Dark Tranquillity
Das meint die Redaktion zu "Construct"
Special
DARK TRANQUILLITY waren für mich stets der letzte Fels in der Brandung, während es mit dem schwedischen Death Metal langsam aber sicher bergab ging. AT THE GATES lösten sich auf, IN FLAMES veränderten ihren Stil weit in Richtung moderner Strömungen. Hoffnungsträger wie SOILWORK veröffentlichten zunächst gute Alben, drifteten aber für mich zusehends in die Belanglosigkeit ab. An die einstige Dominanz der Göteburger-Szene erinnerten nur noch DARK TRANQUILLITY, die auch nach über 20 Jahren Bandgeschichte immer konstant starke Alben veröffentlichten. Über „Projector“ und „Haven“ bis hin zu „Damage Done“ und „Fiction“ veränderte sich der Stil. Was blieb, war die Qualität. Mit „We Are The Void“ bekam diese unangreifbare Aura der Schweden für mich den ersten Knacks. Das Album war nicht schlecht, überzeugte mich aber lange nicht so wie seine Vorgänger. 2013 geht es nun mit „Construct“ weiter. Hat die Band sich gefangen oder folgt der totale Absturz?
Beim ersten Durchlauf zündet das Album erstmal überhaupt nicht. Das Energielevel wurde wieder heruntergeschraubt und insgesamt nähert sich die Band stilistisch wieder an „Projector“ an. Weniger Stakkato-Riffing, dafür mehr vom Mikael Stannes cleanem Gesang. Die Stimmung ist wehmütig und gedämpft, aggressive Ausbrüche sind nur noch selten zu verzeichnen. Eine gewisse Eingewöhnungszeit haben die Alben der Schweden ja schon immer gebraucht, also gleich auf zur nächsten Runde.
Wie erwartet wächst „Construct“ mitmehrmaligen Hören – allerdings nicht in dem erwarteten Maße. Und mit der Zeit reift die Befürchtung und Erkenntnis, dass es dieses Mal auch nicht besser wird. An die Klasse seiner Vorgänger reicht „Construct“ nicht heran. Das Album wirkt in seiner Gesamtheit inspirationsloser als alles, was man von DARK TRANQUILLITY bisher gehört hat. Und das ist keinesfalls auf stilistische Experimente bezogen. Auch von „Projector“ und „Haven“ bin ich ein großer Fan. Zu den Stärken der neuen Scheibe zählt, dass sie mit die dichteste Atmosphäre aller Veröffentlichungen der Band aufweist. Die Songs sind nachdenklich und teilweise auch fesselnd, aber eben nur bis zu einem gewissen Punkt. Zum ersten Mal fehlt DARK TRANQUILLITY dieses gewisse Etwas, das sie immer von der Konkurrenz unterschieden hat. Die Gitarrenarbeit ist erschreckend einfallslos, die cleanen Refrains von Stanne sind gut, aber wirken teils auch wie schon einmal gehört. Phasenweise klingen die Melodien generell, als würde man sich ein wenig bei den eigenen Hits bedienen. Und Anders Jivarp hat am Schlagzeug schließlich einen ganz schwarzen, undynamischen Tag erlebt.
Natürlich ist „Construct“ kein furchtbares Album. Einige Songs wie „Uniformity“, „Endtime of Hearts“ oder „Weight Of The End“ sind sogar richtig gut – 80 Prozent der Genre-Konkurrenz steckt man damit locker in die Tasche. Aber ist das wirklich der Anspruch der Schweden? DARK TRANQUILLITY sind seit jeher DIE Institution im Melodic Death Metal. Diese Position haben sie sich über Jahrzente hinweg mit herausragenden Veröffentlichungen erarbeitet und die eigene Messlatte damit entsprechend hoch gesetzt. Unterm Strich sind sie mit „Construct“ trotz vieler guter Ansätze nun an dieser gescheitert.
(Tim Helms | 6/10 Punkte)
DARK TRANQUILLITY sind eine ganz besondere Band, weil sie sich im Laufe ihrer mittlerweile gar nicht mehr so kurzen Karriere immer zum Melodic Death Metal bekannt haben, jenem musikalischen Breitwandkino, dessen Zusammenkunft von Melancholie, Emotionalität, Melodie und Grundhärte von keinem anderen Metal-Genre gestreift wird. Die Schweden sind alles andere als ohne Entwicklung gewachsen, dem klassischen und sehr basischen Sound der frühen 90er folgte eine Hinwendung zu einer etwas moderneren Spielweise, die Grundessenz des Melo Death ist bei DARK TRANQUILLITY im Gegensatz zu manchen Kollegen nie abhanden gekommen. Die letzte Scheibe „Into The Void“ begeisterte nicht alle Anhänger gleichermaßen, wohl vor Allem, weil den Kompositionen ein wenig der eigene Charakter fehlte. Mit „Construct“ nimmt die Band nun wieder Anlauf und springt zweifellos höher und weiter als beim letzten Versuch.
Der große Vorteil der neuen Scheibe ist die Art und Weise, wie es die Band schafft dafür zu sorgen, dass einerseits keiner der zehn Songs exakt wie ein anderer klingt, eine gewisse, diesmal weitaus düstere Grundstimmung aber auf dem kompletten Album beizubehalten. Der Opener „For Broken Words“ ist ein beinahe schon zurückhaltendes, waberndes Etwas, das den düsteren Ansatz von „Construct“ direkt unterstreicht, aber dennoch mit den typischen, herzergreifenden Gitarrenleads aufwartet. „The Silence In Between“ ist die Art Song, um deren Existenz auf der neuen Scheibe die Fangmeinde in Social Networks und anderswo gefleht hat: Eine schnelle, hochmelodische Nummer mit geradezu wahnsinniger Melodieführung, bei der Sänger Mikael Stanne für das aggressive Element sorgt. Eine Vorzeige-Melo-Death Nummer, bei der genau das passiert, was man als Genre-Fan, der diese Musik liebt, irgendwie niemandem so wirklich mit Worten erklären kann. Songs von diesem Schlage gibt es auf „Construct“ gleich mehrfach. Auch wenn die Musik auf den ersten Blick ein wenig bodenständiger klingt,an der Qualität von erstklassigen, nun ja, Hits wie „The Silence Of Noise“ (die Gitarren!) oder „None Becoming“ (die Atmosphäre!) ändert das rein gar nichts.
DARK TRANQUILLITY wagen diesmal, im Vorfeld wurde es bereits kommuniziert, mal wieder das Experiment, klaren Gesang in einen Teil der Songs als elementaren Bestandteil einfließen zu lassen. Das erinnert zwar manchmal logischerweise an „Projector“, was dennoch ein hinkender Vergleich ist, denn Mikkael klingt auf „Constrcut“ weniger traurig und gothic-lastig, weniger von Dave Gahan (DEPECHE MODE) inspiriert. Der Gesang taucht bei drei Songs auf, mal als Refrain, als Strophe oder als Bridge, und er bildet stets ein gelungenes Konglomerat mit den härteren Riffs und Melodien. Dieser Einfluss steigert die Emotionalität des Songmaterials noch einmal, „What Only You Know“ und „State Of Trust“ gehen beide als Albumhighlights durch, „Uniformity“ ist vielleicht ein bisschen weniger beeindruckend.
Halten wir fest: „Construct“ ist ein ganz hervorragendes Melo Death-Album, eines der wenigen, die noch genau das bieten, was das Genre zu einem goldenen Juwel unserer Szene macht (sofern man, wie mehrfach gesagt, ein Anhänger davon ist), und da wir die wirklich gute Vorarbeit der deutschen HARASAI nicht vernachlässigen wollen: Ganz sicher ist es eines der zwei besten Genre-Veröffentlichungen des Jahres, und das auch sicher noch im Dezember. Meisterlich.
(Heiko Eschenbach | 9/10 Punkte)
Mit den beiden letzten Scheiben „Fiction“ und „We Are The Void“ haben DARK TRANQUILLITY für mich persönlich nicht gerade ihre Glanzleistungen abgegeben. Ganz klar, beide Alben waren gut und hatten ihre Höhen, doch vermisste man das durchweg hochwertige Material einer „Character“, „Projector“ oder „Damage Done“. Entsprechend gespannt aber auch misstrauisch war ich auch auf das neue Lebenszeichen namens „Construct“.
Nachdem sich bereits vorab gewissen Änderungen abzeichneten und auch der erste Vorgeschmack in Gestalt des Songs „For Broken Words“ erstmal seltsam fremd wirkte, so wurden die Vorahnungen nochmals angestachelt. Aber nun, da das gesamte Werk vorliegt, muss man eingestehen: DARK TRANQUILLITY sind zurück und sie haben genau die Spannung, Energie und Perfektion der glorreichen Zeit um die Jahrtausendwende und dem Anfang des neuen Milleniums wieder verinnerlicht. „Construct“ glänzt mit viel Tiefgang, griffigen Songs und einer Menge Herzblut. Man erkennt zwar zu jeder Zeit, um welche Band es sich handelt und findet auch alle geliebten Trademarks aber trotzdem wirkt dieses Langeisen frisch und spannend. Die Jungs um Mikael Stanne haben es mal wieder geschafft, ihrem ganz eigenen Stil treu zu bleiben, ohne sich selbst zu kopieren. Nur braucht es eben ein wenig Zeit, um in seiner Gesamtheit erfasst zu werden.
Generell wirkt „Construct“ ein wenig düsterer als seine Vorgänger, aber dafür gibt es mit dem vorher schon genannten „For Broken Words“, dem hervorragenden „The Science Of Noise“ oder dem recht heftig groovendem „Endtime Hearts“ eine Menge hochklassiger Stücke, wie sie nur die Schweden zusammen bekommen. Mit dem abschließenden „None Becoming“ beweisen DARK TRANQULLITY dann nochmals dass sie auch tiefgehende, atmosphärische und extrem schwere Musik komponieren können, die erst einmal ihresgleichen suchen.
Am Ende lässt einen „Construct“ geplättet zurück und man möchte sich diesen Songs nur zu gern wieder hingeben. Dabei entwickelt sich dieses Album mit jedem Durchlauf weiter und zeigt ganz klar, warum diese Band zur Speerspitze des melodischen Death Metals gehört. So kann es gern noch viele Jahre weitergehen!
(Florian Hefft | 8/10 Punkte)
Galerie mit 30 Bildern: Dark Tranquillity - Endtime Signals Tour 2024 in KarlsruheMehr zu Dark Tranquillity
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Stile | Göteborg Death Metal, Melodic Death Metal |
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Dark Tranquillity auf Tour
17.04.25 | metal.de präsentiertDark Tranquillity – Endtime Signals Tour pt. II 2025Dark Tranquillity, Moonspell und HiraesProgresja, Warschau |
18.04.25 | metal.de präsentiertDark Tranquillity – Endtime Signals Tour pt. II 2025Dark Tranquillity, Moonspell und HiraesMajestic Music Club, Bratislava |
19.04.25 | metal.de präsentiertDark Tranquillity – Endtime Signals Tour pt. II 2025Dark Tranquillity, Moonspell und HiraesKino Siska, Ljubljana |
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Selbst-Disqualifizierung in 3,2,1:
„bildet stets ein gelungenes Konglomerat mit den härteren Riffs und Melodien“
Bitte nochmal im Duden nachschauen, bevor man Fremdwörter verwendet.
EIn Konglomerat ist ein Gemisch aus mehreren Materialien. Das ist im Reviewkontext eine metaphorische Darstellung, setzt aber, das gebe ich zu, geringe Kleinkariertheit voraus um nachvollzogen zu werden.
Durschnittswertung ist eine 7,4. Anscheinend spiegelt die offizielle 5 die Meinung der Redaktion nicht wieder. Fände es nicht schlecht, wenn man das anpassen würde, aber gut, wird eh nicht passieren.
@Albuin:
Zwei Dinge, nur ganz kurz:
1. Reviews bei metal.de werden in 95 Prozent der Fälle von Einzelpersonen verfasst und spiegeln die Meinung des entsprechenden Autors, und nicht die der Redaktion wider. Gibt es Platten von „verdienten“ oder „bedeutenden“ Bands eines Genres (z.B. DARK TRANQUILLITY), liefern wir den Lesern in der Regel ein Redaktionsspecial, um das Meinungsspektrum der Redaktion wiederzugeben. Es ist dennoch für eine Hauptrezi völlig irrelevant, welche Durchschnittswertung eine Platte im Special erreicht.
2. Zu deinem Vorschlag der Anpassung ein Beispiel: Wenn ich fünf Kolumnisten habe, die sich in einer Zeitung zur Affäre Wulff äußern – hebe ich dann automatisch den wohlwollendsten auf die Titelseite? Oder drucke ich in der nächsten Ausgabe Äußerungen wie „Sorry Leute, unser Chefredakteur war in seinem Kommentar ein bisschen grob. Viele unserer Redakteure finden den Wulff gar nicht so doof.“? Im Falle seriöser Magazine – sicher nicht.
So sehe ich das.