Deadlock
Studioreport zum neuen Album "The Re-Arrival"
Special
Für die Modern-Melo-Deather DEADLOCK ist ihr neues Album „The Re-Arrival“ ein Trip in die Vergangenheit, schließlich enthält es vornehmlich alte Songs, die die Band neu aufgenommen hat. Aber eben auch drei neue … und nicht nur hier betritt die Band Neuland … und spürt bei den Aufnahmen den Geist der Schlagerbarden Roy Black und Nino de Angelo. Wie, warum, weshalb – das erklärt Frontmann John Gahlert in seinem Studioreport selbst.
Hamburg City – nach acht Stunden Autobahnrallye erreichen Sabine und ich endlich das legendäre Hamburger Chameleon Studio. Aller Ratio entgegen behauptet unser Navi felsenfest, dass wir vor dieser mehr als legendären Kultstätte stehen. Aber wo zum Henker soll das sein – zwischen einer Diakonie und einem Norma-Markt?
Und tatsächlich, die Tür, die eher dem Eingang zur Unterwelt oder einem Bunker ähnelt, öffnet sich, und ans Tageslicht treten unsere geschätzten Produzenten Alexander Dietz und Eike Freese.
Tief beeindruckt und voller Ehrfurcht können wir auf die Frage „Wart ihr schon einmal hier, und wisst ihr eigentlich, was hier schon alles vom Band gerollt ist?“, nur mit Kopfschütteln antworten. Die Antwort, garniert mit einem Lächeln: „Nein? Na dann kommt mal mit …“.
Eines ist klar, hier wurde und wird Musikgeschichte geschrieben. Unsere Heimat für die nächsten Tage ist voll bis unters Dach mit Stories der Stars und Sternchen. „Das Chameleon Studio war in den 90ern DAS Aufnahmestudio in Deutschland – hier haben sich Weltstars wie Tina Turner und Roy Black die Klinke in die Hand gegeben“, führen unsere Gastgeber aus. Bei der Besichtigung der einzelnen Aufnahmeräume bestaunen wir hochwertigste Technik und atmen Geschichte. Ein Hauch von Zigarrencharme liegt in der Luft: dunkle Holzmöbel, grobmaschiger, fleckiger Spielotheken-Teppich, Barhocker, Pooltische, gefühlt 1.000 Aschenbecher und ein sanfter Kaffeegeruch. Eigentlich fehlt nur noch ne Flasche Doppelkorn auf dem Tisch, und die Illusion, Nebendarsteller in einer Udo Lindenberg-Filmbiografie zu sein, ist perfekt … Killer!
Schließlich betreten wir Studio 2. Hier war unser Produzententeam mit unserem Gitarristen und Songwriter Sebastian schon mehr als fleißig und hat die vergangenen Tage Hand an die Demos der neuen Songs gelegt. Nicht ohne einen gewissen Stolz und Erleichterung tönt es gähnend aus dem Hintergrund: „Wir sind superzufrieden, auch wenn wir nicht geschlafen haben – die Songs haben große Momente – jetzt seid ihr dran.“
Jetzt zählt es also. Alexander manövriert mich nach hinten in einen kleinen Nebenraum und raunt mir mit einem verschmitzten Lächeln zu: „Hier hat Gottlieb Wendehals „Polonäse Blankenese“ eingesungen … wehe, du lieferst heute etwas Schlechteres ab.“ Ob der Gottlieb damals auch solchem Druck ausgesetzt war?!
Zum ersten Mal hören wir nun auch die fertigen neuen Songs … und zum zweiten Mal und zum dritten Mal … erste Vorschläge für Gesangslinien werden auf den Tisch gepackt, und auch der Rotstift für letzte Textoptimierungen wurde gezückt. Mit einiger Genugtuung lässt sich feststellen: „das klingt verdammt nochmal nach DEADLOCK – melodisch, trotzdem hart ins Gesicht, verspielt und trotzdem gerade … eure Fans werden das begrüßen“ – manchmal sind es die banalsten Weisheiten, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
„Sabine ist dran.“ Heißt für mich, dass der Arbeitstag mit einer Pause beginnt. Während sie in gewohnter Manier und mit Engelsgeduld den Anweisungen von Eike folgt und Strophe um Strophe nahezu „first take“ aufnimmt, inspiziere ich die Küche und versuche frauengerechten Kaffee zu kochen. Ob Jeanette Biedermann sich hier auch mal an einem heißen Kaffee verschluckt hat? Lustige Vorstellung – ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mich bei einem ihrer Videos verschluckt habe. Der menschliche Körper hat echt ausgezeichnete Auto-Schutzreflexe … nun ja. Nur wenige Stunden später wandert der Mikrofon-Staffelstab an mich weiter. Sabine ist die Beste und besorgt einstweilen alles, was echte Metaller zum Glücklichsein brauchen.
Gekleidet mit meinem besten Zwirn – einem astreinen weißen Ripp-Hemd und bewaffnet mit einem Sixpack Wasser folge ich absolut pflichtbewusst den Regieanweisungen in der Aufnahmekabine. Egal, wie oft man dieses Schauspiel schon durch hat, es ist und bleibt ein seltsames Gefühl, eine unschuldige Wand in einem Telefonzellengroßen Raum anzubrüllen. Sie kann ja schließlich am allerwenigsten dafür … Ich denke an den großen (Idioten) Heino, die Zillertaler Schürzenjäger und Nino de Angelo – alle standen ebenfalls hier drin … alle haben geschrien … die arme, arme Wand. Wenn sie könnte, würde sie sicher ganztags zurückschreien oder Frustrisse bekommen, da bin ich mir sicher. Ich riskiere einen Blick, kann aber keine entdecken. Geduldige Wand.
Das Obskure an Gesangsaufnahmen ist diese ominöse Zeit. Man verbringt eine gefühlte Ewigkeit in dieser Gummizelle, und wenn man schließlich wieder ans Tageslicht tritt, kommt es einem so vor, als wäre man gerade erst hineingestolpert. Aber das Gefühl ist immer wieder überwältigend. Eine absolute Befriedigung gepaart mit angenehmer Erschöpfung. Man hat etwas geleistet – und hofft auf etwas Großes. Die Vorfreude auf die Bühne und auf die Fans wächst, und die unfassbar absolute Emotion eines Live-Auftritts manifestiert sich als beinahe körperlich greifbar.
Zufrieden, gespannt und beinahe wehmütig treten wir nach drei Tagen, sechs Flaschen Wasser und unzähligen Aspirin mit drei neuen DEADLOCK-Songs im Kasten gutgelaunt unsere mehrstündige Heimreise in Richtung Bayern an.
Selten oder besser gesagt noch nie hatte eine DEADLOCK-Aufnahme eine dermaßen gute Aura – am liebsten hätten wir uns die fertigen Songs gleich auf Tape mitgenommen, um sie im Auto Dauerschleife zu hören – stattdessen scheint uns auch diesmal das Chameleon Studio auf unserer Heimfahrt als schützender Schatten zu begleiten: das „knallrote Gummibot“ von Wencke Myhre erklingt im Radio – na, wenn das kein gutes Omen ist.
John Gahlert (DEADLOCK)
Galerie mit 13 Bildern: Deadlock auf dem Summer Breeze Open Air 2016Mehr zu Deadlock
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Stile | Melodic Death Metal, Metalcore, Modern Metal |
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