugnen. Und damit haben die Kölner ein eigenes Erfolgsrezept gefunden.
Die Songs auf „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ vereinen klassischen Death Metal mit Garagen-Rock, Stoner und einem unwiderstehlich ausgeschmückten Songwriting, das irgendwie in gar keine Schublade passen mag.
Fazit: Oldschool ist das neue Black.
Auf der Ersatzbank: ASPHYX (NL) mit “The Rack” – Vorgänger des wahrscheinlich besseren “Last One On Earth”, dessen Vinyl-Ausgabe mittlerweile zu Höchstpreisen angeboten wird.
Ein Unentschieden steht nicht zur Debatte
PUNGENT STENCH (AUT) mit “Been Caught Buttering” vs. BLACK CURSE (USA) mit “Endless Wound”
Eine gewisse Exzentrik kann man PUNGENT STENCH nicht absprechen. Provokante Songtitel und Album-Cover konnten die Österreicher schon als ihr Markenzeichen verbuchen, als gewisse Gore-Grind-Bands noch mit dem Schnuller im Mund um den Weihnachtsbaum rannten.
Die Musik klingt indes gewalttätig und gestört, gleichzeitig aber auch groovig und wohldurchdacht. Das Klangbild ist keineswegs ein Gedicht, denn das kopflastige Mastering erzeugt sadomasochistische Angstzustände. Allein das herablassende “Heyheyhey” während der ersten Sekunden von “Shrunken And Mumified Bitch” spricht Bände.
Auf Schönfärberei wird verzichtet, Kompromisslosigkeit wird großgeschrieben
Und dann legen BLACK CURSE ein Album vor, das ähnlich klaustrophobische Regungen wie “Been Caught Buttering” erzeugt. Nicht etwa, weil sich die Musik in irgendeiner sachlich und fachlich korrekten Art miteinander vergleichen ließe – weder das Growling noch der End-Mix oder die Song-Strukturen würden dies zulassen. Zu verwaschen und hektisch zeigen sich BLACK CURSE als Höhlenmenschen, die mit brachialer Aggression zu Werke gehen. Aber Höhen findet man letztlich auf keinem der hier konkurrierenden Alben, was das Ergebnis zu einer abartigen Ausgeburt an Kompromisslosigkeit macht.
Fazit: Gefangene werden nicht gemacht!
Auf der Ersatzbank: CANNIBAL CORPSE (USA) mit “Butchered At Birth” – Provokation mal anders. Mit blutlüsternen Perversionen und verstörendem Artwork pfeifen CANNIBAL CORPSE von Beginn an auf alle prüden Konventionen. Wer das zu ernst nimmt, dem ist nicht zu helfen.
Let´s do the timewarp again
DISMEMBER (SWE) mit “Like An Everflowing Stream” vs. DEATHRITE (GER) mit “Revelation Of Chaos”
“Override Of The Overture” löste seinerzeit auf jeder Metal-Party vereinzelte Sitzorgien auf. Schon das Intro klingt wie ein Malstrom aus menschlichem Blut und der unvermittelte Auftakt des Songs vermag Plomben aus den Backenzähnen zu ziehen.
Ein bis in die Gegenwart ungelöstes Rätsel stellt die fulminante Versiertheit jedes beteiligten Mitglieds von DISMEMBER dar. Noch im zartesten Knabenalter lieferte die Band mit “Like An Everflowing Stream” nicht weniger als ein Meisterwerk ab.
Dresden ist das neue Stockholm
Sobald “Revelation Of Chaos” das erste Mal auf dem Plattenteller liegt, mag man sich grübelnd am Kinn kraulen. Könnte es sich um das neue Album der reformierten DISMEMBER handeln? Auf keinen Fall, denn die aus Dresden stammenden DEATHRITE kopieren keine Song-Ideen und der Distortion-Regler auf dem Boss HM2 ist hörbar nicht bis zum Anschlag aufgedreht. In Sachen Geschwindigkeit und kontrolliert ekstatischem Brüllen stehen die Sachsen ihren Vorbildern aber in nichts nach. Schön rotzig fährt der Mix ein und fungiert als eine Verneigung vor Matti Kärki und Co.
Damit sollte es mit dem Schweden-Worshipping aber auch genug sein, denn auf dem Nachfolger “Nightmares Reign” haben DEATHRITE bewiesen, dass sie Individualität besitzen – mit einem eigenen Sound und ohne Reminiszenzen an nordeuropäische Gefilde.
Fazit: Nostalgiker müssen bei der teutonischen Variante zwar auf das blutverschmierte Image DISMEMBERs verzichten, werden mit dem dargebotenen Liedgut von DEATHRITE aber erneut von roten Träumen geplagt.
Auf der Ersatzbank: DARKTHRONE (NOR) mit “Soulside Journey” – lupenreiner Death Metal vor dem Hereinbrechen des Tsunami aus nietenbesetzten Brustpanzern und feuerspuckenden Pandabären.
Nach Großmutters Art ausgewaschen und zubereitet
UNLEASEHD (SWE) mit “Where No Life Dwells” vs. VENENUM (GER) mit “Trance Of Death”
Als der Bassist Johnny Hedlund seinen Job bei der ENTOMBED-Vorgänger-Combo NIHILIST verlor, gründete er die erste wahre Pagan-Metal-Band UNLEASHED. “Where No Life Dwells” erstrahlt noch im makellosen Glanz von räudigem Death Metal, das Heidentum und die Trinkhörner kamen erst nach und nach hinzu.
Allein der Opener lässt jeden Genre-Anhänger augenblicklich mit der Zunge schnalzen, so unverkennbar düster und rabenschwarz schön ist das kurze Instrumentalstück an der akustischen Gitarre. Praktisch jeder Track des Albums stellt einen Klassiker dar und es dürfte kaum jemanden auf diesem Erdball geben, der beim Hören von “Before The Creation Of Time” und “Into Glory Right” nicht sofort die zur Faust geballte Hand in die Luft reckt.
Flirrende Gitarren im Galopp bis zum Abwinken
Eigentlich passen VENENUM auf den ersten Blick nicht in ein und dieselbe Schublade wie UNLEASHED. Auch beim zweiten Blick denkt man möglicherweise eher an die US-Vorherrschaft von AUTOPSY. Wenn man allerdings die häufig galoppierenden Gitarren-Anschläge und fragil eingesetzten Akustik-Interludes hört, verbindet sich der sehr eigenständige Sound der Bayern oftmals mit den Grundideen Hedlunds.
Noch auf der selbstbetitelten Debüt-EP gingen VENENUM wesentlich brachialer vor, während “Trance Of Death” mit progressivem Songwriting besticht. Gerade die hier abgedämpften Rhythmus-Gitarren und der Hall auf der Stimme lassen das Herz mit Blick auf den schwedischen Death Metal aus Referenzzeiten deutlich schneller schlagen.
Fazit: Death Metal Victory!
Auf der Ersatzbank: CANCER (GB) mit “Death Shall Rise” – oldschool as oldschool can. / AUTOPSY (USA) mit “Mental Funeral” – wenn es ein bisschen mehr oldschool sein darf. Schön wackeliger Sound und eine Rarität: der singende Drummer Chris Reifert.
Tradition, die verpflichtet
BOLT THROWER (GB) mit “War Master” vs. MEMORIAM (GB) mit “For The Fallen”
Die britische Walze brachte auf “In Battle There Is No Law” rohen und wirklich schnell gespielten Lärm hervor. Sicherlich stellte das Album eine Vorankündigung späterer Grindcore-Alben dar. BOLT THROWER eigneten sich aber schon auf “Realm Of Chaos” einen nicht unbedingt eingängigeren, zumindest aber sehr eigenständigen Sound an. Damals blies das Intro und Outro eine surreale Science-Fiction-Endzeit-Atmosphäre durch die Boxen und das infernalische “World Eater” sowie nicht zuletzt das Artwork trieben jedem Warmaster-Gamer Tränen der Rührung in die Augen.
Die unendliche Geschichte und das Vermächtnis der Krieger
Mit “War Master” hatte die Band aus Birmingham endgültig die Death-Metal-Kutte übergestreift und die zackigen Blastbeats der beiden Vorgängeralben weitestgehend aus dem Songwriting verbannt. In den Vordergrund rückten stattdessen groovige Rhythmen und ein Bollwerk aus Double-Bass-Attacken. Mit dem Nachfolgealbum “The IVth Crusade” wurden BOLT THROWERs hymnische Signature-Melodien perfektioniert.
Nachdem Schlagzeuger Martin Kearns verstorben war, lösten sich BOLT THROWER auf. Karl Willets überschrieb das musikalische Vermächtnis jedoch seinem neuen Projekt MEMORIAM. Da die Band zusammen mit BENEDICTION-Mann Frank Healy gegründet wurde, kann man sie quasi als britische Supergroup bezeichnen.
Bei allen Gemeinsamkeiten in der Lyrik und den Arrangements der Rhythmussektion gehen MEMORIAM allerdings nicht als abgedroschene Reinkarnation der Bolzenwerfer durch. “For The Fallen” ließe sich auch als Konzeptalbum und Hommage an den verstorbenen Band-Kollegen verstehen. Optisch betritt man neue und gleichzeitig alte Pfade, denn für das Cover-Artwork zeichnet sich niemand Geringerer als der Haus- und Hofkünstler der schwedischen Szene, Dan Seagrave, verantwortlich.
Fazit: Auf kreativer Ebene wäre “For The Fallen” vielleicht verzichtbar gewesen. Auf musikalischer Ebene stellt das traditionsbewusste Werk jedoch eine fast perfekte Auferstehung von den Toten dar.
Auf der Ersatzbank: BENEDICTION (GB) mit “The Grand Leveller” – ein Album, das zwischen zwei Stühlen sitzt. Weniger ursprünglich als “Subconcious Terror” und nicht ganz so ausgereift wie “Transcend The Rubicon”. Die Doppel-Fußmaschine sitzt aber bei Wind und Wetter.
Hochwertige Musik aus einem flachen Land
GOREFEST (NL) mit “Mindloss” vs. ANTROPOMORPHIA (NL) mit “Sermon Ov Wrath”
Die Niederländer von GOREFEST haben einiges erlebt. So wurden sie Ziel eines Bombenanschlags während ihrer Tour mit DEICIDE, als in Stockholm wütende Aktivisten einen Sprengsatz zündeten. Unklar ist bis heute, ob das eigentliche Ziel des Attentats Glen Benton war (aufgrund seiner fragwürdigen Äußerungen hinsichtlich ritueller Tiermorde) oder ob sich die Drahtzieher des Anschlages mit der Tat direkt gegen GOREFEST wandten.
Unvergessen bleibt in der Band-Geschichte auch der grandiose Auftritt vor heimischem Publikum im Rahmen des Dynamo-Festivals, das dank der Headbangers-Ball-Sondersendung internationale Bekanntheit erfuhr.
Die Wiedergeburt
“Mindloss” ist bis heute das GOREFEST-Album schlechthin und enthält mit “Mental Misery” einen echten Genre-Klassiker. Obendrein groovt die Platte von der ersten bis zur letzten Minute.
Streng genommen dürften ANTROPOMORPHIA gar nicht zu den Bands der jüngeren Generation gezählt werden. Immerhin hatte sich die Gruppe bereits Ende der 1980er-Jahre zusammengefunden. Nachdem sich die Tilburger noch vor der Jahrtausendwende offiziell selbst beerdigten, kann man aber getrost von einer echten Neugründung anno 2009 sprechen. Natürlich haben sich ANTROPOMORPHIA stilistisch kaum verändert, sie brillieren aber durch niederländische Coolness und mit lederner Badass-Attitüde.
Fazit: Mittelfinger statt Teufelskralle!
Auf der Ersatzbank: GRAVE (SWE) mit “Into The Grave” – es scheppert wie Schweden und groovt wie die Niederlande. / MASSACRE (USA) mit “From Beyond” – die Veteranen setzten einst ihre Duftmarke, die zum Liebling aller Kritiker avancierte und nebenbei von einem der bekanntesten Cover der damaligen Epoche geziert wurde.
Der Kampf der Titanen
DEATH (USA) mit “Human” vs. SULPHUR AEON (GER) mit “The Scythe Of Cosmic Chaos”
Schon klar. Chuck Schuldiners Lebenswerk allein ist sicherlich ein eigenes Special wert. Die gesamte Diskografie beinhaltet immerhin ausschließlich Großtaten – vor allem die drei Frühwerke aus dem Hause DEATH führen die ewigen Ranglisten der einflussreichsten Death-Metal-Platten an.
Mit “Human” läutete Schuldiner Anfang der 90er eine neue Ära seines Schaffens ein. Neuerdings gestand er seinen Band-Kollegen Mitspracherechte zu und staffierte sein ohnehin schon gesegnetes Talent mit allerlei technischen Superlativen aus. Auch die stereotypen Death-Metal-Texte der “Scream Bloody Gore”-Zeiten wurden zugunsten sozialkritischer Themen (“Lack Of Comprehension”) ausgetauscht. Wie viel Kunstfertigkeit in “Human” steckt, stellen nicht zuletzt die auf der Deluxe-Edition der Platte mitgelieferten Drum-n-Bass-Tracks unter Beweis.
Eine Legende zieht ihre Bahnen und kann nicht gestoppt werden
Auf rein musikalischer Ebene wird Schuldiners Nachlass unerreichbar bleiben. SULPHUR AEON kommen nicht aus den USA, sondern aus Deutschland. Die Band zelebriert düsteren bis okkult anmutenden, fett produzierten Death Metal mit geradliniger Power. Fragil ausgereizte Finessen finden sich auf “The Scythe Of Cosmic Chaos” hingegen nicht. Dafür aber ein bis ins Detail wunderbar harmonierendes Gesamtwerk. Bei dieser Scheibe passt vom überragenden Artwork bis hin zu jedem Instrument und jeder Gesangspassage einfach alles. Eine klarere 10/10 gibt es nicht oft.
Beide Bands werden an dieser Stelle nur deshalb in einem Atemzug genannt, weil sie das Zeug dazu haben, auch nachhaltig in den Annalen der Death-Metal-Chroniken verewigt zu werden.
Fazit: DEATH erfanden das Rad, den Motor und das Auto. SULPHUR AEON bauten den sechsten Gang und die Sitzheizung ein!
Auf der Ersatzbank: GORGUTS (CAN) mit “Considered Dead” – geometrisch verkopfte Musik mit vielen Winkeln. Nichts für zwischendurch.