Def Leppard
Boxset Volume Two
Special
Ihre Hochphase in den 80ern haben DEF LEPPARD bereits mit einem umfangreichen Boxset geehrt. Mit „Volume Two“ sind jetzt die weniger beachteten Alben aus den 90ern an der Reihe. Nachdem die Band mit „Pyromania“ und „Hysteria“ in Platin-Regionen vorgestoßen war und die Stadien dieser Welt ausverkauft hatte, musste die Band um Sänger Joe Elliott im folgenden Jahrzehnt kleinere Brötchen backen.
Das soll aber nicht heißen, dass diese Ära musikalisch nichts nennenswertes hervorgebracht habe. Insbesondere das 1992 erschienene „Adrenalize“ gilt für viele Fans als grandioses Werk. Im Boxset kann die Geschichte von DEF LEPPARD nach der Stadion-Ära in aller Fülle nachempfunden werden. Was genau Fans erwartet, stellen wir euch in diesem Special vor.
„Adrenalize“ – Das Album nach dem Knall
Als „Adrenalize“ 1992 erscheint hat das Album aus gleich zwei Gründen einen schweren Stand. Zum einen folgt die Platte auf „Hysteria“, das bis heute bestverkaufte Album von DEF LEPPARD, welches die Band eine die Stratosphäre katapultiert hatte. Zum anderen verstirbt Gitarrist Steve Clark 1991 auf tragische Weise an einer Alkoholvergiftung, noch bevor die Briten „Adrenalize“ fertig stellen können.
Das fünfte Album muss sich somit nicht nur gewaltigen kommerziellen Erwartungen stellen, sondern wird ungewollt zum Vermächtnis eines prägenden DEF LEPPARD-Mitglieds. An sechs Songs hatte Clark vor seinem Tod noch als Songwriter mitgewirkt.
DEF LEPPARD trotzen allem
Doch statt aufgrund dieser Tatsache ein düsteres Album zu machen, stellen sich DEF LEPPARD den Schatten über ihrer Karriere mit gnadenlosem Optimismus. Bereits das eröffnende Doppel aus „Let’s Get Rocked“ und „Heaven Is“ versprüht eine positive Aufbruchsstimmung, als wären hier unbeschwerte Teenager am Werk.
Im Studio agiert die Band abermals unter der Regie von John „Mutt“ Lange. Wie schon auf „Hysteria“, bastelt er DEF LEPPARD auch auf „Adrenalize“ einen Sound, der mit nichts anderem als „perfekt“ zu beschreiben ist. Jeder einzelne Ton erklingt mit beeindruckender Klarheit aus den Boxen. Jedes noch so kleine Detail der ausgefeilten Arrangements ist hörbar.
Das Songmaterial wiederum steht dem des Vorgängers in kaum etwas nach. Ein neues „Pour Some Sugar On Me“ oder „Love Bites“ sucht man auf „Adrenalize“ vergebens. Auch wenn „Make Love Like A Man“ ziemlich nah an die Coolness von ersterem heranreicht. „Stand Up (Kick Love Into Motion)“ wiederum wandelt in den Fußstapfen der besagten Powerballade, ohne dessen Größe gänzlich zu erreichen.
Immer noch grandios
Aber das alles ist meckern auf verdammt hohem Niveau. DEF LEPPARD rocken sich auf „Adrenalize“ durch zehn ebenso eingängige wie mitreißende Hard-Rock-Songs auf der Schwelle zum Pop. Damit bedienen sie genau das, was Fans weltweit an „Hysteria“ lieben. Zur bloßen Selbstkopie verkommt die Band dabei glücklicherweise nicht.
Dem verstorbenen Clark setzen sie zudem in Form von „White Lightning“ ein Denkmal. Doch statt sich in Melancholie zu verlieren, feiern DEF LEPPARD ihren Gitarristen mit einer monumentalen Hymne. Der längste Song auf „Adrenalize“ besticht durch eine dichte Atmosphäre. Phil Collen brilliert mit äußerst geschmackvollen Gitarrenmelodien, während Joe Elliott eine unglaublich emotionale Gesangsperformance hinlegt.
„Adrenalize“ ist viel mehr als nur „das Album nach ‚Hysteria'“. DEF LEPPARD lassen den Druck, der auf ihnen lastet, nicht an sich heran. Stattdessen rocken die Briten leichtfüßig durch die gesamte Bandbreite ihres kompositorischen Könnens.
Lineup:
- Joe Elliott – Gesang
- Phil Collen – Gitarre
- Rick Savage – Bass
- Rick Allen – Schlagzeug
Tracklist:
- Let’s Get Rocked
- Heaven Is
- Make Love Like A Man
- Tonight
- White Lightning
- Stand Up (Kick Love Into Motion)
- Personal Property
- Have You Ever Needed Someone So Bad
- I Wanna Touch U
- Tear It Down
„Retro Active“ – Eine Ära endet
Auf „Adrenalize“ hatten DEF LEPPARD die letzten Songideen des verstorbenen Steve Clarks verarbeitet. Doch trotzdem wurde die Band das Gefühl nicht los, dass das noch nicht alles sei. Deshalb folgt ein Jahr danach das Compilation-Album „Retro Active“.
Die Platte gestalten DEF LEPPARD als einen Mix aus neuem und altem Material. Die Produktion vollzieht die Band in nur neun Tagen im Homestudio von Sänger Joe Elliott. „Retro Active“ soll weg von den pompösen Sounds, für die DEF LEPPARD stehen. Stattdessen wendet sich die Band dem Grunge-Zeitgeist zu und gestaltet die Platte roher als gewohnt.
Die Songs auf „Retro Active“ setzen sich aus B-Seiten, zuvor Japan-exklusiven Songs und alternativen Takes bekannter Stücke zusammen. Des Weiteren stellt die Band für das Album mit „Desert Song“ und „Fractured Love“ zwei Songs fertig, die ursprünglich für „Hysteria“ gedacht gewesen waren. Damit versammeln DEF LEPPARD auf der Platte alles, was aus der Zeit mit Steve Clark übrig geblieben war.
Ende und Anfang
Ein inhaltlich kohärentes Album kann der Band mit dieser Voraussetzung natürlich nicht gelingen. „Retro Active“ bietet trotzdem genug spannendes, um Fans bei der Stange zu halten. Insbesondere die beiden übriggebliebenen „Hysteria“-Songs, denen man ihre Herkunft aufgrund des derberen Sounds kaum anhört, gehören in jede vernünftige DEF LEPPARD-Sammlung.
„Retro Active“ markiert somit gleichzeitig das Ende einer Ära, als auch den Beginn einer neuen Zeitrechnung. Es ist nämlich die erste Platte der Band, auf der Clarks Nachfolger Vivian Campbell zu hören ist. Der Junge Gitarrist hatte sich seine Sporen zuvor bei DIO verdient und fügt sich bereits nach kurzer Zeit perfekt in das Bandgefüge ein. Die Zukunft kann kommen.
Lineup:
- Joe Elliott – Gesang
- Phil Collen – Gitarre
- Vivian Campbell – Gitarre
- Rick Savage – Bass
- Rick Allen – Schlagzeug
Tracklist:
- Desert Song
- Fractured Love
- Action (THE SWEET-Cover)
- Two Steps Behind (Acoustic Version)
- She’s Too Tough
- Miss You In A Heartbeat
- Only After Dark
- Ride Into The Sun
- From The Inside
- Ring Of Fire
- I Wanna Be Your Hero
- Miss You In A Hearbeat (Electric Version)
- Two Steps Behind (Electric Version)
- Miss You In A Heartbeat (Piano Version)
„Slang“ – emotionaler Tiefpunkt
Bereits der erste Blick auf das Cover von „Slang“ verrät, das bei DEF LEPPARD eine Veränderung stattgefunden hat. Ein so schlichtes Artwork hatte die Band zuvor noch nie genutzt. Zudem verzichten die Briten auf ihr sonst übliches, markantes Logo.
„Commercial Suicide“ lautet der Arbeitstitel der Platte. Und tatsächlich wenden sich DEF LEPPARD nicht nur optisch von allem ab, was sie als Band zuvor ausgemacht hatte. Im Vorfeld zu den Arbeiten an der Platte lassen Gitarrist Phil Collen und seine Frau sich scheiden, Bassist Rick Savage kämpft mit einer Gesichtslähmung, während sein Vater verstirbt. Dazu kommt, dass Schlagzeuger Rick Allen und Sänger Joe Elliott wegen diverser Drogendelikte ins Gefängnis müssen.
DEF LEPPARD in der Krise
Die Zeit vor den Aufnahmen zu „Slang“ ist keine leichte für die Band. Das Albums soll diese düstere Phase im Leben der Bandmitglieder widerspiegeln. Deshalb muss Produzent Mutt Lange seine Platz räumen. Stattdessen soll Pete Woodroffe für einen zeitgemäßen Sound sorgen.
Bereits beim eröffnenden „Truth?“ zeigt sich, dass DEF LEPPARD sich neuen Einflüssen öffnen. Der ungebrochene Erfolg des Grunge ist auch an den Stadionrockern nicht ohne Weiteres vorbei gezogen. Insbesondere SOUNDGARDEN und ALICE IN CHAINS scheinen im düsteren Sound des Openers durch.
Allerdings ziehen die Leoparden diesen Sound nicht konsequent durch. So besticht der Titelsong beispielsweise mit einem tanzbaren Beat. In ähnlicher Form hätte das Stück auch gut auf „Hysteria“ stehen können. Wäre da nur nicht die geerdete Produktion.
Kein Hochglanz mehr
DEF LEPPARD verbringen bei „Slang“ viel weniger Zeit damit an den Details zu feilen. Die Arrangements sind nicht mehr ganz so verspielt, die Produktion nicht mehr ganz so glatt. Stattdessen tönt das Album ebenso druckvoll wie rotzig aus den Boxen. So harte Sounds hatte die Band zuletzt wohl auf „High ’n‘ Dry“ von sich gegeben. Wobei der musikalische Kontext 1981 noch ein völlig anderer war.
Fans der Band müssen schon eine gewisse Offenheit mitbringen, um „Slang“ etwas abzugewinnen. DEF LEPPARD fordern ihre Anhänger mit einem abwechslungsreichen und ungewöhnlichen Album heraus, das ein Kind seiner Zeit ist. Die Hitdichte ihrer vorherigen Platten erreicht die Band definitiv nicht. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Hard-Rock-Bands der 80er gelingt es den Briten, neue Einflüsse erfolgreich in ihren bisherigen Sound einzubinden. Selbstverrat sieht anders aus.
Lineup:
- Joe Elliott – Gesang
- Phil Collen – Gitarre
- Vivian Campbell – Gitarre
- Rick Savage – Bass
- Rick Allen – Schlagzeug
Tracklist:
- Truth?
- Turn To Dust
- Slang
- All I Want Is Everything
- Work It Out
- Breathe A Sigh
- Deliver Me
- Gift Of Flesh
- Blood Runs Cold
- Where Does Love Go When It Dies
- Pearl Of Euphoria
„Euphoria“ – Zwei Schritte vor und einer zurück
Auf „Slang“ hatten DEF LEPPARD ihre kreativen Ketten gesprengt. Zudem befreite sich die Band von der großen seelischen Last, die auf allen Musikern lag. Einen besseren Titel als „Euphoria“ hätte die Combo dem Nachfolgeralbum demnach kaum geben können. Befreit von allen äußeren Zwängen finden DEF LEPPARD mit ihrem siebten Album zu sich selbst zurück.
Auf dem Produzentenstuhl nimmt abermals Pete Woodroffe Platz. Diesmal aber zaubert er der Band einen glasklaren Sound, der an „Hysteria“-Zeiten erinnert, aber nicht ganz so pompös ausfällt. Mutt Lange wiederum darf zumindest bei drei Songs als Co-Songwriter mitwirken. Mit „Promises“ entsteht in dieser Session auch der größte Hit der Platte.
Typisch DEF LEPPARD
Doch obwohl DEF LEPPARD sich wieder auf ihre Stärken besinnen, springt der Funke auf „Euphoria“ nicht so richtig über. Zu selbstreferenziell gestaltet die Band das Songwriting. Zu selten erreichen die Melodien die Größe der Hit-Songs aus den 80ern.
Eine solide Platte zwischen poppigen Rock und klassischem AOR ist „Euphoria“ allemal. Der Spaß, den DEF LEPPARD während der Aufnahmen empfunden haben müssen, ist über die gesamte Laufzeit spürbar. Mit dem geheimnisvollen „Paper Sun“ gelingt der Band zudem noch ein richtiger Kracher, der an alte Glanzzeiten anknüpft. Wer den klassischen DEF LEPPARD-Stoff auf „Slang“ vermisst hatte, den kann mit „Euphoria“ in den Schoß der Band zurückkehren.
Lineup:
- Joe Elliott – Gesang
- Phil Collen – Gitarre
- Vivian Campbell – Gitarre
- Rick Savage – Bass
- Rick Allen – Schlagzeug
Tracklist:
- Demolition Man
- Promises
- Back In Your Face
- Goodbye
- All Night
- Paper Sun
- It’s Only Love
- 21st Century Sha La La La Girl
- To Be Alive
- Disintegrate
- Guilty
- Day After Day
- Kings Of Oblivion
Aus den DEF LEPPARD-Archiven
Zur Rezension liegt uns die CD-Variante des Boxsets vor. Die CDs befinden sich allesamt in zum Teil aufklappbaren Digisleeves, die einer Vinyl-Hülle nachempfunden sind. Das geht so weit in Ordnung. Schicke Digipaks hätten das Set aber definitiv noch eine Spur edler wirken lassen.
Die Box selbst wiederum fühlt sich angenehm stabil an. Das Artwork zeigt wie schon bei „Volume One“ eine Collage aus den Covern der enthaltenen Alben. Neben den Studioalben ist auch wieder eine Raritätensammlung enthalten, dies ich diesmal auf drei CDs verteilt.
Für absolute DEF LEPPARD-Fanatiker sind diese CDs nicht weniger als eine Goldgrube. Neben den obligatorischen Live-Mitschnitten gibt es zahlreiche Demoaufnahmen aus Joe Elliots persönlichem Archiv. Anhand dieser können Fans die Entwicklung vieler Songs sehr gut nachvollziehen. Dazu gesellen sich alternative Versionen bekannter Songs sowie einige Medleys.
Eine lohnende Investition
Wie schon beim vorherigen Set ist das beiliegende Hardcover-Buch das Sahnehäubchen auf der Torte. In ausführlichen Liner Notes erzählt Rockjournalist Paul Elliott von der Entstehung der enthaltenen Alben. Der legendäre Ross Halfin wiederum trägt reihenweise toller Fotos bei.
Durch seinen schieren Umfang allein ist „Boxset Volume Two“ bereits eine lohnenden Investition. Die zu jederzeit spürbare Liebe, die in dieses Projekt geflossen ist, macht es endgültig perfekt. Sowohl langjährige Fans, als auch frisch hinzugestoßene DEF LEPPARD-Anhänger können mit dieser Box eine tolle Entdeckungsreise durch die Zeit nach dem kommerziellen Zenit der Band erleben.